Z Gastroenterol 2015; 53(3): 256
DOI: 10.1055/s-0034-1397624
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Der besondere Fall – Rätselhafter Befund

Gero Moog
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Publication Date:
20 March 2015 (online)

Im April 2012 stellte sich ein 63 Jahre alter Patient mit unklaren Oberbauchbeschwerden zur Gastroduodenoskopie vor. Schmerzen wurden als postprandial, epigastrisch und nach dorsal ausstrahlend beschrieben. Der Patient hatte keine wesentliche Vorerkrankung, war mit 78 kg bei 174 cm allenfalls gering übergewichtig und nahm außer einem Antacidum keine regelmäßigen Medikamente. Eine einige Tage vor der Gastroduodenoskopie auswärtig durchgeführte Sonografie ergab keine wesentlichen Auffälligkeiten.

Auch laborchemisch waren keine wesentlichen Veränderungen zu sehen, lediglich eine geringe mikrozytäre Anämie mit einem Hb Wert von 12,4 g / dl. Am 13.4.2012 führten wir bei dem Patienten eine Gastroduodenoskopie unter Propofol Sedierung durch. Der Untersucher beschrieb folgenden Befund ( [Abb. 1]):

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Abb. 1: Endoskopischer Befund im Magen.

Ösophagusschleimhaut blass mit unauffälliger Oberfläche. Z-Linie bei 38 cm a.Z., Hiatus bei 42 cm a. Z. Helles Sekret im Magen. Unter Luftinsufflation entfaltet sich das Lumen vollständig. Regelrechte Magenperistaltik. Antrum- und Corpusschleimhaut unauffällig. Im Magen Nachweis eines länglichen Fremdkörpers, der an einem Faden befestig ist. Der Faden lässt sich bis zu einem Ulkus wenige cm proximal der Papille verfolgen und ragt aus dem Ulkus (PE Randbereich) heraus. In Inversion schließt die Kardia unvollständig um das Gerät. Pylorus schließt rund, lässt sich mit dem Gerät gut überwinden. Bulbus und descendierendes Duodenum unauffällig.

Folgende spontane Gedanken kamen dem Untersucher zunächst in den Sinn:

  • Der Patient ist in seiner Freizeit Schlangenbeschwörer und hat seine Lieblingsschlange verschluckt, möchte dieses aber aus haftungsrechtlichen Gründen verschweigen.

  • Bandwurm,

  • Verschluckte Thüringer Bratwurst, etwas stark durchgebraten,

  • Lakritze (Sonderanfertigung Marke black snake – wird von Haribo nur in Indonesien vertrieben).

Wie ging es weiter und was war des Rätsels Lösung? Die endoskopische Extraktion des Fremdkörpers gelang weder mit einem eingesetzten Greifer noch mit einer Schlinge. Die Konsistenz erschien hart, bei dem Versuch der Schlingenextraktion kam es zum Abbröckeln schwärzlichen Materials an einer Stelle.

Der Patient wurde noch am selben Tag stationär aufgenommen und den chirurgischen Kollegen vorgestellt. Diese führten am nächsten Tag eine Laparoskopie durch und konnten den Fremdkörper in insgesamt drei Teilen entfernen. Die Aufarbeitung ergab den vollkommen mineralisierten Körper einer Giftschlange aus der Familie der Vipern.

Der Patient berichtete auf intensives Nachfragen, dass er vor ungefähr 30 Jahren als junger Mann beruflich in Mexiko gewesen sei. Bei einer abendlichen Veranstaltung habe man unter dem Einfluss von reichlich Tequila auch Schlangen gegessen und neben dem dort nicht unüblichen Genuss gebratener Schlangen, habe er aus Übermut auch eine rohe, allerdings nicht mehr lebende Schlange verschluckt. Wie man an Hand des Präparates erkennen kann, wurde dabei auf das Kauen verzichtet.

Die Schlange hatte scheinbar über Jahrzehnte im Magen gelegen und war unter dem Einfluss der Magensäure vollständig denaturiert worden, so dass nur noch das Chitingerüst übrig blieb. Der steinharte Charakter hatte dann zu einem Druckulcus durch die Schwanzspitze geführt, was dann zu den Beschwerden führte. Vorher schien der Patient kaum Beschwerden gehabt zu haben. Wie man sieht, kann man also über Jahre auch mit Schlangen im Magen in erträglicher Koexistenz leben.