Einleitung
Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk sind überaus häufig und kommen insbesondere
nach Sportunfällen vor [1]. Oft werden diese Verletzungen unter der verharmlosenden Diagnose „Distorsion“ geführt
und nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit bedacht. Der Bandapparat im Sprunggelenksbereich
weist eine komplexe Anatomie auf, die für das Verständnis dieser Verletzungen von
großer Bedeutung ist. Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf die häufigen akuten
Bandverletzungen im Bereich des oberen Sprunggelenks. Entsprechende Verletzungen des
unteren Sprunggelenks mit subtalarer Instabilität sind wesentlich seltener [11] und werden hier, ebenso wie die Problematik der chronischen Instabilität, nicht
behandelt. Akute Bandverletzungen des oberen Sprunggelenks betreffen den Außenbandapparat,
das Innenband und/oder die Syndesmose.
Außenbandverletzungen
Akute Rupturen des Außenbands sind überaus häufig und treten oft als Sportverletzung
auf, insbesondere bei Basketball und Fußball. Grundsätzlich sind sie eine Domäne der
konservativen Therapie. Jedoch sollten derartige Verletzungen keinesfalls unterschätzt
werden: In bis zu 32 % der Fälle verbleiben chronische Schmerzen, Schwellungszustände
oder wiederholte Distorsionen; in bis zu 19 % Instabilitätsprobleme mit rezidivierendem
Umknicken [5], [9].
Anatomie und Biomechanik
Der Außenbandkomplex des Sprunggelenks umfasst 3 Anteile (vgl. [Abb. 1]):
Abb. 1 Ansicht von lateral auf den Außenbandapparat und Teile der Syndesmose.
-
Lig. fibulotalare anterius (ATFL): Verläuft von der anterioren Fibulaspitze zum Talus,
wo es unmittelbar anterior der Gelenkfacette ansetzt. Das Band ist 15–20 mm lang,
6–8 mm breit sowie 2 mm dick [19]. Meist besteht es aus 2 Anteilen, zwischen denen Gefäße hindurchtreten. Das Band
geht in die vordere Gelenkkapsel über.
-
Das ATFL ist in Dorsalextension locker und spannt sich bei Plantarflexion an. Es verhindert
in erster Linie eine Innenrotation des Talus in der Sprunggelenksgabel; in Plantarflexionsstellung
wirkt es auch einer Adduktion entgegen [2], [10], [17], [21].
-
Lig. fibulocalcaneare (CFL): Entspringt distal des ATFL und zieht schräg nach dorsomedial
zum Kalkaneus. Das Band ist 2–3 cm lang, 4–8 mm breit und 3–5 mm dick. Es geht in
die Peronealsehnenscheide über [19].
-
Das CFL ist in Dorsalextension angespannt und bei Plantarflexion locker. Das Band
wirkt einer Adduktion des Fußes entgegen [2], [10], [17], [21].
-
Lig. fibulotalare posterius (PTFL): Von seinem Ursprung an der dorsalen Innenseite
des Malleolus lateralis verläuft es zum dorsalen Talus, wo es breitflächig ansetzt.
Das Band ist 3 cm lang, 5 mm breit und 5–8 mm dick [19]. In Dorsalextension ist es angespannt und limitiert diese zusammen mit dem Innenband.
Ferner wirkt es einer Außenrotation des Talus entgegen [2], [10], [17], [21].
Diese anatomischen Verhältnisse führen dazu, dass es, je nach Unfallmechanismus, zu
unterschiedlichen Verletzungsmustern kommen kann [17]:
-
Forcierte Innenrotation führt zur Ruptur des ATFL und nachfolgend des PTFL.
-
Übermäßige Dorsalextension führt zur Ruptur des PTFL.
-
Übermäßige Adduktion führt in neutraler und dorsalextendierter Stellung eher zur CFL-Ruptur,
in plantarflektierter Stellung eher zur ATFL-Ruptur.
Verletzungsarten
Die isolierte ATFL-Ruptur gilt als die mit Abstand häufigste Verletzung [1]. Meist sind diese Rupturen intraligamentär, jedoch kommen auch knöcherne Bandausrisse
an Fibula oder Talus vor. Am zweithäufigsten sind Kombinationsrupturen von ATFL und
CFL, die ebenfalls meist intraligamentär auftreten. Isolierte CFL-Rupturen sind selten
und bedingen dann möglicherweise auch eine Instabilität des unteren Sprunggelenks
[4], [6], [11]. Die Ruptur aller 3 Bänder des Außenbandkomplexes ist sehr selten und Rupturen des
PTFL mit oder ohne CFL sind eine Rarität.
Außenbandrupturen können mit zahlreichen weiteren Verletzungen einhergehen, nach denen
in jedem Fall gefahndet werden sollte. Hierunter fallen komplette oder partielle Rupturen
der Peronealsehnen, Innenbandläsionen, osteochondrale Frakturen des Talus, Syndesmosenverletzungen,
Frakturen an der Metatarsale-V-Basis, sowie kalkaneokuboidale Impressionsfrakturen
[1].
Auch die Fraktur des Processus lateralis tali, der sog. „Snowboarderʼs ankle“, führt
zu Schmerzen im lateralen Sprunggelenksbereich [12]. Grundsätzlich können akute Bandverletzungen auch mit Nervenverletzungen einhergehen,
welche eine Störung der Propriozeption bedingen und so einer (funktionellen) Instabilität
zusätzlich Vorschub leisten [7], [18].
Diagnostik
In der Anamnese wird meist ein Umknicktrauma im Sinne einer Supination angegeben,
wobei nur manche Patienten den stattgehabten Mechanismus bzw. die Gelenkstellung zum
Zeitpunkt des Traumas genau beschreiben können. Oftmals handelt es sich nicht um das
Erstereignis, sodass eine chronische Instabilität zu vermuten ist. Klinisch zeigt
sich eine schmerzhafte Schwellung und oftmals ein Hämatom im Außenbandbereich ([Abb. 2]). Nur beim ganz frischen Trauma lassen sich Anteile des Außenbands bei subtiler
manueller Untersuchung zuverlässig unterscheiden. Meist fällt eine Bewegungseinschränkung
für Extension/Flexion sowie insbesondere für die Supination auf. Das vordere Schubladenzeichen
provoziert Schmerzen bei ATFL-Teilrupturen, kann aber bei Komplettrupturen auch schmerzarm
durchzuführen sein. Wichtig für die Stabilitätsbeurteilung ist es, den Schubladentest
mit gebeugtem Kniegelenk durchzuführen (Entspannung der Achillessehne). Immer sollte
auch die Syndesmose überprüft werden.
Abb. 2 Klinische Zeichen einer Außenbandruptur: Schmerzhafte Schwellung und Hämatom unterhalb
des Außenknöchels.
Röntgenaufnahmen sind nach Umknicktraumen nicht immer notwendig; ein Unterlassen setzt
allerdings einige Erfahrung in der körperlichen Untersuchung voraus. Eine Hilfestellung
zur Indikationsstellung für die konventionelle Röntgenuntersuchung liefern die Ottawa
Ankle Rules [20]; zusammengefasst empfehlen diese eine Röntgenuntersuchung bei Schmerzen über dem
Außen- oder Innenknöchel, dem Metatarsale-V sowie bei Unfähigkeit zur Gewichtsbelastung.
Röntgenbilder sollten in mind. 2 Ebenen angefertigt werden, wobei bei der a.–p.-Aufnahme
für eine gute Einstellung der Sprunggelenksgabel das Bein ca. 20° nach innen gedreht
werden sollte („mortise view“).
Die Zuverlässigkeit wie auch die konkrete Durchführung gehaltener Röntgenaufnahmen
sind insbesondere wegen der großen Variabilität der Normalbefunde umstritten. Eine
Analgesie scheint die Wertigkeit von Stressaufnahmen zu erhöhen. In Neutralstellung
testet der Supinationsstress eher das CFL, in Plantarflexionsstellung dagegen das
ATFL. Beide Stellungen sowie auch das vordere Schubladenzeichen sollten angewendet
werden. Die meisten Autoren sehen eine Talusverkippung von > 15° oder einen Talusvorschub
von > 5 mm als pathologisch an [1].
Wenngleich in geübter Hand die Ultraschalldiagnostik Außenbandverletzungen sehr zuverlässig
feststellen kann, muss derzeit das MRT als Goldstandard der Diagnostik bezeichnet
werden. Es bietet den Vorteil, ggf. zusätzliche intraartikuläre Verletzungen, wie
z. B. osteochondrale Frakturen, zuverlässig zu erkennen.
Einteilung
Bisher hat sich keine Klassifikation vollständig durchgesetzt. Häufig finden sich
3-stufige Gradeinteilungen, die sich entweder an der Zahl der betroffenen Bandanteile
(ATFL, CFL, PTFL) oder am Ausmaß der Läsion (Zerrung, Teilruptur, vollständige Ruptur)
orientieren.
Therapie
Bandverletzungen werden in den allermeisten Fällen konservativ behandelt, dies gilt
insbesondere für die Fälle ohne Nachweis einer Instabilität. Verschiedene Methoden
der Ruhigstellung kommen zur Anwendung, diese reichen von der Gipsruhigstellung über
Sprunggelenksorthesen bis hin zu Tapingverfahren. Die empfohlene Behandlungsdauer
liegt bei 6 Wochen; eine funktionelle Nachbehandlung mit zügigem Übergang zur vollen
Gewichtsbelastung ist dabei der kompletten Ruhigstellung überlegen. Entscheidend für
den Therapieerfolg ist selbstverständlich, dass die Supination während dieser Zeit
limitiert wird. Zu beachten ist aber auch, dass es durch Dorsalextension zu einer
Annäherung der Rupturenden des ATFL kommt, was möglicherweise eine stabile Ausheilung
fördert. Nach der Initialphase mit Hochlagern, Kühlung, Schonung und Kompression spielen
Bewegungs- und Propriozeptionsübungen eine wichtige Rolle.
Konservative und operative Therapie erbringen ähnliche funktionelle Ergebnisse, sodass
wegen des zusätzlichen Risikos einer Operation von dieser meist Abstand genommen wird.
Eine OP-Indikation wird allenfalls in den Fällen gesehen, bei denen eine Instabilität
bei kombinierter Ruptur von mind. ATFL und CFL vorliegt oder weitere Verletzungen
vorliegen, die einer operativen Behandlung bedürfen (offene Verletzungen, Frakturen).
Bei einer operativen Versorgung einer Außenbandläsion liegen der N. peronaeus superficialis
und der N. suralis subkutan im OP-Bereich und sollten möglichst geschont werden (postoperative
Sensibilitätsstörungen in 7–19 % [1]). Intraoperative Stresstests erleichtern das Auffinden der Rupturenden. Die meist
intraligamentären Rupturen werden mit resorbierbarem Nahtmaterial genäht; knöcherne
Ausrisse, je nach Situation, mittels Schraubenosteosynthesen, transossären Nähten
oder Knochenankern refixiert. Bei guter Rekonstruktion von ATFL und CFL muss eine
Naht des evtl. ebenfalls rupturierten PTFL nicht erzwungen werden, da dies das funktionelle
Ergebnis nicht zu beeinträchtigen scheint. Auch eine rupturierte Peronealsehnenscheide
und die vordere Gelenkkapsel werden, soweit erreichbar, vernäht. Die Nähte werden
dabei zunächst vorgelegt und schließlich in Neutralstellung des Fußes von dorsal nach
ventral geknüpft. Die Nachbehandlung erfolgt bspw. für 4 Wochen unter Vollbelastung
in einem Walker, nachfolgend für weitere 4 Wochen mit einer Sprunggelenksorthese.
Innenbandverletzungen
Isolierte Innenbandverletzungen nach Umknicktrauma sind selten; meist liegen sie in
Kombination mit Frakturen oder Außenbandläsionen vor.
Anatomie und Biomechanik
Das Innenband oder Lig. deltoideum besteht aus einem oberflächlichem und einem tiefen
Anteil. Beim oberflächlichen Anteil gehen eine Pars tibionavicularis, eine Pars tibiocalcanea
(TCL) und eine Pars tibiotalaris posterior (PTTL) ineinander über. Der tiefe Anteil
besteht hauptsächlich aus der Pars tibiotalaris anterior. Insgesamt zieht das Band
somit fächerförmig vom Innenknöchel nach unten.
Das TCL wirkt in erster Linie einer forcierten Abduktion entgegen. Der tiefe Anteil
verhindert die Außenrotation in dorsalextendierter Stellung. Ein vorderes Schubladenphänomen
entsteht durch eine alleinige Läsion des Deltabands nicht, jedoch führt diese zu einer
Verstärkung des Vorschubs bei Ruptur des Außenbands. Einer Lateralverschiebung des
Talus wirkt zunächst die intakte Fibula entgegen; bei Verlust dieses Stabilisators
(z. B. Fibulafraktur) erlaubt das intakte Deltaband eine Lateralverschiebung des Talus
um maximal ca. 3 mm, bevor es rupturiert. Ein mediales Aufklappen des Tibiotalargelenks
ist beweisend für eine Komplettruptur aller Anteile des Deltabands. Rupturen befinden
sich meist intraligamentär nahe des distalen Bandsansatzes.
Verletzungsarten
Typisch ist ein Eversions- oder Pronationstrauma des Sprunggelenks. Isolierte Innenbandverletzungen
sind dabei eher selten und kommen wohl in etwa 4 % der Fälle vor [5]. Meist finden sich Innenbandverletzungen in Kombination mit Frakturen, Außenband-
oder Syndesmosenrupturen.
Diagnostik
Die körperliche Untersuchung sollte neben der Erfassung von Schmerzen, Schwellung
und Hämatomen im Innenbandbereich auch die Fibula in voller Länge sowie die Außenbänder
und die Syndesmose erfassen. Läsionen der Sehnen des M. tibialis posterior, des M.
flexor digitorum longus sowie des M. flexor hallucis longus sollten durch entsprechende
Funktionstests ausgeschlossen werden. Nervenschäden können durch Zug am N. tibialis
und N. saphenus entstehen. Eine mediale Aufklappbarkeit kann ebenfalls klinisch getestet
werden; dies kann aber schmerzbedingt eingeschränkt sein und wäre überdies nur bei
Komplettrupturen auffällig.
Auch röntgenologisch zeigt sich eine mediale Aufklappung nur bei einer vollständigen
Ruptur. Das MRT eignet sich grundsätzlich zur Darstellung des Innenbands. Es ist aber
zu beachten, dass koronare Schichten die Pars tibionavicularis und die Pars tibiotalaris
anterior in einer Plantarflexion von 40–50° in ihrem Verlauf darstellen, während TCL
und PTTL sich am besten in koronaren Schichten bei 10–20° Dorsalextensionsstellung
abbilden.
Einteilung
Bisher hat sich keine Klassifikation durchgesetzt, zumal die therapeutischen Konsequenzen
stark von den Begleitverletzungen abhängen. Letztlich wird oftmals analog zum Außenband
eine 3-stufige Gradeinteilung verwendet (Grad I: Zerrung, Grad II: Teilruptur, Grad
III: Komplettruptur). Hintermann unterscheidet darüber hinaus nach Lokalisation proximale
Rupturen bzw. knöcherne Ausrisse (Typ I), Rupturen in Bandmitte (Typ II) und distale
Rupturen (Typ III), wobei letztere am häufigsten vorkommen [8].
Therapie
Die Therapieform hängt von den vorliegenden Begleitverletzungen ab. Bei Außenknöchelfrakturen
oder Syndesmosenverletzungen ist eine operative Versorgung der Innenbandläsion per
se nicht zwingend erforderlich. Jedoch kann ein eingeschlagenes Innenband ein Repositionshindernis
darstellen, wodurch dann doch eine Innenbandrevision notwendig wird. In diesem Fall
sollte das Band dann genäht werden. Isolierte Innenbandrupturen können konservativ
behandelt werden. Dies erfolgt meist mittels Orthese oder Gehgips für 6–8 Wochen.
Die operative Versorgung erfolgt meist durch eine Hautinzision, die von der dorsalen
Innenknöchelspitze schräg nach distal in Richtung des Talonavikulargelenks geführt
wird. Das Gelenk wird durch die Ruptur soweit wie möglich inspiziert und ausgespült.
Falls die tiefen und oberflächlichen Bandanteile identifizierbar sind, können sie
separat genäht werden. Bei Avulsionsverletzungen können Nahtanker zum Einsatz kommen.
Auch nach operativer Versorgung richtet sich die Nachbehandlung nach den Begleitverletzungen;
alleine vonseiten der Bandverletzung wäre eine Behandlung mittels Orthese i. d. R.
ausreichend.
Syndesmosenverletzungen
Die Syndesmosenverletzung wird in der Literatur meist im Zusammenhang mit Sprunggelenksfrakturen
vom Typ Weber C bzw. den sog. Maisonneuve-Frakturen diskutiert, jedoch kommen Rupturen
des Syndesmosenbands auch isoliert vor und machen bis zu 18 % der Bandverletzungen
am Sprunggelenk aus.
Syndesmosenverletzungen können leicht übersehen werden, da die Elastizität der Gelenkstrukturen
im unbelasteten Zustand oft zur spontanen Reposition im distalen Tibiofibulargelenk
führt und in der Röntgenaufnahme dann keine Diastase zwischen diesen beiden Knochen
zu erkennen ist [1].
Im Rahmen von Kontaktsportarten ist die Inzidenz deutlich erhöht; röntgenologisch
sichtbare Ossifikationen im Syndesmosenbereich werden als Spätfolge solcher Verletzungen
interpretiert.
Anatomie und Biomechanik
Tibia und Fibula werden durch mehrere Bandstrukturen zusammengehalten, die man unter
dem Oberbegriff der Syndesmose zusammenfasst (vgl. auch [Abb. 1]):
-
Membrana interossea: Verbindet Tibia und Fibula über praktisch deren gesamte Länge.
-
Lig. tibiofibulare anterius (AITF): Verläuft 45° schräg absteigend vom Tubercule de
Chaput-Tillaux an der anterolateralen Tibia zur Ventralseite des Außenknöchels. Das
Band ist 2–3 cm lang und 20 mm breit. Der distale Anteil kann arthroskopisch eingesehen
werden und eine Impingement-Problematik verursachen [17]. Der Anteil an der Syndesmosenstabilität wird mit 35 % eingeschätzt [14].
-
Lig. interosseum: Das Band verbindet Tibia und Fibula in der Inzisur. Es ist 0,5–2 cm
oberhalb des Plafonds gelegen und setzt sich nach kranial in die Membrana interossea
fort [15]. Der Anteil an der Syndesmosenstabilität wird mit 22 % eingeschätzt [14].
-
Lig. tibiofibulare posterius (PITF): Dieses besteht aus einem oberflächlichen und
einem tiefen Anteil. Von der dorsalen Tibia verläuft es zur Dorsalseite des Außenknöchels.
Bei einer Länge von 30 mm und einer Breite von 20 mm ist das Band etwa 5 mm dick [17]. Der Anteil an der Syndesmosenstabilität wird mit 9 % (oberflächlicher Anteil) bzw.
33 % (tiefer Anteil) eingeschätzt [14].
Die Syndesmose stabilisiert die Sprunggelenksgabel, ermöglicht aber gleichzeitig eine
gewisse Elastizität. So weichen Tibia und Fibula bei Dorsalextension im oberen Sprunggelenk
etwa 1,5 mm auseinander und auch begrenzte Rotationsbewegungen zwischen Tibia und
Talus spielen für den physiologischen Bewegungsablauf eine wichtige Rolle. Bei Durchtrennung
des AITF wird eine Zunahme des tibiofibularen Abstands zwischen 4 und 12 mm berichtet;
Diskontinuitäten des Lig. interosseum und des PITF erhöhen dies um jeweils mehrere
Millimeter [1], [14].
Verletzungsarten
Nach unserem Kenntnisstand ist es bisher im Biomechaniklabor nicht gelungen, durch
äußerliche Krafteinwirkung isolierte Syndesmosenverletzungen ohne knöcherne Beteiligung
zu erzeugen. Dennoch gilt eine forcierte Außenrotation des Fußes (v. a. in dorsalextendierter
Stellung) als der wichtigste ursächliche Pathomechanismus, wobei zunächst das AITF
reißt und die weiteren Strukturen nur bei fortgesetzter Gewalt betroffen sind [1]. Das PITF ist nur sehr selten betroffen. Bei einer forcierten Abduktion kann es
zur Syndesmosenruptur in Verbindung mit einer Innenband- oder Innenknöchelläsion kommen.
Diagnostik
Bei frühzeitiger Untersuchung können Schmerz und Schwellung gut auf den Bereich des
AITF eingegrenzt werden. Insbesondere bei Unfallmechanismen mit Abduktionskomponente
sollte auch das Innenband und der Innenknöchel sorgfältig untersucht werden. Wegen
der Möglichkeit einer Maisonneuve-Verletzung ist die Fibula auf deren gesamter Länge
zu palpieren. Mehrere klinische Tests zur Prüfung der Syndesmosenstabilität wurden
vorgeschlagen [1], sind jedoch begrenzt zuverlässig:
-
Squeeze-Test nach Pillings: Tibiofibulare Kompression oberhalb der Unterschenkelmitte
führt zu Schmerzen im Syndesmosenbereich aufgrund der dadurch provozierten Verschiebung
zwischen Tibia und Fibula
-
Cotton-Test: Vermehrte mediolaterale Verschiebung des Fußes gegen den fixierten Unterschenkel
im Seitenvergleich
-
Außenrotationstest: Außenrotation des Fußes gegen den fixierten Unterschenkel bei
gebeugtem Kniegelenk führt zu Schmerzen im Syndesmosenbereich
In aller Regel sollte jeder Verdacht auf eine Syndesmosenverletzung zu einer radiologischen
Diagnostik führen. An deren Anfang stehen konventionelle Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen,
die u. a. knöcherne Syndesmosenausrisse nachweisen können. In 10–50 % aller Syndesmosenverletzungen
liegen knöcherne Avulsionen im Bereich des Tubercule de Chaput (Tillaux-Fraktur) oder
seltener des Außenknöchels (Wagstaffe-Fraktur) vor [1]. Auf der a.–p.-Aufnahme kann weiterhin die korrekte Lagebeziehung zwischen Tibia,
Fibula und Talus durch Analyse bestimmter Abstände festgestellt werden (vgl. [Abb. 3]):
Abb. 3 Parameter zur Abschätzung der Stellung des distalen Tibiofibulargelenks im konventionellen
Röntgen (a.–p.). Für die Analyse der Rotationseinstellung ist eine Schnittbildgebung
erforderlich.
-
fibulotibialer Abstand 1 cm oberhalb des Plafonds („ligne claire“ nach Chaput): pathologisch
wenn > 5 mm
-
fibulotibiale Überlagerung 1 cm oberhalb des Plafonds: pathologisch wenn < 6 mm
-
Abstand zwischen Innenknöchel und Talus 1 cm unterhalb des Plafonds (mediale Gabelweite
bzw. „medial clear space“): pathologisch wenn > 4 mm
Auch bei Vorliegen einer Syndesmosenruptur können konventionelle Röntgenuntersuchungen
unauffällig bleiben, sodass bei entsprechendem Verdacht Stressaufnahmen indiziert
sind. Diese werden in Außenrotation und Abduktion des Fußes durchgeführt. Neben einer
Aufweitung der Sprunggelenksgabel in der a.–p.-Projektion kann es auch zu einer Dorsalverschiebung
der Fibula in der seitlichen Ansicht kommen. Auch die Wertigkeit der gehaltenen Aufnahmen
ist umstritten, sodass im Zweifel eine MRT-Untersuchung angeschlossen werden sollte.
Diese gilt mit einer Sensitivität von bis zu 100 % bei einer Spezifität von ca. 93 %
als Goldstandard [13].
Einteilung
International am verbreitetsten ist wohl die Klassifikation nach Edwards und DeLee
[3], welche insbesondere die latente, nur auf Stressaufnahmen erkennbare tibiofibulare
Diastase von der bereits ohne äußere Einwirkung manifesten Fehlstellung unterscheidet.
Therapie
Wie üblich bestehen die Primärmaßnahmen aus Schonung, Kühlung, Hochlagerung, Kompression
und Ruhigstellung. Eine konservative Therapie mit Knöchelorthese für 6 Wochen ist
nur bei isolierten AITF-Verletzungen ohne Instabilität und ohne knöcherne Beteiligung
möglich. Ansonsten ist die Therapie in aller Regel operativ und umfasst 2 Komponenten:
-
Reposition und Rekonstruktion des AITF: Längsinzision vor dem Außenknöchel im Bereich
der vorderen Syndesmose, wobei der N. peronaeus superficialis das OP-Gebiet kreuzt
und geschont werden sollte. Die Reposition kann mit einer großen spitzen Zange erfolgen,
die über der Sprunggelenksgabel angebracht wird; hierbei ist insbesondere auch auf
die Rotationseinstellung zu achten. Schwierigkeiten bei der korrekten Einstellung
sind häufig durch ein eingeschlagenes Innenband bedingt, welches in diesem Fall revidiert
werden muss. Eine Fibulaosteotomie ist sehr selten und praktisch nur bei veralteten
Fällen nötig. Die Syndesmose selbst wird direkt genäht oder transossär refixiert (z. B.
Knochenanker), bei knöchernen Ausrissen kommen Osteosynthesen mit Minischrauben infrage.
-
Stellschraube: Stellschrauben werden ca. 2 cm oberhalb der Syndesmose ca. 30° von
dorsal kommend fibulotibial eingebracht, wobei in jedem Fall 2 Kortikales der Fibula
zu erfassen sind. Es besteht jedoch kein Konsens darüber, ob 1 oder 2 Stellschrauben
zu verwenden sind oder ob diese in der Tibia mono- oder bikortikal verankert werden
sollten.
Die Kontrolle der korrekten tibiofibularen Positionierung sollte im Zweifel postoperativ
mittels CT oder bereits intraoperativ durch 3-D-Bildgebung überprüft werden, um verbliebene
Fehlstellungen sicher auszuschließen (vgl. [Abb. 4]). Bezüglich der Nachbehandlung bestehen verschiedene Schemata. Zumeist sehen diese
die Verwendung eines Walkers sowie eine Teilbelastung von ca. 20 kg vor. Bei frühzeitiger
Vollbelastung besteht die Gefahr der Schraubenlockerung bzw. des Schraubenbruchs.
Die Entfernung der Stellschrauben erfolgt üblicherweise nach ca. 6 Wochen.
Abb. 4 Beispiel einer fehlgeschlagenen Versorgung: Erhöhter fibulotibialer Abstand bei verminderter
fibulotibialer Überlagerung in der a.–p.-Projektion. Bei der Primäroperation waren
nur Stellschrauben eingebracht worden. Eine offene Rekonstruktion des vorderen Syndesmosenbands
war jedoch unterblieben und die geschlossene Reposition des distalen Tibiofibulargelenks
gelang nicht vollständig. Bei der Revisionsoperation zeigte sich als Repositionshindernis
eine eingeschlagene Innenbandruptur.
Fazit
Bandverletzungen des oberen Sprunggelenks betreffen das Außenband, das Innenband und/oder
die Syndesmose. Die zugrunde liegende Anatomie ist komplex. Außenbandrupturen sind
häufig und betreffen meist das Lig. fibulotalare anterius sowie das Lig. fibulocalcaneare.
Bei im unkomplizierten Fall vergleichbarem funktionellem Outcome birgt die operative
Therapie zusätzliche Risiken, sodass die konservative Therapie derzeit bevorzugt wird.
Innenbandläsionen kommen meist in Kombination mit anderen Verletzungen vor und sollen
dann operativ versorgt werden, wenn sie ein Repositionshindernis darstellen. Syndesmosenrupturen
sind dagegen eine Domäne der operativen Therapie; empfohlen wird die Rekonstruktion
der vorderen Syndesmose sowie die Sicherung mittels Stellschraube(n) für etwa 6 Wochen.