Fallbeschreibung
Anbei sehen Sie das CT-Bild einer 37-jährigen Patientin mit bekanntem Asthma bronchiale
und moderater, belastungsabhängiger Atemnot. In der Anamnese ist auf ein Sigmakarzinom
vor etwa 5 Jahren zu verweisen. Die Patientin erhielt eine chirurgische Resektion
und eine Chemoradiotherapie. Der u. a. radiologische Befund ist der Patientin schon
seit ihrer Kindheit bekannt.
Lungencomputertomografie I.
Lungencomputertomografie II.
Wobei handelt es sich hier?
Die Auflösung finden Sie auf der nächsten Seite.
Auflösung
Die richtige Antwort lautet:
Scimitar-Syndrom
Erläuterung:
Das Scimitar-Syndrom ist eine Fehlbildung mit abnormer venöser Drainage der rechten
(meist unteren) Lungenvene in die Vena cava inferior, Vena cava superior oder direkt
in den rechten Vorhof. Für die verschiedenen Formen der Fehlleitung existieren in
der angloamerikanischen Literatur unterschiedliche Begriffe: Partial Anomalous Pulmonary Venosus Connection (PAPVC) oder Partial Anomalous Pulmonary
Venous Return (PAPVR). Die Drainage der rechten Lungenvene in die Vena cava inferior
erfolgt über eine „Scimitarvene“, die sich auf der Thoraxübersichtaufnahme meist als
säbelscheidenartige Verschattung (Scimitar bedeutet „türkischer Säbel“) darstellt.
Bei unserer Patientin ist diese typische Verschattung im Thoraxröntgen (s. a. Abbildung)
nur im rechten Herz-Zwerchfellwinkel zu erahnen.
Die allerersten Beschreibungen einer Fehleinmündung der Lungenvenen reichen in das
18. Jahrhundert zurück; das Scimitar-Syndrom selbst wurde erstmals 1960 als solches
beschrieben. Die Prävalenz unter Lebendgeborenen wird auf rund 3:100 000 geschätzt.
Es gibt Berichte über eine familiäre Häufung. Es kommt öfter bei Frauen als bei Männern
vor. Die Ursache ist teilweise noch unklar. Bei mehreren Patienten mit vollständiger
Lungenvenen-Transposition wurde der Genort in die Chromosomenregion 4q12 kartiert.
In der Neugeborenenzeit wird die Krankheit durch kongestive Herzinsuffizienz (verursacht
durch die pulmonale Hypertonie) und Atemnotsyndrom manifest. Am häufigsten ist die
rechte Lunge beteiligt. In der betroffenen Lunge sind die Lungenarterien hypoplastisch
oder malformiert, daneben erfolgt die arterielle Versorgung von Ästen der Aorta, die
oberhalb und unterhalb des Zwerchfells entspringen können. Selten äußert sich die
Krankheit bei Erwachsenen mit einem kleinen Shunt. Etwa ein Viertel der Patienten
hat einen angeborenen Herzfehler (Aorten-Koarktation, Fallotsche Tetralogie, persistierender
Ductus arteriosus oder Ventrikelseptumdefekt). Die Diagnose stützt sich auf das klinische
Bild und die Befunde der trans-thorakalen oder trans-oesophagealen Echokardiografie,
der Angiografie, Computertomografie und Magnetresonanz-Angiografie. Eine pränatale
Diagnose durch fetale Echokardiografie ist möglich. Das Scimitar-Syndrom muss vom
Pseudo-Scimitar-Syndrom (abnorme absteigende, in den linken Vorhof mündende Vene)
und vom Kartagener-Syndrom abgegrenzt werden. Die Art der Behandlung wird durch den
hämodynamischen Status bestimmt. Bei signifikantem Links-Rechts-Shunt und Lungenhochdruck
ist eine chirurgische Korrektur mit der Möglichkeit der Reparatur der Lungenvenen-Transposition
und einer Ligatur der Kollateralarterien angezeigt, selten ist auch eine Resektion
der rechten Lunge erforderlich.
Thoraxröntgen bei Scimitar-Syndrom.