Einleitung
Trotz der großen Bedeutung der Früherkennung eines malignen Melanoms für die Prognose
[1] und der multiplen, breit ausgedehnten Präventions- und Früherkennungsprogramme [2] kommen Patienten mit nicht nur metastasierten Melanomen, sondern auch mit monströsen
Primärtumoren zur Erstdiagnose. Als gigantisches (monströses) Melanom wird ein Primärtumor
mit Gesamttiefendurchmesser (in Breslow’s thickness) von ≥ 10 mm (die Definition spricht
von 10 cm) definiert [3]. In diesem Beitrag berichten wir über zwei Patienten mit ungewöhnlich großen Melanomen,
einem gigantischen Primärtumor bzw. einer monströsen Lymphknotenmetastase.
Fall Nr. 1
Anamnese
Der 71-jährige Patient bemerkte seit ca. 12 Monaten vor der Erstvorstellung das Wachstum
eines größenprogredienten exophytischen Tumors an der Bauchhaut links. Zuvor könnte
dort laut Aussage des Patienten eine Pigmentläsion bestanden haben. Klinisch stellten
wir den Verdacht auf ein amelanotisches malignes Melanom, einen malignen epithelialen
Tumor beziehungsweise eine Metastase eines soliden Karzinoms [4]. In den letzten 6 Monaten habe der Patient ca. 18 kg an Gewicht abgenommen, er war
anämisch und sehr geschwächt.
Klinischer Befund
Klinisch zeigte sich ein monströser, ca. 15 × 6 × 12 cm durchmessender, exophytisch
wachsender, schmierig belegter und foetider, teils nekrotischer Tumor abdominell links.
Die Bauchwand um den Tumor war infiltriert, die Lymphknoten inguinal links waren vergrößert
tastbar. Erythematöse, streifige Läsionen, wahrscheinlich entzündlich veränderte infiltrierte
Lymphgefäße, verbanden den Tumor mit den Lymphknoten ([Abb. 1]).
Abb. 1 Pilzförmiger Riesentumor an der Bauchhaut links.
Laboruntersuchungen
Erythrozyten 2,7 Mio/µl (NW: 4,5 – 5,9), Hämoglobin 3,6 mmol/l (NW: 8,7 – 11,2), Hämatokrit
19,52 % (NW: 41 – 50) als Zeichen einer Tumoranämie; c-reaktives Protein 182 mg/l
(NW: 0 – 5) (Tumorzerfall); Albumin 18,1 g/l (NW: 35 – 55) (Tumorkachexie). Die Tumoroberfläche
war mit Proteus vulgaris und Pseudomonas aeruginosa superinfiziert. Das Protein S-100
im Serum war mit 1,66 µg/l (NW < 0,15) stark erhöht.
Bildgebende Diagnostik
CT Abdomen und Thorax zeigten infiltrative Invasion des exophytisch wachsenden soliden
Tumors in die ventrale Bauchmuskulatur, inguinale Lymphknoten-Metastasen beiderseits
sowie den dringenden Verdacht auf Peritonealkarzinose, bipulmonale Metastasen (zwei
bis 1 cm messende Rundherde links basal im Segment 9 und 10 und ein Rundherd von 1,1 cm
rechts ventroapikal im Segment 3 waren nachweisbar) ([Abb. 2]).
Abb. 2 Multiple Metastasen in CT Abdomen und CT Thorax.
Histologie und Immunhistochemie
Die Läsion wurde durch eine Ulzeration mit umfassender Nekrose und Entzündung beherrscht.
Epidermale Hyperkeratose und Akanthose waren an den Rändern der Läsion zu sehen. Innerhalb
des nekrotischen Gewebes fand man Zellgruppen mit einem Epitheloid- und teilweise
Rhabdoid-Muster. Diese Zellen hatten ein dyshesives Muster und zeigten riesige unregelmäßige,
manchmal exzentrische Kerne und verdickte Kernmembranen mit Chromatinklumpen. Zahlreiche
Zellmitosen waren sichtbar ([Abb. 3]). In einem Schnitt war nur gering bräunliches Pigment bei allerdings negativer Fontana-Färbung
nachweisbar. Eine vorläufige Diagnose eines undifferenzierten, malignen, großzelligen
Tumors wurde gestellt.
Abb. 3 Solide, große Tumorzellen mit zahlreichen Mitosen innerhalb von entzündlichen, nekrotischen
und fibrosierten Herden (HE 200 ×).
Obwohl der melanozytäre Marker MITF negativ war, wurden stark positive Reaktionen
von HMB45, Melan A und S-100 in den Tumorzellen nachgewiesen ([Abb. 4]). Die epithelialen (MNF116, AE1/AE3, LCA) und lymphozytären (CD30) Marker waren
negativ. Vimentin hat eine starke positive zytoplasmatische Reaktion gezeigt.
Abb. 4 Immunohistochemische Ergebnisse: a MITF (400 ×): schwache zytoplasmatische Expression; b, c HMB45 (400 ×) und Melan A (400 ×): starke Positivität in Zytoplasma und Nuklei der
Tumorzellen; d Expression von S-100 (400 ×).
Diagnose und Therapieverlauf
Aufgrund der HMB45-, Melan A- und S-100-Expression der Tumorzellen im Gewebe, der
negativen epithelialen und mesenchymalen Marker und des positiven serologischen S-100-Befundes
stellten wir die Diagnose eines nekrotisch zerfallenden, polypoid wachsenden, überwiegend
amelanotischen malignen Melanoms der Bauchwand linksseitig mit Muskelinfiltration;
pT4b N3 M1b, Stadium IV mit Lymphknoten-Metastasen beidseits inguinal, Peritonealkarzinose
und bipulmonalen Metastasen [5].
Aufgrund der nicht verschließbaren Defektbildung und der Blutungsgefahr sowie der
Multimetastasierung und des schlechten Allgemeinzustandes wurde keine chirurgische
Tumorresektion durchgeführt [6]. Der Patient wurde mit einer hypofraktionierten Strahlentherapie von 6 × 5 Gy mit
zytotoxischer und antiangiogenetischer Wirkung mit dem Ziel der Verkleinerung und
Blutungsstillung/Eintrocknung des Tumors behandelt [7]
[8]. Da der Zeitpunkt der Diagnose vor der Ära der neuesten biologischen Melanomtherapie
lag, leiteten wir eine Dacarbazin (DTIC)-Monochemotherapie (2 monatliche DTIC-Zyklen
von 850 mg/m2) ein. Darüber hinaus führten wir supportive Maßnahmen (antibiotische Therapie nach
Antibiogramm, mehrere Gaben von Erythrozytenkonzentraten, äußerliche desinfizierende
Therapie) durch. Darunter kam es zu einer geringgradigen Verkleinerung des Primärtumors
(13,5 × 4,5 × 11,5 cm); allerdings bestand weiterhin der stark reduzierte Allgemeinzustand
und der Patient verstarb drei Monate nach Diagnose.
Fall Nr. 2
Anamnese
Bei der Erstvorstellung zeigte die 62-jährige Patientin einen ausgeprägten Tumor der
linken Leiste. Laut Patientin hat sich der Befund innerhalb des letzten Jahres deutlich
vergrößert.
Klinischer Befund
Bei der körperlichen Untersuchung wurde ein ca. faustgroßer, derber, knotiger Tumor
in der linken Leiste nachgewiesen ([Abb. 5]).
Abb. 5 Initialer Befund des Riesentumors in den inguinalen Lymphknoten links.
Laboruntersuchungen
Das Routinelabor war im Normbereich außer von Erythrozyten 3,55 Mio/µl (NW: 4,5 – 5,9),
Hämoglobin 5,8 mmol/l (NW: 8,7 – 11,2), Hämatokrit 29,47 % (NW: 41 – 50), c-reaktives
Protein 170 mg/l (NW: 0 – 5), Eisen 4,7 μmol/l (NW: 7,0 – 26,7), Ferritin 631,9 µg/l
(NW: 50 – 200), Laktatdehydrogenase 8,6 (NW: < 4,2), S-100 0,76 µg/l (NW < 0,15).
Bildgebende Diagnostik
Die PET-CT-Untersuchung zeigte monströse, teils konfluierende Lymphknoten mit erhöhtem
Glukosemetabolismus iliakal, inguinal und femoral links, möglicherweise auch mit nekrotischen
Arealen aufgrund der inhomogenen Glukoseanreicherung, einen kleinen, gering speichernden
inguinalen Lymphknoten rechts und Hepatomegalie ([Abb. 6]).
Abb. 6 PET-CT: Größe der Tumormaße links inguinal (9,3 × 13,5 × 15,4 cm).
Histologie und Immunhistochemie
Die normale histologische Architektur des lymphatischen Gewebes wurde durch die malignen
Infiltrate völlig zerstört. Sehr häufige Mitosen, auch mit bizarren atypischen Formationen
([Abb. 7]). Pigment wurde nicht gesehen und die Tumorzellen sahen epitheloid aus. Das histologische
Bild war mit einer Metastase eines amelanotischen malignen Melanoms im iliakalen und
inguinalen Lymphknoten vereinbar.
Abb. 7 Nuklearer Pleomorphismus der Tumorzellen mit Mitosen (Pfeil) (HE 400 ×).
Alle melanozytären Antikörper, nämlich HMB45, Melan A, MITF, S-100, zeigten eine sehr
starke positive Reaktion innerhalb des Tumors ([Abb. 8]), wohingegen die epithelialen bzw. lymphozytären Tumoren durch Antikörper gegen
Schleimhaut-Zytokeratin (MNF116), Mammakarzinom (CA15/3 und GCDFP-15) und Leukozyten
(LCA und CD30) negativ waren. Vimentin zeigte eine starke positive zytoplasmatische
Reaktion. Der Proliferationsmarker Ki67 war in bis zu 30 % der Tumorzellen positiv.
Abb. 8 Immunohistochemische Ergebnisse: Alle melanozytischen Marker zeigten eine sehr starke
Reaktion der Tumorzellen. a HMB45 (100 ×); b MITF (200 ×); c Melan A (400 ×); d S-100 (400 ×).
Diagnose und Therapieverlauf
Serologische, immunhistochemische und apparative Diagnostik ließen die Diagnose einer
Lymphknotenmetastase eines malignen Melanoms inguinal links mit unbekanntem Primum,
pTx N3 M1c, Stadium IV feststellen [9]
[10].
Aufgrund des infiltrierenden Wachstums des Tumors im linken inguinalen Bereich haben
wir von einer operativen Sanierung Abstand genommen. Da die Diagnose vor der Etablierung
der neuen biologischen Melanomtherapie gestellt wurde, führten wir initial eine DTIC-Monochemotherapie
(8 monatliche Zyklen von 850 mg/m2) durch, die aufgrund des Tumorprogresses auf DVP-Polychemotherapie (DTIC 250 mg/m²,
Vindesin 3 mg/m², Cisplatin 100 mg/m²) umgestellt wurde. Nach zwei DVP-Zyklen zeigte
sich eine weitere Progredienz des Tumors mit Größenzunahme des Lymphknotenpakets inguinal
links sowie mit Ausbreitung der Polyorganmetastasierung im Becken- und Abdomenbereich
und anschließend mit der Entwicklung von Hirn-metastasen ([Abb. 9]). Infolgedessen erfolgte als Letztes die Einleitung einer Temozolamid-Mono-Chemotherapie
(200 mg/m² p. o.) [7].
Abb. 9 CT Abdomen, MRT Schädel: Größenzunahme der Tumormaße links inguinal und Nachweis
der Hirnmetastasen.
Aufgrund der Progredienz verstarb die Patientin kurz nach der Einleitung des neuen
Therapieschemas und insgesamt ein Jahr nach Diagnosestellung.
Diskussion
Das gigantische (monströse) Melanom ist sowohl histologisch als auch klinisch betrachtet
eine seltene Variante des nodulären Melanoms. Bezugnehmend auf die oben beschriebenen
Fälle sollte man auf folgende Punkte achten:
-
Auch wenn das Bild solch eines monströsen Tumorknotens für ein Melanom eher selten
und untypisch ist, schließt es ein Melanom nicht aus.
-
Der histologische Befund ist meistens amelanotisch.
-
Zur Diagnosesicherung ist eine immunhistochemische Untersuchung mit einem breiten
Spektrum melanozytärer Antikörper, z. B. HMB45, Melan A, Tyrosinase, MITF und S-100
erforderlich.
In der Regel sind gigantische Melanome bei Erstdiagnose bereits multimetastasiert,
sodass die Prognose infaust ist. Allerdings erweckt die Einführung neuer, wirksamerer
Systemtherapeutika für die nicht resezierbaren Stadien III und IV sowie das rezidivierende
Melanom auch Hoffnung für solche fortgeschrittenen, bisher kaum erfolgreich zu therapierenden
Melanomvarianten [11]
[12]
[13]. Eine kombinierte Chemotherapie mit Immuntherapie bzw. eine Kombination von BRAF-
und MEK-Inhibitoren zeigte bei aktuellen Studien in der Regel noch bessere Ergebnisse
[12]
[13]. Ob auch Patienten mit solchen gigantischen Melanomen von dieser positiven Entwicklung
profitieren können, bleibt noch zu prüfen.
Einhaltung ethischer Richtlinien: Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen und Tieren.
Abkürzungen
AE1/AE3:
Subtypen der Zytokeratine, epitheliale Tumormarker
B-RAF:
das Onkogen B-Raf, eine Serin/Threonin-Kinase
CD30:
Zellmembranprotein, Rezeptor des Tumornekrosefaktors
CT:
Computertomografie
D-PAS:
Diastase-Periodic acid-Schiff-Reaktion
DTIC:
Dacarbazin
DVP:
Polychemotherapie mit DTIC, Vindesin und Cisplatin
Gy:
Gray
HMB45:
monoklonaler Antikörper, melanozytärer Tumormarker
LCA:
Leber-kongenitale Amaurose
MEK:
Mitogen-activated protein kinase
Melan A:
Melanom-Antigen, melanozytärer Tumormarker
MIB:
Proliferationsmarker, Ki67-Klon
MITF:
Mikrophthalmie-assoziierter Transkriptionsfaktor
MNF116:
Panzytokeratinmarker
MRT:
Magnetresonanztomografie
NW:
Normwert
PET-CT:
Positronen-Emissions-Tomografie
S-100:
Melanom-Tumormarker-Protein S-100-B