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DOI: 10.1055/s-0034-1393073
Die Klassifikationen GOLD I–IV vs. GOLD A–D in der Alltagsversorgung
Vergleichende Prüfung in Anwendung, Auswirkungen, Vor- und NachteilenCOPD Classification GOLD I–IV vs. GOLD A–D in Real LifeComparing Impact on Application, Advantages and DisadvantagesKorrespondenzadresse
Publication History
eingereicht 06 July 2015
akzeptiert nach Revision 19 August 2015
Publication Date:
12 October 2015 (online)
Zusammenfassung
Patienten mit COPD, die sich in der gemeinsamen Behandlung von Allgemeinärzten und Pneumologen befanden, wurden in die GOLD-Klassifizierungen I–IV bzw. A–D eingruppiert, um zu überprüfen, ob sich aus der neueren GOLD-Klassifizierung A–D Fortschritte für Therapie-Entscheidungen ableiten lassen. Es ergab sich eine sehr kleine Gruppe C mit erhöhtem Risiko und geringen Symptomen aufgrund der CAT-Trennung bereits bei 10 Punkten (Vorgabe GOLD A–D). Es wird beschrieben, wie sich CAT-Schwellenwerte von 15 und 20 Punkten auf die Größe der Gruppen A–D in der pneumologischen Praxis auswirken würden. Das neuere A–D-System gab gegenüber dem I–IV-System bessere Signale für Exazerbationen. Es zeigte sich, dass die Patienten weitgehend unabhängig von der Betrachtung der Klassifizierung I–IV oder A–D eine beträchtliche Übertherapie (niedrige Schweregrade) bzw. Untertherapie (hohe Schweregrade) aufwiesen. Lediglich der Einsatz von Prednisolon bzw. Roflumilast wies eine erkennbare Indikations-Beziehung zu vermehrten Exazerbationen in System A–D auf. Aus einer Reihe unterschiedlicher Gründe setzen sich offensichtlich die Prinzipien weder der alten I–IV-Klassifikation noch der neuen A–D-Klassifikation bei der Versorgung im untersuchten Setting durch. Soweit die Aufmerksamkeit für Exazerbationen nach A–D gesteigert ist, darf dies als Fortschritt betrachtet werden. Ein möglicher Nachteil der A–D-Klassifikation besteht in potenziell markanten erheblichen Schweregrad-Wechseln kurzfristig im interindividuellen Verlauf, die dem globalen Krankheitsgeschehen des Patienten nicht gerecht werden.
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Abstract
COPD patients under shared treatment of general practitioners and pulmonologists were grouped in GOLD classification I–IV and A–D, respectively to find out whether the new A–D classification showed advantages concerning therapy decisions. As a result of CAT separation at 10 points (GOLD A–D rule) group C with higher risk and low symptoms was very small. It is described how CAT threshold values of 15 and 20 points would affect the size of the groups A–D in pulmonary practice. The new A–D classification showed better signals for exacerbations. Regardless of the classification I–IV or A–D respectively patients received a considerable amount of overtreatment (low degrees of severity) or undertreatment (higher degrees of severity). Only the application of prednisolone and of roflumilast, respectively, showed a noticeable relation to increased exacerbations in system A–D. A variety of reasons might cause that obviously the principles of both classifications are followed poorly. Higher attention for exacerbations may be considered as a progress resulting from the new a-d classification. Possible abrupt short term intraindividual changes of severity, inadequate to the global course of disease, are a possible disadvantage of the new A–D classification.
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Hintergrund
Die aktuelle GOLD-Empfehlung [1] hat gegenüber der früheren GOLD-2007-Version [2] die Schweregrad-Einstufung I–IV, die ausschließlich an die Einschränkung der Lungenfunktion gekoppelt war, ergänzt um die Dimensionen Lebensqualität mit dem CAT-Test [3] bzw. Dyspnoe (mMRC) und die Exazerbationsrate. Diese Größen gehen in die Schweregradeinstufung nach A–D in einer Vierfelder-Tafel ein. Die vorgelegte Untersuchung soll einen Beitrag zur Frage leisten, inwieweit hierdurch ein substantieller Fortschritt in der Beurteilung und Behandlung von COPD-Erkrankten unter Alltagsbedingungen in der pneumologischen Praxis geschaffen wurde. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Schweregrad-Graduierung umso eher von den behandelnden Ärzten befolgt und angewendet wird, je spürbarer der praktische Nutzen für Einstufung und Therapieentscheidungen ist. Eine Umfrage unter Pneumologen in Deutschland ergab eine geringe Neigung, die neuere COPD-Einstufung nach GOLD A–D in den Versorgungsalltag zu übernehmen [4]. Grundsätzlich besteht unter Pneumologen die Tendenz, die Nationale Versorgungsleitline COPD [5] der GOLD-Empfehlung vorzuziehen [6]
Die GOLD A–D-Einstufung bietet neben der Einbeziehung der oben genannten zusätzlichen Dimensionen allerdings Unschärfen: Bei der Bewertung von Lebensqualität/Dyspnoe steht dem Anwender die Auswahl einer der beiden möglichen Skalen offen. Er kann sich zwischen der Lebensqualitätsskala (CAT) und der reinen Dyspnoe-Skala (mMRC) entscheiden, und es wird Fälle geben, in denen die jeweils andere Skala zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Entscheidung der Eingruppierung nach A/C bzw. C/D führt. Hinzu kommt, dass vielfach die Frage aufgeworfen wurde, ob die CAT-Trennung bei 10 Punkten zwischen A/C und B/D zu niedrig gewählt ist. Weiter muss ins Kalkül gezogen werden, dass in der neuen A–D-Einstufung abrupte Schweregradwechsel in kurzer Zeit möglich werden, wenn die subjektive Selbsteinstufung (CAT bzw. mMRC) sich von Kontrolltermin zu Kontrolltermin wandelt bzw. eine vermutete bzw. tatsächliche Zunahme oder Abnahme der Exazerbationen eintritt. Dann kann bei einem individuellen Patienten innerhalb kurzer Frist ein Stadienwechsel von A nach D bzw. umgekehrt stattfinden, was seinem langfristig-globalen Krankheitsgeschehen wohl nicht angemessen sein dürfte. Weiter ist anzumerken, dass bei der Einstufung von Verschlechterungen im definitorischen Sinne einer tatsächlichen Exazerbation Unschärfen und Unsicherheiten bestehen, die diese so wichtige Dimension in GOLD A–D zusätzlich schwächen dürften [7].
Im Hinblick auf die Mortalitäts-Prognose hat GOLD A–D im Vergleich zu GOLD I–IV enttäuscht [8] [9]. Andere Einstufungssysteme/Scores haben sich als überlegen erwiesen [10].
Im Hinblick auf die therapeutischen Entscheidungen sollte ein Schweregrad-System eine möglichst eindeutige Übersetzung in Therapieentscheidungen erlauben und damit den Einsatz des therapeutisch verfügbaren Arsenals für die Anwendung klar vorstrukturieren. Im Falle der COPD-Erkrankung geht es hier also um die therapeutischen Module der Tabakentwöhnung [11], des Bewegungstrainings [12], der antiobstruktiven inhalativen Therapie sowie der antiinflammatorischen Therapie mit ihren inhalativen und systemischen Wirkstoffen. Bei letzteren soll die Entscheidung über den Einsatz inhalativer Corticosteroide [13] [14] und die Entscheidung über den Einsatz von Roflumilast [15] erleichtert werden. Weitergehende Vorschläge der antiinflammatorischen Therapie erstrecken sich auf eine Langzeitantibiotikatherapie bzw. den Einsatz von Statinen [16] [17]. Wünschenswert wäre also eine quasi personalisierte Patienten-zentrierte Profilerstellung, die das therapeutische Muster vorzeichnet und die sich im Schweregrad-Muster abbildet [18].
Die hier vorgelegte Untersuchung wirft einen Blick auf das reale Verteilungsmuster von Patienten mit COPD in der pneumologischen Alltagsversorgung in Deutschland. Sie erlaubt eine Abschätzung der Wirkung der Anwendung der Einstufungen GOLD I–IV bzw. GOLD A–D und versucht, Auswirkungen im therapeutischen Bereich (Pharmakotherapie) zu beleuchten.
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Methoden
In 18 pneumologischen Facharztpraxen wurden 1274 Patienten mit einer COPD, die von Haus- und Facharzt gemeinsam betreut wurden, schriftlich befragt. Die Einschlusskriterien waren: erwachsene Patienten (mindestens 18 Jahre alt) mit COPD, die Diagnose muss vom Pneumologen bestätigt sein, der Patient muss nicht „neu“ sein, und der Patient wurde vom Hausarzt überwiesen bzw. wird gemeinsam mit dem Hausarzt betreut. Dabei wurde unter anderem die Beeinträchtigung durch die Erkrankung mittels des CAT erhoben. Ferner wurden die Patienten nach Exazerbationen in den letzten 12 Monaten befragt. Die Autoren entschlossen sich dazu folgende Frage zu verwenden: „Wie häufig hat sich Ihre COPD in den letzten 12 Monaten – z. B. durch eine Infektion – spontan verschlechtert, sodass Sie einen Arzt aufsuchen mussten? In dieser Frage wurde auf die Komponenten „zusätzliche Verordnung von Medikamenten wie Antibiotika“ verzichtet, weil fälschlich unterbliebene Medikamentenverordnungen sonst zu niedrig ermittelte Exazerbationsraten zur Folge hätten.
Die Praxis machte auf einem separaten Dokumentationsbogen weitere Angaben wie den Schweregrad der Erkrankung nach GOLD I–IV. Außerdem wurde von der Praxis die Therapie, mit der der Patient zugewiesen wurde, und diejenige, mit der er die Praxis verlässt, erhoben. Bei unveränderten Arzneimitteln wurde eine eventuelle Dosissteigerung oder Dosisreduzierung registriert.
Mit den Angaben zu CAT, Exazerbationen und Schweregrad wurde die Gruppenzugehörigkeit nach GOLD A–D ermittelt. Der Algorithmus ist in [Tab. 1] dargestellt.
Nicht berücksichtigt wurde das erhöhte Risiko auch bei 1 Exazerbation mit Hospitalisation, da zur Hospitalisation verlässliche Daten nicht gewonnen werden konnten.
Nach GOLD A–D ist ein Schwellenwert von 10 Punkten beim CAT oder mehr zur Differenzierung der Gruppen hinsichtlich der Symptome vorgesehen. Es wurde auch ermittelt, welche Auswirkung eine Verschiebung der Schwelle auf 15 und mehr und auf 20 und mehr Punkte auf die Gruppenverteilung hätte (siehe weiter unten).
Gruppe A: Geringes Risiko, geringe Symptome
Gruppe B: Geringes Risiko, mehr Symptome
Gruppe C: Hohes Risiko, geringe Symptome
Gruppe D: Hohes Risiko, mehr Symptome
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Ergebnisse
In den 18 pneumologischen Praxen wurden 1274 Patienten im 4. Quartal 2014 dokumentiert, die den Einschlusskriterien entsprachen. Von diesen waren lediglich 8 Patienten jünger als 40 Jahre. Der Mittelwert der Geburtsjahre lag bei 1944, was einem Alter von 69 Jahren entspricht.
Bei 96 % klassifizierte die Praxis den Schweregrad nach GOLD I–IV, 92 % der Patienten füllten den CAT korrekt aus, und 90 % beantworteten die Frage nach Exazerbationen. Bei insgesamt 80 % lagen alle drei Informationen vor. Nur diese Probanden (N = 1019 ≙ 80 %), von denen sämtliche Informationen vorlagen, gelangten in die vergleichende Auswertung hinsichtlich Schweregrad und Gruppenzugehörigkeit nach GOLD.
Die Verteilung der GOLD-I–IV-Schweregrade in den pneumologischen Praxen zeigt [Abb. 1]. 14 % haben danach eine COPD mit einem Schweregrad gemäß GOLD 1, 47 % gemäß GOLD 2, 29 % gemäß GOLD 3 und 9 % gemäß GOLD 4.


Hinsichtlich der Beeinträchtigung nach CAT ergab sich die Verteilung nach [Abb. 2]. Danach empfanden 18 % nur eine geringe Beeinträchtigung (CAT bis 9 Punkte). 47 % eine mittlere, 27 % eine hohe und 8 % eine sehr hohe Beeinträchtigung.


Bei der Frage nach Exazerbationen in den letzten 12 Monaten gaben 51 % 0-mal an, 24 % 1-mal,14 % 2-mal, 6 % 3-mal und 6 % häufiger als 3-mal an. Insgesamt nannten also 26 % mehr als eine Exazerbation in den letzten 12 Monaten ([Abb. 3]).


Einen synoptischen Überblick der Probanden-Einstufung nach GOLD I–IV vs. GOLD A–D gibt die [Abb. 4].




Es zeigte sich, dass der Schweregrad nach GOLD nicht unbedingt einen Rückschluss auf die Beeinträchtigung durch die COPD zulässt. ([Abb. 5]) Zwar ist eine stärkere Beeinträchtigung bei höherem Schweregrad häufiger als bei einem geringeren Schweregrad der Erkrankung. Jedoch zeigte sich, dass ein namhafter Anteil von Patienten mit einer COPD GOLD I oder II durchaus erheblich beeinträchtigt ist. Umgekehrt sind zahlreiche Patienten mit einer COPD III oder IV nicht oder nur gering beeinträchtigt.


Ein ähnliches Bild zeigt auch die Häufigkeit von Exazerbationen in Abhängigkeit vom Schweregrad. Zwar nimmt die Häufigkeit von Exazerbationen mit dem Schweregrad zu. Aber auch bei geringem Schweregrad gibt es einen Anteil von über 20 % mit 2 oder mehr Exazerbationen in den letzten 12 Monaten ([Abb. 6]).


Da Informationen zu Schweregrad der COPD, Beeinträchtigung durch die Erkrankung und Häufigkeit von Exazerbationen vorliegen, erfolgt die Aufteilung der Patienten nach dem Algorithmus nach [Tab. 1]. Das Ergebnis zeigt [Abb. 7].


22 % gehören zur Gruppe A mit geringem Risiko und geringen Symptomen, 31 % zur Gruppe B mit geringem Risiko und mehr Symptomen, 5 % zur Gruppe C mit hohem Risiko und geringen Symptome und 41 % zur Gruppe D mit hohem Risiko und mehr Symptomen.
Wesentlich beeinflusst werden die Anteile der Patienten an den jeweiligen Gruppen auch durch das Ergebnis des CAT mit 10 Punkten als Schwellenwert der Beeinträchtigung. Verschiebt man diesen Wert auf 15 oder 20 Punkte, hat das einen erheblichen Einfluss auf die Patientenverteilung nach Gruppen. Das Ergebnis, nämlich die Verschiebung von Gruppe B nach A und von Gruppe D nach C zeigt [Abb. 8]. Bei einem Schwellenwert von 15 Punkten erhöhen sich die Anteile der Gruppen A und C mit geringer Beeinträchtigung bereits um mehr als das Doppelte von 12 % auf 25 % und von 6 % auf 14 %. Die Gruppe D mit hohem Risiko und hoher Beeinträchtigung sinkt von 46 % auf 39 %. Bei einem Schwellenwert von 20 Punkten sinkt die Gruppe D auf 28 %.


Die Gruppen C und D setzen sich jeweils aus Patienten zusammen, die diesen Gruppen wegen Beeinträchtigung, Schweregrad und/oder Exazerbationen zugeordnet werden. Die Aufteilung zeigt [Abb. 9]. Die Gruppen wurden jeweils in 3 Untergruppen unterteilt. Die Merkmale sind in [Tab. 2] zusammengefasst. Die Patienten der Gruppen C 2/3 und D 2/3 wurden jeweils wesentlich wegen der Exazerbationsrate ihrer Gruppe zugeordnet.


Raucherstatus:
[Abb. 10] zeigt vergleichend, wie sich der Raucherstatus (Raucher, Exraucher bzw. Niemals-Raucher) auf die Eingruppierung im System GOLD I–IV bzw. A–D verhält.


Eine wenn auch schwache Beziehung zwischen Raucherstatus und Schweregrad findet sich eher im System I–IV als im System A–D.
Therapie:
[Abb. 11] zeigt die Therapie der COPD unter Alltagsbedingungen in pneumologischen Praxen bei Patienten, die gemeinsam mit Hausärzten betreut werden. Kurzfristige Bedarfsmedikation wird mit dem Schweregrad zunehmend verordnet. Die Werte liegen zwischen etwa 50 % und über 70 %. Deutlich, von 50 % bis fast 90 %, nehmen die langwirksamen Anticholinergika mit dem Schweregrad zu. Einen vergleichbaren Trend auf niedrigerem Niveau beobachtet man bei fixen Kombinationen mit langwirksamen Beta2-Agonisten mit inhalativem Kortison, oralem Kortison und Theophyllin.


Die Therapie der COPD unter Alltagsbedingung nach der Gruppen A–D zeigt die [Abb. 12].


Es ist unübersehbar, dass insbesondere in den niedrigen Schweregraden beider GOLD-Systeme eine Übertherapie insbesondere mit langwirksamen Spasmolytika zu verzeichnen ist.
Die Gruppe D wurde unterteilt in die Gruppen D1 (CAT ≥ 10 Punkte, SG III oder IV, Exazerbationen ≤ 1), D2 (CAT ≥ 10 Punkte, SG I oder II, Exazerbationen > 1) und D3 (CAT ≥ 10 Punkte, SG III oder IV, Exazerbationen > 1) ([Tab. 2]). Diese unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Verordnung. [Abb. 13] zeigt das am Beispiel von oralem Kortison und Roflumilast. Die Gruppe mit hohem Schweregrad und Exazerbationen > 1 erhält deutlich häufiger eine orale Therapie. Patienten, die einen hohen Schweregrad, aber Exazerbationen ≤ 1 haben, und diejenigen, die mehr Exazerbationen aber einen geringeren Schweregrad aufweisen, erhalten eine solche Therapie seltener. Hier zeigt sich also, dass die Rate der Exazerbationen, die zur höheren Einstufung D führten, eine entsprechende Mehrverordnung der für diese Indikation spezifischeren Substanzen nach sich zog.


[Abb. 14] zeigt, dass mit zunehmendem Schweregrad vermehrt Arzneimittel aus unterschiedlichen Wirkstoffgruppen parallel eingesetzt werden. Von Gruppe A bis D steigt der Anteil der Patienten, die Medikamente aus mehreren Wirkstoffgruppen erhalten. Gleichzeitig sinkt der Anteil derjenigen, die nur eine Wirkstoffgruppe nutzen.


Es wird erkennbar, dass in den niedrigen Schweregraden I/A durch Behandlung mit Medikamenten aus zwei Stoffgruppen und mehr eine Übertherapie stattfindet, während in den Schweregraden IV/D ein Teil der Probanden eine Untertherapie mit nur einer Behandlung aus einer bzw. zwei Stoffgruppen erhält.
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Diskussion
Die vergleichende Sichtung der Einordnung des untersuchten Probanden-Kollektivs zeigt, dass im Hinblick auf therapeutische Entscheidungen beide Klassifizierungen, I–IV bzw. A–D, keinen wesentlich unterschiedlichen Einfluss auf die Behandlung haben. Lediglich bei der Anwendung Exazerbations-spezifischer Medikation, systemischer Anwendung von Corticosteroiden sowie Roflumilast zeigt sich eine Tendenz, die für die gesteigerte Aufmerksamkeit für Exazerbationen nach GOLD A–D spricht. Das untersuchte Kollektiv ist einer anzunehmenden Vorselektion insofern unterworfen, als vom Hausarzt mit hoher Wahrscheinlichkeit eher schwerere Fälle an den Pneumologen zugewiesen und zur gemeinsamen Behandlung eingeführt werden. Dies dürfte für eine insgesamt eher höhere Exazerbationsrate verantwortlich sein.
Die Gegenüberstellung von tatsächlicher Therapie (Anzahl und Arten der zum Einsatz gebrachten Medikationen) und der Schweregrad-Einteilung zeigt in ernüchternder Weise, dass ganz offensichtlich in niedrigen Schweregraden eine beträchtliche und nicht zuletzt im Hinblick auf die daraus folgenden Kosten kritisch zu betrachtende [19] Übertherapie v. a. der langwirksamen Inhalativa zu verzeichnen ist, während in hohen Schweregraden nicht wenige Patienten eine Untertherapie erhalten. Dies wirft die Frage der Einfluss-Größen auf die tatsächlich verordnete Therapie im Versorgungsalltag auf. Das faktische Verordnungsmuster – und dieses wurde für die vorliegende Untersuchung erfasst – ist ein Ergebnis nicht nur der Überlegungen des verordnenden Pneumologen, sondern der Vor-Verordnung des Hausarztes bzw. eines entlassenden Krankenhauses (E-Bericht), des Patientenwunsches sowie selbstredend dann aber auch der Einstufung durch den Pneumologen, die durch die GOLD-Vorgaben bzw. die nationale Versorgungsleitlinie COPD (Gültigkeit abgelaufen, aktuell in Überarbeitung) [5] determiniert ist. Auch hier aber werden kurzfristigere Stadienwechsel etwa von II auf I (Unterschreitung des Schwellenwertes der lungenfunktionellen Einschränkung auf 80 % des Erwarteten bzw. Wechsel von beispielsweise Schweregrad B nach A durch eine möglicherweise situativ bedingte bessere Selbsteinstufung des Patienten im CAT-Test) nicht sofort in eine Therapie-Restriktion münden, die einen Entzug der bisherigen bewährten Dauermedikation mit lang wirksamen Antiobstruktiva bedeuten würde, da eine solche Entscheidung dem Patienten oft kaum zu vermitteln wäre.
Die vergleichende Prüfung der Einstufung in das neuere GOLD A–D-System unter der hypothetischen Zugrundelegung einer CAT-Grenze bei 15 Punkten würde zu einer etwas homogeneren Verteilung der Anzahl der Probanden in den einzelnen Gruppen führen. Ob dieses ein wünschenswertes Ergebnis wäre, sei dahingestellt. Jedenfalls erscheint die sehr geringe Anzahl der C-Probanden in der A–D-Eingruppierung mit Grenzwert CAT 10 fragwürdig.
Wenn aus den vorliegenden Daten Signale für oder gegen eine Einstufung der neueren GOLD-Eingruppierung abgeleitet werden sollten, so wäre dieses am ehesten beim Einsatz der exazerbationsspezifischen Medikation angebracht, die tatsächlich bei Patienten mit Exazerbationen in etwas höherer Quote zum Einsatz kamen. Eine Schwäche der A–D-Einstufung besteht allerdings darin, dass die Gruppen C bzw. D auch über die Lungenfunktionseinschränkung und nicht über die Exazerbationsneigung erreicht werden können. Die therapeutische Konsequenz des Medikamenteneinsatzes folgt allerdings eher für die Exazerbationsneigung. Dieses spräche für ein Klassifikationssystem, das die Exazerbationsneigung – evtl. auch unter Zuhilfenahme von Biomarkern wie z. B. der Eosinophilenzahl [20] – gesondert erfasst und zur determinierenden Größe für Therapieentscheidungen macht.
Die Untersuchung erfolgte im Rahmen von WINPNEU, der Versorgungsforschung des Bundesverbandes der Pneumologen. WINPNEU wurde unterstützt von Almirall, Berlin-Chemie, Chiesi, Mundipharma, Novartis, Takeda und Teva.
Folgende pneumologische Praxen steuerten Daten zu der Erhebung bei:
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Internistische Gemeinschaftspraxis Dr. Albrecht et al., Bitburg
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Lungenzentrum Ulm Dres. Barczok, Ketterl, Sauer, Ulm
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Lungenpraxis-Alstertal Dr. Bock et al., Hamburg
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Praxis Dr. Drews, Grimma
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Praxis Dr. Gordt et al., Mannheim
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Praxis Dr. Gräßer, Heidenheim
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Lungenpraxis Pneumofit Dr. med. Hammers-Reinhard, Homburg
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Zentrum für Pneumologie und Onkologie am Diako Dr. Hellmann et al., Augsburg
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Lungenarztpraxis Tegel Dr. Hering et al., Berlin
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Praxis Dr. Heschel, Greiz
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Gemeinschaftspraxis Dres. Korsch & Steffen, Wolfsburg
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Praxis Dr. Krombholz, Berlin
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Herz-Lungen-Praxis Dr. Niederkorn-Schrader et al., Nürnberg
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Gemeinschaftspraxis Dres. Karmann und Reiner, Fürstenfeldbruck
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Praxis Dr. Rumpf, Hof
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Praxis Dr. Bernhard Schulz, Berlin
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Neudorfer Lungenpraxis Dr. Sohrab, Duisburg
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Internistische Praxisgemeinschaft Dr. Vorderstraße, Weyhe bei Bremen
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Interessenkonflikt
Beide Autoren erklären, dass Interessenkonflikte bei der Erstellung der vorgelegten Untersuchung nicht vorliegen.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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Literatur
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