ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2014; 123(05): 240-241
DOI: 10.1055/s-0034-1377097
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mit dem Konzept nach Dr. Beach zur rückenschonenden Behandlung – Endlich schmerzfrei arbeiten

Further Information

Publication History

Publication Date:
11 June 2014 (online)

 

    Bereits seit 5 Jahren bietet das japanische Dentalunternehmen Morita auch in Deutschland seine Fortbildungskurse „Ergonomie und Workflow in der Zahnarztpraxis“ an, in denen die Teilnehmer das auf den amerikanischen Zahnarzt Dr. Beach zurückführende Behandlungskonzept für eine natürliche Körperhaltung vermittelt bekommen. In verschiedenen Referenzpraxen lernen Interessierte auf einfachstem und gesündestem Weg zahnärztlich zu behandeln, um nicht in verdrehter Haltung mit dann vorprogrammierten Rückenbeschwerden arbeiten zu müssen. Wir sprachen mit Dr. Wolf Neddermeyer, Zahnarzt, Oralchirurg und Trainer dieser Kurse seit der 1. Stunde, sowie Horst Willeweit, Leiter Vertriebsmarketing Deutschland bei Morita, über die zahnärztliche Problemzone Rücken, den Erfolg des Beach-Konzepts sowie über die Erfahrungen der Kursteilnehmer.

    Zoom Image
    W. Neddermeyer
    Zoom Image
    H. Willeweit

    ? Herr Dr. Neddermeyer, Sie sind einer der Trainer des 1½-tägigen Workshops von Morita „Ergonomie und Workflow in der Zahnarztpraxis“. Warum?

    Neddermeyer: Im Alter von 42 Jahren, nach 8 Jahren mit mehr oder weniger starken orthopädischen Beschwerden und immer weniger Freude an der Arbeit, erfuhr ich von der Behandlungssystematik nach Dr. Beach. Bei ihm lernte ich, auf dem einfachsten und gesündesten Weg zahnärztlich zu behandeln. Dieser Kurs rettete mein restliches Berufsleben, sodass ich meine Erfahrungen gerne an Kollegen weitergeben möchte.

    ? Wie sind Sie auf das Konzept nach Dr. Beach aufmerksam geworden?

    Neddermeyer: Nachdem in meiner Ausbildung nie auf die Arbeitshaltung eingegangen wurde, bekam ich bereits in der Assistenzzeit Rückenprobleme, die mit Massagen, Schmerzmitteln und Physiotherapie behandelt wurden. Zu lange hatte ich unbewusst verdreht und krumm gearbeitet. Die „normale“ zahnärztliche Arbeitshaltung ist eigentlich eine Zwangshaltung: Sieht man das Instrument am Zahn, so muss man sich verbiegen – nimmt man eine aufrechte Haltung ein, sieht man nichts mehr. Eine Tatsache, die heute wie damals in jedem Phantomkurs Deutschlands zu sehen ist. Es gibt keinen Studenten, der nicht in einer grotesk verdrehten Arbeitshaltung versucht, den Anforderungen an Präzision mit leichter Hand gerecht zu werden. Damit legen sie schon in der Ausbildung den Grundstein für die haltungsbedingten Beschwerden der nächsten 40 Jahre. So wie ich damals! Die jungen Kollegen ahnen noch nicht, dass sie berufsunfähig werden können oder mit mehr oder weniger starken Schmerzen arbeiten werden. Auf Dr. Beach bin ich glücklicherweise damals zufällig über eine Dentalfirma für Behandlungsstühle aufmerksam geworden.

    ? Herr Willeweit, Sie haben über Ihre Arbeit bei Morita hinaus etwa als Gutachter für Praxisbewertung im Kreis Münster oder auch als Mitglied im AKDI der BZÄK gute Kontakte zu Zahnärzten – decken sich Ihre Eindrücke hinsichtlich der Rückenproblematik mit denen von Dr. Neddermeyer?

    Willeweit: Ja, Zahnärzte haben durchweg Rückenleiden, nehmen das aber auch hin, so lange es einigermaßen erträglich ist. Ich höre oft, dass das „in unserem Berufsstand so ist und auch schon bei meinem Vater so war“. Meiner Meinung nach ist in den letzten Jahren das Wissen um Anordnung von Gerätschaft, also Ergonomie, eigentlich verloren gegangen. 1975 wusste ein Zahnarzt noch, was ein Behandlungsplatz nach der ISO-Klasse 1–4 war, heute nicht mehr. Man kann ihm darüber keinen Vorwurf machen, heute werden viel weniger Praxen neu gegründet, sondern mehr mit vorhandenem Inventar übernommen und der einzelne Behandlungsplatz erhält immer mehr Zusatzgeräte. Durch die wachsende Anzahl von angestellten Zahnärzten bzw. Zahnärztinnen gibt es immer mehr Behandler, die sich ihren Arbeitsplatz nicht selber aussuchen können, sondern quasi hingestellt bekommen. Das Problem liegt natürlich schon in den Ausbildungsstätten, in welchem klinischen oder Phantomkurs sitzt ein Student mit geradem Rücken? Vielleicht, wenn der aufsichtsführende Assistent die Arbeit begutachtet, ansonsten zieht der Student gekrümmt die Kavität auf, um sein Testat möglichst schnell zu bekommen. Der zumeist wenig geeignete Mundspiegel verkommt dabei zum Wangen- oder Zungenhalter; als Spiegel wird er allenfalls zur Nachkontrolle eingesetzt.

    ? Herr Dr. Neddermeyer, was sind die Vorteile der Behandlung nach dem Konzept von Dr. Beach?

    Neddermeyer: Das Konzept ermöglicht ein gesundes Arbeitsleben. Es ist leicht erlernbar wie lehrbar, logisch aufgebaut und seine Anwendung beugt orthopädischen Beschwerden vor. Deshalb ist es auch ideal geeignet für die zahnärztliche Ausbildung. Das Konzept wendet zielgerichtet die Funktionen des Gleichgewichtssinns, der Bewegungs- und Haltungsmotorik sowie des taktilen und visuellen Sinns für zahnärztliche Tätigkeit an. Daraus leiten sich in logischer Reihenfolge die 12-Uhr-Behandlung und das entsprechende zahnärztliche Umfeld ab.

    ? Wie lange haben Sie gebraucht, um Ihre Arbeitsweise ergonomisch zu gestalten?

    Neddermeyer: Ich habe bereits 1980 an einem 14-tägigen Kurs am Human Performance Institute in Atami (Japan) bei Dr. Beach teilgenommen. Nach meiner Rückkehr konnte ich sofort 60 % aller Mundstrukturen in direkter Sicht bei guter Haltung behandeln. Etwas später wurde die systematische Anwendung des Beach-Spiegels zur Routine, sodass ich nach 2–3 Monaten den größten Teil aller Behandlungen in natürlicher Körperhaltung beherrschte. Bereits nach 1 Monat hatte ich nur noch leichte Beschwerden. Bis heute bin ich beschwerdefrei.

    ? Was sind die Grundvoraussetzungen für die Umstellung der Behandlungsposition von 9-Uhr auf 12-Uhr?

    Neddermeyer: Die Grundvoraussetzung ist die Motivation des Einzelnen, das Arbeitsleben ohne Beschwerden und mit Freude an der Arbeit verbringen zu wollen. Schließlich liegt laut Statistik die relative Häufigkeit von Rückenschmerzen bei Zahnärzten während eines Jahres bei 86 % (Anm. d. Red.: Quelle: www.rki.de).

    ? Sind dafür auch spezielle Behandlungseinheiten erforderlich?

    Neddermeyer: Diese Frage würde ich mit einem Jein beantworten. Wenn man auf angenehme leichte Griffwege verzichtet und den Patientenkopf analog Dr. Beach in der mittleren Sagittalebene, in Herzhöhe, nahe am eigenen Körper positionieren kann, braucht man keine spezielle Einheit. Das lassen aber viele Kopfstützen und 9-Uhr-Einheiten nicht zu (Abb. [ 1 ]). Die meisten Einheiten positionieren zuerst das Gesäß, anschließend müssen die Kopfstütze, das Licht und die Antriebsaggregate umständlich nachgestellt werden. Bei dem Konzept nach Dr. Beach liegt das Arbeitsobjekt immer und ohne Nachjustierungen an derselben Stelle. Ich arbeite deshalb seit 25 Jahren mit einer reinrassigen Beach-Einheit (Spaceline HPO, Morita), die wie ein Bügelbrett aussieht, maximale Bewegungsfreiheit ermöglicht und damit weder zu Vermeidungshaltungen noch zu Vermeidungsbewegungen führt (Abb. [ 2 ]).

    Willeweit: Aus meiner Sicht ist eine Behandlungseinheit mit verantwortlich für eine aufrechte und stabile Sitzposition. Unserer Erfahrung nach setzen auch Kursteilnehmer mit Behandlungseinheiten anderer Hersteller die Kursinhalte in ihrer Praxis, wenngleich eingeschränkt, um. Deshalb kaufen sich diese Teilnehmer in der Folge öfters neue Arbeitsplätze, weil sie in den Workshops erlebt haben, dass bestimmte Einheiten ein Rücken-entspanntes Arbeiten deutlich unterstützen. Einen Behandlungsplatz alleine zu sehen, ist aber zu kurz gedacht. Sie müssen vielmehr die Einheit in ein ganzheitliches (Raum-)Konzept integrieren, das den fahrbaren Zusatzgeräten ebenso Platz bietet wie etwa der 2. Assistenz und das die Chancen aus der Proprio­zeption in Verbindung mit der Schwerkraft erschließt. Dabei ist es von Vorteil, den Bedingungen der 2-, 3-, 4-Handtechnik, der Greiftechnik, der Greifhygiene sowie dem ständigen Wechsel von Hand­instrumenten wie schlauchgebundenen Instrumenten im kleinen Seh- und Greif­raum des Teams gerecht zu werden.

    Zoom Image
    Abb. 1
    Zoom Image
    Abb. 2

    ? Herr Dr. Neddermeyer, warum raten Sie als Referent Ihren Kollegen, einen solchen Beach-Kurs von Morita zu belegen?

    Neddermeyer: Zahnärzte arbeiten ungefähr 40 Jahre. Deshalb sollten die vorhandenen Ressourcen so effizient wie möglich genutzt werden. Der Kurs lehrt, die statischen und dynamischen Anteile zahnärztlicher Arbeit ohne größere Ermüdung und zusätzliche Erholungspausen den Arbeitsalltag über einzusetzen. Besonders geeignet sind die Kurse für Kollegen, deren Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Freude am Beruf nach 15- bis 20-jähriger Tätigkeit nachgelassen haben. Natürlich ist das System auch den Kollegen zu empfehlen, die jetzt schon wissen, dass ihr Kreuz die nächsten 10 Jahre nicht übersteht. Schließlich steht die Wirbelsäule für unsere berufliche Existenz.

    Willeweit: Bis jetzt waren in den Kursen zu 65 % eher junge Frauen, ohne Beschwerden angemeldet, da sie offensichtlich stärker präventiv ausgerichtet sind. Männer nehmen ab 50 Jahre+ teil, oft bereits mit sehr starken Rückenschmerzen. Die Teilnahmezahl von niederlassungswilligen Assistenten, die gleichzeitig mit der Investition in Einheiten beschäftigt sind, steigt ebenfalls an.

    ? Herr Willeweit, warum liegen Morita diese Kurse so sehr am Herzen?

    Willeweit: Uns ist es wichtig, dass Zahnärzte eine Arbeitserleichterung erhalten und sie sehen, dass es sich lohnt, in die eigene Gesundheit und das eigene Wohlergehen zu investieren. Das mag auch etwas mit der japanischen Tradition unserer Firma zu tun haben. Als führendes Dentalunternehmen sehen wir uns in der Verantwortung, dem Zahnarzt eine Tätigkeit im natürlichen Bewegungsablauf zu ermöglichen und so auch zur Sicherung der allgemeinen Lebensqualität außerhalb der Praxis beizutragen.

    ? Wie lange braucht man als Kursteilnehmer, Ihre Tipps und Hinweise in den Praxisalltag zu integrieren?

    Neddermeyer: Das hängt von der Motivation ab. Nach einem 1½-tägigen Kurs würde ich sagen 1–3 Monate. Die Zeitspanne ist abhängig von den vorhandenen Schmerzen: Je stärker und schmerzhafter die Bewegungseinschränkungen bereits sind, desto schneller wird der Kollege darauf verzichten, sich zu verbiegen. 100 % aller Kursteilnehmer sind übrigens überzeugt, dass das System funktioniert – nur sind manche zu bequem, die Komfortzone zu verlassen, um einen körperfreundlichen Behandlungsstil zu integrieren. Es ist allein die Entscheidung jedes Einzelnen, wann und wie er in die eigene Gesundheit investiert.

    ! Vielen Dank an Sie beide für das Gespräch.

    Das Interview führte Dr. Ulrike Oßwald-Dame

    Weitere Informationen unter www.zahnarzt-rueckenschmerzen.de oder www.morita.com/europe.


    #

    Zoom Image
    W. Neddermeyer
    Zoom Image
    H. Willeweit
    Zoom Image
    Abb. 1
    Zoom Image
    Abb. 2