Adhärenz in der Atemphysiotherapie
Die Bachelorarbeit
Haben Patient und Therapeut zusammen ein Übungsprogramm festgelegt, heißt das noch lange nicht, dass der Patient sich daran hält. Oft mangelt es an der Adhärenz. Für Therapeuten ist es daher interessant zu wissen, was die Mitarbeit der Patienten positiv beeinflusst. Marie- Thérèse Abegglen und Martina Brand haben diese Frage in ihrer Bachelorarbeit aufgegriffen und die Adhärenz mittels qualitativer Interviews untersucht. Sie befragten acht Patienten, die nach einem thorax- oder viszeralchirurgischen Eingriff Übungen mit dem Atemtrainer Voldyne machen sollten. Das Interview fand frühestens am zweiten postoperativen Tag statt. Ein Einschlusskriterium war, dass die Patienten vor der Befragung mindestens zweimal Physiotherapie hatten. Eine Interviewfrage lautete: „Was denken Sie, wären Gründe, die Übungen wie empfohlen zu machen?“
Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring. Dabei werden nach der wörtlichen Transkription der Interviews die Aussagen kategorisiert und den zuvor aufgestellten Hypothesen zugeordnet. Dieses klar strukturierte Vorgehen objektiviert die Aussagen der qualitativen Arbeit.
Als theoretische Grundlage diente das Gesundheitsverhaltensmodell „Health Action Process Approach“ (HAPA). Laut diesem beeinflussen drei Faktoren die Adhärenz: die Risikowahrnehmung, die Handlungsergebnis- und die Selbstwirksamkeitserwartung. Demnach verhalten sich Patienten adhärenter, wenn ihnen die Gefahren ihrer aktuellen Lebenssituation bewusst sind, wenn sie von den Übungen positive Effekte erwarten und wenn sie überzeugt sind, ihren Gesundheitszustand selbst beeinflussen zu können. Ziel der Bachelorarbeit war es, die im HAPA-Modell genannten Einflussfaktoren zu belegen und weitere zu finden.
Ergebnisse
Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand haben herausgefunden, dass …
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> es die Adhärenz aller acht Patienten positiv beeinflusst, wenn sie von ihrem sozialen Umfeld Unterstützung bei der Umsetzung der Übungen erhalten.
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> es die Adhärenz von sechs Patienten steigert, wenn sie davon überzeugt sind, ihren Gesundheitszustand selbst beeinflussen zu können (Selbstwirksamkeitserwartung).
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> sich fünf Patienten adhärenter verhalten, wenn sie die Risiken kennen, die aus dem Nicht-Üben resultieren können (Risikowahrnehmung), und wenn sie wissen, dass sich die Übungen positiv auf ihren Zustand auswirken (Handlungsergebniserwartung).
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> ein schlechter Gesundheitszustand die Adhärenz von sechs Patienten negativ beeinflusst.
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> sich Schmerzen (fünf Patienten), Müdigkeit und Zeitknappheit (beides bei vier Patienten) ungut auf die Adhärenz auswirken.
Fazit
Marie-Thérèse Abegglen und Martina Brand können zusammenfassend festhalten, dass …
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> die Angehörigen in die Therapie miteinbezogen werden sollten, damit sie den Patienten bei seinen Übungen unterstützen können.
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> der Therapeut die Übungen mit dem Patienten einmal komplett durchmachen sollte, damit dieser auch alleine gut üben kann.
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> ein Zielwert hilfreich ist, wenn der Patient mit einem Gerät übt.
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> der Therapeut den Patienten über die Wirkung der Übungen aufklären und ihm verdeutlichen sollte, mit welchen Komplikationen er rechnen muss, wenn er sich nicht an den gemeinsamen Therapieplan hält.
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> detaillierte schriftliche Instruktionen helfen können, besonders wenn das Auffassungsvermögen des Patienten durch einen schlechten Gesundheitszustand vermindert ist.
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> es wichtig ist, mit dem Patienten eine konkrete Zeit zu vereinbaren, in der dieser regelmäßig übt, zum Beispiel „jeden Morgen nach dem Frühstück“. Unkonkrete Abmachungen können dazu führen, dass der Patient nie Zeit zum Üben findet oder es vergisst.
→ Abegglen, MT, Brand, M. Adhärenz in der Atemphysiotherapie. Wie können Therapierende die Adhärenz von Patienten und Patientinnen beeinflussen? Bachelorarbeit an der Berner Fachhochschule; 2013