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DOI: 10.1055/s-0034-1397278
Vesikoureteraler Reflux – Operative endoskopische Eingriffe rückläufig
Publication History
Publication Date:
16 December 2014 (online)
Seit ihrer Einführung in den USA vor fast 10 Jahren wurde die endoskopische Unterspritzung zur Korrektur des vesikoureteralen Refluxes (VUR) bei Kindern zu einer beliebten Behandlungsoption. In den ersten Jahren hat sich die Anzahl der endoskopischen Refluxkorrektur fast verdreifacht, während die der offenchirurgischen Ureter-Reimplantationen relativ stabil blieb. Eine US-amerikanische Studie hat nun untersucht, ob dieser steigende Trend angehalten hat.
J Urol 2014; 191: 1628–1633
mit Kommentar
Zwischen 2004 und 2011 identifizierten Katherine W. Herbst, Hartford / USA, und Kollegen 30 148 Patienten mit Diagnose eines VUR, die entweder einer endoskopischen Injektion mit Dextranomer / Hyaluronsäure-Copolymer (Dx / HA) oder einer Ureter-Reimplantation unterzogen wurden. Die Daten wurden dem Pharmaceutical Health Information System (PHIS) entnommen. Mithilfe von CPT- und ICD-Codes wurden Patienten mit der Diagnose eines VUR und konsekutiver chirurgischer oder endoskopischer Therapie identifiziert.
Krankenhäuser, die ≤ 80 % ihrer ambulanten chirurgischen Eingriff e mit CPT-Codierung meldeten, schlossen die Autoren von der Studie aus, ebenso Patienten mit sekundärem VUR oder kompliziertem Verlauf und solche, die älter als 19 Jahre waren oder eine gleichzeitige Dx / HA-Injektion und Ureter-Reimplantation der Gegenseite erhielten. Die primären Endpunkte waren definiert als durchschnittliche Anzahl aller VUR-Interventionen pro Jahr, Dx / HA-Injektionen und Ureter-Reimplantationen pro Zentrum, sowie das Verhältnis der Dx / HA-Injektionen zu allen VUR-Interventionen.
Die Daten von 14 430 der 30 148 identifizierten Patienten konnten gemäß den Einschlusskriterien für die Studie ausgewertet werden. Bei diesen Patienten wurden in 33 amerikanischen Krankenhäusern insgesamt 17 826 Eingriffe durchgeführt. Mit 2 Ausnahmen handelte es sich bei allen Instituten um Lehrkrankenhäuser.
Rückgang der Unterspritzungen
Von den 17 826 berücksichtigten Interventionen wurde in 49 % der Fälle eine Ureter-Reimplantation und in 51 % eine Dx / HA-Injektion durchgeführt. Die Mehrzahl der Patienten war weiblich (83 %), das mediane Alter lag bei 4,7 Jahren (Interquartil Range: 2,5–7,2). Die Patienten, die eine Reimplantation erhielten, waren durchschnittlich 1 Jahr jünger (p = 0,001). Männliche Patienten waren bei allen VUR-Interventionen jünger (p < 0,001). Das mediane Alter bei der Dx / HA-Injektion sank während der Studienzeit von 5,8 in 2004 auf 5,0 Jahre in 2011, während das Alter bei Reimplantation relativ beständig war (2004: 4,2, 2011: 4,3 Jahre). Während der Studienzeit war ein signifikanter Abwärtstrend in der durchschnittlichen Gesamtanzahl der Antireflux-Eingriffe pro Zentrum zu sehen. Dies war der sinkenden Rate von Dx / HAInjektionen zuzuschreiben, da die Anzahl der Reimplantationen in etwa gleich blieb.
Der Einsatz der Dx / HA-Injektion in der untersuchten Kohorte scheint seit 2006 abgenommen zu haben, so das Ergebnis der aktuellen US-amerikanischen Studie. Da die durchschnittliche Anzahl von offenen Reimplantationen pro Zentrum relativ stabil blieb, werden in letzter Zeit scheinbar mehr Patienten konservativ behandelt. Mangels spezifischer klinischer Daten sei es jedoch schwierig zu eruieren, was diese Veränderung der therapeutischen Strategie verursache.
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Grundsätzliche Fragen nicht geklärt
Ein äußerst wichtiges Problem in der Kinderurologie ist der Vesikoureterale Reflux (VUR), und trotz zahlreicher, sehr wertvoller und auch prospektiver Studien und trotz des Vorliegens von Leitlinien, ist die Behandlung individuell und kontrovers [ 1 ], [ 2 ].
Herbst und Mitarbeiter analysierten den Trend in der invasiven Behandlung des primären VUR von 2004 bis 2011 bei 14 430 Patienten (17826 Prozeduren). Diese hohe Zahl an Eingriffen ließ auf fundierte Daten hoffen, dennoch kann die Erwartung an diese Analyse nur partiell und im Trend erfüllt werden.
Es wurden nur Patienten mit primären VUR analysiert; die Daten, erhoben aus dem Pediatric Health Information System, können aber grundsätzliche Fragen nicht klären.
Es sind Kliniken mit 29(!) aber auch mit 1147 behandelten Patienten vertreten, was durchaus zu hinterfragen sein wird.
Die Maßnahme der endoskopischen Korrektur (ET) nach Zulassung von DHA durch die FDA im Jahr 2001 führte durch die systematische Propagierung, durch Vorträge auf den Fachtagungen, durch mehrere amerikanische Studien (z. B. [ 3 ]) und gezielte Werbung der Industrie, zu einer starken Zunahme der ET bis 2006.
Diese Euphorie zu der ET kam sicherlich durch das „neue Material“ (DHA). Nach den guten historischen Ergebnissen des zunehmend inakzeptabel gewordenen Teflon [ 4 ] waren die folgenden Materialen entweder in der Handhabung oder in der Ergebnisqualität oder auch durch negative Schlagzeilen unbefriedigend geworden.
Erst DHA konnte dann, wie oben erläutert, zu einer höheren Akzeptanz führen.
Die hohe Zahl der weiblichen Patienten (83 %) und das Durchschnittsalter von 4,7 Jahren bei Therapie impliziert auch niedergradige VUR, die der medikamentösen Therapie durchaus zugänglich sind. Weiterhin sind bezüglich der Medikation neue und interessante Studien mit vielversprechenden Ergebnissen vorliegend [ 5 ].
Die nahezu unveränderte Zahl der Ureterozystoneostomien (UCN) in der Therapie zur VUR-Korrektur lässt bei diesen Patienten auf eine traditionelle Indikationsstellung schließen, wohingegen der Rückgang der ET vielschichtig zu bewerten ist. Zum einen konkurriert die ET mit der medikamentösen Prophylaxe, zum anderen sind die Früh- und Spätergebnisse denen der UCN unterlegen.
Von besonderem Interesse wären die Informationen zu den Kriterien, warum in der Behandlung des VUR die UCN oder die ET gewählt wurde. Außer dem Alter bei Therapie, 2,5–7,2 Jahre (4,7 median) lesen wir nichts über die Krankengeschichten, wie Infektionen (HWI und Pyelonephritiden), über Blasenentleerungsstörungen und es wird auch keine Information über die Nierenfunktion präsentiert, zudem liegen keine Angaben über den Reflux-Grad vor.
Weiterhin sind keine Angaben über die Vorbehandlung mit gegebenenfalls AB-Prophylaxe und deren Verläufe verfügbar. Man möchte das Vorgehen nach den Guidelines der AUA vermuten, aber dies lässt sich nicht voraussetzen [ 6 ].
Die Abnahme der ET in der Behandlung des primären VUR ist Fakt, die Ursachen sind vielschichtig.
Prof. Dr. Hans-Georg Dietz, München
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Literatur
- 1 Olbing H, Smellie JM, Jodal U et al. New renal scars in children with severe VUR: a 10-year study of randomized treatment. Pediatr Nephrol 2003; 18: 1128-1131
- 2 Peters CA, Skoog SJ, Arant Jr BS et al. Summary of the AUA Guideline on Management of Primary Vesicoureteral Refl ux in Children. J Urol 2010; 184: 1134-1144
- 3 Kirsch AJ, Perez-Brayfield MR, Scherz HC. Minimally invasive treatment of vesicoureteral reflux with endoscopic injection of dextranomer / hyaluronic acid copolymer: the Children‘s Hospitals of Atlanta experience. J Urol 2003; 170: 211-215
- 4 O‘Donnell B, Puri P. Treatment of vesicoureteric reflux by endoscopic injection of Teflon. Br Med J (Clin Res Ed) 1984; 289: 7-9
- 5 RIVUR Trial Investigators. Hoberman A, Greenfield SP et al. Antimicrobial prophylaxis for children with vesicoureteral reflux. N Engl J Med 2014; 370: 2367-2376
- 6 Sunaryo PL, Cambareri GM, Winston DG et al. Vesicoureteral reflux management and screening patterns: are pediatric urologists following the 2010 AUA guidelines?. BJU Int 2013;
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Literatur
- 1 Olbing H, Smellie JM, Jodal U et al. New renal scars in children with severe VUR: a 10-year study of randomized treatment. Pediatr Nephrol 2003; 18: 1128-1131
- 2 Peters CA, Skoog SJ, Arant Jr BS et al. Summary of the AUA Guideline on Management of Primary Vesicoureteral Refl ux in Children. J Urol 2010; 184: 1134-1144
- 3 Kirsch AJ, Perez-Brayfield MR, Scherz HC. Minimally invasive treatment of vesicoureteral reflux with endoscopic injection of dextranomer / hyaluronic acid copolymer: the Children‘s Hospitals of Atlanta experience. J Urol 2003; 170: 211-215
- 4 O‘Donnell B, Puri P. Treatment of vesicoureteric reflux by endoscopic injection of Teflon. Br Med J (Clin Res Ed) 1984; 289: 7-9
- 5 RIVUR Trial Investigators. Hoberman A, Greenfield SP et al. Antimicrobial prophylaxis for children with vesicoureteral reflux. N Engl J Med 2014; 370: 2367-2376
- 6 Sunaryo PL, Cambareri GM, Winston DG et al. Vesicoureteral reflux management and screening patterns: are pediatric urologists following the 2010 AUA guidelines?. BJU Int 2013;