Aktuelle Urol 2014; 45(03): 169-170
DOI: 10.1055/s-0034-1383476
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hodentumoren – Ergebnisse nach primärer RLA

Contributor(s):
Elke Ruchalla

Urology 2013;
82: 1341-1347
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 June 2014 (online)

 

Keimzelltumoren des Hodens stellen in der Altersgruppe der 15- bis 35-Jährigen die häufigsten Malignome dar. Dabei sind durch ein ausgefeiltes klinisches Staging und hochwirksame Chemotherapieregimes über die letzten 3 Jahrzehnte die Überlebensraten deutlich gestiegen. Weiterhin ist die retroperitonealeLymphadenektomie (RLA) in vielen Fällen Bestandteil der multimodalen Therapie. Die Ergebnisse nach der RLA hat nun eine Arbeit aus dem Sloan Kettering Center untersucht.
Urology 2013; 82: 1341–1347

mit Kommentar

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FDG-PET eines 34-jährigen Patienten mit retroperitonealer Lymphknotenmetastase. (Bild: Eiers et al. Radiologie up2date 2010; 10: 75–88)

Bei Patienten mit einem Keimzelltumor des Hodens im klinischen Stadium IIa / b und primärer RLA sind die Ergebnisse tendenziell schlechter, wenn eine größere Zahl positiver Lymphknoten vorhanden ist, die Metastasen einen größeren Teil des Lymphknotens erfasst haben und wenn es zu einer extranodalen Tumorausbreitung gekommen ist. Keiner dieser Faktoren weist jedoch eine signifikante Assoziation auf.

Zu diesem Ergebnis kommen Hikmat Al-Ahmadi und Kollegen, die für den Zeitraum von 1989–2002 die Daten von zunächst 453 Patienten mit einem Tumor im klinischen Stadium I bis IIB retrospektiv ausgewertet haben. Bei allen erfolgt eine primäre RLA, bei 183 von ihnen fand die histologische Aufarbeitung der Lymphknoten ein pathologisches Stadium II.

Die Wissenschaftler begutachteten in dieser Gruppe nun erneut die pathologischen Befunde und dokumentierten u. a. Anzahl und Lokalisation der positiven Lymphknoten, Histologie des Tumors, Ausmaß der Lymphknotenmetastasen, Vorhandensein einer Tumornekrose sowie das Vorhandensein einer extranodalen Ausdehnung, definiert als Durchbruch der Lymphknotenkapsel. Diese Tumorcharakteristika wurden zum Outcome in Beziehung gesetzt.

Ein embryonales Karzinom war die vorherrschende Histologie, entweder als alleiniger (n = 99; 54 %) oder als vorherrschender Tumortyp (n = 142, 78 %). Die Anzahl positiver Lymphknoten lag zwischen 1 und 40, entnommen worden waren im Median 28 (2–80) Lymphknoten pro Patient. Eine extranodale Ausbreitung fand sich bei zwei Drittel der Patienten (n = 120; 66 %). Nach der RLA hatten 93 Patienten eine adjuvante Chemotherapie mit 2 Zyklen Cisplatin-Etoposid erhalten, bei 90 Patienten war darauf verzichtet worden.

Aus der weiteren Auswertung wurden 17 der 90 Patienten, die keine adjuvante Chemotherapie erhalten hatten, ausgeschlossen. Bei ihnen fanden sich bereits vor der RLA erhöhte Tumormarker – ein bekannter negativer prognostischer Faktor. Bei 19 der verbleibenden 73 Patienten dieser Gruppe (26 %) kam es in der Folge zu einem retroperitonealen Rezidiv bzw. zu Fernmetastasen (in der Gruppe mit Chemotherapie bei nur einem Patienten).

Die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv stieg mit der Zahl positiver Lymphknoten, dem Ausmaß des Tumorbefalls in den Lymphknoten und bei Vorliegen eines Kapseldurchbruchs. Für alle diese Zusammenhänge fand sich jedoch nur ein Trend, die statistische Signifikanz wurde in allen Fällen verfehlt (jeweils p > 0,2). Für die Histologie „embryonales Karzinom“ und für das Vorliegen von nekrotischen Tumoranteilen in den Lymphknoten fand sich kein Zusammenhang mit der Rezidivwahrscheinlichkeit.

Fazit

Eine größere Zahl positiver retroperitonealer Lymphknoten, ein höheres Ausmaß des Tumorbefalls und eine extranodale Tumorausbreitung scheint bei Patienten mit Keimzelltumor des Hodens im Stadium II, die nach der RLA keine adjuvante Chemotherapie erhalten haben, mit einer höheren Rezidivrate einherzugehen. Wegen der absolut geringen Zahl der Ereignisse lassen sich jedoch keine robusten Folgerungen ableiten, so die Autoren. Für definitive Schlüsse muss eine größere Kohorte untersucht werden.

Kommentar

Revival der primären RLA?

Aktuelle Therapie des Nichtseminoms CSI / IIA / B

Die primäre RLA im klinischen Stadium I (CS I) und bei geringer retroperitonealer Metastasierung (CS IIA / B), wie sie über viele Jahrzehnte üblich war, wurde durch ein risikoadaptiertes Vorgehen im CS I (Surveillance bei fehlender vaskulärer Invasion / VI- und 1–2xPEB bei VI+) sowie die primäre Chemotherapie mit 3 Kursen PEB im CS IIA / B abgelöst. Auch die 20–30 % Rezidive unter Surveillance im CS I erhalten 3xPEB. In den letzten Jahren rückt nun zunehmend die Langzeittoxizität der verschiedenen Therapieoptionen in den Vordergrund, wobei gerade bei der Polychemotherapie das metabolische Syndrom und hier besonders kardiovaskuläre Ereignisse zu nennen sind [ 1 ]. Betrachtet man demgegenüber die retroperitoneale Lymphadenektomie, ist als mögliche Langzeittoxizität nur die retrograde Ejakulation zu nennen, die bei nervschonendem Vorgehen auf 10–20 % gesenkt werden kann. Daher stellt sich die Frage, ob die primäre RLA nicht doch eine sinnvolle Option für die niedrigen Stadien beim Nichtseminom darstellt.

Basierend auf der Arbeit von Williams et al. [ 2 ] kommt es aber bei 50 % der Patienten mit einem pathologischen Stadium II bei Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie mit 2xPEB zu einem Rezidiv. Somit ist auch dieses Vorgehen mit einer höheren Langzeittoxizität behaftet.

Entscheidend wäre daher, die Patienten zu selektionieren, die nach alleiniger OP nicht rezidivieren.

Fehlende Signifikanz bei Korrelation von Histologie und Rezidivrate nach alleiniger OP

Dies versucht die vorliegende Arbeit. Von den 183 Patienten mit einem PSII erhielten die mit größeren Befunden (pN2/3) eine adjuvante Chemotherapie (n = 93). Hier kam es im Verlauf zu einem Rezidiv. Von den 90 Patienten mit Befunden geringerer Größe (pN1) wurden 17 Patienten bei der Auswertung nicht berücksichtigt, da vor der RLA noch eine Tumormarkererhöhung bestand, was bekanntermaßen ein prognostisch ungünstiger Faktor ist. Die übrigen 73 Patienten erhielten keine adjuvante Therapie. Für diese letztgenannte Gruppe wurde das bei der RLA gewonnene Gewebe detailliert charakterisiert und mit dem Auftreten eines Rezidivs korreliert. Für keinen der untersuchten Faktoren ließ sich eine signifikante Korrelation nachweisen. Allerdings erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv, je höher der Anteil positiver Lymphknoten war, je größer sie waren und je höher der Anteil an extranodaler Ausbreitung war.

Geringe Rezidivrate nach alleiniger OP im Stadium IIA

Bei einem medianen Follow-up von 5 Jahren traten 19 Rezidive (26 %) nach alleiniger RLA auf. Davon fanden sich allerdings 11 Rezidive (15 %) im Retroperitoneum, in einem Fall kombiniert mit Lungenfiliae. Diese Tatsache lässt an der Qualität der RLA zweifeln. In einer Multicenterstudie der Interdisziplinären Deutschen Hodentumorgruppe zur Therapie des Nichtseminoms CSI erfolgte in einem Arm die primäre RLA. Die Rezidivrate betrug 7,5 % [ 3 ]. Auch die Daten zur Residualtumorresektion nach stattgehabter Chemotherapie zeigen eine retroperitoneale Rezidivrate von nur 3–4 % [ 4 ].

Betrachtet man nun nur die Rezidive außerhalb des Retroperitoneums (n = 9, 12 %), so ist dies – verglichen mit 50 % für den Beobachtungsarm (2 %! alleinig im Retroperitoneum) in der Arbeit von Williams et al., in der alle Patienten im PSII, also auch die mit größeren Befunden, zwischen Beobachtung und adjuvanter Chemotherapie randomisiert wurden – ein sehr gutes Ergebnis.

Fazit

Die Arbeit zeigt, dass im klinischen Stadium IIA die alleinige primäre RLA eine Alternative zu 3 Kursen PEB sein kann. Dies setzt eine konsensusbasiert durchgeführte Operation voraus. Ergibt sich intraoperativ ein Upgrading des Stadiums in ein PSIIB, sollte eine adjuvante Chemotherapie ergänzt werden. Entscheidend für die Wahl des Vorgehens ist tatsächlich nur die Größe des Befunds bzw. die Anzahl der positiven Lymphknoten, andere histologische Parameter sind nicht richtungsweisend.

Prof. Susanne Krege, Krefeld


Prof. Susanne Krege


ist Chefärztin der Klinik für Urologie und Kinderurologie, Alexianerkrankenhaus Maria Hilf GmbH, Krefeld

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FDG-PET eines 34-jährigen Patienten mit retroperitonealer Lymphknotenmetastase. (Bild: Eiers et al. Radiologie up2date 2010; 10: 75–88)