Z Orthop Unfall 2014; 152(02): 112
DOI: 10.1055/s-0034-1375832
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Traumatische atlanto-occipitale Dislokation bei Kindern – Früh erkennen und zeitnah stabilisieren!

Contributor(s):
Andreas Enz
Astur N et al.
Traumatic Atlanto-Occipital Dislocation in Children.

J Bone Joint Surg Am 18.12.2013;
95: e1941-1948
DOI: 10.2106/JBJS.L.01295.
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Publication History

Publication Date:
23 April 2014 (online)

 

Auf Grund der Fortschritte in Notfallmedizin und Diagnostik steigt die Anzahl der überlebenden Patienten bei seltene Verletzungsentität der traumatischen kindlichen atlanto-occipitalen Dislokation stetig. Astur et al. berichten über 14 Fälle der vergangenen 20 Jahren die sie untersuchten und auswerteten. Welche Empfehlungen resultieren daraus?
Astur N et al. Traumatic Atlanto-Occipital Dislocation in Children. J Bone Joint Surg Am. 2013 Dec 18;95: e1941–1948. doi: 10.2106/JBJS.L.01295

Einleitung

6–8 % aller tödlich verlaufenden Verkehrsunfälle sind mit einer atlanto-occipitalen Dislokation verbunden. Der Anteil der in tödliche Unfälle verwickelten Kinder liegt sogar bei 18 %. Verbesserungen in der Akutphase der Traumaversorgung (Prähospital- und Klinikphase) konnten die Anzahl der Überlebenden in den letzten Jahren deutlich steigern. Mangelnde spezifische klinische Symptome erschweren jedoch die Diagnosestellung mit weitreichenden Folgen.


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Material und Methode

Die retrospektive Studie umfasst Patienten mit traumatischen atlanto-occipitalen Dislokationen im Alter vom Neugeborenen bis zum 16. Lebensjahr im Zeitraum von 1991 bis 2011. Astur et al. machten es sich zum Ziel Unfallmechanismus, Begleitverletzungen, neurologische Schäden, operative Behandlung, Implantattyp, Komplikationen, radiologisches und klinisches Ergebnis zu evaluieren.


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Ergebnisse

14 Patienten (7 weiblich, 7 männlich) mit einem Durchschnittsalter von 5,2 Jahren wurden mit einem follow up von 74,5 Monaten nachuntersucht. Dabei zeigten sich Autounfälle als häufigster Unfallmechanismus. Die atlanto-occipitale Dislokation wurde CT-morphologisch nach Traynelis (Typ I: vordere Dislokation, Typ II: longitudinale Dislokation, Typ III: hintere Dislokation Occiput gegen Atlas) klassifiziert sowie die präoperativen Röntgenbilder nach Powers Ratio (Strecke Basion dorsaler Altasbogen zu Opisthon und ventraler Altasbogen), Kaufman (Breite des atlantooccipitalen Überganges) sowie Thiebaut (in Relation zur Wackenheim-Clivus-Linie) beurteilt. Bei insgesamt 12 Patienten wurden Begleitverletzungen festgestellt; mit zerebralen Läsionen (80 %) an erster Stelle und Rückenmarkverletzungen (50 %) an zweiter Stelle. An bildgebenden Verfahren wurde zu o. g. konventionellen Röntgenbildern sowie CT-Scans, MRTAufnahmen und funktionelle Durchleuchtung mittels Bilderwandler durchgeführt.

Alle Patienten wurden mit einer posterioren occipito-cervicalen Fusion mittels dorsaler Instrumentierung versorgt. Eine Frakturkonsolidierung wurde bei allen Patienten im Zeitraum von 4 bis 6 Monaten beobachtet. Als häufigste Komplikation trat ein Hydrocephalus auf. Zudem litt die Hälfte aller Patienten posttraumatisch an neurologischen Beeinträchtigungen mit Hemiplegien sowie Hirnnerven- und Hirnnervenkernverletzungen des N. abducens (VI) und N. hypoglussus (XII) an erster Stelle.


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Diskussion und Kommentar

Kinder unterliegen auf Grund ihrer Kopf-Körper-Proportion, flacheren Gelenken und weicheren Bandstrukturen einem deutlich erhöhten Risiko für atlanto-occipitale Verletzungen. Die Studie bestätigte, dass Hochrasanztraumata der häufigste Grund für derartige Dislokationen sind, jedoch sind anatomisch bedingt auch andere Mechanismen vorstellbar. Keines der bildgebenden Verfahren hat sich als Goldstandard etablieren können. Die Kombination von MRT und dynamischer Durchleuchtung mittels Bildwandler scheint jedoch zur Diagnosesicherung und Stabilitätsbeurteilung am besten geeignet. Jede Subluxation zwischen Occiput und C1 von mehr als 2–3 mm bei Flexion und Extension, mehr als 4 mm zwischen Atlas und Dens oder Dislokationen zwischen den occipitalen Kondylen und C1 von mehr als 2–3 mm ist als Instabilitätskriterium zu bewerten. Keine der Standardklassifikationen eignet sich ausreichend gut, um die Stabilität des occipito-cervikalen Übergangs sicher beurteilen zu können. Die beim erwachsenen Patienten mögliche Therapie mit Anlage eines Halo Fixateurs ist auf Grund der häufigen Begleitverletzungen und unzureichender Brust-Körper Immobilisierung nicht empfohlen. Die frühe definitive Versorgung mittels dorsalem internen Fixateur bestätigte sich laut dieser Studie an einer kleinen Patientengruppe als effizientes Verfahren. Im postoperativen Verlauf muss bei Entwicklung eines neurologischen Defizits besonderes Augenmerk auf Entwicklung eines Hydrocephalus gerichtet werden. Dieser entwickelt sich nach Meinung der Autoren auf Grund von Narbenbildung im Subarachnoidalraum bzw. im Mündungsbereich des vierten Ventrikels. Hirnnervenverletzungen zeigten sich meist als reversibel.

Zusammenfassend geben Astur et al. mit ihrer Veröffentlichung ein brauchbares Werkzeug, um die frühe Diagnose und das bestmögliche Outcome der noch jungen Patienten mit dieser schwerwiegenden Verletzung zu sichern.


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