1 Präambel
Die Versorgungsforschung ist „ein fachübergreifendes Forschungsgebiet, das die Kranken-
und Gesundheitsversorgung und ihre Rahmenbedingungen beschreibt und kausal erklärt,
zur Entwicklung wissenschaftlich fundierter Versorgungskonzepte beiträgt, die Umsetzung
neuer Versorgungskonzepte begleitend erforscht und die Wirksamkeit von Versorgungsstrukturen
und -prozessen unter Alltagsbedingungen evaluiert“ [1]. Über-, Unter- und Fehlversorgung stellen auch in Deutschland ein Problem der Versorgungsqualität
dar.
Das Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen wie demografischer und gesellschaftlicher
Wandel, steigende Lebenserwartung, medizinischer und technischer Fortschritt sowie
Veränderungen des Krankheitsspektrums. Die Versorgungsforschung kann einen wichtigen
Beitrag zu einer qualitativ besseren und effizienteren Gesundheitsversorgung für den
Einzelnen und die Bevölkerung leisten.
Zweck des Konsensusstatements zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgungsforschung
in Bayern ist es, die globalen Ziele der Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitsversorgungsforschung
(LAGeV) zu operationalisieren und gemeinsam auf Basis der Bestandsanalyse Prioritäten
hinsichtlich der Zukunftsthemen, konkrete Umsetzungsschritte, Methoden und Arbeitsformen
für den weiteren Verlauf festzulegen.
2 Die Bayerische Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitsversorgungsforschung (LAGeV)
Mit Beschluss des Bayerischen Landtags vom 17. März 2011 wurde die Weiterentwicklung
der Versorgungsforschung in Bayern vereinbart [2]. Die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitsversorgungsforschung (LAGeV) wurde gegründet,
um im Rahmen eines geeigneten Fachgremiums die Kompetenzen/Disziplinen der beteiligten
Akteure aus Wissenschaft, Politik und Praxis im Hinblick auf die Versorgungsforschung
zu integrieren und zu vernetzen, sowie die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren zu
fördern. Die LAGeV ist eine neutrale und unabhängige Plattform und hat eine koordinierende
und moderierende Funktion an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Praxis.
Die Ziele der LAGeV sind:
-
Aufbau einer leistungsstarken Versorgungsforschung in Bayern,
-
Optimierung der Gesundheitsversorgung im Hinblick auf Bedarfsgerechtigkeit, Effektivität
und Effizienz,
-
Identifizierung prioritärer Public-Health-Probleme,
-
Erarbeitung von Lösungsansätzen in der Gesundheitsversorgung,
-
Bürger-, Patienten- und Nutzerorientierung,
-
Weiterentwicklung und Sicherung der Versorgungsqualität,
-
Unterstützung von Gender Mainstreaming im Gesundheitssystem,
-
Abbau sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen,
-
Identifizierung regionalspezifischer Versorgungsbedarfe,
-
Intensivierung der Kooperation der Gesundheitsberufe,
-
Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit in der ambulanten und stationären
Leistungserbringung.
3 Bestandsanalyse der Versorgungsforschung in Bayern
Zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgungsforschung in Bayern wurde
eine explorative Befragung bei den LAGeV-Mitgliedern durchgeführt [3]. Auf Basis dieser Befragung wurden der Stand der Versorgungsforschung in Bayern,
Entwicklungspotenziale, hemmende und fördernde Faktoren, konkrete Empfehlungen für
die Weiterentwicklung der Versorgungsforschung in Bayern, Vorschläge für Schwerpunktsetzungen
der LAGeV sowie die Möglichkeiten der Mitarbeit der einzelnen Mitglieder eruiert.
Bei der Befragung zeigten sich Entwicklungspotenziale für die Rahmenbedingungen der
Versorgungsforschung in Bayern, ihren Output insgesamt und ihre Wirksamkeit in der
Politikberatung. Besondere Defizite sahen die Akteure insgesamt in der Politikberatung.
Als fördernde Faktoren wurden in der Befragung u. a. die gute vorhandene Infrastruktur
(insbesondere aus Sicht der Mediziner und Gesundheitsökonomen aus dem Bereich der
Wissenschaft) und die Aktivitäten des Landes genannt. Hemmende Faktoren waren das
Fehlen von Koordination, Vernetzung und Rahmenkonzept (insbesondere aus Sicht der
Wissenschaftler), konkurrierende Interessen, die Unterfinanzierung (nicht aus Sicht
der Leistungserbringer und Sozialversicherungsträger), die schwache universitäre Infrastruktur
(insbesondere aus Sicht der nicht-medizinischen Bereiche), sowie Datenschutz und Datennutzung.
4 Zukunftsthemen/Entwicklungspotenziale der Versorgungsforschung
Die Arbeit der LAGeV ist auf aktuelle und prioritäre Probleme in der Versorgungsforschung
fokussiert. In der Befragung wurde die Wichtigkeit von diskutierten Zukunftsthemen
der Versorgungsforschung bewertet. Im Folgenden werden die 12 wichtigsten Zukunftsthemen
aus Perspektive der LAGeV-Mitglieder näher ausgeführt. Sie überschneiden sich in verschiedener
Hinsicht, weil sie jeweils unterschiedliche Blickwinkel auf prioritäre Themen darstellen.
4.1 Schnittstellen- und Vernetzungsforschung forcieren
Die Schnittstellen- und Vernetzungsforschung ist das wichtigste Zukunftsthema in der
Versorgungsforschung aus Sicht der LAGeV. Es zielt auf die Strukturen des Gesundheitssystems
in Deutschland, welches traditionell durch eine starke Trennung der Sektoren und auch
der Professionen geprägt ist. Hier stellt sich die zentrale Frage, wie sich die Schnittstellen
insbesondere zwischen den Bereichen Kuration, Rehabilitation und Pflege sowie zwischen
dem ambulanten und dem stationären Sektor mithilfe der Versorgungsforschung überwinden
lassen. Die Schnittstellen- und Vernetzungsforschung besitzt auch Bezüge zu vielen
der folgenden Zukunftsthemen.
4.2 Innovative Versorgungskonzepte entwickeln
Innovative Versorgungskonzepte können einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung
des Gesundheitssystems, besonders zur Überbrückung des ambulanten und des stationären
Sektors, leisten. Der Innovationscharakter erfordert ein besonders hohes Maß an Versorgungsforschung,
die bereits bei der Entwicklung von Versorgungskonzepten sowie bei dem vorausgehenden
Assessment und der Defizitanalyse der Versorgungssituation beteiligt sein sollte.
Innovative Versorgungskonzepte sind vor allem bei den krankheitsorientierten Zukunftsthemen,
(siehe Abschnitte 4.3, 4.4, 4.8), dem Zukunftsthema Schnittstellen- und Vernetzungsforschung
(siehe Abschnitt 4.1) sowie präventiven Angeboten von Bedeutung.
4.3 Versorgung von multimorbiden Patienten verbessern
Die Versorgung von multimorbiden Patienten ist ein krankheitsorientiertes Zukunftsthema
von steigender Relevanz. Durch den demografischen Wandel steigt der Anteil an multimorbiden
Patienten und damit auch der Versorgungsbedarf an medizinischen und pflegerischen
Leistungen.
Dieses Thema ist für die Versorgungsforschung von besonderer Bedeutung, da der Anteil
multimorbider Patienten im Versorgungsalltag zunimmt, in klinischer Forschung allerdings
zu wenig Beachtung findet. Hier geht es, wie bei allen krankheitsorientierten Themen,
auch um die Inanspruchnahme und Angemessenheit von Leistungen. Es gilt, die Bedingungen
einer effektiven, effizienten und bedarfsgerechten Versorgung zu untersuchen und darauf
aufbauend Versorgungskonzepte zu entwickeln. Hier bieten sich Anknüpfungspunkte zu
den folgenden Zukunftsthemen Versorgung von chronisch Kranken (Abschnitt 4.4) und
Patienten- und Nutzerorientierung (Abschnitt 4.6).
4.4 Versorgung von chronisch Kranken optimieren
Die Versorgung von chronisch Kranken zählt ebenfalls zu den krankheitsorientierten
Zukunftsthemen mit hoher Wichtigkeit. Es wird prognostiziert, dass die Zahl von chronisch
Erkrankten (z. B. durch Herz-Kreislauf- oder Demenzerkrankungen) aufgrund des demografischen
Wandels und durch die damit verbundenen Veränderungen im Krankheitsspektrum in den
nächsten Jahren stark zunehmen wird. Der steigende Versorgungsbedarf ist dementsprechend
zu berücksichtigen. Gerade bei Demenz ist die bisherige Forschung stark auf Fragen
der Entstehung von Demenz und Arzneimittelentwicklung fokussiert. Die Integration
von nicht-medikamentösen Therapien in die Versorgung muss noch erfolgen und die Übertragbarkeit
auf die verschiedenen Sektoren (siehe Abschnitte 4.1, 4.2) überprüft werden. Zudem
ist auch die Optimierung der Gesundheitsversorgung im Alltag von Menschen mit chronischen
Krankheiten von Bedeutung. Die LAGeV kann als Plattform dienen, um interdisziplinär
und ressortübergreifend die Herausforderungen wie z. B. bei Demenz fundiert zu diskutieren
und gemeinsame Strategien für die Versorgungsforschung, z. B. zur Optimierung der
Gesundheitsversorgung im Alltag von Demenzkranken in Bayern, zu entwickeln [4].
4.5 Evaluation von Innovationen, Prozessen und Verfahren verstärken
Die Evaluation von Innovationen, Prozessen und Verfahren ist ein Querschnittsthema.
Evaluationen können dazu dienen, Implementierungs- und Umsetzungsprobleme sowie Wirksamkeit
und Wirtschaftlichkeit von Interventionen im Versorgungsalltag aufzuzeigen. Die Versorgungsforschung
sollte sich verstärkt der Frage der Wirksamkeit und des Nutzens von Behandlungen zuwenden,
stets unter dem Blickwinkel von Endpunkten, die für den Patienten relevant sind.
Das deutsche Gesundheitswesen ist allerdings durch eine mangelnde Evaluationskultur
gekennzeichnet. Insbesondere neue Untersuchungs- und Behandlungsverfahren sind häufig
mit hohen Kosten verbunden. Ob die hohen Kosten durch eine entsprechende Verbesserung
der Behandlungsergebnisse gerechtfertigt sind, kann durch ökonomische Evaluationen
untersucht werden. Vor dem Hintergrund des medizinischen und technischen Fortschritts
können Evaluationen Entscheidungshilfen und Transparenz hinsichtlich des Einsatzes
(neuer) Gesundheitsleistungen und -technologien liefern.
4.6 Patienten- und Nutzerorientierung intensivieren
Patienten- und Nutzerorientierung sind notwendige Voraussetzungen für die Versorgungsqualität.
Die Patienten- und Nutzerorientierung ist eine bedeutende Anforderung an das Gesundheitswesen
und zugleich in der Versorgungsforschung ein übergreifendes Thema, da die Patienten-
und Nutzerorientierung neben Ergebnisorientierung, Multiprofessionalität und Multidisziplinarität
zu den Grundlagen der Versorgungsforschung zählt. Patienten- und Nutzerorientierung
ist ein Ziel der LAGeV mit hoher Priorität bei ihren sämtlichen Projekten und Maßnahmen.
Im Vordergrund steht die Stärkung von Patientenautonomie und -kompetenz, partizipative
Entscheidungsfindung (Stichwort „Shared Decision Making“), d. h. die stärkere Berücksichtigung
von Patientenpräferenzen, und die Bedeutung von patientenrelevanten Outcomes. Insbesondere
sollte die Versorgungsforschung untersuchen, mit welchen Mitteln die Präferenzklärung
bei Entscheidungen über verschiedene Versorgungsoptionen sichergestellt werden kann.
Versorgungsqualität gründet sich im Sinne eines Patientennutzens auf Evidenz und Präferenz.
Gemäß dem Gutachten 2001 des Sachverständigenrats für Gesundheit [5] bezeichnet Qualität „das Ausmaß, in dem Gesundheitsleistungen für Individuen und
Populationen die Wahrscheinlichkeit erwünschter gesundheitlicher Behandlungsergebnisse
erhöhen und mit dem gegenwärtigen professionellen Wissensstand übereinstimmen“. Zudem
soll auch die Situation der Angehörigen und ihre Rolle in verschiedenen Versorgungs-
und Betreuungsbereichen berücksichtigt und auf Verbesserungen hingewirkt werden.
4.7 Soziale und regionale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung reduzieren
Das Gesundheitswesen steht dem Anspruch gegenüber, die Gesundheitsversorgung für alle
Bevölkerungsgruppen, in allen Regionen und unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht
und sozioökonomischem Status gleichermaßen zugänglich und qualitativ hochwertig zu
gestalten. Große Herausforderungen bestehen bereits im Zugang zur Versorgung und bei
der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems durch vulnerable Gruppen. Dazu zählen z. B.
Kinder, Ältere, Personen mit Migrationshintergrund, mit niedrigem sozioökonomischem
Status sowie Menschen in strukturschwachen Regionen oder sozialen Brennpunkten. Vor
diesem Hintergrund ist es eine zentrale Frage der Versorgungsforschung, wie Verteilungsgerechtigkeit
für die verschiedenen sozialen Gruppen und die Regionen hergestellt werden kann. Die
regionalen Versorgungsunterschiede haben sich als vielversprechender Ausgangspunkt
zur Verbesserung der Versorgung erwiesen. Die Analyse ungerechtfertigter regionaler
Unterschiede in der Leistungserbringung bietet ein bislang wenig ausgeschöpftes Potenzial
zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und der Versorgungsqualität. Hier
sollte die Versorgungsforschung das Konzept der effektiven Versorgung, der angebotssensitiven
Versorgung und der präferenzsensitiven Versorgung [6] nutzen.
4.8 Versorgung von psychisch Kranken anpassen
Die Versorgung von psychisch Kranken gewinnt weiter an Bedeutung und die Zahl an diagnostizierten
psychischen Erkrankungen steigt. Es ist zu bedenken, dass psychische Erkrankungen
immer häufiger erkannt werden, sie werden bei den Arbeitsunfähigkeitsstatistiken relevanter
und bei Frühberentungen stellen sie seit Jahren die häufigste Diagnose dar. Es ist
zu beachten, dass psychische Belastungen/Störungen als Komorbidität bei somatischen
Erkrankungen bedeutsam sind. In der adäquaten Erkennung psychischer Mitbehandlungsbedarfe
und der sachgerechten Behandlung liegen erhebliche Potenziale zur Verbesserung der
Versorgung.
Auch bei der Versorgung von psychisch Kranken gilt es, zentrale Fragen nach einer
effektiven, effizienten, bedarfsgerechten und auch niederschwelligen Versorgung zu
stellen und darauf aufbauend Anpassungen der Versorgungsstrukturen und -angebote insbesondere
im ländlichen Raum vorzunehmen.
4.9 Indikatoren zur Versorgungsqualität identifizieren und weiterentwickeln
Indikatoren zur Versorgungsqualität dienen als Mess- und Bewertungsinstrumente in
der Gesundheitsversorgung hinsichtlich Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Die
Herausforderungen bestehen in der Identifizierung und Weiterentwicklung von geeigneten
Indikatoren der Versorgungsqualität sowie der Untersuchung ihrer Anreizwirkungen für
die Leistungserbringer und ihres Nutzens für die Patienten. Die Indikatorenbildung
ist häufig eng verbunden mit der wissenschaftlichen Nutzung von Routinedaten (siehe
Abschnitt 4.12).
4.10 Regionale Bedarfsplanung weiterentwickeln
Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz erweiterten sich die Zielsetzungen der ambulanten
Bedarfsplanung und die Mitwirkungsmöglichkeiten in den Ländern. Angesichts von Problemen
bei der Besetzung von Arztsitzen besonders in strukturschwachen Gebieten und im ländlichen
Raum geht es nun verstärkt darum, auch in Zukunft eine flächendeckende und möglichst
wohnortnahe gesundheitliche Versorgung auf hohem qualitativem Niveau zu gewährleisten.
Angesichts des demografischen Wandels in der Bevölkerung und auch in der Ärzteschaft
rücken Fragen bezüglich Bedarfsgerechtigkeit und regionaler, sektorenübergreifender
Versorgungskonzepte stärker in den Fokus.
4.11 Praktische Wirksamkeit der Versorgungsforschung verbessern
Für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik bedarf es entsprechender Ergebnisse der
Versorgungsforschung. Die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis
ist daher unerlässlich, um einen stärkeren Praxisbezug und eine Einbeziehung der Ergebnisse
in den politischen Diskurs sowie eine schnellere Umsetzung der Ergebnisse in den Versorgungsalltag
im Hinblick auf die Zukunftsthemen zu gewährleisten. Im Rahmen der Politikfolgenforschung
lassen sich bspw. Folgen von gesundheitspolitischen Entscheidungen und veränderten
Rahmenbedingungen analysieren. Grundsätzlich bietet die LAGeV eine Struktur zur Verbreitung
und Diskussion von Erkenntnissen der Versorgungsforschung und der Identifikation von
politikrelevanten Fragestellungen für die Versorgungsforschung.
Die Versorgungsforschung sollte sich verstärkt der Frage des Transfers von Evidenz
in die Praxis für die folgenden Problemlagen zuwenden. Auf der einen Seite werden
Leistungen in der Gesundheitsversorgung erbracht, obwohl deren fehlender Nutzen erwiesen
ist, auf der anderen Seite gibt es Leistungen mit erwiesenem Nutzen, die nicht im
erforderlichen Umfang erbracht werden. Es gibt Leistungen, deren Nutzen nicht bekannt
ist und die mit hoher Frequenz erbracht werden, und Leitlinien-Empfehlungen mit hohem
Empfehlungsgrad, die in der Praxis nicht angemessen berücksichtigt werden.
4.12 Wissenschaftliche Nutzung von Routinedaten ermöglichen
Die Verfügbarkeit und wissenschaftliche Nutzung von Routinedaten haben hohe praktische
Relevanz für die Versorgungsforschung. In Deutschland existieren insgesamt viele Routinedaten,
allerdings sind diese Daten häufig für die Forschung nicht zugänglich oder können
nicht zusammengeführt und gemeinsam ausgewertet werden. Laut dem Gutachten 2007 des
Sachverständigenrats für Gesundheit [7] „wird (es) letztlich darauf ankommen, Routinedaten, die in vielfacher Form vorliegen
und anfallen, und zwar bei Kassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern,
aber auch bei niedergelassenen Ärzten und im Rehabilitationsbereich, zielorientiert
zusammenzuführen, sodass ein besserer Überblick über das Versorgungsgeschehen und
dessen Qualität verfügbar wird“. Hier geht es um die Praxis der zielorientierten Nutzung
von Routinedaten in Bayern sowie um deren Verfügbarkeit für bayerische Projekte der
Versorgungsforschung insbesondere zu den ausgeführten Zukunftsthemen.
5 Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Versorgungsforschung
Im Folgenden werden Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Versorgungsforschung
in Bayern im Rahmen der LAGeV vorgestellt.
5.1 Vernetzung und Strukturbildung fördern
Im Rahmen der LAGeV werden die Kompetenzen der Wissenschaft und weiterer Beteiligter
im Gesundheitswesen einbezogen. Hierzu dienen die Teilnahme an den regelmäßig stattfindenden
Sitzungen und die Beteiligung am Ausbau der Informationsplattform Versorgungsforschung
(vgl. 5.2). Die Ziele sind eine bessere Vernetzung der verschiedenen Akteure (Hochschulen,
Forschungsinstitute, Leistungserbringer, Sozialversicherungsträger und Ministerien)
in Bayern als auch die Verbesserung der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft
und Praxis.
Für die längerfristige Bearbeitung von Schwerpunktthemen kann die LAGeV eigene Arbeitsgruppen
einrichten oder Projektzusammenhänge initiieren.
Die Befragung ergab darüber hinaus, dass ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung
der Versorgungsforschung in Bayern in einer entsprechenden Rahmenkonzeption gesehen
wird.
5.2 Informationsplattform Versorgungsforschung ausbauen
Die Informationsplattform Versorgungsforschung stellt Informationen über die Versorgungsforschung
in Bayern und ihre Akteure bereit und dient als Informationsgrundlage für die Kooperation
und Weiterentwicklung der Versorgungsforschung in Bayern. Die Informationsplattform
bündelt Informationen und Ergebnisse zu aktuellen Themen der Versorgungsforschung.
Sie wird systematisch ausgebaut. Hierzu zählen Steckbriefe, kurze Online-Überblicksartikel
zu laufenden Aktivitäten in der Versorgungsforschung, Projekte der Versorgungsforschung,
sowie Evidenzberichte zu laufenden oder abgeschlossenen Forschungsvorhaben der LAGeV-Mitglieder.
Bestandsanalysen zur Versorgungsforschung in den Schwerpunktgebieten der beteiligten
Wissenschaftler ergänzen das Angebot.
5.3 Maßnahmen und Projekte initiieren
Der Fokus der LAGeV liegt auf der fachübergreifenden Diskussion versorgungsrelevanter
Inhalte und der Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Etwaige eigene
Projekte der LAGeV sollen für die Politikberatung konkrete Hinweise auf Herausforderungen
der gesundheitlichen Versorgung und Vorschläge zu deren Behebung bzw. zur Verbesserung
der Versorgungssituation und -qualität liefern. Die Verabschiedungen konsentierter
Stellungnahmen der LAGeV bzw. die Veröffentlichung eines Gutachtenbandes mit Ausarbeitungen
zu Schwerpunktthemen sind ein Kommunikationsinstrument zur Entwicklung der Versorgungsforschung
und der Politikberatung in Bayern. In Bayern durchgeführte Projekte der Versorgungsforschung
können in der Projektdatenbank Versorgungsforschung Deutschland veröffentlicht und
somit der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies ist ein erster
Schritt zur Integration der bayerischen Versorgungsforschung in die nationale Versorgungsforschung.
6 Potenzial der LAGeV
Mit der LAGeV wurde in Bayern ein Gremium geschaffen, in dem wissenschaftliche, politische
und praxisbezogene Bedarfe sowie Fragen der Zusammenarbeit diskutiert und neue Impulse
gesetzt werden können. Ferner bietet die LAGeV die Möglichkeit des Austausches und
der Information über Maßnahmen und Projekte der Mitglieder. Die LAGeV ist somit die
Grundlage für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Akteursgruppen. Die Ausgangsbefragung
der Mitglieder der LAGeV identifizierte Chancen insbesondere in der Optimierung der
Versorgung und in der Verbesserung der Schnittstelle Politik-Versorgungsforschung-Praxis.
Die mit der LAGeV geschaffenen Kooperations- und Netzwerkstrukturen sollen kontinuierlich
ausgebaut und prioritäre Themenschwerpunkte bearbeitet werden, um die globalen Ziele
der LAGeV zu erreichen. Darüber hinaus sind eine ausreichende und nachhaltige Förderung
der Versorgungsforschung in Bayern und eine Einbindung in den nationalen Kontext anzustreben.