Dialyse aktuell 2014; 18(09): 496-497
DOI: 10.1055/s-0034-1395906
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Therapieoption für Dialysepatienten – Eisenbasierter, kalziumfreier Phosphatbinder verringert tägliche Tablettenlast signifikant

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Publication Date:
24 November 2014 (online)

 
 

Die Therapie von Dialysepatienten ist mit einer täglichen Tablettenlast verbunden, die zu einer der höchsten unter allen chronisch Kranken zählt. Phosphatbinder tragen mit circa 50 % wesentlich dazu bei [ 1 ]. Die hohe Tablettenzahl kann zur mangelnden Adhärenz mit dem Risiko einer unzureichenden Phosphatkontrolle führen [ 2 ]. „Das teuerste Medikament ist dasjenige, das nicht eingenommen wird“, betonte Prof. Anjay Rastogi, Los Angeles (USA). Wie eine Übersichtsarbeit zeigte, halten sich lediglich 49 % der Patienten diesbezüglich an die Therapieempfehlung ihres Arztes [ 3 ]. Der Grund für die mangelnde Therapietreue liegt unter anderem in einer hohen Tablettenlast. Der erste zugelassene Vertreter der neuen Substanzklasse eisenbasierter, kalziumfreier Phosphatbinder Sucroferric Oxyhydroxid (Velphoro®) eröffnet jetzt die Möglichkeit, mit einer geringen Tabletteneinnahme – durchschnittlich 3 Kautabletten pro Tag – pro Tag eine effektive Phosphatsenkung zu erreichen [ 4 ].

Der zur Kontrolle des Serum-Phosphat-Spiegels bei erwachsenen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Hämo- oder Peritonealdialyse zugelassene eisenbasierte, kalziumfreie Phosphatbinder enthält als wesentliche Komponente Eisen(III)-Oxyhydroxid, das Phosphationen durch den Austausch von Hydroxidgruppen bindet. Die weiteren Bestandteile Stärke und Sucrose dienen der Stabilisierung des Eisens (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 Der kalziumfreie Phosphatbinder Velphoro® enthält Eisen(III)-Oxyhydroxid, das Phosphationen durch den Austausch von Hydroxidgruppen bindet. Die weiteren Bestandteile Stärke und Sucrose dienen der Stabilisierung des Eisens.

In-vitro-Daten belegten eine starke Phosphatbindung von Sucroferric Oxyhydroxid bei minimaler Eisenfreisetzung [ 5 ], so Prof. Rudolf P. Wüthrich, Zürich (Schweiz). Wie Messungen von radioaktiv markiertem Eisen im Blut von Nierengesunden und Dialysepatienten zeigten, kam es zu keiner klinisch relevanten Eisenaufnahme [ 6 ]. Bei Patienten mit Eisenmangel ohne Nierenerkrankung lag die Eisenaufnahme unter 0,5 % der zugeführten Dosis, bei hämo- und peritonealdialysepflichtigen Patienten unter 0,1 %.

Phase-III-Studie belegt effektive Phosphatsenkung

In der zulassungsrelevanten offenen, prospektiven, randomisierten und aktiv kontrollierten Phase-III-Studie [ 4 ] mit über 1000 erwachsenen Dialysepatienten wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten (500-mg-Tabletten, 1,0–3,0 g/d; Anfangsdosis 1,0 g = 2 Tabletten) mit dem Goldstandard der Phosphatbinder Sevelamerkarbonat (4,8–14,4 g/d; Anfangsdosis 4,8 g = 6 Tabletten) verglichen. Die Studienteilnehmer erhielten die oben genannten Dosierungen während einer 8-wöchigen Titrationsphase und einer anschließenden 4-wöchigen Studienphase ohne Änderung der Dosierung. Nach diesem Zeitraum folgte eine 12-wöchige Erhaltungstherapie.

Als primärer Endpunkt wurde die Überlegenheit von Sucroferric Oxyhydroxid bei der Erhaltungstherapie gegenüber einer niedrig dosierten Tablettengabe (250 mg/d) in Woche 27 definiert. Die niedrige Dosierung wurde als Kontrollmedikation gewählt, weil diese sich in einer Phase-II-Studie [ 7 ] als ineffektiv erwiesen hatte und so quasi als Placebo diente. Der sekundäre Endpunkt bestand laut Rastogi in der Nichtunterlegenheit von Sucroferric Oxyhydroxid gegenüber Sevelamerkarbonat in Woche 12.

Den Ergebnissen zufolge wurde der primäre Endpunkt erreicht. Gegenüber der nicht wirksamen Dosierung von Sucroferric Oxyhydroxid erwies sich die Erhaltungsdosis bei der Phosphatkontrolle als überlegen. Des Weiteren konnte die Nichtunterlegenheit gegenüber der Vergleichssubstanz Sevelamerkarbonat nachgewiesen werden. In Woche 12 wurde eine schnelle Reduzierung der Serum-Phosphat-Werte verglichen mit den Ausgangswerten beobachtet. Sie betrugen unter Sucroferric Oxyhydroxid 0,71 mmol/l und unter Sevelamerkarbonat 0,79 mmol/l. Wie Rastogi betonte, wurden diese Resultate mit durchschnittlich 3 Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten und 8 Sevelamerkarbonattabletten pro Tag erreicht (Abb. [ 2 ]). So konnte in der Studie mit dem eisenbasierten, kalziumfreien Phosphatbinder Sucroferric Oxyhydroxid oder PA21 eine signifikante Verringerung der Tablettenlast bei vergleichbarer Effektivität erreicht werden.

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Abb. 2 Die Senkung des Phosphatspiegels in den gleichen Zielbereich wurde mit PA21 (Velphoro®) gegenüber Sevelamer mit einer verringerten Tablettenlast pro Tag erreicht.
nach [ 4 ]

Auch war die Adhärenz bei der Einnahme von Sucroferric Oxyhydroxid allgemein höher: Sie betrug bis zur 24. Woche 83 %, unter Sevelamerkarbonat 77 % und bis zur 52. Woche 86 % (Sevelamerkarbonat 77 %).

Des Weiteren zeigte Sucroferric Oxyhydroxid ein ähnliches Verträglichkeitsprofil mit mindestens einem auf die Behandlung bezogenen unerwünschten Ereignis bei 83 % in der Gruppe mit der Sucroferric-Oxyhydroxid-Therapie und bei 77 % der Studienteilnehmer in der Vergleichsgruppe. Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, traten in der Gruppe mit dem neuen Phosphatbinder mit 15,7 % häufiger auf als in der Sevelamerkarbonatgruppe mit 6,6 %. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Sucroferric Oxyhydroxid bestanden in einer leichten, vorübergehenden Diarrhö und Stuhlverfärbungen.

Wie Rastogi weiter sagte, kam es unter der Therapie mit Sucroferric Oxyhydroxid gegenüber Sevelamer zu therapeutisch nicht relevanten Erhöhungen der Serum-Eisen-Spiegel. Außerdem gab es keine Hinweise auf eine Eisenakkumulation während der Behandlungsperiode über ein Jahr. Die Spiegel der Vitamine A, D, E und K blieben unter der Therapie mit dem neuen, eisenbasierten Phosphatbinder unverändert.

Die Studie hatte ein offenes Design, da aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen und der verschiedenen Einnahmeweise der beiden Phosphatbinder eine doppelblinde Studie nicht möglich war. Die zugelassene Anfangsdosierung von Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten betrug je eine Tablette zur Mahlzeit und 3 Tabletten pro Tag. Die Tabletten können ohne Wasser eingenommen werden und haben einen Waldbeergeschmack.


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Senkung des Mortalitätsrisikos

Die Bedeutung der Phosphatkontrolle unterstreichen die 3-Jahres-Daten der offenen, prospektiven Beobachtungsstudie COSMOS[ 1 ] [ 8 ] in der der Einfluss der Phosphatbindertherapie auf das Überleben von 6797 in 227 europäischen Dialysezentren behandelten Patienten bewertet wurde. Der multivariaten Analyse zufolge hatten Patienten, denen Phosphatbinder verschrieben wurden, ein um 29 % verringertes Risiko für die Gesamtmortalität und ein um 22 % reduziertes Risiko für kardiovaskuläre Sterblichkeit. Weiter sank das relative Mortalitätsrisiko für jede 10-prozentige Zunahme an Verschreibungen von Phosphatbindern um 8 %. Alle einzelnen und kombinierten Therapien mit Phosphatbindern, außer mit Aluminiumsalzen, zeigten eine positive Assoziation mit dem Überleben.

Auch die Diskussion um die potenziellen Risiken von kalziumhaltigen Phosphatbindern wird durch neue Daten belebt. Wie eine systematische Übersichtsarbeit [ 9 ] ergab, sind bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz kalziumfreie gegenüber kalziumbasierten Phosphatbindern mit einem geringeren Risiko für die Gesamtmortalität verbunden. Die Analyse von 11 randomisierten Studien mit insgesamt 4622 Patienten zeigte, dass die Therapie mit kalziumfreien Substanzen eine 22-prozentige Verringerung der Gesamtmortalität im Vergleich zu kalziumbasierten Phosphatbindern zur Folge hatte.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Update modernes Phosphatmanagement – neue Daten zu eisenhaltigen Phosphatbindern“, 08.09.2014, veranstaltet von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, auf der 6. Jahrestagung der DGfN, Berlin.
Der Autor ist freier Journalist.


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1 Current management Of Secondary hyperparathyroidism – a Multicenter Observational Study


  • Literatur

  • 1 Chiu YW, Teitelbaum I, Mistra M et al. Pill burden, adherence, hyperphosphatemia, and quality of life in maintenance dialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4: 1089-1096
  • 2 Arenas MD, Malek T, Gil MT et al. Challenge of phosphorus control in hemodialysis patients: a problem of adherence?. J Nephrol 2010; 23: 525-534
  • 3 Karamanidou C, Clatworthy J, Weinman J, Home R. A systematic review of the prevalence and determinants of nonadherence to phosphate binding medication in patients with end-stage renal disease. BMC Nephrol 2008; 9: 2
  • 4 Floege J, Covic AC, Ketteler M et al. A phase III study of the efficacy and safety of a novel iron-based phosphate binder in dialysis patients. Kidney Int 2014; 86: 638-647
  • 5 Wilhelm M, Gaillard S, Rakov V, Funk F. The iron-based phosphate binder PA21 has potent phosphate binding capacity and minimal iron release across a physiological pH range in vitro. Clin Nephrol 2014; 81: 251-258
  • 6 Geisser P, Philipp E. PA21: a novel phosphate binder for the treatment of hyperphosphatemia in chronic kidney disease. Clin Nephrol 2010; 74: 4-11
  • 7 Wüthrich RP, Chonchol M, Covic A et al. Randomized clinical trial of the iron-based phosphate binder PA21 in hemodialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol 2013; 8: 280-289
  • 8 Cannata-Andia JB, Fernández-Martín JL, Locatelli F et al. Use of phosphate-binding agents is associated with a lower risk of mortality. Kidney Int 2013; 84: 998-1008
  • 9 Jamal SA, Vandermeer B, Raggi P et al. Effect of calcium-based versus non-calcium-based phosphate binders on mortality in patients with chronic kidney disease: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2013; 382: 1268-1277

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Abb. 1 Der kalziumfreie Phosphatbinder Velphoro® enthält Eisen(III)-Oxyhydroxid, das Phosphationen durch den Austausch von Hydroxidgruppen bindet. Die weiteren Bestandteile Stärke und Sucrose dienen der Stabilisierung des Eisens.
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Abb. 2 Die Senkung des Phosphatspiegels in den gleichen Zielbereich wurde mit PA21 (Velphoro®) gegenüber Sevelamer mit einer verringerten Tablettenlast pro Tag erreicht.
nach [ 4 ]