Nicht zuletzt demografisch bedingt werden wir in der Dermatochirurgie zunehmend mit
ausgedehnten Skalpdefekten konfrontiert, die uns nicht selten vor große operative
Herausforderungen stellen. Dabei müssen wir multimorbide Patienten versorgen, denen
durch Alter oder zugrundeliegende Komorbiditäten oft ausgedehnte Eingriffe nicht zumutbar
sind. Immunsuppression, Antikoagulation auch mit modernen Antikoagulantien sowie ausgedehnte
Feldkanzerisierung der Kopfhaut erschweren unser Handeln. Die Möglichkeiten des Wundverschlusses
am Kapillitium sind häufig eingeschränkt und werden unseres Erachtens in der Literatur
teilweise zu positiv dargestellt. Wir möchten im Folgenden unsere Erfahrungen auf
diesem Gebiet selbstkritisch darstellen und diskutieren.
Jeder Eingriff in dieser Region sollte angepasst werden auf die individuelle Situation
des jeweiligen Patienten. Neben der Flächenausdehnung des zu operierenden Befundes
spielen o. g. patientenspezifische Faktoren eine entscheidende Rolle. In jedem Fall
ist es empfehlenswert, sich vor Eingriffen in der Skalpregion über die Eindringtiefe
von Tumoren Gedanken zu machen. Im Zweifelsfall sollte vor Eingriffen eine Bildgebung
mit einer Computertomografie mit sog. „Knochenfenster“ veranlasst werden, um eine
eventuelle Infiltration der Schädelkalotte auszuschließen. Gerade diese Information
ist für den Operateur ausgesprochen wichtig, um eine sehr individuell an die Situation
des Patienten angepasste Auswahl des zur Verfügung stehenden Verfahrens zum Defektverschluss
zu treffen.
Die Dehnbarkeit der Haut am Kapillitium ist grundsätzlich durch die geringe Elastizität
eingeschränkt. Trotz alledem sollte bei kleinen Defektgrößen eine Dehnungsplastik
bzw. eine Nahlappenplastik im Sinne einer Verschiebelappen- oder Rotationslappenplastik
die Methode der Wahl sein ([Abb. 1], [Abb. 2]). Die Mobilisierung der Lappen muss hierbei unter der Galea aponeurotica erfolgen,
welche aufgrund ihrer erhöhten Festigkeit dann auch genäht wird, wodurch sich die
Zugspannung auf die Haut minimiert. Zusätzlichen Elastizitätsgewinn kann man durch
jeweils ca. 1 cm voneinander entfernte und parallel zum Wundrand verlaufende Inzisionen
der Galea erreichen [1].
Abb. 1 Rotationslappen vor OP.
Abb. 2 Komplikationsloser Verlauf des Rotationslappens.
Es können aber zum Teil schwerwiegende Komplikationen unter diesem Regime auftreten,
wenn z. B. die Rotationsverhältnisse der Lappenplastiken nicht stimmig sind. Werden
die Distanzen der Überbrückung durch Hebedefekte zu groß gewählt, können Lappenspitzennekrosen
auftreten. Diese können, je nach Ausprägung, progredient sein und zu einem massiven
Gewebsuntergang mit konsekutivem Austrocknen auch des Periosts führen ([Abb. 3 – 6]). Daraus resultieren nicht selten monatelange Abheilungszeiten.
Abb. 3 Komplikation Rotationslappen – Ausgangsbefund.
Abb. 4 Komplikation Rotationslappen – unmittelbar post OP.
Abb. 5 Komplikation Rotationslappen – ca. 5 Tage post OP mit beginnender Lappenspitzennekrose.
Abb. 6 Komplikation Rotationslappen – sekundäre Wundheilung nach einigen Wochen.
Insbesondere bei antikoagulierten Patienten können bei großen Lappenplastiken am Kopf
relevante, revisionsbedürftige Blutungen auftreten. Aus unserer Erfahrung sollte man
in der Auswahl seines Verfahrens gemäß der Prämisse „weniger ist mehr“ ein operatives
Verfahren wählen, das die möglichen Komplikationen so minimal wie möglich hält. Die
Ansprüche des Operateurs sollten dabei in den Hintergrund treten, nicht selten lässt
sich mit einfacheren, aber vielleicht für den Operateur nicht so anspruchsvollen Eingriffen
ein deutlich besseres Ergebnis erzielen.
Die Kopfhaut lässt sich durch interne oder externe Expanderverfahren dehnen. Eine
mögliche Methode ist das Einbringen eines externen Systems, bei dem Silikonschläuche
im Sinne von Sekundärnahten in den Wundrand eingebracht werden. Diese sind miteinander
über Kunststoffstopper verbunden. Man kann darüber über einige Tage die Wundränder
durch 2 × tägliches Nachspannen der Silikonbänder aneinander annähern. Eine mögliche
Komplikation sind Drucknekrosen unter den Stoppern bei zu großer Spannung [2] ([Abb. 7 – 9]).
Abb. 7 Einbringen des externen Expanders. Aus: J Dtsch Dermatol 2003 [2].
Abb. 8 Konnektion der Kunststoffstopper. Aus: J Dtsch Dermatol 2003 [2].
Abb. 9 Drucknekrose als Nebenwirkung des externen Expanders. Aus: J Dtsch Dermatol 2003
[2].
„State of the art“ in der Dermatochirurgie ist die zweizeitige operative Versorgung
epithelialer Hauttumoren. Dabei kommt die mikrografisch kontrollierte Chirurgie zum
Einsatz. Wir haben jedoch sehr gute Erfahrung mit einer einzeitigen Vorgehensweise
bei alten, morbiden Patienten gemacht. Wenn man Tumoren an der Kopfhaut mit einem
makroskopischen Sicherheitsabstand von einigen Millimetern klinisch im Gesunden exzidiert
und in selbiger Sitzung den Defekt z. B. mit einer Hautverpflanzung verschließt, entwickeln
die Patienten nur sehr selten postoperative Komplikationen. Dabei riskiert man zwar,
dass die Tumoren eventuell noch schnittrandbildend sein können. Dieses Risiko nehmen
wir jedoch in Kauf. Sollte dies der Fall sein, empfehlen wir eine entsprechende Nachbeobachtung
oder ggf. auch eine Radiatio. Bei Basalzellkarzinomen, aber auch bei Plattenepithelkarzinomen
ist dies aus unserer Sicht bei entsprechendem Alter und Komorbiditäten der Patienten
zu verantworten ([Abb. 10], [Abb. 11]).
Abb. 10 Ausgeprägte Feldkanzerisierung bei einem polymorbiden Patienten prä OP.
Abb. 11 Z. n. einzeitiger OP der Feldkanzerisierung unter Verwendung eines Spalthauttransplantates
mit hervorragendem postoperativen Ergebnis.
Nach erfolgreicher Granulationsstimulation auf die angestrebte Höhe wird meistens
ein Spalthauttransplantat aufgebracht. Bei sehr großen Defekten (z. B. bei Feldkanzerisierung)
kommt trotz ästhetischer Bedenken das Mesh-Graft-Verfahren infrage. Alternativ kann
auch über eine einfache sekundäre Wundheilung nachgedacht werden, welche für den Patienten
häufig die geringere Belastung darstellt, aber auch sehr zeitintensiv sein kann.
Sollte man sich für eine Spalthauttransplantation als Wundverschluss entschließen,
so ist die sog. retroaurikuläre Spalthaut ([Abb. 12 – 14]) ein sehr elegantes Verfahren. Bei Spalthautentnahme an anderen Donorarealen, wie
z. B. am Oberschenkel ventral, entwickeln sich zum Teil sehr langwierige Abheilungszeiten.
Darüber hinaus resultiert aus der Spalthautentnahme eine dauerhafte Hypopigmentierung.
Entnimmt man jedoch die Spalthaut von der Kopfhaut, so heilt diese aufgrund der guten
Vaskularisation sehr schnell ab. Darüber hinaus ist postoperativ keine Hypopigmentierung
sichtbar, da die Entnahmestelle durch die nachwachsenden Haare überdeckt ist. Man
muss präoperativ die Haare der Entnahmestelle rasieren. Das Dermatom muss entsprechend
dünn eingestellt werden, damit die Haarfollikel in der Kopfhaut verbleiben. Um eine
ebene Entnahmestelle zu erreichen, muss die Rundung des Schädelknochens z. B. mit
der Tumeszenzlokalanästhesie geebnet werden, damit eine problemlose Entnahme der Spalthaut
möglich ist. Postoperativ lässt sich die Entnahmestelle mit dem vorhandenen Deckhaar
abdecken. Limitierend bei diesem Verfahren ist die Größeneinschränkung des Donorareals.
Abb. 12 Gut eingewachsene retroaurikuläre Spalthaut.
Abb. 13 Keine sichtbare Entnahmestelle der retroaurikulären Spalthaut – Übersicht.
Abb. 14 Keine sichtbare Entnahmestelle der retroaurikulären Spalthaut – Detail.
Falls eine lokale Lappenplastik alleine für die Abdeckung des Defektes nicht ausreicht,
lässt sich eine Kombination aus Lappenplastik und Hauttransplantation anwenden. Dabei
wird der ursprüngliche Defekt mit einer Nahlappenplastik aus gesundem Gewebe verschlossen.
Der dadurch entstehende neue Defekt, der ja einen gut vaskularisierten, frischen Wundgrund
aufweist, wird direkt mit einem Transplantat verschlossen. Dieses Kombinationsverfahren
ist sicher kritisch bei alten und morbiden Patienten zu sehen, da es doch ein aufwendiger
Eingriff ist.
Sollte zunächst eine operative Versorgung des Skalpdefektes nicht möglich sein, wird
unter der Voraussetzung eines intakten Periosts ein Wundgrundaufbau angestrebt, wobei
zur Stimulation der Wundgranulation moderne Wundauflagen (wie z. B. Hydrokolloide)
oder eine Vakuumtherapie eingesetzt werden können. Eine Vakuumtherapie kann bis zum
Erreichen des angestrebten Granulationsniveaus mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
Im Falle eines kompletten Freiliegens des Knochens besteht die sehr große Gefahr der
Austrocknung desselben. Um dies zu vermeiden, muss gewährleistet sein, dass mindestens
1 ×/Tag ein Verbandswechsel erfolgt. Dabei müssen fettige Salbengrundlagen, z. B.
weiße Vaseline, zur Anwendung kommen. Diese sollten mit hochwertigen Wunddistanzgittern
kombiniert werden. Dabei sind z. B. Wunddistanzgitter mit einer Silikontechnologie
anzuwenden. Diese verhindern ideal ein Festwachsen am Wundgrund und ermöglichen atraumatische
Verbandswechsel.
Ebenfalls bei nicht intaktem Periost (durch Tumorinfiltration oder Austrocknung) kann
man Trepanationsbohrungen der Schädelkalotte mit einer Fensterung der gefäßfreien
Tabula externa bis in die gefäßreiche Diploe zur Induktion von Granulationsgewebewachstum
durchführen (Braunsche Knochenbohrungen). Eine solche Trepanation erfolgt mittels
eines Rosenbohrers oder eines Erbium-YAG-Lasers ([Abb. 15], [Abb. 16]).
Abb. 15 Braunsche Knochenbohrungen.
Abb. 16 Braunsche Knochenbohrungen mit beginnender Granulation.
Eine elegante Methode zum Wundverschluss bei Problemwunden am Skalp ist die Verwendung
von Dermisersatzprodukten. Wir konnten mit dem bovinen Dermisersatzprodukt (IntegraTM) bislang sehr gute Erfahrung sammeln. Bei einer Patientin mit einem gigantischen,
exophytischen Plattenepithelkarzinom an der Stirn links mit Übergang in die behaarte
Kopfhaut wendeten wir dieses Verfahren an [3] ([Abb. 17]). Der Tumor wurde in Tumeszenzlokalanästhesie radikal entfernt. Da der Tumor mit
der Galea verwachsen war, erfolgte die subgaleale Exzision zur Tiefe bis zur Freilegung
des Periosts des Schädelknochens. Nach erfolgreicher operativer Therapie und dem Vorliegen
einer R0-Resektion verblieb ein Wunddefekt mit einer Größe von ca. 12 × 13 cm mit
freiliegendem Periost. Zunächst wurde eine Vakuum-Therapie mit nur zögerlicher Wundgrundgranulation
durchgeführt. Daher entschieden wird uns für den Einsatz des bovinen Dermisersatzes
(IntegraTM). Dieser als Bilayer-Produkt verwendete kollagene Dermisersatz wurde passgenau in
die Wunde eingenäht ([Abb. 18]). Nach insgesamt sieben Wochen war der tiefreichende Schädelkalottendefekt aufgefüllt
und konnte mittels einer Spalthauttransplantation problemlos verschlossen werden.
Das Transplantat heilte zu 100 % ein, die Wundheilung war nach weiteren vier Wochen
erfolgreich abgeschlossen. Das kosmetische wie auch funktionelle Ergebnis war sehr
gut ([Abb. 19]). Das Produkt besteht aus dreidimensionalem bovinem Kollagen aus Knorpel BSE-freier
Rinder mit 10 – 15 % Glykosaminglykan (Chondroitin-6-Sulfat) sowie einer Silikonfolienabdeckung.
Die Silikonfolie wirkt gegen Austrocknen des Präparates. Es muss passgenau auf die
Wundfläche zugeschnitten werden. Der Wirkmechanismus ist letztlich ungeklärt; es erfolgt
ein Umbau des Dermisersatzproduktes in ca. drei Wochen in körpereigenes Gewebe. Dabei
kommt es zur Ausbildung einer dreidimensionalen Neodermis mit Einwanderung von Fibroblasten,
Makrophagen und Bildung von kapillarreichem Granulationsgewebe. Das Produkt kann direkt
auf den Knochen, auch ohne Periost, aufgelegt werden. Die Vorteile dieses Verfahrens
sind die einfache Anwendung sowie die Tatsache, es auch bei älteren, multimorbiden
Patienten anwenden zu können. Man kann auch direkt auf das frisch eingenähte Dermisersatzprodukt
eine Spalthauttransplantation anlegen. Unbedingt sollte die Anwendung von jodhaltigen
Desinfektionsmitteln vermieden werden, da Jod die Kollagenmatrix des Produktes auflösen
kann. Ein weiterer Nachteil des Verfahrens ist der relativ hohe Preis und mögliche
Wundinfekte [3].
Abb. 17 Gigantischer exophytischer Tumor an der Stirn links. Aus: Springer: Hautarzt 2013,
Abb. 1 a [3], mit freundlicher Genehmigung von Springer Science + Business Media.
Abb. 18 Annaht des Dermisersatzes. Aus: Springer: Hautarzt 2013, Abb. 4 [3], mit freundlicher Genehmigung von Springer Science + Business Media.
Abb. 19 Befund 1 Jahr post OP. Aus: Springer: Hautarzt 2013, Abb. 8 [3], mit freundlicher Genehmigung von Springer Science + Business Media.
Anhand eines Fallbeispiels aus unserer Klinik lassen sich die Schwierigkeiten aus
der täglichen Praxis hervorragend demonstrieren ([Abb. 20], [Abb. 21]): Bei diesem Patienten ist nahezu die gesamte o. g. Therapiepalette angewendet worden.
Es handelt sich um einen älteren, nach Nierentransplantation immunsupprimierten Patienten
mit ausgeprägter Feldkanzerisierung am Kapillitium. Bei ihm wurden in den letzten
Jahren zahlreiche dermatochirurgische Eingriffe bei multiplen Plattenepithelkarzinomen
der Kopfhaut durchgeführt. Daher imponierte seine Kopfhaut wie ein unverschieblicher
„Flickenteppich“. Bei uns wurde ein bis auf den frontoparietalen Knochen reichendes
Plattenepithelkarzinom offen exzidiert. Der daraus resultierende Defekt hatte einen
Durchmesser von ca. 12 cm. Wegen der Defektgröße und der umgebenden Hautqualität war
eine lokale Lappenplastik nicht durchführbar. Auch eine freie mikrozirkuläre Lappenplastik
war aufgrund der bereits mehrmals operativ veränderten Gefäßverläufe nicht zu diskutieren.
Schließlich begannen wir unsere postoperative Wundversorgung mit Trepanationsbohrungen
und Vakuumtherapie. Trotz großen zeitlichen und finanziellen Aufwandes kam es auch
nach mehreren Monaten lediglich zu einzelnen kleinen Granulationsinseln. Daraufhin
wechselten wir zu einem Wundmanagement mit modernen Wundauflagen. Hierunter kam es
zu einem hoffnungsvollen Granulationsschub, der jedoch bald zum Stillstand kam. Der
Defekt hatte sich nach einem Jahr auf ca. 7 × 7 cm der freiliegenden Schädelkalotte
verkleinert. Daraufhin wurde ein bioinduktiver und bioaktiver Hautersatz eingesetzt.
Die Neo-Dermis besteht aus Hyaluronsäure. Trotz antibiotischer Abschirmung kam es
zu einer bakteriellen Infektion, wodurch der Defekt sich nur geringfügig verkleinerte.
Ein anschließend aufgebrachtes Spalthauttransplantat wurde nach wenigen Wochen wieder
abgestoßen.
Abb. 20 Komplikationen unter Immunsuppression.
Abb. 21 Komplikationen unter Immunsuppression.
Nach insgesamt ca. 18-monatiger Behandlung ist es uns trotz jeweiliger Anfangserfolge
leider nicht gelungen, den Hautdefekt mit freiliegender Schädelkalotte vollständig
zu verschließen. Dieses Ergebnis ist auch in Anbetracht der sehr guten Compliance
des Patienten ernüchternd. Während der Behandlungsdauer wurden parallel mehrere neu
diagnostizierte Plattenepithelkarzinome am Kapillitium exzidiert, was die Wundheilung
immer wieder inhibierte.
Zusammengefasst ist der Wundverschluss am Skalp ein anspruchsvolles Gebiet der Dermatochirurgie.
Aufgrund drohender, zum Teil schwerwiegender Komplikationen sollte man sein Verfahren
den Komorbiditäten der Patienten anpassen. „Einfache“ Wundverschlüsse sind komplizierten
Nah- oder Regionallappenplastiken vorzuziehen.