Einleitung
Die Tuberkulose ist weltweit die häufigste zum Tode führende behandelbare bakterielle
Infektionskrankheit. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten
im Jahr 2013 rund neun Millionen Menschen und 1,5 Millionen verstarben an den Folgen
der Erkrankung [1]. Die Entwicklung resistenter Stämme sowie Koinfektionen mit HIV/AIDS begünstigen
die globale Ausbreitung der Tuberkulose und erschweren ihre Kontrolle. Auch in Deutschland
stellt die Tuberkulose ein häufig unterschätztes Gesundheitsproblem dar. Die Kenntnis
der epidemiologischen Situation ist von zentraler Bedeutung, um ungünstige Entwicklungen
im Kontext mit möglichen Einflussfaktoren frühzeitig zu erkennen.
Allgemeine epidemiologische Entwicklung
Allgemeine epidemiologische Entwicklung
Der seit vielen Jahren rückläufige Trend in den Erkrankungszahlen hat sich seit 2009
deutlich abgeschwächt. Im Jahr 2013 wurden 4318 Neuerkrankungen registriert, was einer
Inzidenz von 5,3 Erkrankungen je 100 000 Einwohner entspricht. Damit waren die Fallzahlen
im Jahr 2013 um 2,4 % höher als im Vorjahr (2012: 4217 Fälle, Inzidenz 5,2) und vergleichbar
mit jenen aus dem Jahr 2011 (4307 Fälle, Inzidenz 5,3). Demnach sehen wir in Deutschland
mittlerweile ein Plateau ([Abb. 1]).
Abb. 1 Tuberkulose in Deutschland 2001 – 2013; Inzidenz pro 100 000 Einwohner. (Datenquelle:
Robert Koch-Institut, [2]).
Innerhalb Deutschlands sind – wie in den vergangenen Jahren – auch im Jahr 2013 deutliche
regionale Unterschiede in der Tuberkulose-Inzidenz feststellbar ([Abb. 2]). In den Stadtstaaten Hamburg (10,6 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner), Berlin
(9,9) und Bremen (8,0) liegt die Inzidenz deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt
von 5,3 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner. Auch in den Bundesländern Hessen (7,0)
und Nordrhein-Westfalen (5,8) sind überdurchschnittliche Inzidenzen zu verzeichnen,
was in Hessen vorwiegend auf den Ballungsraum Rhein/Main-Gebiet und in Nordrhein-Westfalen
auf bevölkerungsreiche Bezirke im Rheinland und Ruhrgebiet zurückzuführen ist. Demgegenüber
finden sich in Schleswig-Holstein und Thüringen mit einer Inzidenz von jeweils 3,0
Erkrankungen je 100 000 Einwohner vergleichsweise niedrige Erkrankungsraten. Der direkte
Vergleich der Inzidenzen in den Stadtstaaten mit den durchschnittlichen Inzidenzen
in den sogenannten Flächenstaaten ist jedoch schwierig. So sind auch in anderen Großstädten
wie beispielsweise in Frankfurt (14,3), Düsseldorf (11,1) oder Köln (10,2) ähnlich
hohe oder sogar noch höhere Inzidenzen als in Hamburg, Berlin und Bremen zu finden.
Abb. 2 Tuberkulose-Inzidenz pro 100 000 Einwohner im Jahr 2013 nach Bundesland (N = 4308)
im Vergleich mit dem Median der vergangenen 5 Jahre (2008 – 2012). (Datenquelle: Robert
Koch-Institut, [2]).
In städtischen Gebieten ist die durchschnittliche Inzidenz mit 7,9 Erkrankungen je
100 000 Einwohner fast doppelt so hoch wie im Vergleich zu ländlichen Regionen (durchschnittliche
Inzidenz 4,0). Dies lässt sich damit erklären, dass insbesondere in größeren Städten
und Ballungsgebieten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Menschen leben, die einer
Risikogruppe für Tuberkulose angehören, wie zum Beispiel Drogen- und Alkoholabhängige,
Obdachlose, HIV-Infizierte sowie Personen mit sozial schwierigen Rahmenbedingungen.
Darüber hinaus lebt dort in der Regel auch ein höherer Anteil an Personen, die aus
Ländern mit hohen TB-Inzidenzen stammen und damit ein höheres Erkrankungsrisiko aufweisen.
Im Vergleich zum Median der vergangenen fünf Jahre wurde in den Bundesländern Hamburg,
Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg eine höhere Inzidenz registriert,
während in den anderen zehn Bundesländern die Zahlen stagnierten bzw. rückläufig waren
([Abb. 2]).
Demografische Verteilung
Wie in den Vorjahren erkrankten männliche Personen 2013 deutlich häufiger an einer
Tuberkulose als weibliche (2665 vs. 1637 Erkrankungen). Die Inzidenz betrug bei männlichen
Personen 6,6 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner und war damit 1,7-mal so hoch wie
beim weiblichen Geschlecht (Inzidenz 3,9). Dieser geschlechtsspezifische Unterschied
tritt ab einem Alter von 40 Jahren besonders deutlich hervor. Der Altersmedian der
Erkrankten lag 2013 bei 47 Jahren und ist im Vergleich zum Vorjahr (49 Jahre) leicht
gesunken. Mit 48 Jahren war der Altersmedian bei männlichen Erkrankten um 4 Jahre
höher als bei den weiblichen Patienten, die einen Altersmedian von 44 Jahren aufwiesen.
Eine Tuberkulose bei Kindern unter 15 Jahren wurde in 169 Fällen festgestellt, was
einer Inzidenz von 1,6 Erkrankungen je 100 000 Kinder entspricht. Damit ist die Kindertuberkulose
gegenüber den beiden vergangenen Jahren weitgehend unverändert geblieben (2012: 173
Kinder, Inzidenz 1,6; 2011: 176 Kinder Inzidenz 1,6).
Das Erkrankungsrisiko war bei ausländischen Staatsbürgern mehr als 9-mal so hoch
im Vergleich zur deutschen Bevölkerung (Inzidenz 26,5 vs. 2,8). Gegenüber dem Vorjahr
hat sich diese Diskrepanz weiter vergrößert (2012: Faktor 7, Inzidenz 22,5 vs. 3,3).
Im Kindesalter und bei jungen Erwachsenen waren diese Differenzen besonders deutlich
ausgeprägt.
2096 Erkrankte (51,6 %) besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit, 1964 (48,4 %) waren
ausländische Staatsbürger. Die erkrankten ausländischen Staatsbürger wiesen im Vergleich
zu deutschen Patienten – wie schon in den vergangenen Jahren – eine signifikant jüngere
Altersstruktur auf (Altersmedian 35 Jahre vs. 59 Jahre, p < 0,006). Bei ausländischen
Staatsangehörigen findet man 3 Häufigkeitsgipfel in der Altersverteilung: Den ersten
bei Kindern unter fünf Jahren, einen weiteren bei den 20- bis 29-Jährigen sowie in
den höheren Altersgruppen einen dritten Gipfel bei den 70–79-Jährigen, während im
Alter ab 80 Jahren die Inzidenz wieder abnimmt ([Abb. 3]). Demgegenüber zeigt sich bei Erkrankten mit deutscher Staatsangehörigkeit ab einem
Alter von zehn Jahren ein stetiger Anstieg der Inzidenz, die bei den Erkrankten oberhalb
von 79 Jahren ihr Maximum erreicht. Insgesamt ist in allen Altersgruppen die Inzidenz
in der deutschen Bevölkerung deutlich niedriger als in der ausländischen Bevölkerung
([Abb. 3]).
Abb. 3 Tuberkulose-Inzidenz pro 100 000 Einwohner im Jahr 2013 nach Altersgruppe und Staatsangehörigkeit
(N = 4057). (Datenquelle: Robert Koch-Institut, [2]).
Todesfälle
Im Jahr 2013 verstarben insgesamt 146 Tuberkulose-Patienten an den Folgen der Erkrankung.
Dies entspricht einer Mortalität von durchschnittlich 0,2 Todesfällen je 100 000 Einwohner,
wobei diese mit zunehmendem Alter ansteigt. Über die Hälfte der Todesfälle wurde ab
einem Alter von 70 Jahren registriert (77 Fälle, 52,3 %). Die geschlechtsspezifische
Mortalität war bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen (0,24 vs. 0,12). Im Vergleich
zum Vorjahr (162 registrierte Todesfälle) ist die Zahl der an Tuberkulose Verstorbenen
leicht gesunken.
Die Letalität, also der Anteil aller an Tuberkulose Verstorbenen unter den Erkrankten,
lag im Jahr 2013 insgesamt bei 3,5 % und ist damit gegenüber dem Vorjahr (3,9 %) geringfügig
niedriger.
Todesfälle im Kindesalter waren 2013 und 2012 erfreulicherweise nicht zu verzeichnen.
Herkunft der Patienten
In den vergangenen Jahren ist der Anteil der im Ausland geborenen Patienten kontinuierlich
angestiegen ([Abb. 4]). Mittlerweile sind über die Hälfte aller in Deutschland registrierten Tuberkulose-Fälle
ausländischer Herkunft: Im Jahr 2013 waren 2309 Patienten (56,6 %) im Ausland und
1774 Patienten (43,4 %) in Deutschland geboren.
Abb. 4 Anteil von Migranten unter den registrierten Tuberkulose-Erkrankten (nach Geburtsland)
– Vergleich der Jahre 2001 – 2013. (Datenquelle: Robert Koch-Institut, [2]).
[Abb. 5] gibt eine Übersicht über die Herkunft (Geburtsland) der in Deutschland registrierten
Erkrankten. Mit insgesamt 72,6 % liegt der überwiegende Teil der Geburtsländer (einschließlich
Deutschland) innerhalb der Europäischen WHO-Region. Etwa jeder 10. TB-Patient, der
in Deutschland gemeldet wird, stammt dabei aus einem Nachfolgestaat der ehemaligen
Sowjetunion (NUS, Neue Unabhängige Staaten, 398 Fälle, 9,8 %), wobei hier – wie schon
in den vergangenen Jahren – die Russische Föderation mit 4,7 % (193 Fälle) den Hauptanteil
ausmacht. Aus der Türkei stammen 4,9 % (199 Fälle), gefolgt von Rumänien mit 4,4 %
(177 Fälle) und Polen mit 2,6 % (104 Fälle) ([Abb. 5]). Aus einem Land außerhalb der Europäischen Region stammt nur rund ein Viertel aller
Fälle (27,4 %). Nennenswert sind hier Indien (131 Fälle; 3,2 %), Somalia (122 Fälle;
3,0 %), Pakistan (91 Fälle; 2,2 %), Vietnam (72 Fälle, 1,8 %) und Afghanistan (64
Fälle; 1,6 %). Aus anderen nichteuropäischen Ländern wurden nur Fallzahlen zwischen
einem und 50 Erkrankten registriert.
Abb. 5 Anteil der Tuberkulosefälle nach Geburtsland (N = 4066). (Datenquelle: Robert Koch-Institut,
[2]). NUS-Länder (Neue unabhängige Staaten der ehemaligen Sowjetunion): Armenien, Aserbaidschan,
Weißrussland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russische Föderation,
Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und die drei Baltischen Staaten Lettland,
Litauen und Estland.
Der Vergleich der Daten zur Staatsangehörigkeit (siehe weiter oben) mit den Angaben
zum Geburtsland zeigt, dass die Bedeutung der Migration durch die alleinige Erfassung
der Staatsangehörigkeit zu einer Unterschätzung führt. So besaßen 51,6 % der Erkrankten
die deutsche Staatsangehörigkeit, jedoch waren nur 43,4 % auch in Deutschland geboren.
Organbeteiligung und bakteriologischer Status
Organbeteiligung und bakteriologischer Status
Mit einem Anteil von 76,9 % (3298 Fälle) war die Lunge (mit oder ohne weitere Manifestationen)
das am häufigsten betroffene Organ.
Unter den Lungentuberkulosen waren 79,6 % (2624 Fälle) bakteriologisch bestätigt („offene
Lungentuberkulose“), während die geschlossene Form einen Anteil von 20,4 % (674 Fälle)
ausmachte. Mehr als ein Drittel der Lungentuberkulosen gehörte dabei zu der besonders
infektiösen mikroskopisch positiven Form (1181 der 3298 pulmonalen Erkrankungen;
35,8 %).
Eine ausschließlich extrapulmonale Manifestation der Tuberkulose wurde in 989 Fällen
(23,1 %) registriert. [Abb. 6] gibt einen Überblick über die hauptsächlich betroffenen Organe.
Abb. 6 Prozentualer Anteil der Tuberkulose-Organmanifestation nach betroffenem Hauptorgan
(N = 4287). (Datenquelle: Robert Koch-Institut, [2]).
Resistente Tuberkulose
Der Anteil der multiresistenten Tuberkulose (mindestens gleichzeitige Resistenz gegenüber
Isoniazid und Rifampicin, MDR-TB) lag im Jahr 2013 bei 3,4 % (102 Fälle) und ist damit
gegenüber dem Vorjahr (2,1 %; 64 Fälle) signifikant angestiegen (p < 0,01). Es ist
der höchste Anteil, der seit Erfassung der resistenten Tuberkulose im Jahr 2001 für
Deutschland registriert wurde ([Abb. 7]). Eine entsprechende Fallzahl wurde zuletzt im Jahr 2005 (106 MDR-TB-Fälle; 2,7 %)
registriert, während in den vergangenen 5 Jahren zwischen 50 und 64 MDR-TB-Fälle jährlich
übermittelt wurden. Damit sind die aktuellen Fallzahlen und Resistenzraten höher als
in vielen vergleichbaren Niedriginzidenzländern. Zwar deuten die vorläufigen Zahlen
aus dem Jahr 2014 (89 MDR-TB-Fälle) wieder auf einen leichten Rückgang hin, dennoch
bleibt der Anteil mit 3,1 % vergleichsweise hoch und es ist weiterhin aufmerksam zu
verfolgen, wie sich die MDR-TB in Deutschland weiter entwickeln wird.
Abb. 7 Anteil resistenter Tuberkulose von 2002 – 2013. (Datenquelle: Robert Koch-Institut,
[2]). Als Bezugsgröße diente gemäß WHO-Definition die Zahl der Fälle, für die im jeweiligen
Jahr Angaben zum Ergebnis der Resistenztestung für Isoniazid und Rifampicin übermittelt
wurden (siehe N in Klammern).
Auch der Anteil von Erregern, die gegen mindestens eines der 5 Standardmedikamente
resistent sind („jegliche Resistenz“), ist mit 14,3 % (427 Fälle) höher als im Vorjahr
(12,7 %; 380 Fälle) und übersteigt damit das bisherige Maximum aus dem Jahr 2004 ([Abb. 7]). Die „jegliche Resistenz“ basiert überwiegend auf einer Resistenz gegenüber Isoniazid
und/oder Streptomycin.
Resistente Erreger finden sich bei Erkrankten, die im Ausland geboren wurden, signifikant
häufiger: So war der Anteil multiresistenter Stämme bei Patienten, bei denen Angaben
zum Geburtsland vorlagen und die im Ausland geboren sind mit 5,3 % (87 Fälle) fast
8-mal so hoch wie bei in Deutschland geborenen Patienten (0,7 %; 8 Fälle). Diese Diskrepanz
hat sich gegenüber dem Vorjahr (Faktor 3,7; 3,3 % vs. 0,9 %) deutlich verstärkt. Bei
der „jeglichen Resistenz“ war der Anteil resistenter Stämme bei im Ausland geborenen
Patienten fast doppelt so hoch im Vergleich zu Deutschen (17,4 % vs. 9,4 %). Gegenüber
dem Vorjahr ist das Verhältnis hier aber nahezu unverändert geblieben.
Hohe Anteile von Medikamentenresistenzen finden sich vor allem bei Patienten, die
aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion (Neue Unabhängige Staaten, NUS) stammen,
wenngleich die absoluten Zahlen unter denen der in Deutschland Geborenen liegen:
2013 waren 36,3 % (106 Fälle) gegen mindestens eines der 5 Standardmedikamente („jegliche
Resistenz“) resistent. Damit war der Anteil resistenter Erreger bei Patienten aus
den NUS fast 4-mal so hoch wie bei in Deutschland geborenen Erkrankten (9,4 %, 113
Fälle) und fast 3-mal so hoch wie bei Erkrankten aller anderen Geburtsländer (13,6 %,
183 Fälle; [Abb. 8]).
Abb. 8 Anteil resistenter Tuberkulose im Jahr 2013 nach Geburtsland Deutschland, NUS und
andere Länder. (Datenquelle: Robert Koch-Institut, [2]).
Bei der MDR-TB betrug der Anteil unter den NUS Geborenen 18,2 % (53 Fälle) und war
damit 26-mal so hoch wie bei in Deutschland geborenen Patienten (0,7 %, 8 Fälle) und
etwa 7,5-mal so hoch wie bei Erkrankten aus anderen Ländern (2,5 %, 33 Fälle; [Abb. 8]).
Die MDR-TB bei in den NUS geborenen Patienten hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich
erhöht. Das gilt sowohl für den Anteil als auch für die Fallzahl multiresistenter
Tuberkulosen (2012: 11,8 %; 28 Fälle vs. 2013: 18,2 %; 53 Fälle). Auch bei Erkrankten
aus anderen Ländern wurde – bei insgesamt deutlich niedrigerem Niveau – ein Anstieg
der MDR-TB beobachtet (2012: 1,7 %, 21 Fälle; 2013: 2,5 %, 33 Fälle), während bei
in Deutschland geborenen Patienten im Vergleich zum Vorjahr weniger Fälle registriert
wurden (2012: 0,9 %; 13 Fälle; 2013: 0,7 %, 8 Fälle).
Nach Einführung der Erfassung von Resistenzen gegenüber Zweitrangmedikamenten wurden
im Jahr 2013 in den Meldedaten erstmals auch 3 Fälle von extensiv resistenter Tuberkulose
(XDR-TB) erfasst, bei der definitionsgemäß neben einer MDR-TB zusätzlich eine Resistenz
gegen ein Flurochinolon und mindestens eines der drei injizierbaren Zweitrangmedikamente
(Amikazin, Kanamycin oder Capreomycin) vorliegen muss.
Bei den XDR-TB Patienten handelte es sich um drei Erwachsene, die in Armenien, Aserbaidschan
und der Russischen Föderation geboren waren. Bei allen 3 Patienten war eine TB-Vorerkrankung
aus früheren Jahren bekannt, die auch behandelt worden war. Zum Ergebnis dieser Behandlung
lagen aber keine näheren Informationen vor.
Vier weitere der 2013 registrierten Patienten zeigten ebenfalls sehr komplexe Resistenzmuster
gegenüber Zweitrangmedikamenten. Die Falldefinition einer XDR-TB war hier jedoch noch
nicht erfüllt, da in diesen Fällen keine Resistenz gegen ein Fluorochinolon bestand.
Solche Fälle werden definitionsgemäß als prä-XDR-TB bezeichnet.
Behandlungsergebnis
Die nachfolgenden Ergebnisse zum Behandlungserfolg gelten für das Jahr 2012, da aufgrund
der langen Behandlungsdauer einer Tuberkulose frühestens nach Ablauf eines Jahres
abschließende Behandlungsergebnisse vorliegen.
Von 4217 Erkrankungsfällen lagen für 3873 Fälle (91,8 %) Informationen zum Behandlungsergebnis
vor: Bei 3073 Erkrankten (79,3 %) wurde die Therapie erfolgreich abgeschlossen (d. h.
Heilung oder vollständige Durchführung der Behandlung). Bei 148 Erkrankten (3,8 %)
dauerte die Behandlung noch an. Weitere 34 Patienten (0,9 %) waren während der Behandlung
unbekannt verzogen, sodass vom zuständigen Gesundheitsamt kein Behandlungsergebnis
mehr ermittelt werden konnte. Bei 618 Erkrankten (16,0 %) konnte die Behandlung aus
verschiedenen Gründen nicht erfolgreich abgeschlossen werden. So wurde in 157 Fällen
(4,1 %) ein Behandlungsabbruch und bei 4 Patienten (0,1 %) ein Versagen der Behandlung
registriert. Insgesamt 457 Erkrankte (11,8 %) – vor allem ältere Menschen – waren
vor oder während der Behandlung an Tuberkulose (170 Patienten, 4,4 %) oder anderen
Ursachen (287 Patienten, 7,4 %) verstorben. Der Behandlungserfolg nimmt mit steigendem
Alter der Patienten kontinuierlich ab und erreicht in der Altersgruppe der über 79-Jährigen
nur noch einen Anteil von 55,8 %, was auf die zunehmenden Todesfälle an Tuberkulose
bzw. auch auf andere Gründe zurückzuführen ist. Demgegenüber liegt der Anteil erfolgreich
behandelter Patienten im Kindesalter und in den mittleren Altersgruppen bis 40 Jahre
bei über 85 %.
Herausforderungen für die Tuberkulose-Kontrolle in Deutschland
Herausforderungen für die Tuberkulose-Kontrolle in Deutschland
Basis für eine erfolgreiche Tuberkulose-Kontrolle ist eine umfassende Surveillance,
die einen detaillierten Überblick über die epidemiologische Situation und deren Bewertung
erlaubt. Mit der Erfassung und Übermittlung der einzelfallbasierten Daten leisten
die Gesundheitsämter hier einen wesentlichen Beitrag zur Kontrolle der TB in Deutschland.
Durch die kontinuierliche und systematische Analyse der TB-Surveillance-Daten lassen
sich zeitliche Entwicklungen aufzeigen sowie mögliche Einflussfaktoren und besonders
gefährdete Bevölkerungsgruppen erkennen.
Seit 2009 hat die kontinuierliche Abnahme der Tuberkulose spürbar nachgelassen und
ist mittlerweile in ein Plateau mit stagnierenden Fallzahlen übergegangen – ähnlich
wie in einigen anderen Industrienationen [3]
[4]. Der gleichzeitig beobachtete Anstieg von Erkrankungen im Kindesalter setzte sich
im Jahr 2012 und 2013 erfreulicherweise nicht weiter fort, allerdings ist auch kein
Rückgang zu verzeichnen [2]. Daher bedarf diese Gruppe weiterhin einer besonderen Aufmerksamkeit – insbesondere
aufgrund des erhöhten Risikos nach einer Infektion sehr rasch eine aktive Tuberkulose
zu entwickeln. Aus dem gleichen Grund stellen Kinder aber auch einen wichtigen Indikator
dar, der auf ein erhöhtes Infektionsrisiko und aktuell fortbestehende Infektionsketten
hinweist.
Im Zeitalter der Globalisierung sind zunehmende Migration – vor allem aus Hochprävalenzländern
– sowie die besorgniserregenden Resistenzraten in Osteuropa [1]
[5]
[6] Aspekte, die auch Auswirkungen auf die Entwicklung in Deutschland haben, wie die
aktuellen Daten zur Resistenz belegen. Die Betrachtung der Fälle nach Migrationshintergrund
[7] und die Kenntnis der Resistenzlage in den betreffenden Herkunftsländern sind daher
von hoher Relevanz auch für die Bewertung der epidemiologischen Situation in Deutschland.
Seit 2007 ist der Anteil von im Ausland geborenen Patienten kontinuierlich gestiegen
und macht mittlerweile über die Hälfte aller in Deutschland registrierten Tuberkulose-Patienten
aus. Im Vergleich zu anderen Niedriginzidenzländern in der Europäischen Union hat
Deutschland jedoch weiterhin auch einen hohen Anteil an einheimischen Tuberkulose-Patienten
– vorwiegend in der älteren Bevölkerung [2]
[3].
Auch der Behandlungserfolg ist ein wichtiger Indikator zur Beurteilung der TB-Situation.
Mit durchschnittlich 79 % liegt Deutschland unter dem von der WHO geforderten Ziel
eines 85%igen Behandlungserfolges. Dies ist vor allem auf die höheren Altersgruppen
ab 60 Jahren zurückzuführen, wo der Anteil erfolgreich Behandelter aufgrund von Todesfällen
– verursacht durch TB aber auch durch andere Ursachen – rapide abfällt. Da Todesfälle
gemäß der WHO-Definition generell als Therapieversagen gezählt werden, dürfte das
hohe Lebensalter in Verbindung mit zunehmender Multimorbidität einer der Hauptgründe
dafür sein, dass Deutschland das WHO-Ziel eines 85%igen Behandlungserfolges nicht
bzw. nur in jüngeren Altersgruppen bis 40 Jahre erreicht.
Die Inzidenz in Deutschland liegt im Vergleich mit anderen Niedriginzidenzländern
im unteren Bereich [3], angesichts der beschriebenen Entwicklung ist jedoch zu befürchten, dass die im
aktuellen Aktionsplan für Niedriginzidenzländer definierten Ziele verfehlt werden.
Dort wird für mehr als 30 ausgewählte Länder angestrebt, bis zum Jahr 2050 die Elimination
der Tuberkulose (< 1 Fall pro 1 Million Einwohner) zu erreichen [8]. Dies würde jedoch im Fall Deutschlands einen jährlichen Rückgang der Tuberkuloseinzidenzen
um etwa 10 % erfordern. Erschwerend kommt hinzu, dass angesichts niedriger Fallzahlen
das Wissen um diese Erkrankung zunehmend aus dem Bewusstsein der Ärzteschaft schwindet
und damit die Gefahr steigt, dass Erkrankte verspätet oder gar nicht diagnostiziert
werden. Neben den individuellen Konsequenzen für den Erkrankten resultieren daraus
eine längere Infektiosität und damit auch eine höhere Zahl von Folgeinfektionen im
Patientenumfeld. Um das Wissen zur Diagnostik und Behandlung der Tuberkulose zu erhalten
und im Gesundheitswesen Tätige für diese Erkrankung zu sensibilisieren, ist die Berücksichtigung
in der Aus- und Weiterbildung daher von zentraler Bedeutung.
Die Bemühungen um eine effektive Tuberkulosekontrolle dürfen keinesfalls nachlassen.
Im Gegenteil, sie sollten – auch angesichts der zunehmend aufwändigeren Betreuung
von einzelnen Erkrankten – vielmehr intensiviert werden. Nur so ist ein weiterer Rückgang
der Erkrankungszahlen zu erreichen und ein zu befürchtender Wiederanstieg zu verhindern.
Aufgrund von komplexen Medikamentenresistenzen, Komorbiditäten (z. B. HIV und Hepatitis),
Alkohol- und Drogengebrauch sowie psychosozialen Problemen gestaltet sich die Betreuung
und medizinische Versorgung vieler Tuberkulosekranker – insbesondere in Großstädten
und Ballungsgebieten – heutzutage zunehmend aufwändiger [9]
[10]. Bei Patienten mit Migrationshintergrund kommen sprachliche und kulturelle Barrieren
dazu, die einen erhöhten Zeitaufwand erfordern. Diese Faktoren stellen auch besondere
Anforderungen an die Durchführung von Umgebungsuntersuchungen zur raschen Unterbrechung
von Infektionsketten. Daher sind die verfügbaren Ressourcen im Öffentlichen Gesundheitsdienst
(ÖGD) von zentraler Bedeutung, ebenso wie die enge Zusammenarbeit zwischen stationären
und ambulanten medizinischen Einrichtungen. Die Vermittlung weiterer über die Erkrankung
hinausgehender Informations- und Unterstützungsangebote durch die Gesundheitsdienste
haben teilweise einen ähnlichen Stellenwert wie die medizinische Versorgung. Ganz
besonders betrifft dies auch Patienten ohne hinreichende Krankenversicherung.
Eine unveränderte Herausforderung in der Tuberkulose-Surveillance ist die fehlende
Erfassung des HIV-Teststatus und des HIV-Testergebnisses im Meldesystem, sodass für
Deutschland derzeit nur auf Schätzungen der HIV/TB-Koinfektion zurückgegriffen werden
kann, die auf der Analyse zusätzlicher Datenquellen beruhen [11]. Zur Identifikation von Risikogruppen und Beschreibung der Transmission wächst die
Bedeutung der Integration von Daten der molekularen Typisierung des Erregers sowie
von medizinischen (z. B. Diabetes, immunsuppressive Therapie) und verhaltensassoziierten
Risikofaktoren in die Surveillance.
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Eine umfassende Tuberkulose-Surveillance ist eine wichtige Voraussetzung, um Entwicklungen
im epidemiologischen Geschehen frühzeitig und im Kontext ihrer möglichen Einflussfaktoren
zu erkennen.
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Nach langjährig kontinuierlichem Rückgang ist in Deutschland mittlerweile ein Plateau
mit stagnierenden Fallzahlen erreicht.
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Die Tuberkulose ist daher in Deutschland nach wie vor ein relevantes Gesundheitsproblem
und die Bemühungen um eine effektive Tuberkulosekontrolle dürfen nicht nachlassen.
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Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, z. B. Menschen aus Hochprävalenzländern
oder mit anderen Risikofaktoren, sind bei Präventions-, Überwachungs- und Kontrollstrategien
gezielt zu berücksichtigen.
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Eine besondere Herausforderung ist die erfolgreiche Behandlung älterer Patienten und
resistenter Tuberkulosen.
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Ärzte werden im Berufsleben kaum noch mit dem Krankheitsbild der Tuberkulose konfrontiert.
Daher ist eine ausreichende Berücksichtigung in der Aus- und Weiterbildung wichtig.