Z Orthop Unfall 2014; 152(02): 99-102
DOI: 10.1055/s-0034-1375825
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Falsche Ärzte – Maßnahmen gegen „Schwarze Schafe“ noch nicht umgesetzt

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Publication Date:
23 April 2014 (online)

 
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    Dr. med. Theodor Windhorst (Jahrgang 1950) ist seit acht Jahren Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), weiterhin im Vorstand der Bundesärztekammer. Frühere Stationen seiner Karriere waren die Arbeit als Vorstandsmitglied bei der KBV und als Stellvertretender Vorsitzender des G-BA. Der Chirurg ist langjähriger Chefarzt des interdisziplinären Lungenzentrums Bielefeld Mitte. Seit Beginn dieses Jahres steht er dort allerdings nicht mehr im OP, sondern kümmert sich jetzt um Organisation und Kongressmanagement (Bild: ÄKWL).

    Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Theodor Windhorst erklärt im ZFOU-Interview, was zu tun ist, damit Ärzte nach massiven Fehlern schneller von der Arbeit suspendiert werden können. Und damit auch solche vor einer Einstellung erkannt werden, die überhaupt keine Approbation haben.

    ? Herr Windhorst, am 11. Februar dieses Jahres hat ein Gericht im niederländischen Almelo Herrn Ernst Jansen, auch genannt Ernst Jansen Steur, zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Neurologe, so das Urteil, habe in 9 Fällen bei Patienten in den Niederlanden „bewusst“ unheilbare Krankheiten falsch diagnostiziert und sei Schuld am Tod einer Frau, die aufgrund einer Fehldiagnose Alzheimer Suizid begangen hat. Damit endete einer der laut Staatsanwaltschaft „größten Medizinprozesse in der Geschichte der Niederlande“. Jansen soll Fehldiagnosen bei mindestens 200 Menschen gestellt haben.
    Besonders pikant: Der Mediziner war bereits 2004 in den Niederlanden wegen Fehldiagnosen, gefälschten Patientenakten und unnötiger Hirnoperationen aus dem System geflogen und hatte sich verpflichtet, nicht mehr zu praktizieren. In Deutschland war er hingegen bis Ende 2012 in mehreren Kliniken tätig. Sie kennen den Fall?

    Durchaus. Herr Jansen ist auch bei uns im Kammergebiet aufgefallen, im Februar 2012, als ihn das St. Georg-Krankenhaus in Bad Fredeburg rausgeworfen hat. Er war dort als Honorararzt tätig gewesen.

    ? Laut Wikipedia war Jansen aber schon 2004 von der niederländischen Ärzteliste gestrichen worden. Wusste denn bei Ihnen niemand davon?

    Nein, wir erfuhren davon erst 2012, als uns das Krankenhaus Bad Fredeburg anrief. Und das trotz umfangreicher eigener Recherchen auch schon die Jahre zuvor, leider.

    ? Welche Recherchen Jahre zuvor?

    Herr Jansen, der gelegentlich auch als Jansen Steur auftrat, was seine Identifikation selbst für die Niederländer erschwerte, ist bereits im Dezember 2005 durch unsere Akten gelaufen. Damals hat uns ein bekanntes hiesiges Rechtsanwaltsbüro im Auftrag des Dr. Ernst Jansen angeschrieben, um im Sinne der Europäischen Richtlinie 93/16/EWG (Anm. Red.: bis 2007 gültige EU-Richtlinie zur Anerkennung von Berufsausbildungen in den Ländern der EU, seit Oktober 2007 ersetzt durch die Richtlinie 2005/36/EG) eine Zulassung für ihren Mandanten zu bekommen. Das Schreiben enthielt unter anderem die Kopie einer Erklärung vom Minister für Volksgesundheit in Den Haag, dass Herr Jansen berechtigt sei, die Berufsbezeichnung Arzt zu führen.

    ? 2005? Aber da stand Jansen doch in Holland schon nicht mehr auf der Ärzteliste?

    Richtig. Und das waren eben Fehlinformationen aus den Niederlanden, denen auch wir aufgesessen sind. Schließlich haben ja auch die Niederländer erst ab 2009 gegen ihn prozessiert. Herr Jansen ist also in Holland 5 Jahre eine Karteileiche gewesen, aber eine reanimierbare. Eben weil das Ministerium auch noch Jahre nach 2004 auf Nachfragen hin immer wieder bestätigt hat, dass keine disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen seiner Berufsausübung entgegen stehen.
    Wir können auf jeden Fall belegen, dass wir umfassend recherchiert haben. So haben wir zur Sicherheit Anfang 2006 von der Kanzlei obendrein noch eine Approbationsbescheinigung angefordert und im März 2006 auch eine notariell beglaubigte Kopie dazu erhalten, ausgestellt von der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg.

    ? Bezirksregierung Arnsberg?

    Das war in dem Fall die Approbationsbehörde.

    ? Die also auch keinen Verdacht geschöpft hatte …

    Offenbar nicht. Und am 14. März 2006 bekamen wir auch noch die von uns ebenfalls angeforderte Konformitätsbescheinigung, ausgestellt von der KNMG (Anm. Red.: Royal Dutch Medical Association, die niederländische Ärzteorganisation). Glasklar wurde da bestätigt, dass Herr Jansen in den Niederlanden als Neurologe praktizieren darf, gemäß Artikel 22 der Richtlinie 93/16 EWG.

    ? Da haben Sie gesagt, jetzt kann er auch bei uns arbeiten?

    Ja, wir haben ihn in unser Melderegister aufgenommen.

    ? Und erst 6 Jahre später, Anfang 2012 fällt dann im Krankenhaus in Bad Fredeburg auf, welcher Honorararzt da tätig war? Aufgedeckt offenbar vor allem durch die Arbeit von Journalisten. Damit nicht genug, in der Zwischenzeit war Herr Jansen in weiteren Krankenhäusern im Bundesgebiet tätig, offenbar auch in Bad Laasphe, in Nienburg / Weser und in Worms?

    Er ist durch das Land gereist, ja. Und hinzu kommt, dass das auch im St.Georg-Krankenhaus in Fredeburg ein trauriger Fall gewesen ist, denn die wussten dort offenbar schon längere Zeit, dass es mit Jansen in den Niederlanden Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. Und sagen wir so, auch dort ist die Chefetage dem zunächst nicht wirklich nachgegangen.

    ? Ein Muster, das sich wiederholt. Denn Jansen geht nach dem Rauswurf in Westfalen-Lippe 2012 offenbar nach Baden-Württemberg. Anfang 2013 wandern dann die SLK Kliniken in Heilbronn durch die Schlagzeilen, diesmal sind sie es, die sich, man staune, von Herrn Jansen trennen. Der hatte dort Beschäftigung gefunden. Offenkundig reden hiesige Klinikleitungen wenig miteinander?

    Es bleibt in der Tat eine unserer Hauptforderungen, dass sich vor allem die Arbeitgeber, die Klinikchefs, nicht nur auf die Dokumente verlassen, die ihnen Bewerber vorlegen. Sie müssen auch selber prüfen und vor Einstellung recherchieren.

    ? Wie ist Ihre generelle Einschätzung zum Problemkreis? Wie hoch ist mein Risiko als Patient, dass vor mir ein Arzt steht, der gar keiner ist oder der eigentlich zumindest andernorts längst aus dem Verkehr gezogen wurde? Einzelfälle oder ein häufiges Phänomen?

    Ich habe in den letzten 10 Jahren 6 solcher Fälle vor Augen, die in unserem Kammergebiet aufgeflogen sind. Vor allem im stationären Bereich, aber auch im niedergelassenen. Und keine Frage, jeder Fall ist eine Katastrophe.

    ? Das Problem besteht auf allen Ebenen der Versorgung?

    Ja. Allerdings ist es im Krankenhaus für solche Täuscher einfacher als im niedergelassenen Bereich, da Geschäftsführungen, ich sage mal, zu sehr den Papieren vertrauen. Im niedergelassenen Bereich greifen obendrein weitere Hürden – da müssen ja etwa Investitionen in eine Praxis getätigt werden, da geht es um Kredite und da schauen auch die Banken drauf.

    ? Schafft in Kliniken die Arbeit mit Honorarärzten besondere Sicherheitslücken?

    Das Honorararztsystem ist eine Eintrittspforte für solche Probleme, ja. Dabei laufen nach wie vor viele Krankenhäuser nur noch, weil wir zwar jetzt weniger Honorarärzte, dafür aber viele Ärzte mit Migrationshintergrund haben. Seit 2011 haben in großen Krankenhäusern in NRW im Schnitt 50 % der neuen Assistenzärzte einen Migrationshintergrund. In einem Punkt sind wir da jetzt hier mit dem Ministerium in Nordrhein-Westfalen einen Schritt weiter. Die Ärztekammern werden jetzt in NRW die Institution sein, bei denen diese Ärzte vorher eine Sprachprüfung ablegen müssen. `Heilkunst braucht Sprachkunst` ist mein Motto. Doch eigentlich wollen wir mehr: Wer aus einem anderen Land kommt und bei uns arbeiten will, soll eine Prüfung machen – ein ärztliches Examen, so wie es das in den USA schon gibt.

    ? Und vorher keine Approbation erhalten?

    Genau so, ja.

    ? Ein Ernst Jansen hätte aber womöglich solch eine Prüfung bestanden und wäre auch damit nicht aufgefallen? War sein Fall ein Systemversagen oder haben Behörden, Arbeitgeber und Ärztekammer gepennt?

    Ich will da keine eigene Verantwortung wegschieben, aber in dem Fall sehe ich an erster Stelle ein Versagen der niederländischen Stellen, die uns falsch informiert haben.

    ? Konnte die für die Approbation zuständige Behörde, die Bezirksregierung in Arnsberg, nicht besser prüfen? Zum Beispiel mal beim früheren Arbeitgeber in den Niederlanden anfunken, ob alles in Ordnung war?

    Nein, das ist nicht Aufgabe einer Approbationsbehörde. Eine notariell beglaubigte Approbationsurkunde wird weder von meiner Kammer noch von einer staatlichen Approbationsstelle angezweifelt. Das können wir nicht, wir wären sofort in einem Rechtsstreit wegen Verdienstausfalls.

    ? Sehen Sie eine Möglichkeit, dass sich solche Fehlinformationen nicht wiederholen?

    2012 ist in der Europäischen Union eine Verordnung zur Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Anm. Red. Richtlinie 2005/36/EG, siehe weitere Informationen). Diese Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 zur Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarktinformationssystems regelt jetzt neu, dass Behörden im Aufnahme- wie im Herkunftsstaat zusammen klären müssen, dass jemand auch wirklich in beiden Ländern arbeiten darf. Ich sehe Chancen, dass wir vor allem wegen des neuen digital geführten Informationssystems EU-weit eher von Problemen erfahren, die womöglich in anderen Ländern bekannt wurden.

    Andererseits bin ich schon ein bisschen angesäuert, dass etliche Maßnahmen gegen „Schwarze Schafe“, die wir hierzulande seit längerem fordern, noch nicht umgesetzt sind. So habe ich schon zu früheren Zeiten in die Diskussion geworfen, dass wir an erster Stelle ein effizienteres Kammermeldeverfahren brauchen.

    ? Kammermeldeverfahren?

    Schon jetzt muss sich jeder Arzt, der in einem Kammerbezirk neu tätig wird, egal, ob im Krankenhaus oder in eigener Praxis, bei der Ärztekammer melden. Auch wir haben so für unseren Bereich ein eigenes Melderegister. Die Ärzte müssen eine Haftpflichtversicherung nachweisen, was wir auch prüfen.

    ? Sie wissen also von jedem tätigen Arzt in Westfalen-Lippe?

    Leider eben nicht, das ist ja der Punkt. Werden Sie neu in einem Krankenhaus tätig, müssen Sie sich bislang erst binnen 30 Tagen melden.

    ? Wer nur 29 Tage beschäftigt ist, muss das nicht?

    Nicht verpflichtend. Und jetzt kommen wir wieder auf die Honorarärzte, alle Ersatzärzte, Hilfen usw. Sie werden en passant eingestellt und wieder freigestellt. Sie erhalten keinen Angestelltenvertrag, und mitunter erfahren wir gar nicht, wer da tätig war. Ich fordere daher, dass wir innerhalb von 24 h wissen, wo jemand neu tätig ist, wer er ist und was er ist…

    ? Muss da der Gesetzgeber ran?

    Da muss der Gesetzgeber ran und zwar ist das etwas, was derzeit für jedes Bundesland extra zu regeln wäre. Schöner wäre, wenn das auf Bundesebene geregelt werden könnte.

    ? Zurück zum Fall Jansen. Auch mit rascherer Meldepflicht hätten Sie vermutlich nur etwas schneller erfahren, dass hier und dort ein Dr. Jansen neu arbeitet, mit ordentlicher Haftpflicht und eine Approbation hat er auch. Alles paletti. Bringt also bei solchen Problemen nichts?

    In der Tat brauchen wir für so einen Fall weitere Schutzebenen. So möchte ich auch, dass die Ärztekammern in Zukunft beim Thema Approbation mit den bislang allein zuständigen staatlichen Stellen zusammen agieren dürfen.

    ? Weil die Ärztekammer die Vorgeschichte eines Antragstellers besser als die Behörde recherchieren würde?

    Nicht unbedingt, aber zusammen schaffen wir vielleicht mehr. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel. Wir hatten hier einen Kollegen, der ins Ausland ging, nach England, und der dort 3 Leute so behandelt hat, dass sie sterben mussten. Der Mann wurde dafür sowohl in Großbritannien als auch in Bochum rechtskräftig verurteilt. In Großbritannien darf dieser Arzt ein Leben lang nicht mehr arbeiten. In Deutschland hat er hingegen eine Haftstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe erhalten.

    Und nachdem er verurteilt war, haben wir das berufsrechtlich angepackt. Wir wollten erreichen, dass dieser Mann nicht wieder einfach so an das Netz geht, wir wollten erst prüfen, ob er das Wissen dazu hat, um weiterhin fachärztlich tätig zu sein. Diesen Prozess haben wir aber verloren (Anm. Red.: Urteil des Verwaltungsgerichts Münster 2011, Az. 14 K 791/10. T). Ein Hebel ist hier ganz klar die Approbation – aber bei der dürfen wir als Kammer nicht mitreden, weil das die Approbationsbehörde macht.

    ? Und die?

    Hat diesem Mediziner bescheinigt dass er weiterhin ärztlich tätig sein darf. Der behandelt jetzt wieder Patienten. Wir haben also die Situation, dass der General Medical Council in England gesagt hat, wir sehen Gefahr für die Patienten, der arbeitet nie wieder hier. Und die Bezirksregierung in Arnsberg sagt – alles ok, der kann weiter machen. Das geht nicht.

    ? Er behandelt heute wieder?

    Ja. Der ist niedergelassen. Es folgte ein Rechtsstreit mit angedrohten Schadensersatzforderungen von 250 000 Euro. Ich sage Ihnen, wir ärgern uns da nach wie vor. Wir hatten hier 2011 nach den schlimmen Vorfällen in Großbritannien die Presse aus England, die nicht verstanden hat, warum Fälle, in denen ein Fehlverhalten klar an den Tag gelegt worden ist, nicht zu strengeren Konsequenzen führen.

    ? Sind Sie mit der Behörde in Arnsberg zu diesem Fall wenigstens weiterhin im Gespräch?

    Nein.

    ? Und da guckt jetzt auch niemand stärker hin auf diese Praxis?

    Nein. Wir haben keine Möglichkeiten Auch die KV kann in diesem Fall nichts tun, denn der Mediziner ist bislang rein privatärztlich tätig.

    Der Hebel ist die Approbation und deswegen möchte ich ja so gerne bei deren Vergabe beteiligt sein. Uns als Ärztekammer fehlt bislang schon allein der reine Zugang zu Informationen.

    ? Was meinen Sie?

    Gibt es ein Strafverfahren gegen einen Arzt, geht die Information darüber erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen an die Approbationsbehörde und erst danach wiederum an uns. So will es die Verwaltungsvorschrift MiStra, die Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen des Bundesjustizministeriums. Und in dieser Zeit, bis Ermittlungen abgeschlossen sind, kann jemand unter Umständen unbehelligt weiter sein Wesen als Arzt treiben, den wir gerne sofort vom Netz nehmen würden. Es muss ja auch nicht immer gleich um die Aberkennung der Approbation gehen. Wenn das ein Grenzfall ist, dann könnte man sagen, du kannst als Arzt arbeiten, aber nicht im Patientenbereich. Vielleicht im Gesundheitsamt bei Gutachten oder ähnlichem.

    ? Aber die Bundesärzteordnung schreibt vor, dass die Behörde die Approbation zumindest ab dem Zeitpunkt ruhen lassen kann, zu dem ein Strafverfahren eingeleitet ist. So steht es in § 6 der Bundesärzteordnung.

    Doch warten die Behörden lieber bis zum Ende eines Verfahrens ab. Ich habe hier einen Fall gehabt von einem Frauenbelästiger, der während des Notdienstes in höchst negativer Form aufgefallen ist. Wir haben 2 Jahre nach Bekanntwerden der Vorfälle gebraucht, um den vom Netz zu nehmen, bis er die Approbation verlor. Und das meine ich, das geht nicht. Wir brauchen die Möglichkeit, viel früher zuzugreifen.

    ? Warum fassen die Approbationsbehörden nicht schneller zu? Sie könnten es doch?

    Die Behörden haben große Angst, vor dem Richterspruch zu entscheiden. Denn sie fürchten, hinterher womöglich Gehalt nachzahlen zu müssen, für den Fall, dass ein Gericht vielleicht doch entscheidet, dass jemand unschuldig ist. Das ist eine ganz, ganz schwierige Sache. Ich finde aber, wenn wir klare Hinweise haben, dass jemand zum Beispiel sexuelle Übergriffe begangen hat, dann müssen diese Leute umgehend aus der Versorgung raus. Ich muss bei den 6 bis 7 Fällen dieser Art, die ich in meinen 8 Jahren hier bei der Kammer hatte, sagen, wir sind immer zu spät dran gewesen.

    ? Und die KVen?

    Der besagte Mediziner war in einem Krankenhaus tätig. Eine KV könnte bei Problemen mit einem niedergelassenen Arzt mit Kassenzulassung eher tätig werden, indem sie eine Zulassungssperre verhängt. Dann kann ein Arzt aber immer noch privatärztlich arbeiten.

    ? Wieder eine andere Variante des Problems ist, wenn Leute sich ihre „Approbationsurkunde“ einfach fälschen. Herr Sascha Steffatschek, agierte derart ab 2009 unter „Dr. Sascha Schenk“ als Assistenzarzt an der Paracelsus-Klinik in München, bis Anfang 2010 am Hospital zum Heiligen Geist in Horb. Was tun?

    Da sehe ich vor allem die Geschäftsführung eines Krankenhauses gefordert. Sie muss ernsthaft recherchieren. Man kann sich nicht blind nur auf die Bewerbungsmappe verlassen. Approbationsurkunden kann man ja zurückverfolgen. Dafür sollte jeder Arbeitgeber bei einem neuen Bewerber mit der Kammer Kontakt aufnehmen.

    ? „Dr. Schenk“ fiel in der Tat Anfang 2010 in Baden-Württemberg auf, nachdem sich offenbar das DRK an die zuständige Ärztekammer wandte, wo der Schwindel dann aufflog. Das würde auch bedeuten, dass das von Ihnen eben erwähnte Kammermeldesystem in dem Fall nicht gut gegriffen hat.

    Scheint so, ja. Wir Kammern nützen ja durchaus die bestehende Meldepflicht. Wenn unsere Meldeabteilung Probleme sieht oder wenn es schon einmal Probleme mit einem Arzt oder auch nur Bewerber gab, dann kommt in unserem Meldesystem ein Roter Punkt dran. Wir speichern solche Informationen.

    ? Recherchieren die anderen Ärztekammern in Deutschland genauso?

    Mehr oder weniger machen das heute alle. Aber verpflichtend vorgeschrieben ist das nicht. Und vor allem nutzt diese Information ja nichts, wenn keiner bei uns anruft. Wir können ja nicht von uns aus alle Krankenhäuser checken, wer da eingestellt wird und im Zweifel dort anrufen und sagen „Hallo, ihr habt in eurem Haus ein Problem. Euren neuen Honorararzt kennen wir nicht“. Da ist schon eine Holschuld der jeweiligen Geschäftsführung eines Hauses.

    ? Wer genau kann in Ihr Melderegister schauen?

    Wir geben unsere Informationen an alle, die sie abrufen. Auch wenn ein Klinikum aus einem anderen Bundesland bei uns anruft, kriegt es Auskunft. Natürlich müssen wir den Datenschutz beachten, aber wir dürfen schon Auskunft darüber geben, wenn ein Berufsordnungsverfahren oder ein Verfahren im strafrechtlichen Bereich gegen jemanden vorliegt. Und wir würden Tipps geben, wo man weitere Informationen erfragen kann.

    ? Sind die Register der Kammern miteinander vernetzt?

    Bislang nicht, leider nein.

    ? Und damit bleibt eine Hauptschwierigkeit. Angenommen, ein Klinikum aus Baden-Württemberg fragt, wie Sie es fordern, bei der dortigen Ärztekammer vor Ort an. Kennt ihr den und den Bewerber…? Die Kammer würde vermutlich kaum wissen, wenn es zuvor bei Ihnen Probleme gab, die aber nur der Ärztekammer-Westfalen Lippe dokumentiert sind?

    Da muss unsere Zusammenarbeit besser werden und ich hoffe, dass die Verwaltungszusammenarbeit aufgrund der neuen EU-Verordnung uns da helfen wird. Die örtliche Kammer muss prüfen, woher jemand kommt und müsste dann Anfragen eben an uns weiterleiten, wenn klar ist, dass jemand vorher in Westfalen-Lippe war.

    ? Auch die KBV hat ein bundesweites Arztregister. Nützt das für solche Fragen?

    Eher nicht. Da sind nur die niedergelassenen Ärzte verzeichnet und die ermächtigten. Das ist unabhängig von den Registern der Kammern.

    ? Sie könnten doch auf Knopfdruck sehr leicht die Daten aller Ärztekammern abfragen? Sie müssten sie nur zusammenführen.

    Das wäre wünschenswert, ja. Wir diskutieren dieses Thema derzeit auf Ebene der Bundesärztekammer. Vor allem seitens der Vertreter aus den Neuen Bundesländern gibt es noch gewisse Vorbehalte wegen des Datenschutzes. Dennoch halte ich solch ein Register für möglich. Ich hätte es gerne bei der Bundesärztekammer eingerichtet.

    ? Sollte der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung zu einem Nationalen Ärzteregister in das Sozialgesetzbuch V schreiben?

    Das wäre gut, ja. Ich rufe nicht nach der Politik, um das im Detail zu regeln. Wir brauchen aber einen Rahmen an gesetzlichen Regeln dafür, den wir selber füllen könnten.

    ? Großbritannien hat so ein Nationales Register (siehe weitere Informationen).

    Ja, in das sogar jeder schauen kann.

    ? Hierzulande scheint hingegen nicht ausgeschlossen, dass ein Fall Jansen wieder durch die Lappen gehen könnte, solange die Kammerregister nicht vernetzt sind. Ist sicher, dass Herr Jansen später nach seiner Haftentlassung nicht mehr in Deutschland als Arzt arbeitet?

    Die Approbation hierzulande ist meines Wissens bislang nicht aberkannt. Das sollte die Behörde in Arnsberg zumindest jetzt nachholen, da das Urteil gefällt ist.

    Das Interview führte Bernhard Epping

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