unsere Jahrestagung liegt hinter uns und war im Echo der Teilnehmer ein guter Erfolg.
Allen, die nicht dabei sein konnten, möchte ich im Folgenden daher kurz berichten:
Nach ein paar ‚Gedanken zu Beginn’ mit Seemannspastor Matthias Ristau begann der erste
Vortragsblock unter der Überschrift „Maritime Medizin in der Lehre“.
Maritime Medizin in der Lehre
Professor Olaf Schedler stellte ein Kooperationsprojekt des Unfallkrankenhauses Berlin
mit der medizinischen Fakultät der Universität Greifswald vor. Ziel des Projekts ist
es, die maritime Medizin als Wahlpflichtfach der Studienrichtung Humanmedizin an der
Universität Greifswald zu verankern. In der Erprobungsphase wird derzeit außerhalb
der Regelsemesterzeit eine fakultative Lehrveranstaltung „Maritime Medizin“ angeboten,
die in einem ganzheitlichen Ansatz auch praktische Seemannschaft an Bord eines Segelschulschiffs
vermittelt.
Bereits etabliert ist maritime Medizin als Wahlpflichtfach in Hamburg, wo es im Rahmen
des neuen Ausbildungskonzepts der medizinischen Fakultät im Bereich Arbeitsmedizin/Präventivmedizin
angeboten wird. Durchgeführt wird es vom Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime
Medizin (ZfAM) deren Mitarbeiterin Dr. Alexandra Preisser die Details erläuterte.
Maritime Medizin in der Forschung
Die einzige universitäre Einrichtung in diesem Sektor, die Arbeitsgruppe Schifffahrtmedizin
des ZfAM an der Hamburger Universität, wurde durch Dr. Marcus Oldenburg vorgestellt.
Forschungsschwerpunkte liegen derzeit auf dem Gebiet psycho-physischer Belastungen
und Beanspruchungen von Seeleuten (Hamburg Seafarer Study) sowie in der Verpflegungs-
und Ernährungssituation einschließlich potenzieller Gesundheitsrisiken auf Kauffahrteischiffen.
Als weiteres Projekt wird derzeit eine Morbiditätsstudie von Seeleuten basierend auf
Krankenhausentlassungsdiagnosen sowie Einträgen in Schiffskrankenbüchern im Vergleich
zur deutschen Bevölkerung durchgeführt.
Als Ressortforschungseinrichtung ist das Schifffahrtmedizinische Institut der Marine
auf dem Gebiet der maritimen Medizin tätig. Der Leiter der Abteilung Forschung und
Lehre, PD Dr. Andreas Koch, stellte 2 Forschungsvorhaben vor, wovon sich das eine
mit der überwiegend tauchmedizinisch relevanten Fragestellung der Toxizität von Sauerstoff,
das andere mit dem möglicherweise vielversprechenden Einsatz von höheren Vitamin-C-Dosen
bei bestimmten Formen der Seekrankheit befasst.
Maritime Medizin an Bord
Der Themenblock „Maritime Medizin an Bord“ fokussierte auf die schiffsärztliche Tätigkeit
an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die aufgrund steigenden Bedarfs weiterhin zunehmend
an Bedeutung gewinnt.
PD Dr. Christian Ottomann wies auf einen scheinbar unbedeutenden, aber gewichtigen
Aspekt der schiffsärztlichen Tätigkeit hin: den Versicherungsschutz. Anhand von Modellbeispielen
verdeutlichte er die Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit an Bord von Kreuzfahrtschiffen,
die durch die Multinationalität bedingt ist. Reiseveranstalter, Reeder, Schiff, Arzt
und Patient können unterschiedlichen Nationen angehören, sodass im Hinblick auf die
Höhe einer möglichen Schadensersatzforderung bereits die Entscheidung über den Gerichtsort
von erheblicher Bedeutung ist. Dies wiederum hat für Versicherungsunternehmen eine
mangelnde Kalkulierbarkeit von Schadensfällen zur Folge, sodass Arzthaftpflichtversicherungen,
die eine Tätigkeit als Schiffsarzt auf einem Kreuzfahrtschiff abdecken, nur schwer
und zu sehr hohen Preisen erhältlich sind.
Die praktische Seite dieser Tätigkeit wurde von Dr. Niels Berek, der auf einem Schiff
eines amerikanischen Kreuzfahrtveranstalters tätig war, sehr unverblümt dargestellt.
Sowohl die medizinische Ausstattung als auch die Qualifikation des Assistenzpersonals
erlauben eine Medizin nach deutschem Standard, allerdings liegen die täglichen Arbeitsstunden
durchweg im zweistelligen Bereich – ein freier Tag oder gar Landgangsmöglichkeiten
sind eher rar. Bemerkenswert häufig waren Beschwerden aufgrund von Überlastung des
muskuloskeletalen Systems bei Kabinen-, Restaurant- und Küchenpersonal.
(Bild: K.-H. Seidenstücker)
Notfallmanagement auf See
Im abschließenden Vortragsblock stellte zunächst Kapitän Udo Helge Fox von der Deutschen
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger die derzeit noch in der Regulierung befindliche
Zuständigkeitsfrage im Bereich der Rettung Erkrankter oder Verunfallter von Offshorewindenergieanlagen
dar. Diese Anlagen befinden sich auf See in der sogenannten ‚ausschließlichen Wirtschaftszone‘.
In diesem Bereich des deutschen Küstenmeers hielten sich Menschen traditionell nur
an Bord von Seeschiffen auf – waren quasi auf der Durchreise. Dies änderte sich mit
Bau der Offshorewindenergieanlagen, auf denen sich Menschen sowohl zeitweise als auch
dauerhaft aufhalten. Die an Land üblichen Zuständigkeiten für den Rettungsdienst können
nicht ohne Weiteres auf den Bereich der Windenergieanlagen in der ausschließlichen
Wirtschaftszone übertragen werden, gleichzeitig sind die Regelungen für den Seenotfall
nicht anzuwenden, da es sich um stationäre Anlagen handelt. Ausgehend von dieser Situation
wurden durch den Referenten verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Anschließend gab Dr. Martin Schultz vom Telemedizinzentrum der Charité einen umfassenden
Überblick über die Möglichkeiten des Einsatzes von telemedizinischen Verfahren im
Bereich der Offshoreplattformen, die aufgrund der schlechten Erreichbarkeit durch
professionelle Rettungsdienste ein grundsätzliches Potenzial für den Einsatz telemedizinischer
Verfahren bieten. Der Referent machte sehr deutlich, dass die Telemedizin keinesfalls
ein einfaches ‚Wundermittel‘ zur Fähigkeitserweiterung von Laienhelfern ist. Vielmehr
erfordert der wirksame Einsatz der Telemedizin sorgfältige Planung und die Etablierung
dauerhafter Organisations- und Ausbildungsstrukturen.
Abgerundet wurde der Vortragsblock durch Dr. Stefan Eßer von der International SOS
GmbH mit einem Einblick in die eher globale Perspektive der Assistancemedizin. Dieser
recht neue Zweig medizinischer Dienstleistungen ist auf die Beratung und das Management
von Erkrankten und Verletzten spezialisiert, die sich in Regionen mit – nach unserem
Standard – sehr eingeschränkten medizinischen Versorgungsmöglichkeiten aufhalten.
Die Kenntnis der Fähigkeiten der Assistancemedizin ist gerade für die maritime Medizin
von besonderer Bedeutung, da die Fürsorge für das Besatzungsmitglied oder den Passagier
nicht kurzsichtig im Moment der Abbergung von Bord enden sollte.
Abgerundet wurde der Fortbildungsteil durch einen Vortrag unseres Mitglieds Dipl.-Ing.
Rolf Herrmann, der in eindrücklichen Bildern seine Erfahrungen mit verschiedenen kleinen
Kreuzfahrtschiffen schilderte.
Wiederholung geplant
Die Mühen der Vorbereitung wurden durch ein einstimmiges Votum der folgenden Mitgliederversammlung
belohnt, welches uns zur jährlichen Wiederholung einer solchen Fortbildungsveranstaltung
aufforderte. Angesichts der sich bietenden Themenfülle überlegt der Vorstand, die
Veranstaltung im nächsten Jahr ganztägig und an einem von der Mitgliederversammlung
getrennten Termin durchzuführen – möglichst zu einer Jahreszeit, die uns besseres
Reisewetter verspricht.
Ihr
Stefan Neidhardt, Kiel