Historie
In der täglichen Praxis werden Dermatologen schon seit vielen Jahrzehnten mit den
Folgeerscheinungen der chronisch-venösen Insuffizienz (CVI) inklusive des Ulcus cruris
venosum konfrontiert [1]. Die ursächliche Versorgung dieses Krankheitsbildes in den 60er- und 70er-Jahren
des letzten Jahrhunderts im Rahmen der Chirurgie und Allgemeinchirurgie war sowohl
quantitativ als auch hinsichtlich der kosmetischen Ergebnisse unzulänglich. Hieraus
ergab sich für die operative Dermatologie die Notwendigkeit, sich eigenständig mit
diesem Krankheitsbild und der chirurgischen Therapie der Varikosis zu beschäftigen,
um neben der Kompressionstherapie den Patienten auch eine kausale Therapie anbieten
zu können. Hieraus begründet werden in der operativen Dermatologie neben Seitenastexhairese
und Perforansvenenligatur mittlerweile alle venenchirurgischen Therapieverfahren inklusive
komplexer Operationen durchgeführt. Die Möglichkeit hierzu ergibt sich aus der epifaszialen
Lage dieser Venen, die damit in das Behandlungsgebiet des Dermatologen fallen.
Hintergrund
Im Rahmen der Varikosis liegt ein Klappenschaden im oberflächlichen (epifaszialen)
Venensystem vor, welcher zu einer chronischen ambulanten Hypertension mit den Folgeerscheinungen
der chronisch-venösen Insuffizienz und einer Überlastung des tiefen Venensystems führt.
Diese Überlastung entsteht, da die in den oberflächlichen Venen nach unten zurücksackenden
Blutmengen durch das tiefe Venensystem erneut Richtung kranial zurücktransportiert
werden müssen (Rezirkulationskreisläufe nach Hach [2]). Als Therapieoptionen der chronisch-venösen Insuffizienz bestehen grundsätzlich
drei Möglichkeiten:
-
Die Erhöhung des Rückflusses im tiefen Venensystem
Dies geschieht durch die Kompressionstherapie als konservative Therapie der chronisch-venösen
Insuffizienz sowohl bei der primären Varikosis als auch beim postthrombotischen Syndrom.
Durch den Kompressionsstrumpf wird der Wadenmuskulatur ein Druck entgegengesetzt,
welcher durch die Verbesserung der Pumpfunktion zu einer Verbesserung des venösen
Rückstroms im tiefen Venensystem führt.
-
Beseitigung des Refluxes durch Ausschaltung der refluxiven Varizen
Die älteste hierzu zur Verfügung stehende Methode ist die Operation und das Stripping
nach Babcock [3]. Die grundlegende Idee dieser Operation stammt aus dem Jahr 1907 und beinhaltet
die Ausschaltung der insuffizienten Stammvenen durch eine operative Entfernung (Stripping)
sowie die Exhairese sämtlicher Seitenäste und Varizenkonvolute. An der grundlegenden
Idee dieser Operation hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert. Als alternative
Methoden zur Operation stehen derzeit die Sklerosierungstherapie mit Polidocanol (Lauromacrogol,
Aethoxysklerol®) sowie die endoluminalen Therapieverfahren (Radiofrequenzobliteration, endoluminale
Lasertherapie) zur Verfügung [4]
[5], die jedoch alle den Sinn ihrer Behandlung in der Ausschaltung der refluxiven Varizenabschnitte
haben.
-
Beseitigung des Refluxes unter Erhalt der Venen
Als älteres Verfahren steht hierfür die CHIVA (Cure Conservatrice et Hémodynamique
de l’Insuffisance Veineuse en Ambulatoire [6]
[7]
[8])-Methode zur Verfügung. Um den Reflux auszuschalten wird hierbei, nach sorgfältigem
duplexsonografischen Mapping, die Vene an den Punkten des Refluxes ligiert und durchtrennt.
Die Vene an sich verbleibt jedoch in situ. Bei der Valvuloplastie [9] wird durch eine crossennahe Goretex-Ummantelung der Vena saphena magna die Schlussfähigkeit
der Mündungsklappe wiederhergestellt. Die Datenlage zu beiden Verfahren lässt einen
Vorteil dieser Verfahren gegenüber den ablativen Verfahren nicht belegen.
Präoperative Diagnostik
Präoperativ muss zur Diagnosestellung ein duplexsonografischer Befund sowohl des epifaszialen
als auch des subfaszialen (tiefen) Venensystems erhoben werden ([Abb. 1]). Hierbei muss ein eventuelles postthrombotisches Syndrom mit Umgehungskreislauf
und Sekundärvarikosis ausgeschlossen werden, um sicherzustellen, dass die tiefen Venen
postoperativ in der Lage sind, den venösen Rückstrom aus den Beinen zum Herzen zu
leisten. Des Weiteren muss präoperativ eine periphere arterielle Verschlusskrankheit
(pAVK) ausgeschlossen werden ([Abb. 2]), um postoperativen Wundheilungsstörungen vorzubeugen und um sicherzustellen, dass
die postoperative Kompressionstherapie zur Thromboseprophylaxe durchführbar ist. Als
ergänzende diagnostische Maßnahmen, auch als Prädiktor des Operationserfolgs, sind
eine Venenverschluss-Plethysmografie, eine digitale Foto-Plethysmografie oder eine
Lichtreflexionsrheografie möglich. Als allgemeine Diagnostik sollten präoperativ zumindest
ein kleines Blutbild sowie der Gerinnungsstatus erhoben werden. Da es sich bei der
Varizenchirurgie um einen elektiven Eingriff handelt, muss bei der ASA (American Society
of Anesthesiologists) Physical Status-Klassifikation III des Patienten eine strenge
Indikationsstellung erfolgen, da prinzipiell auch konservative Therapieoptionen zur
Verfügung stehen. Grundvoraussetzung der Indikationsstellung zur operativen Sanierung
der Varikosis ist ein Reflux einer Stammvene oder Perforansvene sowie das Vorhandensein
einer signifikanten Varikosis mit einem Durchmesser von ≥ 4 mm. Bei größeren varizenchirurgischen
Eingriffen sollte perioperativ ein Monitoring mit kontinuierlicher Blutdruckmessung,
EKG und Pulsoxymetrie erfolgen. Ein peripherer venöser Zugang ist in jedem Falle erforderlich.
Als Anästhesie besteht sowohl die Möglichkeit der totalen intravenösen Anästhesie,
welche natürlich in die Hand eines erfahrenen Anästhesisten gehört, als auch die Möglichkeit
der Tumeszenzlokalanästhesie. Diese hat sich in den letzten Jahren vermehrt in der
Varizenchirurgie durchgesetzt [10]. Sie bietet den Vorteil einer anhaltenden postoperativen Analgesie, einer sofortigen
Mobilisation postoperativ sowie von nur geringen postoperativen Hämatomen und intraoperativen
Blutungen. Hierfür wird die Tumeszenzlösung (Beispielrezepturen [Tab. 1] und [Tab. 2]) in der Regel über eine elektrische Rollpumpe in das Operationsgebiet subkutan infiltriert,
wobei eine Grenzdosis von 20 mg Prilocain pro kg Körpergewicht nicht überschritten
werden sollte [11], um eine übermäßige Methämoglobinbildung [12] zu verhindern. In Deutschland wird das Lokalanästhetikum Prilocain in der Regel
für die Tumeszenzlokalanästhesie im Rahmen des Varizenstrippings verwendet [13]. Dies erfordert ein Monitoring durch den Operateur und das kompetente Management
eventueller Kreislaufkomplikationen.
Abb. 1 Vena femoralis superficialis mit atemmoduliertem Fluss und Strömungsstop bei Valsalva-Pressmanöver.
Abb. 2 Arteria femoralis superficialis mit triphasischem Flussprofil.
Tab. 1
Tumeszenzlokalanästhesie-Lösung mit Prilocain.
Ansatz mit 3 Liter NaCL-Beutel (ca. 0,07 %ige Lösung)
|
NaCl-Lösung 0,9 %
|
3000 ml
|
Prilocain (Xylonest® 1 %)
|
225 ml
|
Epinephrin (Suprarenin®)
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3 ml (3 Ampullen)
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Natriumhydrogenkarbonat (NaHCO3 8,4 %)
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24 ml
|
Tab. 2
Tumeszenzlokalanästhesie-Lösung mit Articain bei Parabene-Unverträglichkeit.
Ansatz mit 1 Liter PE-Flasche NaCl (ca. 0,07 %ige Lösung)
|
NaCl-Lösung 0,9 %
|
1000 ml
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Articain (Ultracain® 1 %)
|
70 ml
|
Epinephrin (Suprarenin®)
|
1 ml (1 Ampulle)
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Natriumhydrogenkarbonat (NaHCO3 8,4 %)
|
8 ml
|
Operatives Vorgehen
Bei Insuffizienz der Vena saphena magna ist eine komplette Crossektomie mit bündiger
Ligatur der Vena saphena magna im Niveau der Vena femoralis communis sowie die Ligatur
sämtlicher in die Crosse einmündender Seitenäste als Rezidivprophylaxe erforderlich
(s. [Abb. 3] und [Abb. 4]; [4]). Der Zugang erfolgt über einen inguinalen Querschnitt, wobei als laterale Schnittrandbegrenzung
der Puls der Arteria femoralis communis dient. Da als Ursache für die Rezidive in
den letzten Jahren zunehmend eine Gefäß-Neoangiogenese aus dem freiliegenden Stumpfendothel
propagiert wurde [14]
[15]
[16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24], ist zu empfehlen, das freiliegende Endothel nach Absetzen der Vena saphena magna
entweder elektrokaustisch zu koagulieren oder mit einem nicht resorbierbaren Faden
zu übernähen. Ob zur Ligatur des Stumpfes ein resorbierbares oder nicht resorbierbares
Nahtmaterial eingesetzt wird, ist in der Literatur strittig [20]
[21]
[23]
[24]. Nach Absetzen der Vena saphena magna wird diese bis zum distalen Insuffizienzpunkt
mit einer Strippersonde sondiert, wobei in der Regel wiederverwendbare Sonden, wie
beim Stripperset nach Nabatov ([Abb. 5]), zum Einsatz kommen. Die Sonde wird über einen kleinen Schnitt unterhalb des Knies
am distalen Insuffizienzpunkt ausgeleitet. Ein Stripping bis zum Knöchel sollte nach
Möglichkeit vermieden werden, da so deutlich seltener Nervus-saphenus-Läsionen entstehen
und ein potenzielles Stück Bypasstransplantatmaterial der Vena saphena magna im Unterschenkel
erhalten werden kann. Das Stripping der Vena saphena magna erfolgt retrograd und die
Seitenäste werden in Kleinschnitt-Technik, in der Regel mit einem Phlebektomiehäkchen,
z. B. nach Ramelet, Oesch oder Varady, entfernt ([Abb. 6]). Alternativ zur Exhairese in Kleinschnitt-Technik ist postoperativ auch eine Schaumsklerosierung
der verbliebenen Varikosis möglich. Diese geht mit einer geringeren Narbenbildung,
aber dem erhöhten Risiko von postoperativen Hyperpigmentierungen einher.
Abb. 3 Präparierter Crossensitus mit Darstellung aller Seitenäste in Tumeszenzlokalanästhesie
vor Ligatur der Seitenäste.
Abb. 4 Doppelte Ligatur der Vena saphena magna im Niveau der Vena femoralis communis.
Abb. 5 Vena saphena magna mit eingeführter und ausgeleiteter Strippersonde nach Nabatov.
Abb. 6 Seitenastexhairese durch Miniphlebektomie mit dem Phlebektomiehäkchen nach Ramelet.
1. Operatives Vorgehen bei Operation der Vena saphena parva
Insbesondere bei der Operation der Vena saphena parva ist präoperativ die duplexsonografische
Markierung der Einmündungshöhe der Vena saphena parva in die Vena poplitea wichtig,
da diese Einmündungshöhe sehr variabel ist. Der Zugang erfolgt kurz unterhalb der
Mündung durch eine Querinzision. Auch hier wird zunächst die Vena saphena parva angeschlungen
und die Präparation in die Tiefe bis zur Mündung durchgeführt, wobei die Darstellung
der Mündung in die Vena poplitea bei Operation der Vena saphena parva nicht erzwungen
werden sollte. Danach – analog zur Vena saphena magna – erfolgt ein retrogrades Stripping
und die Exhairese der Seitenäste in Kleinschnitt-Technik. Auch hier sollte aufgrund
der Nervenläsionsraten nur ein Stripping bis zum distalen Insuffizienzpunkt erfolgen.
2. Operatives Vorgehen bei Crossenrezidiven im Bereich der Vena saphena magna
Das Crossenrezidiv stellt auch für den erfahrenen Operateur immer wieder eine Herausforderung
dar, da aufgrund der vorhergegangenen Operationen eine erhebliche Vernarbung im Operationsgebiet
besteht. Bei der operativen Sanierung des Vena-saphena-parva-Crossenrezidivs ist die
exakte präoperative, duplexsonografische Markierung von essentieller Bedeutung. Trotzdem
handelt es sich um ein schwieriges operatives Vorgehen aufgrund der komplexen Anatomie
der Nerven und Gefäße im Bereich der Fossa poplitea. Bei der operativen Sanierung
des Vena-saphena-magna-Crossenrezidives bietet sich der modifizierte Zugang von lateral
nach Klein-Junod [25] an. Hierbei wird zunächst die Arteria femoralis communis frei präpariert, um dann
die medial liegende Vena femoralis communis aufzusuchen. Danach wird der verbliebene
Mündungsstumpf von distal mit der oberen und unteren Umschlagfalte freipräpariert.
Hierdurch wird das alte Narbengebiet in der Regel umgangen und es ist ein übersichtlicher
Zugang zum verbliebenen Crossenstumpf möglich ([Abb. 7]).
Abb. 7 OP-Situs bei Sanierung eines Crossenrezidivs nach Klein-Junod. Links im Bild (weißer
Pfeil) die freigelegte A. femoralis communis.
Dieses Vorgehen erfordert jedoch ein hohes Maß an Erfahrung und Operationssicherheit.
Ein Setting mit chirurgischem und/oder gefäßchirurgischem Hintergrund bei Großgefäßverletzungen
ist bei solchen Operationen als „Backup“ immer erforderlich.
Postoperatives Management
Postoperatives Management
Direkt postoperativ erfolgt eine Kompressionstherapie der unteren Extremität mit Kompressionsbinden,
in der Regel in Zweischicht-Technik, mit einer Kombination aus einer Autosana-Schaumstoffbinde
und einer Kurzzugbinde in Pütter-Technik. Durch diese Kombination erfolgt eine gleichmäßige
Druckverteilung am Bein, Schnürfurchen werden vermieden und ein Abrutschen des Verbandes
ist selten. Dieser postoperative Verband dient der Kompression von durch das Stripping
abgerissenen Seitenästen (Hämatomprophylaxe) und der Verhinderung von Nachblutungen.
Ab dem 2. postoperativen Tag reicht in der Regel die Kompression des Unterschenkels
aus, welche zur postoperativen Ödem- und Thromboseprophylaxe erfolgt und in der Regel,
nach Abschluss der exsudativen Phase, mittels Kompressionsstrümpfen der Klasse II
durchgeführt werden kann. Falls größere Hämatome am Oberschenkel auftreten oder der
Patient über ein Anschwellen des Knies bei Unterschenkelkompression klagt, ist ein
Oberschenkelkompressionsstrumpf indiziert. Die beschriebene Kompressionstherapie ist
postoperativ für ca. 4 bis 6 Wochen sinnvoll, dies führt nach unseren Erfahrungen
zu einer deutlichen Ödemreduktion. Jedoch muss erwähnt werden, dass für dieses Vorgehen
keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz vorliegt. In der Literatur wird die Dauer
der postoperativen Kompressionstherapie mittels Kompressionsstrümpfen kontrovers diskutiert
[26].
Outcome der klassischen Varizenchirurgie
Outcome der klassischen Varizenchirurgie
Die Rezidivquoten der klassischen Varizenchirurgie stehen seit dem letzten Jahr in
der Diskussion. Bei adäquater operativer Versorgung der Vena saphena magna ist 5 Jahre
postoperativ mit einer Rezidivquote (duplexsonografisch nachweisbarer Reflux des Rezidivgefäßes
mit einem Durchmesser von ≥ 4 mm und gleichzeitig klinisch relevante Varikosis) in
der Größenordnung von ca. 7 % bis 14 % zu rechnen [27]
[28]
[29]
[30]
[31]
[32]. Popliteal, also im Bereich der Vena saphena parva, ist die Rezidivquote deutlich
höher und muss zwischen 15 % bis 25 % erwartet werden [33]. Vergleicht man diese Rezidivquoten mit den derzeit zur Verfügung stehenden, neueren
endoluminalen Therapieverfahren, ergibt sich für keines aller genannten Verfahren
ein Vorteil [31]
[32]
[33]
[34]. Nach der operativen Sanierung der Varikosis zeigte sich eine signifikante Verbesserung
der Lebensqualität der Patienten wie auch ein deutlicher Patientennutzen (gemessen
mit dem Patient Benefit-Index, PBI), was auch 5 Jahre nach der Operation noch nachweisbar
war (eigene bisher nicht publizierte Daten). Eine qualitativ gute Varizenoperation
führt zu sehr guten kosmetischen Ergebnissen, welche auch von anderen Verfahren schwer
zu übertreffen sind (eigene bisher nicht publizierte Daten, [Abb. 8] und [Abb. 9]).
Abb. 8 Klinischer Befund präoperativ.
Abb. 9 Klinischer Befund drei Monate postoperativ.