Aktuelle Urol 2014; 45(06): 436
DOI: 10.1055/s-0034-1397282
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Harninkontinenz – Behandlung geriatrischer Patienten

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Publication Date:
16 December 2014 (online)

 

    Für die Versorgung älterer Menschen, die an einer Harninkontinenz leiden, gibt es kein Patentrezept. Urologen, Gynäkologen, Internisten und Neurologen müssen eng zusammenarbeiten, um den Patienten zu helfen. „Die Harninkontinenz beim geriatrischen Patienten ist ein klassisches geriatrisches Syndrom, das nur interdisziplinär optimal behandelt werden kann“, erläutert Priv. Doz. Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologie am Evangelischen Krankenhaus Witten.

    Als Leiter der interdisziplinären Arbeitsgruppe Harninkontinenz der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) diskutierte er auf dem Jahreskongress der Fachgesellschaft Ende September neue Behandlungsmöglichkeiten und zukunftsweisende Ansätze. Ebenfalls stellte die Arbeitsgruppe die aktualisierte und komplett überarbeitete Leitlinie „Harninkontinenz“ vor. „Der Geriater sollte die Rolle eines Koordinators einnehmen das Know-How anderer Fachdisziplinen kennen und nutzen“, so Wiedemann. Wichtig sei dabei, dass er neben der körperlichen auch die psychische und soziale Dimension der Harninkontinenz im Auge behalte.

    Mitarbeit der Patienten ist wichtig

    Die Leitlinie betont, dass neben geeigneten Arzneimitteln auch Verhaltensänderungen eine Harninkontinenz verbessern können. Dazu gehören u. a. Gewichtsreduktion, weniger Kaffee und aufhören zu Rauchen. Oft können Ärzte und Patienten auch die Diuretika-Therapie optimieren, damit die Patienten nicht mehr so häufig zur Toilette müssen. Möglichkeiten dazu sind zum Beispiel die Gabe retardierter Präparate oder eine Dosisreduktion.


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    Aktualisierte S2-Leitlinie

    Dr. Klaus Becher, Chefarzt der Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation am HELIOS Hanseklinikum Stralsund, stellt einige Details aus der aktualisierten Leitlinie vor: Seit einigen Jahren neu auf dem Markt sind die Substanzen Fesoterodin und Silodosin. Der Muskarinrezeptor-Antagonist Fesoterodin stellt eine Option für die Behandlung einer überaktiven Blase bei geriatrischen Patienten dar. „Günstig ist die geringe Lipophilie des Fesoteridin, die dazu führt, dass es die Blut-Hirn-Schranke kaum überwindet. Das ist bei geriatrischen Patienten besonders wichtig, um kognitive Verschlechterungen zu vermeiden“, so Becher.

    Silodosin ist ein Alpha-1A-Adrenorezeptor-Antagonist zur symptomatischen Behandlung der benignen Prosatahypertrophie. Der überwiegend selektive 1A-Blocker bindet nur in geringem Ausmaß an die kardiovaskulären 1B-Rezeptoren, so dass es nur selten zu orthostatischen Nebenwirkungen kommt. „Auch dies ist bei geriatrischen Patienten besonders von Vorteil, um Schwindel und nachfolgende Stürze zu vermeiden“, betont der Geriater.

    Botulinumtoxin findet Einsatz bei neurogenen Blasenstörungen wie neurogener Detrusorüberaktivität und neurogener Blasenfehlfunktion. Das Toxin wird an verschiedenen Stellen in die Blasenmuskulatur injiziert und führt dort zu einer vorübergehenden Dämpfung der Detrusorkontraktilität. So kann die Blase mehr Urin über einen längeren Zeitraum speichern. Davon profi tieren im geriatrischen Bereich etwa Parkinson-Patienten. „Ein großer Vorteil für geriatrische Patienten sind die fehlenden Nebenwirkungen im zentralen Nervensystem“, so die Bewertung der DGG-Arbeitsgruppe.

    Glycosaminoglycanersatz: Glycosaminoglycane stellen eine Schutzschicht an der inneren Oberfläche der Blase dar gegen Bakterien, Kristalle oder andere Substanzen, die im Urin vorkommen. Wenn die Schutzschicht defekt ist, kann es leichter zu Harnwegsinfekten kommen. Eine Natrium-Hyaluronat-Lösung kann zum vorübergehenden Ersatz der körpereigenen Glycosaminoglycan-Schicht an der inneren Oberfläche der Harnblase instilliert werden.


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    Geriatrische Methoden auch für andere Fächer wichtig

    Die aktualisierte Leitlinie richtet sich auch an die Spezialisten anderer Fachdisziplinen. „Sie sollten die Besonderheiten geriatrischer Patienten kennen, beispielsweise im Hinblick auf Sturzneigung und Kognition“, betont Wiedemann. Beispielsweise könne es Sinn machen, vor geplanten urologischen Operationen ein geriatrisches Assessment durchzuführen. Dies könne die Entscheidung für oder gegen einen operativen Eingriff beeinflussen.

    Nach einer Pressemitteilung (DGG)


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