Ernährung & Medizin 2015; 30(1): 1
DOI: 10.1055/s-0034-1384351
editorial
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Editorial

Hans-Joachim F Zunft
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. März 2015 (online)

 
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    Ist technischer Fortschritt ein Segen? Wir zweifeln daran, wenn wir von der katastrophalen Havarie eines Atomkraftwerks oder vom wachsenden Kohlendioxidausstoß mit seinen klimaschädigenden Wirkungen hören. Weniger lautstark, dafür aber beständig meldet sich der schwelende Verdacht, die moderne Technik könnte unsere tägliche Nahrung vergiften. Immerhin erreicht kaum noch ein Lebensmittel unseren Esstisch, das nicht vorher technologisch behandelt worden ist. Lebensmittelskandale, von den Medien gierig ausgeschlachtet, tun ein Übriges und nähren unser Misstrauen.

    Bedürfen unsere Lebensmittel wirklich so tiefgreifender technologischer Behandlungen, wie uns die Ernährungsindustrie glauben machen will? Wird nicht erst dadurch die Möglichkeit eröffnet, unsere tägliche Nahrung zu verfälschen, zu schönen oder ihr ungesunde Zusätze beizumischen?

    Schauen wir auf die historische Entwicklung: Schon im Jäger- und Sammlerdasein behandelte der Mensch seine Lebensmittel, erhitzte Fleischstücke, zerrieb Samen in Steinmulden. Beständig erweiterte er das technologische Repertoire für die Herstellung, Zubereitung und Konservierung der Nahrung. Erst dadurch wurde Bevölkerungszuwachs möglich. Der Trend „Zurück zur Natur“ versucht heute einen Zustand romantisch zu verklären, dem sich zwar quotensüchtige Teilnehmer am Dschungelcamp kurzzeitig unterwerfen, der aber für Milliarden von Menschen weder anwendbar noch erstrebenswert wäre. Selbst das Essen der jüngeren Vergangenheit eignet sich nicht zur Wiedererweckung: Großmutters Rezepte zum Kochen und Konservieren sind aufwendig, gesundheitsbelastend und überschreiten toxikologische Grenzwerte. Das Fazit nüchterner Betrachtung lautet: Ohne eine moderne Lebensmitteltechnologie ließe sich die Menschheit weder ausreichend ernähren noch kämen wir mit dem Zeitbudget für die Küchenarbeit zurecht.

    Die Artikel des vorliegenden Heftes beleuchten Details aus diesem Themenkreis. Vorgestellt werden gegenwärtige und künftige Kerntechnologien der Lebensmittelproduktion, die zu erfüllenden Anforderungen seitens der Überwachungsbehörden, die Wünsche der Verbraucher an die Industrie und die ernährungswissenschaftlichen Erwartungen an den Gesundheitswert moderner Produkte.

    Prof. Dr. Hans-Joachim F. Zunft


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