Hintergrund
Die aktuelle GOLD-Empfehlung [1 ] hat gegenüber der früheren GOLD-2007-Version [2 ] die Schweregrad-Einstufung I–IV, die ausschließlich an die Einschränkung der Lungenfunktion
gekoppelt war, ergänzt um die Dimensionen Lebensqualität mit dem CAT-Test [3 ] bzw. Dyspnoe (mMRC) und die Exazerbationsrate. Diese Größen gehen in die Schweregradeinstufung
nach A–D in einer Vierfelder-Tafel ein. Die vorgelegte Untersuchung soll einen Beitrag
zur Frage leisten, inwieweit hierdurch ein substantieller Fortschritt in der Beurteilung
und Behandlung von COPD-Erkrankten unter Alltagsbedingungen in der pneumologischen
Praxis geschaffen wurde. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Schweregrad-Graduierung
umso eher von den behandelnden Ärzten befolgt und angewendet wird, je spürbarer der
praktische Nutzen für Einstufung und Therapieentscheidungen ist. Eine Umfrage unter
Pneumologen in Deutschland ergab eine geringe Neigung, die neuere COPD-Einstufung
nach GOLD A–D in den Versorgungsalltag zu übernehmen [4 ]. Grundsätzlich besteht unter Pneumologen die Tendenz, die Nationale Versorgungsleitline
COPD [5 ] der GOLD-Empfehlung vorzuziehen [6 ]
Die GOLD A–D-Einstufung bietet neben der Einbeziehung der oben genannten zusätzlichen
Dimensionen allerdings Unschärfen: Bei der Bewertung von Lebensqualität/Dyspnoe steht
dem Anwender die Auswahl einer der beiden möglichen Skalen offen. Er kann sich zwischen
der Lebensqualitätsskala (CAT) und der reinen Dyspnoe-Skala (mMRC) entscheiden, und
es wird Fälle geben, in denen die jeweils andere Skala zu unterschiedlichen Ergebnissen
bei der Entscheidung der Eingruppierung nach A/C bzw. C/D führt. Hinzu kommt, dass
vielfach die Frage aufgeworfen wurde, ob die CAT-Trennung bei 10 Punkten zwischen
A/C und B/D zu niedrig gewählt ist. Weiter muss ins Kalkül gezogen werden, dass in
der neuen A–D-Einstufung abrupte Schweregradwechsel in kurzer Zeit möglich werden,
wenn die subjektive Selbsteinstufung (CAT bzw. mMRC) sich von Kontrolltermin zu Kontrolltermin
wandelt bzw. eine vermutete bzw. tatsächliche Zunahme oder Abnahme der Exazerbationen
eintritt. Dann kann bei einem individuellen Patienten innerhalb kurzer Frist ein Stadienwechsel
von A nach D bzw. umgekehrt stattfinden, was seinem langfristig-globalen Krankheitsgeschehen
wohl nicht angemessen sein dürfte. Weiter ist anzumerken, dass bei der Einstufung
von Verschlechterungen im definitorischen Sinne einer tatsächlichen Exazerbation Unschärfen
und Unsicherheiten bestehen, die diese so wichtige Dimension in GOLD A–D zusätzlich
schwächen dürften [7 ].
Im Hinblick auf die Mortalitäts-Prognose hat GOLD A–D im Vergleich zu GOLD I–IV enttäuscht
[8 ]
[9 ]. Andere Einstufungssysteme/Scores haben sich als überlegen erwiesen [10 ].
Im Hinblick auf die therapeutischen Entscheidungen sollte ein Schweregrad-System eine
möglichst eindeutige Übersetzung in Therapieentscheidungen erlauben und damit den
Einsatz des therapeutisch verfügbaren Arsenals für die Anwendung klar vorstrukturieren.
Im Falle der COPD-Erkrankung geht es hier also um die therapeutischen Module der Tabakentwöhnung
[11 ], des Bewegungstrainings [12 ], der antiobstruktiven inhalativen Therapie sowie der antiinflammatorischen Therapie
mit ihren inhalativen und systemischen Wirkstoffen. Bei letzteren soll die Entscheidung
über den Einsatz inhalativer Corticosteroide [13 ]
[14 ] und die Entscheidung über den Einsatz von Roflumilast [15 ] erleichtert werden. Weitergehende Vorschläge der antiinflammatorischen Therapie
erstrecken sich auf eine Langzeitantibiotikatherapie bzw. den Einsatz von Statinen
[16 ]
[17 ]. Wünschenswert wäre also eine quasi personalisierte Patienten-zentrierte Profilerstellung,
die das therapeutische Muster vorzeichnet und die sich im Schweregrad-Muster abbildet
[18 ].
Die hier vorgelegte Untersuchung wirft einen Blick auf das reale Verteilungsmuster
von Patienten mit COPD in der pneumologischen Alltagsversorgung in Deutschland. Sie
erlaubt eine Abschätzung der Wirkung der Anwendung der Einstufungen GOLD I–IV bzw.
GOLD A–D und versucht, Auswirkungen im therapeutischen Bereich (Pharmakotherapie)
zu beleuchten.
Methoden
In 18 pneumologischen Facharztpraxen wurden 1274 Patienten mit einer COPD, die von
Haus- und Facharzt gemeinsam betreut wurden, schriftlich befragt. Die Einschlusskriterien
waren: erwachsene Patienten (mindestens 18 Jahre alt) mit COPD, die Diagnose muss
vom Pneumologen bestätigt sein, der Patient muss nicht „neu“ sein, und der Patient
wurde vom Hausarzt überwiesen bzw. wird gemeinsam mit dem Hausarzt betreut. Dabei
wurde unter anderem die Beeinträchtigung durch die Erkrankung mittels des CAT erhoben.
Ferner wurden die Patienten nach Exazerbationen in den letzten 12 Monaten befragt.
Die Autoren entschlossen sich dazu folgende Frage zu verwenden: „Wie häufig hat sich
Ihre COPD in den letzten 12 Monaten – z. B. durch eine Infektion – spontan verschlechtert,
sodass Sie einen Arzt aufsuchen mussten? In dieser Frage wurde auf die Komponenten
„zusätzliche Verordnung von Medikamenten wie Antibiotika“ verzichtet, weil fälschlich
unterbliebene Medikamentenverordnungen sonst zu niedrig ermittelte Exazerbationsraten
zur Folge hätten.
Die Praxis machte auf einem separaten Dokumentationsbogen weitere Angaben wie den
Schweregrad der Erkrankung nach GOLD I–IV. Außerdem wurde von der Praxis die Therapie,
mit der der Patient zugewiesen wurde, und diejenige, mit der er die Praxis verlässt,
erhoben. Bei unveränderten Arzneimitteln wurde eine eventuelle Dosissteigerung oder
Dosisreduzierung registriert.
Mit den Angaben zu CAT, Exazerbationen und Schweregrad wurde die Gruppenzugehörigkeit
nach GOLD A–D ermittelt. Der Algorithmus ist in [Tab. 1 ] dargestellt.
Tab. 1
Algorithmus zur Ermittlung der Gruppenzugehörigkeit A–D nach GOLD.
CAT
GOLD
Exazerbation
Resultat
< 10 Punkte
I oder II
≤ 1
A
≥ 10 Punkte
I oder II
≤ 1
B
< 10 Punkte
III oder IV
≤ 1
C
≥ 10 Punkte
III oder IV
≤ 1
D
< 10 Punkte
I oder II
> 1
C
≥ 10 Punkte
I oder II
> 1
D
< 10 Punkte
III oder IV
> 1
C
≥ 10 Punkte
III oder IV
> 1
D
Nicht berücksichtigt wurde das erhöhte Risiko auch bei 1 Exazerbation mit Hospitalisation,
da zur Hospitalisation verlässliche Daten nicht gewonnen werden konnten.
Nach GOLD A–D ist ein Schwellenwert von 10 Punkten beim CAT oder mehr zur Differenzierung
der Gruppen hinsichtlich der Symptome vorgesehen. Es wurde auch ermittelt, welche
Auswirkung eine Verschiebung der Schwelle auf 15 und mehr und auf 20 und mehr Punkte
auf die Gruppenverteilung hätte (siehe weiter unten).
Gruppe A: Geringes Risiko, geringe Symptome Gruppe B: Geringes Risiko, mehr Symptome Gruppe C: Hohes Risiko, geringe Symptome Gruppe D: Hohes Risiko, mehr Symptome
Ergebnisse
In den 18 pneumologischen Praxen wurden 1274 Patienten im 4. Quartal 2014 dokumentiert,
die den Einschlusskriterien entsprachen. Von diesen waren lediglich 8 Patienten jünger
als 40 Jahre. Der Mittelwert der Geburtsjahre lag bei 1944, was einem Alter von 69
Jahren entspricht.
Bei 96 % klassifizierte die Praxis den Schweregrad nach GOLD I–IV, 92 % der Patienten
füllten den CAT korrekt aus, und 90 % beantworteten die Frage nach Exazerbationen.
Bei insgesamt 80 % lagen alle drei Informationen vor. Nur diese Probanden (N = 1019 ≙ 80 %),
von denen sämtliche Informationen vorlagen, gelangten in die vergleichende Auswertung
hinsichtlich Schweregrad und Gruppenzugehörigkeit nach GOLD.
Die Verteilung der GOLD-I–IV-Schweregrade in den pneumologischen Praxen zeigt [Abb. 1 ]. 14 % haben danach eine COPD mit einem Schweregrad gemäß GOLD 1, 47 % gemäß GOLD
2, 29 % gemäß GOLD 3 und 9 % gemäß GOLD 4.
Abb. 1 Verteilung der Patienten nach Schweregrad.
Hinsichtlich der Beeinträchtigung nach CAT ergab sich die Verteilung nach [Abb. 2 ]. Danach empfanden 18 % nur eine geringe Beeinträchtigung (CAT bis 9 Punkte). 47 %
eine mittlere, 27 % eine hohe und 8 % eine sehr hohe Beeinträchtigung.
Abb. 2 Verteilung der Patienten hinsichtlich ihrer Beeinträchtigung nach CAT-Klassen.
Bei der Frage nach Exazerbationen in den letzten 12 Monaten gaben 51 % 0-mal an, 24 %
1-mal,14 % 2-mal, 6 % 3-mal und 6 % häufiger als 3-mal an. Insgesamt nannten also
26 % mehr als eine Exazerbation in den letzten 12 Monaten ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Häufigkeit der Exazerbationen in den letzten 12 Monaten nach Patientenangabe.
Einen synoptischen Überblick der Probanden-Einstufung nach GOLD I–IV vs. GOLD A–D
gibt die [Abb. 4 ].
Abb. 4 a Synoptischer Überblick der Probanden-Einstufungen nach GOLD I–IV.
Abb. 4 b Synoptischer Überblick der Probanden-Einstufungen nach GOLD A–D.
Es zeigte sich, dass der Schweregrad nach GOLD nicht unbedingt einen Rückschluss auf
die Beeinträchtigung durch die COPD zulässt. ([Abb. 5 ]) Zwar ist eine stärkere Beeinträchtigung bei höherem Schweregrad häufiger als bei
einem geringeren Schweregrad der Erkrankung. Jedoch zeigte sich, dass ein namhafter
Anteil von Patienten mit einer COPD GOLD I oder II durchaus erheblich beeinträchtigt
ist. Umgekehrt sind zahlreiche Patienten mit einer COPD III oder IV nicht oder nur
gering beeinträchtigt.
Abb. 5 Beeinträchtigung durch die COPD gemessen mit CAT nach Schweregrad GOLD I–IV.
Ein ähnliches Bild zeigt auch die Häufigkeit von Exazerbationen in Abhängigkeit vom
Schweregrad. Zwar nimmt die Häufigkeit von Exazerbationen mit dem Schweregrad zu.
Aber auch bei geringem Schweregrad gibt es einen Anteil von über 20 % mit 2 oder mehr
Exazerbationen in den letzten 12 Monaten ([Abb. 6 ]).
Abb. 6 Häufigkeit von Exazerbationen nach Schweregrad GOLD I–IV der COPD.
Da Informationen zu Schweregrad der COPD, Beeinträchtigung durch die Erkrankung und
Häufigkeit von Exazerbationen vorliegen, erfolgt die Aufteilung der Patienten nach
dem Algorithmus nach [Tab. 1 ]. Das Ergebnis zeigt [Abb. 7 ].
Abb. 7 Anteile der Gruppen A–D nach GOLD gemäß Algorithmus nach [Tab. 1 ].
22 % gehören zur Gruppe A mit geringem Risiko und geringen Symptomen, 31 % zur Gruppe
B mit geringem Risiko und mehr Symptomen, 5 % zur Gruppe C mit hohem Risiko und geringen
Symptome und 41 % zur Gruppe D mit hohem Risiko und mehr Symptomen.
Wesentlich beeinflusst werden die Anteile der Patienten an den jeweiligen Gruppen
auch durch das Ergebnis des CAT mit 10 Punkten als Schwellenwert der Beeinträchtigung.
Verschiebt man diesen Wert auf 15 oder 20 Punkte, hat das einen erheblichen Einfluss
auf die Patientenverteilung nach Gruppen. Das Ergebnis, nämlich die Verschiebung von
Gruppe B nach A und von Gruppe D nach C zeigt [Abb. 8 ]. Bei einem Schwellenwert von 15 Punkten erhöhen sich die Anteile der Gruppen A und
C mit geringer Beeinträchtigung bereits um mehr als das Doppelte von 12 % auf 25 %
und von 6 % auf 14 %. Die Gruppe D mit hohem Risiko und hoher Beeinträchtigung sinkt
von 46 % auf 39 %. Bei einem Schwellenwert von 20 Punkten sinkt die Gruppe D auf 28 %.
Abb. 8 Einfluss des Schwellenwertes beim CAT (10, 15 und 20 Punkte) auf die Anteile der
Patienten nach Gruppen A–D.
Die Gruppen C und D setzen sich jeweils aus Patienten zusammen, die diesen Gruppen
wegen Beeinträchtigung, Schweregrad und/oder Exazerbationen zugeordnet werden. Die
Aufteilung zeigt [Abb. 9 ]. Die Gruppen wurden jeweils in 3 Untergruppen unterteilt. Die Merkmale sind in [Tab. 2 ] zusammengefasst. Die Patienten der Gruppen C 2/3 und D 2/3 wurden jeweils wesentlich
wegen der Exazerbationsrate ihrer Gruppe zugeordnet.
Abb. 9 Anteile der Untergruppen C und D 1 – 3 an der jeweiligen Gruppe.
Tab. 2
Merkmale der Untergruppen C und D 1 – 3.
Gruppe
CAT
Schweregrad
Exazerbation
C1
< 10 Punkte
III oder IV
≤ 1
C2
< 10 Punkte
I oder II
> 1
C3
< 10 Punkte
III oder IV
> 1
D1
≥ 10 Punkte
III oder IV
≤ 1
D2
≥ 10 Punkte
I oder II
> 1
D3
≥ 10 Punkte
III oder IV
> 1
Raucherstatus:
[Abb. 10 ] zeigt vergleichend, wie sich der Raucherstatus (Raucher, Exraucher bzw. Niemals-Raucher)
auf die Eingruppierung im System GOLD I–IV bzw. A–D verhält.
Abb. 10 Raucherstatus-Einstufung nach GOLD I–IV bzw. A–D.
Eine wenn auch schwache Beziehung zwischen Raucherstatus und Schweregrad findet sich
eher im System I–IV als im System A–D.
Therapie:
[Abb. 11 ] zeigt die Therapie der COPD unter Alltagsbedingungen in pneumologischen Praxen bei
Patienten, die gemeinsam mit Hausärzten betreut werden. Kurzfristige Bedarfsmedikation
wird mit dem Schweregrad zunehmend verordnet. Die Werte liegen zwischen etwa 50 %
und über 70 %. Deutlich, von 50 % bis fast 90 %, nehmen die langwirksamen Anticholinergika
mit dem Schweregrad zu. Einen vergleichbaren Trend auf niedrigerem Niveau beobachtet
man bei fixen Kombinationen mit langwirksamen Beta2-Agonisten mit inhalativem Kortison,
oralem Kortison und Theophyllin.
Abb. 11 Therapie nach Wirkstoffgruppen und Schweregrad der Erkrankung (SA-Beta2-Agonist = Kurzwirksame
Beta2-Agonisten und Anticholinergika, LA-Anticholinergika = Langwirksame Anticholinergika,
LA-Beta2-Agonisten/ICS = Langwirksame Beta2-Agonisten und inhalatives Kortison in
fixer Kombination, LA-Beta2-Agonist = Langwirksame Beta2-Agonisten in einem separaten
Arzneimittel, ICS = inhalatives Kortison in einem separaten Arzneimittel.
Die Therapie der COPD unter Alltagsbedingung nach der Gruppen A–D zeigt die [Abb. 12 ].
Abb. 12 Therapie nach Wirkstoffgruppen und Gruppeneiteilung A–D nach GOLD (SA-Beta2-Agonist = Kurzwirksame
Beta2-Agonisten und Anticholinergika, LA-Anticholinergika = Langwirksame Anticholinergika,
LA-Beta2-Agonisten/ICS = Langwirksame Beta2-Agonisten und inhalatives Kortison in
fixer Kombination, LA-Beta2-Agonist = Langwirksame Beta2-Agonisten in einem separaten
Arzneimittel, ICS = inhalatives Kortison in einem separaten Arzneimittel.
Es ist unübersehbar, dass insbesondere in den niedrigen Schweregraden beider GOLD-Systeme
eine Übertherapie insbesondere mit langwirksamen Spasmolytika zu verzeichnen ist.
Die Gruppe D wurde unterteilt in die Gruppen D1 (CAT ≥ 10 Punkte, SG III oder IV, Exazerbationen ≤ 1), D2 (CAT ≥ 10 Punkte, SG I oder II, Exazerbationen > 1) und D3 (CAT ≥ 10 Punkte, SG III oder IV, Exazerbationen > 1) ([Tab. 2 ]). Diese unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Verordnung. [Abb. 13 ] zeigt das am Beispiel von oralem Kortison und Roflumilast. Die Gruppe mit hohem
Schweregrad und Exazerbationen > 1 erhält deutlich häufiger eine orale Therapie. Patienten,
die einen hohen Schweregrad, aber Exazerbationen ≤ 1 haben, und diejenigen, die mehr
Exazerbationen aber einen geringeren Schweregrad aufweisen, erhalten eine solche Therapie
seltener. Hier zeigt sich also, dass die Rate der Exazerbationen, die zur höheren
Einstufung D führten, eine entsprechende Mehrverordnung der für diese Indikation spezifischeren
Substanzen nach sich zog.
Abb. 13 Verordnung von oralem Kortison und Roflumilast in den Untergruppen D1 – 3 ([Tab. 2 ]).
[Abb. 14 ] zeigt, dass mit zunehmendem Schweregrad vermehrt Arzneimittel aus unterschiedlichen
Wirkstoffgruppen parallel eingesetzt werden. Von Gruppe A bis D steigt der Anteil
der Patienten, die Medikamente aus mehreren Wirkstoffgruppen erhalten. Gleichzeitig
sinkt der Anteil derjenigen, die nur eine Wirkstoffgruppe nutzen.
Abb. 14 Anteil der Patienten, die Medikamente aus einer, zwei, drei oder mehr Wirkstoffgruppen
erhalten in Abhängigkeit von Schweregrad 1 – 4, gegenübergestellt der Gruppeneinteilung
A–D.
Es wird erkennbar, dass in den niedrigen Schweregraden I/A durch Behandlung mit Medikamenten
aus zwei Stoffgruppen und mehr eine Übertherapie stattfindet, während in den Schweregraden
IV/D ein Teil der Probanden eine Untertherapie mit nur einer Behandlung aus einer
bzw. zwei Stoffgruppen erhält.
Diskussion
Die vergleichende Sichtung der Einordnung des untersuchten Probanden-Kollektivs zeigt,
dass im Hinblick auf therapeutische Entscheidungen beide Klassifizierungen, I–IV bzw.
A–D, keinen wesentlich unterschiedlichen Einfluss auf die Behandlung haben. Lediglich
bei der Anwendung Exazerbations-spezifischer Medikation, systemischer Anwendung von
Corticosteroiden sowie Roflumilast zeigt sich eine Tendenz, die für die gesteigerte
Aufmerksamkeit für Exazerbationen nach GOLD A–D spricht. Das untersuchte Kollektiv
ist einer anzunehmenden Vorselektion insofern unterworfen, als vom Hausarzt mit hoher
Wahrscheinlichkeit eher schwerere Fälle an den Pneumologen zugewiesen und zur gemeinsamen
Behandlung eingeführt werden. Dies dürfte für eine insgesamt eher höhere Exazerbationsrate
verantwortlich sein.
Die Gegenüberstellung von tatsächlicher Therapie (Anzahl und Arten der zum Einsatz
gebrachten Medikationen) und der Schweregrad-Einteilung zeigt in ernüchternder Weise,
dass ganz offensichtlich in niedrigen Schweregraden eine beträchtliche und nicht zuletzt
im Hinblick auf die daraus folgenden Kosten kritisch zu betrachtende [19 ] Übertherapie v. a. der langwirksamen Inhalativa zu verzeichnen ist, während in hohen
Schweregraden nicht wenige Patienten eine Untertherapie erhalten. Dies wirft die Frage
der Einfluss-Größen auf die tatsächlich verordnete Therapie im Versorgungsalltag auf.
Das faktische Verordnungsmuster – und dieses wurde für die vorliegende Untersuchung
erfasst – ist ein Ergebnis nicht nur der Überlegungen des verordnenden Pneumologen,
sondern der Vor-Verordnung des Hausarztes bzw. eines entlassenden Krankenhauses (E-Bericht),
des Patientenwunsches sowie selbstredend dann aber auch der Einstufung durch den Pneumologen,
die durch die GOLD-Vorgaben bzw. die nationale Versorgungsleitlinie COPD (Gültigkeit
abgelaufen, aktuell in Überarbeitung) [5 ] determiniert ist. Auch hier aber werden kurzfristigere Stadienwechsel etwa von II
auf I (Unterschreitung des Schwellenwertes der lungenfunktionellen Einschränkung auf
80 % des Erwarteten bzw. Wechsel von beispielsweise Schweregrad B nach A durch eine
möglicherweise situativ bedingte bessere Selbsteinstufung des Patienten im CAT-Test)
nicht sofort in eine Therapie-Restriktion münden, die einen Entzug der bisherigen
bewährten Dauermedikation mit lang wirksamen Antiobstruktiva bedeuten würde, da eine
solche Entscheidung dem Patienten oft kaum zu vermitteln wäre.
Die vergleichende Prüfung der Einstufung in das neuere GOLD A–D-System unter der hypothetischen
Zugrundelegung einer CAT-Grenze bei 15 Punkten würde zu einer etwas homogeneren Verteilung
der Anzahl der Probanden in den einzelnen Gruppen führen. Ob dieses ein wünschenswertes
Ergebnis wäre, sei dahingestellt. Jedenfalls erscheint die sehr geringe Anzahl der
C-Probanden in der A–D-Eingruppierung mit Grenzwert CAT 10 fragwürdig.
Wenn aus den vorliegenden Daten Signale für oder gegen eine Einstufung der neueren
GOLD-Eingruppierung abgeleitet werden sollten, so wäre dieses am ehesten beim Einsatz
der exazerbationsspezifischen Medikation angebracht, die tatsächlich bei Patienten
mit Exazerbationen in etwas höherer Quote zum Einsatz kamen. Eine Schwäche der A–D-Einstufung
besteht allerdings darin, dass die Gruppen C bzw. D auch über die Lungenfunktionseinschränkung
und nicht über die Exazerbationsneigung erreicht werden können. Die therapeutische
Konsequenz des Medikamenteneinsatzes folgt allerdings eher für die Exazerbationsneigung.
Dieses spräche für ein Klassifikationssystem, das die Exazerbationsneigung – evtl.
auch unter Zuhilfenahme von Biomarkern wie z. B. der Eosinophilenzahl [20 ] – gesondert erfasst und zur determinierenden Größe für Therapieentscheidungen macht.
Die Untersuchung erfolgte im Rahmen von WINPNEU, der Versorgungsforschung des Bundesverbandes
der Pneumologen. WINPNEU wurde unterstützt von Almirall, Berlin-Chemie, Chiesi, Mundipharma,
Novartis, Takeda und Teva.
Folgende pneumologische Praxen steuerten Daten zu der Erhebung bei:
Internistische Gemeinschaftspraxis Dr. Albrecht et al., Bitburg
Lungenzentrum Ulm Dres. Barczok, Ketterl, Sauer, Ulm
Lungenpraxis-Alstertal Dr. Bock et al., Hamburg
Praxis Dr. Drews, Grimma
Praxis Dr. Gordt et al., Mannheim
Praxis Dr. Gräßer, Heidenheim
Lungenpraxis Pneumofit Dr. med. Hammers-Reinhard, Homburg
Zentrum für Pneumologie und Onkologie am Diako Dr. Hellmann et al., Augsburg
Lungenarztpraxis Tegel Dr. Hering et al., Berlin
Praxis Dr. Heschel, Greiz
Gemeinschaftspraxis Dres. Korsch & Steffen, Wolfsburg
Praxis Dr. Krombholz, Berlin
Herz-Lungen-Praxis Dr. Niederkorn-Schrader et al., Nürnberg
Gemeinschaftspraxis Dres. Karmann und Reiner, Fürstenfeldbruck
Praxis Dr. Rumpf, Hof
Praxis Dr. Bernhard Schulz, Berlin
Neudorfer Lungenpraxis Dr. Sohrab, Duisburg
Internistische Praxisgemeinschaft Dr. Vorderstraße, Weyhe bei Bremen