Schlüsselwörter
non-invasive pränatale Testung - genetische Beratung - fetales Genom
Key words
non-invasive prenatal testing - genetic counseling - foetal genome
Der non-invasive genetische pränatale Test (NIPT) als Methode der Sequenzierung zell-freier
fetaler DNA (cffDNA) im mütterlichen Blut wurde in Deutschland, Österreich und der
Schweiz 2012 in die pränatale Diagnostik eingeführt. Dieses geschah nach Evaluierung
durch einige Studien, die eine hohe Sensitivität und hohe Spezifität sowie sehr gute
negative Voraussagewerte für die meisten autosomalen Aneuploidien (Trisomie 21, 18
und 13) und Monosomie X in der Gruppe der Gebärenden über 35 Jahre und den Schwangeren
mit bekanntem genetischen Risiko zeigten.
Einsatz der NIPT als diagnostische Methode in indizierten Fällen oder als Screening-Test?
Einsatz der NIPT als diagnostische Methode in indizierten Fällen oder als Screening-Test?
Verschiedene wissenschaftliche Organisationen und Expertengruppen haben die cffDNA
Testung im mütterlichen Blut im high-risk Kollektiv nach Beratung empfohlen, andere
anerkennen als Indikation das Alter der Mutter (entsprechend der Alterskorrelation
numerischer Chromosomenstörungen) [1]
[5]
[7].
Im low-risk Kollektiv ist der Einsatz der NIPT in der Diskussion. 3 größere Studien
[2]
[4]
[9] haben auch in dieser Gruppe gezeigt, dass die statistischen Ergebnisse der NIPT
besser sind als mit dem Standard-Screening.
Bei dem jetzigen Stand des Wissens wird der Einsatz der NIPT im Gesamtkollektiv aller
Schwangeren eher sehr kritisch gesehen. Es wird der Einsatz bei Indikation (in der
Vorgeschichte oder bei auffälligem Ultraschallbefund bspw. oder Alter der Mutter)
bevorzugt. Hier wird vor allem das Argument herangezogen, dass mit studiengesichert
geringerer Komplikationsrate beim Einsatz der NIPT gegenüber invasiven Methoden wie
Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie gerechnet werden kann. Damit ist die Senkung
der eingriffsbedingten Fehlgeburtsrate ein wichtiger Punkt, die NIPT einzusetzen anstelle
der invasiven Verfahren.
Das Missbrauchspotenzial der NIPT als einer Methode ohne Risiko im Screeningeinsatz
in der frühen Schwangerschaft ist gegeben. Nur der gesellschaftliche Diskurs wird
dieses Potenzial eindämmen.
Indikationen zur NIPT nur nach differenziertem US?
Indikationen zur NIPT nur nach differenziertem US?
Die Standarddiagnostik im Bereich der Schwangerenbetreuung im 1. Trimenon besteht
heute in Deutschland aus der Messung der Nackentransparenz und einiger Serummarker
wie Beta-HCG und fAMP. Die Einführung der NIPT hat dazu geführt, dass die ultrasonografische
Nackentransparenzmessung und die NIPT kombiniert wurden. Damit ist die Gefahr der
NIPT als Screening Methode offensichtlich. Nach Meinung der wissenschaftlichen Gesellschaften
sollte die NIPT nach einer Indikationsstellung durchgeführt werden, wobei das auffällige
Ergebnis des Ultraschalls ein Merkmal dafür sein kann.
Wann (Schwangerschaftswoche) sollte die NIPT eingesetzt werden?
Wann (Schwangerschaftswoche) sollte die NIPT eingesetzt werden?
Rein methodisch kann die cffDNA Testung bereits mit 9 SSW erfolgen.
Für die numerischen Chromosomenstörungen wird diese frühe Durchführung aber eher abgelehnt,
da der NIPT eine aussagekräftige Ultraschalluntersuchung zum Ausschluss von Mehrlingen
oder fetalen Anomalien voran gehen sollte. Außerdem wären in Deutschland bei der frühen
Durchführung des Testes theoretisch Schwangerschaftsbeendigungen noch im Bereich
der sozialen Indikation in den ersten 3 Monaten möglich.
Darüber hinaus wird bei dem augenblicklichen Stand des Wissens eine Bestätigung des
auffälligen NIPT Befundes mit einer invasiven Technik und einem zytogenetischen Befund
gefordert, die in den frühen Schwangerschafts-Wochen nicht möglich sind. Es wurde
die Ansicht vertreten, dass bei der gegebenen Befundsicherheit des NIPT auf eine invasive
Klärung durch Amniozentese oder CVS verzichtet werden kann. Diese Frage wird mit zunehmender
Erfahrung in den kommenden Monaten entschieden werden können.
Es besteht ein Konsens in der fachlichen Öffentlichkeit, den Test nach 11+0 SSW einzusetzen.
Für geschlechtsgebundene vererbte Störungen kann –medizinisch+methodisch gesehen-
die cffDNA früher eingesetzt werden.
Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der NIPD bei Mehrlingen?
Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der NIPD bei Mehrlingen?
In monozygoten Zwillingen sind beide Zwillinge von einer Aneuploidie betroffen oder
keiner. Der Gehalt an cffDNA im mütterlichen Blut muss nahezu die doppelte Konzentration
einer Einlings-Schwangerschaft betragen. Insofern wird die cffDNA Testung bei monozygoten
Zwillingen/Mehrlingen gleich effektiv wie bei Einlings-Schwangerschaften sein.
Bei dizygoten Zwillingen/Mehrlingen ist über die Möglichkeit des Einsatzes der NIPT
nicht endgültig entschieden. Während sie theoretisch in diesen Fällen möglicherweise
als nicht weiterführend bezeichnet werden muss, sind die Erfahrungen mit der cffDNA
Testung von Zwillingsschwangerschaften noch zu preliminär, um endgültige Empfehlungen
auszusprechen. Außerhalb von prospektiven Studien ist der Einsatz im Augenblick nicht
geeignet.
Haben PND vs. NIPT verschiedene Indikationen?
Haben PND vs. NIPT verschiedene Indikationen?
Nein. Es muss nur darauf hingewiesen werden, dass die Präzision der NIPT erheblich
höher ist als die Standardtestung (ultrasonografische Nackentransparenzmessung und
biochemische Marker). Außerdem hat die NIPT den Vorteil, nicht mit methodenbedingten
Schwangerschaftsverlusten wie die invasiven Eingriffe belastet zu sein.
Dieser Vorzug der NIPT kann rasch zu einer weiten Verbreitung der Testung bei allen
Schwangeren führen. Die Niedrigschwelligkeit begünstigt die Verbreitung, die augenblicklich
nur durch die Tatsache beschränkt wird, dass die Schwangeren bzw. die Eltern die Testung
selbst mit durchaus stattlichen Beträgen bezahlen müssen. Mit einer möglichen Übernahme
der Kosten durch Versicherungsträger oder den Staat würde die flächenhafte Verbreitung
gefördert.
In den Jahren 1975–1995 nach breiter Einführung der Amniozentese und der Zytogenetik
aus dem Fruchtwasser soll die Zahl der mit Down Syndrom ausgewiesenen Kinder um etwa
70% gesunken sein. Diese Veränderungen sind –falls sie statistisch belegbar sind-
nicht allein durch die PND oder die NIPT hervorgerufen worden, sondern auch durch
die daraus gezogenen Konsequenzen, nämlich die artefizielle Schwangerschaftsbeendigung.
Werden invasive Methoden der PND seltener durchgeführt nach Einsatz der NIPT, werden
dadurch weniger Schwangerschaften als Komplikationen der Eingriffe beendet?
Werden invasive Methoden der PND seltener durchgeführt nach Einsatz der NIPT, werden
dadurch weniger Schwangerschaften als Komplikationen der Eingriffe beendet?
Studien haben gezeigt, dass die Zahlen invasiver Techniken nach Einführung der NIPT
abgenommen haben. Damit sind die Komplikationen vermindert und damit auch die Zahlen
der methodenbedingten Fehlgeburten zurückgegangen.
Kann die NIPT einer Schwangeren, auch einer low-risk-Schwangeren vorenthalten werden?
Kann die NIPT einer Schwangeren, auch einer low-risk-Schwangeren vorenthalten werden?
Sind bei einer Schwangeren keine Risiko-Merkmale im Sinne eines höheren Trisomie-Risikos
erkennbar, so wird keine NIPT angeboten. Nach übereinstimmender Meinung der wissenschaftlichen
Gesellschaften besteht keine Indikation zur Durchführung der NIPT. Ob diese Entscheidung
haftrechtlich bindend ist, sei dahin gestellt. Bei starkem Wunsch einer Schwangeren
nach NIPT wird man diese nach eingehender Beratung nicht vorenthalten können. Zu fordern
sind Leitlinien, die den Einsatz unter bestimmten Indikationen regeln, d. h. auch
den Ausschluss eines Angebots bei Nichtvorliegen einer Indikation klären.
Gibt es eine Qualitätskontrolle der NIPT in Deutschland?
Gibt es eine Qualitätskontrolle der NIPT in Deutschland?
Es gibt in Deutschland keine Qualtätsrichtlinien zum Einsatz der cffDNA Tests. Strukturen
zur Qualitätskontrolle der NIPT in Deutschland müssen noch geschaffen werden.
Wird der Informations- und Aufklärungsbedarf vor NIPT immer ausreichend und qualifiziert
befriedigt?
Wird der Informations- und Aufklärungsbedarf vor NIPT immer ausreichend und qualifiziert
befriedigt?
Es bestehen ernste Zweifel, ob flächendeckend und fachlich ausreichend qualifiziert
der Informations- und Aufklärungsbedarf in Deutschland im Zusammenhang mit der PND
und NIPT befriedigt wird. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Beratung in erster
Linie als Entscheidungshilfe nach Befund genutzt wird, nicht vor der Befundung. Außerdem
erledigen die Befunder fast ausschließlich selbst diese Beratung, die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
werden in einer geringen Zahl benutzt.
Sicherlich wird es Frauen geben, die gar nicht intensiv beraten werden wollen. Diesen
Frauen muss zugestanden werden, den Test auch ohne vorherige intensive Beratung wahrzunehmen
– in der Hoffnung auf ein gutes Ergebnis der Schwangerschaft.
Heißt verantwortliche Elternschaft Akzeptanz oder Infragestellung des ‚Kindes wie
es ist‘?
Heißt verantwortliche Elternschaft Akzeptanz oder Infragestellung des ‚Kindes wie
es ist‘?
Eltern besitzen eine ‚reproduktive Selbstbestimmung‘. Dieser Begriff kann eng ausgelegt
werden, in dem Sinne, dass ein Kind so anzunehmen ist, wie es ist. Oder die Auslegung
erfolgt weiträumiger, in dem Sinne, dass das (vermeintliche) Wohl des Kindes ins Zentrum
gestellt wird oder auch das Wohl der Eltern, sodass damit auch die Schwangerschaftsbeendigung
als Option gemeint ist.
Steigen durch vermehrte Inanspruchnahme der NIPT die Risiken zur Ausgrenzung von Menschen
mit Behinderung?
Steigen durch vermehrte Inanspruchnahme der NIPT die Risiken zur Ausgrenzung von Menschen
mit Behinderung?
Seit Einführung der PND und des vorgeburtlichen Ultraschalls gibt es Befürchtungen,
die auch von Einzelfallschicksalen bestätigt werden, dass es durch die PND und in
Zukunft auch die NIPT zu einer Verminderung von Menschen mit angeborenen Behinderungen
und Leiden kommt und darüber hinaus zur Ausgrenzung. Mit dem Unterton ‚So etwas ist
heute nicht mehr nötig geboren zu werden‘ wird eine gesellschaftliche Stigmatisierung
befürchtet.
In diesem Zusammenhang wird immer darauf hingewiesen, dass seit Einführung der PND
-und eine Verstärkung dieses Effektes wird durch Einführung der NIPT vorausgesagt
und befürchtet- die Zahl der geborenen Kinder mit speziellen Befunden – so z. B. mit
einer Trisomie 21- sich drastisch vermindert habe. Es wird von einer ‚Eugenik von
unten‘ gesprochen, um zu betonen, dass es keine gesetzliche oder von oben angeordnete
Eugenik ist [8]. Kritiker dieser Position verweisen darauf, dass heute die Gesundheit des Einzelnen
und seiner Familie und nicht die Verbesserung des Genpools einer Population Ziel genetischer
Beratung und Diagnostik ist.
Im Extrem wird diese Entsolidarisierung der Gesellschaft dann sogar wie folgt formuliert:
Wer eine PND oder NIPT bewusst nicht durchführen lässt und ein Kind mit vermehrten
Pflege- und Lebenskosten zur Welt bringt, muss diese Kosten selbst aufbringen ohne
solidarische Hilfe.
Anwender sowie Befürworter der PND, des vorgeburtlichen Ultraschalls und auch der
NIPT weisen in solchen Diskussionen stets darauf hin, dass mehr Kinder durch die Bestätigung
der Normalität durch die vorgeburtliche Diagnostik am Leben erhalten werden, manche
auch einer vorgeburtlichen Therapie zugeführt werden können und dass der elterlichen
Entscheidungsmöglichkeit und -freiheit in unserer demokratischen Gesellschaftsordnung
ein hoher Wert beigemessen wird.
Die Entscheidung zum künstlichen Schwangerschaftsabbruch ist immer eine Entscheidung
der Mutter oder der Eltern. Wirklich eugenisches Gedankengut wird bei den Eltern nicht
beobachtet, wenn auch in der Gesamtsicht eine eugenische Wirksamkeit diskutiert werden
muss.
Außerdem wird darauf hingewiesen, dass das früher naturgemäß notwendige Austragen
eines Kindes mit einer Fehlbildung, die nicht mit dem Überleben intrauterin oder nach
der Geburt verbunden war, für die Mutter eine schwere emotionale und unter Umständen
auch körperliche Belastung war. Dies kann heute weitgehend vermieden werden oder aber
nach informed consent der Eltern bewusst in Kauf genommen werden.
Schließlich und endlich sind die Konsequenzen, die Eltern aus einem PND oder NIPT
Befund ziehen, nicht so sehr abhängig von der Diagnostik als von den gesellschaftlichen
Usancen. Insofern ist der Respekt vor Menschen mit Behinderungen eher ein gesellschaftliches
und informations- sowie erziehungsabhängiges Problem als ein medizinisches.
Seit Einführung der PND sind für Eltern nach der Diagnostik eines abweichenden Befundes
schwierige Entscheidungssituationen entstanden. Es muss respektiert werden, dass
diese individuelle Entscheidung der Eltern, die Option eines Schwangerschaftsabbruches
zu wählen oder sich für die Geburt des Kindes zu entscheiden, eine schwerwiegende
ethische Konfliktsituation in menschlichen Grundwerten ist.
Außerdem ist für die Diskussion wichtig: Ein Mensch, der sich für die PND oder NIPT
entscheidet und evtl in Konsequenz gegen die Geburt eines Kindes mit ‚special needs‘,
entscheidet sich nicht gegen die Existenz oder das Recht auf Existenz eines schon
geborenen Menschen mit Behinderung.
Für Menschen mit ‚special needs‘ aller Art hat sich die Situation in unserer Gesellschaft
verbessert verglichen mit der Zeit vor Einführung der PND in den 70-er Jahren des
letzten Jahrhunderts. Pränataldiagnostik und Fürsorge sowie Förderung von Menschen
mit ‚handicap‘ sind keine Widersprüche.
Wie stehen die ‚gesellschaftlichen Kräfte‘ zu der in Zukunft evtl. möglichen Bestimmung
des gesamten Genoms des Feten?
Wie stehen die ‚gesellschaftlichen Kräfte‘ zu der in Zukunft evtl. möglichen Bestimmung
des gesamten Genoms des Feten?
Die Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten und die mögliche Erfassung von Mikrodeletionssyndromen
wird von Vielen als Fortschritt empfunden, ebenso die Möglichkeit der vorgeburtlichen
Tay-Sachs Diagnostik.
Chen et al. haben gezeigt, das eine Sequenzierung des gesamten fetalen Genoms aus
cffDNA im mütterlichen Blut möglich ist [3]. Diese technische Möglichkeit, deren breiter Einsatz in der Zukunft wahrscheinlich
erscheint, wird sehr kritisch gesehen.
Sind Änderungen des Gendiagnostikgesetzes notwendig?
Sind Änderungen des Gendiagnostikgesetzes notwendig?
Nach §15 Abs. 1 Gendiagnostikgesetz-GenDG dürfen vorgeburtliche genetische Untersuchungen
nach Aufklärung, Einwilligung sowie einer genetischen Beratung nur vorgenommen werden,
soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Feten
abzielt, die seine Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt beeinträchtigen.
Nach §15 Abs. 2 darf eine Untersuchung auf Erkrankungen nicht vorgenommen werden,
die erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbrechen.
Es wird als Auslegungsproblem in der Literatur beschrieben, ob die vorgeburtliche
genetische Untersuchung anhand des Blutes der Mutter (NIPT) einer Untersuchung am
Embryo oder Feten gleichgestellt werden kann [6]. Als Begründung wird erläutert, dass bei dieser Untersuchung nicht das Vorliegen
bestimmter genetischer Eigenschaften des Embryo oder des Feten festgestellt werden,
sondern nur die Wahrscheinlichkeit einer genetischen Disposition des Embryos oder
Feten getestet wird. Insofern ist die Antwort auf die Frage: „Ist die NIPD eine Untersuchung
i.S des §15GenDG?“ nicht einheitlich und strittig.
Wegen der juristischen, strafrechtlichen und medizinischen sowie gesellschafts-politischen
Bedeutung wird dringend eine Klarstellung empfohlen. Sollte sich durchsetzen, dass
die NIPT nicht dem §15 GenDG unterliegt, wird gefragt, ob dies der Intention des Gesetzgebers
zum GenDG entspricht.