Sehr geehrte Damen und Herren,
solange ich mich erinnern kann, sind kurzwirksame Betamimetika immer mit einer blauen
Farbe versehen gewesen. Die meisten inhalativen Kortisone waren rot und bei den Kombinationspräparaten
aus langwirksamen Betamimetika und Kortison schien sich die Farbe Lila durchzusetzen.
Dies war offenbar ein Gentlemans Agreement und nicht verbindlich in irgendeiner Leitlinie
festgeschrieben. Leider ist diese Übereinkunft in der letzten Zeit von 2 Firmen aufgekündigt
worden. So kommt Relvar® von Glaxo jetzt in einer hellblauen Aufmachung und auch Flutiform® von Mundipharma in der Kinderdosierung 50/5 in einer blauen Aufmachung daher. Anoro®, eine Kombination aus langwirksamen Anticholinergika und langwirksamen Betamimetika,
also ohne Cortison, kommt in roter Aufmachung auf den Markt.
Nun haben wir beim Asthma nicht umsonst ein DMP und führen Asthma-Schulungen durch,
in denen wir unseren Patienten den richtigen Umgang mit den Dosieraerosolen erklären
und einüben. Denn das richtige Inhalieren ist schwierig, selbst wenn man es erklärt
und demonstriert bekommt. Jeder Pneumologe, der Patienten mit Inhalativa behandelt,
kennt dieses Problem. Der richtige Einsatz zum richtigen Zeitpunkt ist ein wesentlicher
Aspekt, in unseren Trainings- und Schulungsmaßnahmen und im Alltag jeder Sprechstunde.
Wir üben das richtige Inhalieren, die Patienten bekommen einen schriftlichen Plan,
wann sie welches Medikament wie zu nehmen haben. Und dabei führen wir dann aus, dass
eben im Notfall immer das „blaue Spray“ zu nehmen ist. Denn „blaue Sprays“ sind weltweit
kurzwirksame Betamimetika, und diese wirken im Notfall am schnellsten. Dies gilt in
Australien genauso wie bisher in Deutschland [1].
Leider ist diese einfache Regel jetzt europaweit nicht mehr so umzusetzen, weil Flutiform
und Relvar eine europaweite Zulassung besitzen. Nun mag das einem Akademiker unproblematisch
vorkommen, aber wir haben auch nicht so gebildete Menschen mit Asthma, die wir behandeln
müssen und denen müssen wir einfache Regeln an die Hand geben. Abgesehen davon, dass
auch Akademiker im Asthmaanfall bei Panik einfache Regeln brauchen, die sie verstehen
und im Notfall auch noch erinnern und befolgen können. Daher halte ich es für ganz
schlecht, wenn von den Firmen Mundipharma und Glaxo diese Regel ohne Not aufgegeben
wird. Dies führt zu einer Gefährdung der Patientensicherheit und dies weit über den
deutschen oder europäischen Markt hinaus. Denn man mache sich nichts vor, in Zeiten
der Globalisierung wird man auch deutsche oder europäische Medikamente an anderer
Stelle wiederfinden. Die Verwirrung ist vorprogrammiert und so überflüssig wie ein
Kropf.
Besonders ärgerlich ist, dass eine der beteiligten Firmen gerade einer Generikafirma
die Benutzung der lila Farbe für ein Nachfolgeprodukt ihres lila Kombinationspräparates
verboten hat. Es handelte sich nämlich um exakt das gleiche Lila. Man kann also nicht
sagen, dass die Firma nicht um die Bedeutung der Farbe wüsste.
Auf Nachfrage gibt das BfArM an, dass sie gar nicht wüssten, warum die Farbe so wichtig
wäre, und fragt, in welcher Leitlinie das stünde. Es ist also wichtig, dass bei der
nächsten überarbeiteten Leitlinie bitte auch genau drin steht, dass kurzwirksame Betamimetika
blau zu sein haben.
Durch ständig neue Inhalationsdevices in nicht nur neuen verwirrenden Farben, sondern
auch mit neuen verwirrenden Anwendungsmechanismen, werden Patienten systematisch verunsichert
und diese Erkenntnis ist nicht neu. [2] Ich hatte neulich eine Patientin, die mit dem Elpenhaler nicht zurechtkam, mal würde
das Produkt funktionieren und mal nicht. Bei der Aufforderung, mir die Anwendung zu
demonstrieren, legte sie den Streifen falsch ein und damit fiel das Pulver nach unten
und war nicht oben frei zum Inhalieren. Eine scheinbar banale Fehlerquelle, die aber
dazu führt, dass Patienten ihre Medikamente nicht sicher anwenden können.
Warum lässt die Zulassungsbehörde in Deutschland oder in Europa ein solches Inhalationssystem
zu, dessen Anwendung unsicher ist? Weil die Wirkstoffe bekannt und generikafähig sind?
Weil es ja nur auf den Wirkstoff ankommt? Patienten werden dadurch gefährdet und erleiden
möglicherweise lebensbedrohliche Asthma-Anfälle. Warum werden vor Zulassung solcher
Medikamente nicht Ärzte gefragt, die Patienten mit solchen Erkrankungen behandeln?
Bei inhalativen Medikamenten handelt es sich nicht nur darum, ob man einfach eine
grüne oder blaue Pille schluckt. Von der Teilchengröße bis hin zum Handling der Devices
sind viele Aspekte zu berücksichtigen, die nichts mit Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik
zu tun haben. Nur darauf zu schielen, ob der gleiche Wirkstoff in diesem oder jenen
Devices vorhanden ist, wird der Komplexität einer Inhalationsbehandlung nicht gerecht.
Offensichtlich lassen sich die Zulassungsbehörden mehr durch Leitlinien beeindrucken
als durch den Sachverstand eines Lungenarztes, der jeden Tag die entsprechenden Präparate
verordnet und auch mit den Anwendungsfehlern konfrontiert wird. Deshalb bitte ich
unsere Fachvertreter in den Leitlinienkonferenzen Asthma und COPD, auf die entsprechenden
Stellungnahmen zu achten. Blau sind Betamimetika für den Notfall. Rot ist Kortison.
Und meinetwegen lila sind Kombinationen. Damit künftig wieder etwas mehr Ruhe, wenigstens
in der Farbgestaltung herrscht. Die Hoffnung, Ruhe an der Front der überbordenden
Fülle von neuen Inhalationsdevices zu erhalten, habe ich ja schon aufgegeben. Ob die
im Alltag funktionieren oder nicht, ist wohl nur den Patienten und uns Pneumologen
nicht egal.