physiopraxis 2014; 12(09): 18-19
DOI: 10.1055/s-0034-1390359
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand – Die Motivatorinnen

Dörte Watzek

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. September 2014 (online)

 

Haben Therapeut und Patient gemeinsam ein Heimübungsprogramm festgelegt, heißt das noch lange nicht, dass der Patient das auch tatsächlich umsetzt. Häufig mangelt es an der sogenannten Adhärenz. Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand haben in ihrer Bachelorarbeit untersucht, wie man Patienten am besten aktiviert.


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Abb.: privat
Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand …

… sind 23 und 26 Jahre alt und leben in Mürren und Sumiswald in der Schweiz. Beide haben an der Berner Fachhochschule Physiotherapie studiert und ihr Studium 2013 mit der Bachelorarbeit über Adhärenz in der Atemtherapie abgeschlossen. Sensibilisiert durch ihre Abschlussarbeit achten sie im Umgang mit Patienten auf eine gut verständliche Übungsinstruktion. Sie wählen für die Therapie lieber wenige Übungen aus, setzen diese aber 1:1 mit den Patienten um. Zudem ist es ihnen wichtig, ihren Patienten den Grund für die Übungen zu erklären.

Marie-Thérèse Abegglen arbeitet in der Physiotherapie des fmi-Spitals Interlaken, Schweiz. Als Ausgleich zur Arbeit läuft und wandert sie, schwimmt und fährt Fahrrad. Aktuell genießt sie es, ihr angeeignetes Wissen in der Praxis umzusetzen. Für die nahe Zukunft plant sie Fortbildungen in Richtung Orthopädie.

Martina Brand arbeitet im Regionalspital Emmental in Langnau, Schweiz. In ihrer Freizeit spielt sie Saxophon in einem Blasmusikorchester, geht regelmäßig schwimmen, biken und joggen. Sie freut sich schon auf ihre ersten Fortbildungen, zum Beispiel in Manueller Lymphdrainage und Manueller Therapie.

Adhärenz in der Atemphysiotherapie

Die Bachelorarbeit

Haben Patient und Therapeut zusammen ein Übungsprogramm festgelegt, heißt das noch lange nicht, dass der Patient sich daran hält. Oft mangelt es an der Adhärenz. Für Therapeuten ist es daher interessant zu wissen, was die Mitarbeit der Patienten positiv beeinflusst. Marie- Thérèse Abegglen und Martina Brand haben diese Frage in ihrer Bachelorarbeit aufgegriffen und die Adhärenz mittels qualitativer Interviews untersucht. Sie befragten acht Patienten, die nach einem thorax- oder viszeralchirurgischen Eingriff Übungen mit dem Atemtrainer Voldyne machen sollten. Das Interview fand frühestens am zweiten postoperativen Tag statt. Ein Einschlusskriterium war, dass die Patienten vor der Befragung mindestens zweimal Physiotherapie hatten. Eine Interviewfrage lautete: „Was denken Sie, wären Gründe, die Übungen wie empfohlen zu machen?“

Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring. Dabei werden nach der wörtlichen Transkription der Interviews die Aussagen kategorisiert und den zuvor aufgestellten Hypothesen zugeordnet. Dieses klar strukturierte Vorgehen objektiviert die Aussagen der qualitativen Arbeit.

Als theoretische Grundlage diente das Gesundheitsverhaltensmodell „Health Action Process Approach“ (HAPA). Laut diesem beeinflussen drei Faktoren die Adhärenz: die Risikowahrnehmung, die Handlungsergebnis- und die Selbstwirksamkeitserwartung. Demnach verhalten sich Patienten adhärenter, wenn ihnen die Gefahren ihrer aktuellen Lebenssituation bewusst sind, wenn sie von den Übungen positive Effekte erwarten und wenn sie überzeugt sind, ihren Gesundheitszustand selbst beeinflussen zu können. Ziel der Bachelorarbeit war es, die im HAPA-Modell genannten Einflussfaktoren zu belegen und weitere zu finden.


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Ergebnisse

Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand haben herausgefunden, dass …

  • > es die Adhärenz aller acht Patienten positiv beeinflusst, wenn sie von ihrem sozialen Umfeld Unterstützung bei der Umsetzung der Übungen erhalten.

  • > es die Adhärenz von sechs Patienten steigert, wenn sie davon überzeugt sind, ihren Gesundheitszustand selbst beeinflussen zu können (Selbstwirksamkeitserwartung).

  • > sich fünf Patienten adhärenter verhalten, wenn sie die Risiken kennen, die aus dem Nicht-Üben resultieren können (Risikowahrnehmung), und wenn sie wissen, dass sich die Übungen positiv auf ihren Zustand auswirken (Handlungsergebniserwartung).

  • > ein schlechter Gesundheitszustand die Adhärenz von sechs Patienten negativ beeinflusst.

  • > sich Schmerzen (fünf Patienten), Müdigkeit und Zeitknappheit (beides bei vier Patienten) ungut auf die Adhärenz auswirken.


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Fazit

Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand können zusammenfassend festhalten, dass …

  • > die Angehörigen in die Therapie miteinbezogen werden sollten, damit sie den Patienten bei seinen Übungen unterstützen können.

  • > der Therapeut die Übungen mit dem Patienten einmal komplett durchmachen sollte, damit dieser auch alleine gut üben kann.

  • > ein Zielwert hilfreich ist, wenn der Patient mit einem Gerät übt.

  • > der Therapeut den Patienten über die Wirkung der Übungen aufklären und ihm verdeutlichen sollte, mit welchen Komplikationen er rechnen muss, wenn er sich nicht an den gemeinsamen Therapieplan hält.

  • > detaillierte schriftliche Instruktionen helfen können, besonders wenn das Auffassungsvermögen des Patienten durch einen schlechten Gesundheitszustand vermindert ist.

  • > es wichtig ist, mit dem Patienten eine konkrete Zeit zu vereinbaren, in der dieser regelmäßig übt, zum Beispiel „jeden Morgen nach dem Frühstück“. Unkonkrete Abmachungen können dazu führen, dass der Patient nie Zeit zum Üben findet oder es vergisst.

→ Abegglen, MT, Brand, M. Adhärenz in der Atemphysiotherapie. Wie können Therapierende die Adhärenz von Patienten und Patientinnen beeinflussen? Bachelorarbeit an der Berner Fachhochschule; 2013


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Abb.: privat