Der Erfolg einer dermatologischen Behandlung wird traditionell anhand vom Arzt erhobener Daten bestimmt, etwa dem „Psoriasis Area and Severity Index“ (PASI) [1 ] oder der Größe der Wundfläche. Diese arztberichteten Indikatoren mögen zwar vergleichsweise objektiv sein, stimmen aber in vielen Fällen nicht mit dem patientenberichteten Nutzen überein [2 ] – die Auswirkungen einer Therapie auf das Leben eines Patienten hängen schließlich nicht allein von der Besserung des Hautbefundes ab, sondern auch von individuellen Präferenzen und Lebensumständen. Daher wird zunehmend Wert auf eine Nutzenbestimmung aus Patientensicht gelegt, sei es in der klinischen Praxis, in der Forschung oder bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach AMNOG [3 ]. Die Nutzenmessung erfolgt anhand standardisierter Fragebögen, sogenannter Patient Reported Outcomes (PROs).
Prinzipiell lassen sich zwei Möglichkeiten der Nutzenmessung aus Patientensicht unterscheiden: die prospektive und die retrospektive Erhebung. Bei einer prospektiven Erhebung wird die Lebensqualität der Patientin vor und nach Intervention erhoben; aus der Differenz wird auf den Nutzen der Behandlung geschlossen. Bei einer retrospektiven Erhebung hingegen wird die Patientin direkt nach eingetretenen Verbesserungen gefragt; die Erhebung erfolgt somit erst nach der Intervention.
Beide Ansätze der Nutzenerfassung haben jeweils Vor- und Nachteile [4 ]. So mögen Patienten die Fragen bei einer prospektiven Erhebung jeweils unterschiedlich interpretieren, sodass die erhobenen Werte nicht mehr vollständig vergleichbar sind. Bei einer retrospektiven Erhebung hingegen müssen sie sich an ihren früheren Zustand erinnern, um das Ausmaß der Änderung einzuschätzen; dies ist aufgrund von Erinnerungsverzerrungen nicht immer zuverlässig möglich. Während der Nutzen in der klinischen Forschung überwiegend prospektiv gemessen wird, bietet sich eine retrospektive Erhebung besonders dann an, wenn die Therapiebewertung durch die Patienten im Vordergrund steht – etwa in der Versorgungsforschung oder in der klinischen Praxis.
Im Folgenden stellen wir Instrumente vor, die von der Arbeitsgruppe „Lebensqualität und Patientennutzen“ (Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie [CVderm], Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) zur prospektiven und retrospektiven Messung des Patientennutzens entwickelt wurden.
Retrospektive Nutzenmessung: Der Patient Benefit Index
Retrospektive Nutzenmessung: Der Patient Benefit Index
Mit dem Patient Benefit Index (PBI) kann erhoben werden, inwieweit die individuellen Behandlungsziele jedes Patienten erreicht wurden. Kern des PBI ist eine Liste potenzieller Therapieziele, die auf Basis qualitativer Patientenbefragungen entwickelt wurden. Diese Ziele bewertet der Patient vor der Behandlung hinsichtlich ihrer Wichtigkeit und nach der Behandlung hinsichtlich ihrer Erreichung – Letzteres stellt die eigentliche, retrospektive Nutzenbewertung dar. Aus den Angaben kann für jeden Patienten ein gewichteter Gesamtnutzenwert berechnet werden [5 ].
Der PBI liegt in einer Lang- und einer Kurzversion für Patienten mit chronischen Hauterkrankungen vor (PBI-S und PBI 2.0). Darüber hinaus wurden zahlreiche spezifische Versionen für die Nutzenermittlung bei bestimmten Diagnosen entwickelt, z. B. chronische Wunden (PBI-W), Vitiligo (PBI-V) oder Lymphödeme (PBI-L). Für jede PBI-Version wurden bzw. werden Gütekriterien wie Reliabilität, Validität, Änderungssensitivität und Verständlichkeit empirisch ermittelt, und die Instrumente wurden in zahlreiche Sprachen übertragen. Kürzlich wurden auch Fragebögen zur Nutzenmessung bei nicht-dermatologischen Erkrankungen (Multiple Sklerose; rheumatoide Arthritis) entwickelt und befinden sich aktuell in der Validierungsphase.
Prospektive Nutzenmessung: Fragebögen zur Lebensqualität
Prospektive Nutzenmessung: Fragebögen zur Lebensqualität
Für eine prospektive Messung des Patientennutzens in der Dermatologie wurden in unserer Arbeitsgruppe verschiedene Fragebögen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität entwickelt. In diesen Bögen geben Patienten das aktuelle Ausmaß ihrer Beeinträchtigung durch die Hauterkrankung an, wobei körperliche, psychische, soziale und behandlungsbedingte Aspekte abgedeckt werden.
Beispielhaft genannt seien hier der NAPPA-QOL, der spezifisch die Lebensqualität bei Patienten mit Nagelpsoriasis erfasst (www.nappa-online.com ), sowie der Wound-QoL, ein Kurzfragebogen zur Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden (www.wound-qol.com ). Für beide Instrumente wurden Validierungsarbeiten veröffentlicht ([Tab. 2 ]); die Bögen kommen aktuell in der klinischen Routine sowie in internationalen Arzneimittelstudien zum Einsatz. Die Übertragung dieser Fragebögen in andere Sprachen erfolgt zum Teil durch das CVderm selbst, zum Teil aber auch durch Arbeitsgruppen in den jeweiligen Ländern (u. a. Schweden, Türkei, Brasilien, China).
Eine Übersicht der wichtigsten Instrumente, die am CVderm – z. T. in Zusammenarbeit mit anderen Forschungszentren – entwickelt wurden, findet sich in den [Tab. 1 ] und [Tab. 2 ]. Ergänzt wird dies durch unsere Forschung zum Patientennutzen, etwa zur Frage möglicher Verzerrungen beim Ausfüllen eines Fragebogens oder zur Veränderung von Therapiezielen im Laufe einer Behandlung ([Abb. 1 ]).
Tab. 1
Versionen des Patient Benefit Index (PBI) zur Messung des patientenrelevanten Behandlungsnutzens (Auswahl).
Diagnose
PBI-Version
Anzahl Items
Publikationen bzw. Stand der Validierungsstudien
Hauterkrankungen (diagnoseübergreifend, Langversion)
PBI-S
25
Augustin M et al. Arch Dermatol Res 2009; 301: 561 – 571
Blome C et al. Arch Dermatol Res 2011; 303: 11 – 17
Augustin M et al. J Dtsch Dermatol Ges 2008; 6: 113 – 120
Feuerhahn J et al. Arch Dermatol Res 2012; 304 (6): 433 – 441
Hauterkrankungen (diagnoseübergreifend, Kurzversion)
PBI 2.0
12
Allergische Rhinitis
PBI-AR
25
Allergische Rhinitis (Version für Kinder)
PBI-AR-K
19
Altershaut
PBI-AH
20
Chronisches Handekzem
PBI-HE
23
Chronische Wunden
PBI-W
22
Kosmetische Indikationen
PBI-K
24
Lymphödem
PBI-L
23
Multiple Sklerose
PBI-MS
27
Nagelpsoriasis
NAPPA-PBI
24
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
PBI-pAVK
12
Pruritus
PBI-P
27
Rheumatoide Arthritis
PBI-Rheuma
20
Vitiligo
PBI-Vit
26
Tab. 2
Fragebögen zur Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in der Dermatologie (Auswahl).
Diagnose
Name des Fragebogens
Anzahl Items
Publikationen bzw. Stand der Validierungsstudien
alle Diagnosen bzw. gesunde Probanden
FLQA-core (FLQA: Freiburger Lebensqualitätsassessment)
28
Chronische Wunden
FLQA-wk
24
Chronische Wunden
Wound-QoL
17
Lympherkrankungen (Langversion)
FLQA-I
83
Lympherkrankungen (Kurzversion)
FLQA-Ik
30
Nagelpsoriasis
NAPPA-QOL
20
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
QOLPAD
12
Venenerkrankungen
FLQA-v
81
Venenerkrankungen (Kurzversion)
FLQA-VS-10
10
Abb. 1 Aktivitäten der Arbeitsgruppe „Lebensqualität und Patientennutzen“ am CVderm.