intensiv 2014; 22(06): 294-295
DOI: 10.1055/s-0034-1395426
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Motivation

Heidi Günther
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Publication Date:
10 November 2014 (online)

„Tu was du kannst, mit dem was du hast, dort wo du bist.“
(Theodore Roosevelt, 1858–1919)

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(Foto: Paavo Blåfield)

Als mein Bruder und ich noch Kinder waren, haben unsere Eltern versucht, uns mit unterschiedlichsten und manchmal sehr pfiffigen Anreizen zu Höchstleistungen in der Schule oder im Sport, im allgemeinen Verhalten oder zum Aufräumen unserer Zimmer zu motivieren. Wenn ihr das und das macht, dann bekommt ihr das und das. Oft ging es dabei um die Aufwertung unseres Taschengeldes, um bestimmte Klamotten, die wir zwar nicht brauchten, aber unbedingt haben mussten oder Ähnliches. Je höher der Anreiz, umso mehr liefen wir zu Hochform auf und haben meist alles zur beiderseitigen Zufriedenheit erledigt.

Als ich dann meinen Sohn hatte und auch er viele Alltäglichkeiten als völlig überbewertet sah, habe ich auf die Erziehungs- und Motivationstricks meiner Eltern zurückgegriffen. Schließlich waren sie ja einigermaßen erfolgreich gewesen. Was ich dabei damals allerdings nicht bedacht habe, war die offensichtlich inflationäre Entwicklung beim Taschengeld. Während mein Bruder und ich uns über eine Mark für eine Eins in der Schule noch gefreut haben, konnte mein Sohn über eine Mark und dann später gar über 50 Cent nur müde lächeln. Da musste ich dann schon andere Kaliber auffahren. Es fiel auch schon mal das Wort „Erpressung“, und dass natürlich bei anderen Kindern mit anderen Eltern alles viel einfacher wäre. Aber das hatte schon alles seine Ordnung. Schließlich ist es ja mein Sohn und was tut man da nicht alles, wenn nur das Ergebnis stimmt.

Schwieriger wurde es dann in Sachen „Motivation“ in meinem Berufsleben und besonders als Stationsleitung.

Dabei hatte man mich damals nicht einfach so auf die Kollegen losgelassen. Ich habe alle Mühen durchlitten. Von der Schichtleitung zur stellvertretenden Stationsleitung bis zur Leitung. Auch die Stationsleitungsweiterbildung habe ich vor langer Zeit mit allem Drum und Dran absolviert. Dazu noch gefühlte Hunderte Fortbildungsmaßnahmen, Führungskräfteschulungen, Workshops, interne und externe Veranstaltungen – und ein Ende ist nicht in Sicht. Ich kenne fast alle Typen von Coaches und deren Aufbau für eine solche Veranstaltung. Ähnlich ist es mit dem Vorstellungsprozedere, wenn man sich wieder mal in einer fremden Runde trifft. Nur der Name und das Alter genügen meist nicht, um sich den bis dahin noch fremden Menschen vorzustellen. Da muss es schon etwas Kreatives, bestenfalls Witziges sein, und wenn gar nichts geht, geht auch etwas Trauriges oder Dramatisches. Dabei kommt immer gern das obligatorische Wollknäuel zum Einsatz, das von einem Teilnehmer zum anderen Teilnehmer geworfen wird und der Fänger muss dann etwas über sich erzählen. Ich war in Gruppenarbeiten involviert, habe Kurzreferate aus dem „Handgelenk“ zu bestimmten Themen vorbereitet und gehalten. Flipcharts beschrieben oder von denen abgeschrieben und die Motivationspyramiden nach den Herren Maslow und Herzberg hoch und runter gelernt. Für kein Rollenspiel war ich mir zu schade – es gelingt einem ohnehin kaum, sich in diesen Veranstaltungen davor zu drücken. Und nicht zuletzt habe ich Gesprächsführungen in allen nur erdenklichen Situationen und Konstellationen erlernt und geübt. Ich habe dort von Möglichkeiten wie Incentives gehört, mich darüber schlau gemacht und sie dann auch schnell wieder als Motivationsmöglichkeit verworfen. Denn die gemeine Krankenschwester oder der Krankenpfleger an sich rechnet wahrscheinlich eher nicht mit einer Reise nach Bali oder mit einem Dienstwagen.

Es soll jetzt nicht der Eindruck erweckt werden, dass all diese Dinge nichts gebracht haben. Ich denke schon, dass ich im Stationsalltag aus dem Gehörten und Erlebten schöpfen kann, mindestens aber rein intuitiv einiges von dem Gelernten umsetze.

Trotzdem stehe ich am Ende des Tages für den reibungslosen und qualitativ möglichst optimalen Ablauf einer Station in der Verantwortung und muss gerade in den Zeiten von Generation Y (bei der die Work-Life-Balance auf der Prio-Liste ganz oben steht) sehen, wie dabei alle Seiten zufriedengestellt werden.

Die Ansprüche des Arbeitgebers sind klar und deutlich formuliert. Die meiner Kollegen bis zu einem bestimmten Punkt auch. Wenn es aber persönlich wird, sind doch viele variable Ansprüche, subjektive Lebenssituationen und Befindlichkeiten zu beachten.

Als Stationsleitung bin ich nun nicht in der Position, meine Kollegen mit monetären Anreizen zu mehr Leistung zu motivieren. Da war es doch bei meinem Sohn leichter. Obwohl, ich kenne eine Klinik, in der zum Beispiel die Löhne der nicht besetzten Planstellen dem anwesenden Personal zugutekommen. Sehr gut finde ich auch leistungsorientierte Gehälter. Aber das nur nebenbei.

Mir bleiben als Motivationshilfen zum Beispiel: die Dienstplangestaltung unter Beachtung der persönlichen Wünsche und Situationen, die berufliche Förderung der Kollegen, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, persönliches Interesse zu zeigen, an Geburtstage zu denken, ab und an mal eine Stationsfeier zu planen, mit Lob nicht zu sparen und Loyalität stets und immer zu demonstrieren.

Und immer, wenn der nächste Dienstplan steht, wenn die nächste Urlaubszeit oder Grippewelle überstanden ist, wenn schwierige Situationen auf Station gemeistert wurden und Kündigungen ausbleiben und die allgemeine Stimmung und die Laune der einzelnen Kollegen offensichtlich immer noch super ist, staune ich, wie gut es doch eigentlich läuft und dass wir doch so einiges richtig gemacht haben.

Wenn das nicht Motivation für die Zukunft ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

In diesem Sinne,

Ihre
Heidi Günther