Diabetes aktuell 2014; 12(06): 290
DOI: 10.1055/s-0034-1395743
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diabetestherapie – Neue Optionen in der Praxis

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Publication Date:
18 November 2014 (online)

 

    Prof. Thomas Danne, Chefarzt der Abteilung Pädiatrie III mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie am Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover, spricht über das Risiko von Hypoglykämien bei Menschen mit Diabetes und die Anforderungen an neue Therapieoptionen zur Behandlung von Diabetes.

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    Prof. Thomas Danne

    ? Herr Professor Danne, aktuellen Untersuchungen zufolge sorgen sich viele Menschen mit Diabetes vor Hypoglykämien, vor allem vor Unterzuckerungen in der Nacht. Wie erleben Sie diese Sorge in der täglichen Praxis?

    Danne: Viele Patienten fürchten sich vor Unterzuckerungen. Hypoglykämien stellen oftmals für Patienten mit Diabetes, aber auch in einem hohen Ausmaß für ihre Angehörigen, eine große Belastung im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung dar. Menschen mit Diabetes sind nach einer nächtlichen Unterzuckerung vielfach nicht ausgeruht und entsprechend in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Leider kann die Sorge vor einer nächtlichen Hypoglykämie auch dazu führen, dass Patienten sich zu wenig Insulin geben. Sie riskieren damit eine schlechtere glykämische Einstellung.

    ? Nächtlichen Hypoglykämien richtig begegnen: Was raten Sie Menschen mit Diabetes und ihren Angehörigen und welche Anforderungen stellen sich an neue Therapiemöglichkeiten?

    Danne: Menschen mit Diabetes und ihre Angehörigen sollten sich schulen lassen, um über Anzeichen und Risiken Bescheid zu wissen. Zudem sollten Patienten bei Verdacht auf Unterzuckerungen oder bei hohen Blutzuckerwerten nach dem Aufstehen auch nachts ihren Blutzucker messen, um eine Hypoglykämie rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls reagieren zu können. Gerade aus diesem Grund rate ich meinen Patienten auch, dass sie nicht alleine wohnen sollten bzw. ihr Umfeld über ihre Erkrankung und die entsprechende Notfallversorgung informieren sollten. Im Ernstfall ist dann jemand zur Stelle, der weiß was zu tun ist. Neue Behandlungsoptionen sollten daher ein möglichst geringes Risiko für Hypoglykämien haben, um dadurch zur Sicherheit des Patienten beizutragen.

    ? Mit Insulin degludec ist seit Mai 2014 erstmals seit 10 Jahren ein neues Basalinsulin in Deutschland verfügbar. Auf welcher Datenbasis erfolgte die Zulassung von Insulin degludec?

    Danne: Die Zulassung beruht auf dem Studienprogramm BEGIN®. Insgesamt wurden im Rahmen dieses Studienprogramms 4275 Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mit Insulin degludec behandelt. In den meisten Studien wurde das neue Basalinsulin Insulin degludec mit Insulin glargin verglichen. Innerhalb des Studienprogramms zeigte sich in der Studie BB T1 LONG bei Menschen mit Typ-1-Diabetes, die zuvor mit einem Basal-Bolus-Konzept behandelt wurden, über 52 Wochen keine Unterlegenheit von Insulin degludec im Vergleich zu Insulin glargin: Die behandelnden Ärzte konnten ihre Patienten bei einem Ausgangswert von durchschnittlich 7,7 auf einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von 7,3 einstellen. Unter Insulin degludec zeigte sich außerdem ein um 25 % verringertes Risiko für bestätigte nächtliche Hypoglykämien. In der weiteren Studie ONCE LONG über 52 Wochen, in die Menschen mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen waren, die mit den zur Verfügung stehenden oralen Medikamenten ausbehandelt waren, zeigte sich ein ähnlicher Effekt: Es wurde ein um 36 % geringeres Risiko für das Auftreten bestätigter nächtlicher Hypoglykämien unter Insulin degludec im Vergleich zu Insulin glargin beobachtet. Eine prospektiv geplante Metaanalyse aus 7 klinischen Studien, 5 bei Typ-2-Diabetes und 2 bei Typ-1-Diabetes, ergab für Insulin degludec darüber hinaus bei Patienten mit Typ-2-Diabetes bei vergleichbarer HbA1c-Senkung ein geringeres Risiko für nächtliche Hypoglykämien im Vergleich zu Insulin glargin. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zeigte sich eine solche Überlegenheit in der Erhaltungsphase ab der 16. Woche.

    ? Welche Bedeutung hat die neue Flexibilität von Insulin degludec für Menschen mit Diabetes?

    Danne: Vielen Menschen mit Diabetes ist es nicht möglich, ihr Basalinsulin immer zur gleichen Zeit zu spritzen. Werden die regelmäßigen Abstände zwischen den Injektionen nicht eingehalten, kann dies das Risiko für Hyper- und Hypoglykämien erhöhen. Die Einführung von Insulin degludec ermöglicht Menschen mit Diabetes nun jedoch eine neue Flexibilität im Rahmen ihrer Diabetestherapie. Dies bestätigen die beiden FLEX-Studien, in welchen flexible Spritzzeiten im Abstand von 8–40 Stunden erzwungen wurden. Das Ergebnis: Gegenüber der fixen Gabe entstand durch die flexible Wahl der Injektionszeitpunkte kein Nachteil. Diese bei Bedarf mögliche Flexibilität des Spritzzeitpunkts ist für Menschen mit Diabetes wirklich etwas Neues. Das ist besonders für junge Erwachsene z. B. bei spontanen Klassentreffen, Univeranstaltungen oder Ausflügen mit Freunden wichtig oder auch für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten oder viel reisen und dadurch häufig einen unterschiedlichen Tagesablauf haben. Wichtig ist jedoch, dass der Abstand zwischen den Injektionen immer mindestens 8 Stunden beträgt.

    ! Herr Professor Danne, herzlichen Dank für das Gespräch.


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    Prof. Thomas Danne