Dialyse aktuell 2014; 18(03): 162-163
DOI: 10.1055/s-0034-1373698
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

20. Essener Peritonealdialyse-Gespräch – Im Fokus: Qualität in der Peritonealdialyse

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Publication Date:
30 April 2014 (online)

 
 

Das 20. Jubiläum der erfolgreichen Fortbildungsveranstaltung „Essener Peritonealdialyse-Gespräch“ widmeten die Veranstaltungsleiter Prof. Dr. Andreas Kribben, Direktor der Klinik für Nephrologie des Universitätsklinikums Essen und seit Oktober auch Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), PD Dr. Heike Bruck (seit 2014 HELIOS-Klinikum und KfH-Nierenzentrum Krefeld, vorher Universitätsklinikum Essen) und Fachpflegekraft Ina Wiegard-Szramek, Universitätsklinikum Essen, dem Thema Qualität. Sowohl aus pflegerischer wie auch aus ärztlicher Sicht wurden vielfältige Aspekte dieses Themas beleuchtet und Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität in der Peritonealdialyse (PD) diskutiert.

Das Veranstaltungsprogramm reichte von der Darstellung wesentlicher Qualitätskriterien und -indikatoren über die vielfältigen Indikationen der PD bis hin zu aktuellen Erkenntnissen zu Katheterimplantationstechniken, zur Bildgebung bei Komplikationen, zur Verwendung biokompatibler PD-Lösungen sowie auch zu neuen Studienergebnissen hinsichtlich frühzeitiger kardiovaskulärer Schädigungen bei chronisch nierenkranken Patienten. Wie bereits in den Vorjahren zeichnete sich die Veranstaltung durch eine besondere Praxisnähe und klinische Relevanz aus – auch, weil die Referenten bereit waren, konkrete Patientenfälle vorzustellen und das Auditorium in die Diskussion mit einzubeziehen. Diese Fortbildungsveranstaltung wurde somit ihrem Titel „Peritonealdialyse-Gespräch“ gerecht und vermittelte Wissen im Dialog.

Qualität in der PD – aus ärztlicher und pflegerischer Sicht

Was zur Qualität in der PD beiträgt und welche Aspekte der Qualität Nephrologie und Fachpflege unterschiedlich gewichten, wurde in dem Koreferat von Kribben und Ina Wiegard-Szramek, Essen, deutlich. Grundlegende Zielparameter seien Behandlungserfolg und Patientenzufriedenheit. Ersteres wird in der neuen Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse (QSD-RL), die zum 01.01.2014 in Kraft getreten ist, anhand verschiedener Parameter definiert und von Nephrologen umgesetzt. Wichtige Kriterien sind dabei ein optimales Volumenmanagement, der Erhalt der Nierenrestfunktion und das Vermeiden von Infektionen.

Doch nicht immer sind alle Empfehlungen allgemeingültig, sondern müssten entsprechend der aktuellen Studienlage angepasst werden, wie Kribben am Beispiel Kt/V ausführte. Dafür gilt noch immer ein Grenzwert von 1,7 – auch für PD-Patienten. „Das ist aber problematisch, denn zum einen gibt es große intraindividuelle Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Transportertypen, zum anderen ist der alleinige Blick auf die Harnstoffelimination zu einseitig, wenn Mittel- und Großmoleküle u. U. nicht ausreichend entfernt werden.“ Wie Kribben ausführte, fehlten in der QSD-RL zudem konkrete Empfehlungen zu anderen, für das Outcome ebenfalls wichtige Parameter, wie z. B. dem Ernährungsstatus. „Dabei ist bekannt, dass wir PD-Patienten eine andere Ernährung zukommen lassen können als Hämodialysepatienten“.

Zur Behandlungsqualität trägt, wie Wiegard-Szramek hervorhob, maßgeblich das qualifizierte Pflegepersonal bei. Das Aufgabenspektrum reicht von der Beratung der Patienten hinsichtlich der Wahl der Dialysemodalität über die Schulung und Training der PD-Patienten, Notrufbereitschaft und Notfallversorgung bis hin zur Vermittlung zu anderen Stellen wie Krankengymnastik, Sozial- wie auch Ernährungsberatungen. Gerade für PD-Patienten ist das Pflegepersonal wichtige Anlaufstelle und häufig erster Ansprechpartner. Wie Wiegard-Szramek mit Hinweis auf die anstehenden Kürzungen der Dialyse-Wochen-Pauschale betonte, sei eine bestmögliche Qualität aber nur mit einem vernünftigen Pflegeschlüssel und qualifizierten Personal zu leisten.


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Indikationen für die PD – noch immer be-einflussen Vorurteile die Verfahrenswahl

Wie die European Best Practice Guidelines (EBPG) hervorheben, sind Hämodialyse (HD) und PD gleichwertige Verfahren. In den ersten Behandlungsjahren scheint die PD im Hinblick auf das Überleben sogar vorteilhaft zu sein [ 1 ], erst nach 2–3 Jahren gleichen sich die Mortalitätsdaten der beiden Dialyseverfahren an [ 2 ]. Obwohl also das Outcome bei der PD gleich gut, wenn nicht gar besser ist, gibt es gegenüber der PD noch immer viele Vorurteile. „So werden zu Unrecht immer wieder eine höhere Komplikations- bzw. Infektionsrate, eine eingeschränkte Effektivität des Verfahrens sowie ein vorprogrammierter Verfahrenswechsel nach 2 oder 3 Jahren als Nachteile der PD angeführt – kein Wunder also, dass sich die meisten Patienten gegen dieses Verfahren entscheiden“, erklärte Bruck. Viele, die sich für ein Nierenersatzverfahren entscheiden müssen, erhielten auch heute noch keine objektive Aufklärung über beide Verfahren.

Dabei sei die PD für viele Patienten das bessere (Einstiegs-)Verfahren, wie Bruck ausführte. So empfiehlt die nationale Versorgungsleitlinie für Patienten mit Diabetes mellitus ausdrücklich das Konzept „PD first“. Es heißt dort: „Wegen der Option einer eigenverantwortlichen Behandlung, einer besseren Prognose in den ersten Behandlungsjahren, längerer Aufrechterhaltung der Nierenrestfunktion sowie der Möglichkeit einer kontinuierlichen Ultrafiltration und Entgiftung sollte die Peritonealdialyse als Einstiegsbehandlung favorisiert werden“ [ 3 ].

Darüber hinaus sollte die PD als Verfahrensalternative bei den Patienten erwogen werden, die an der HD eine hohe hämodynamische Instabilität aufweisen, d. h. unter großen intradialytischen Blutdruckschwankungen mit Muskelkrämpfen trotz optimaler Einstellung des Trockengewichts leiden. Auch für Patienten mit refraktärem oder rekurrentem Aszites sei die PD das geeignetere Verfahren. Ebenso stelle sie eine gute Therapiealternative für Patienten mit Shuntproblemen dar. Wirkliche PD-Kontraindikationen seien hingegen nur aktive oder rezidivierende chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder ausgedehnte Verwachsungen, z. B. nach Radiatio oder multiplen Operationen im Bauchraum. Problematisch sind auch PEG/Anus praeter, Anurie bei mehr als 100 kg Körpergewicht sowie ausgeprägte Zystennieren. Hohes Alter, physische oder mentale Einschränkungen, Hernien oder Fettleibigkeit gelten hingegen längst nicht mehr als PD-Kontraindikation.


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Besseres Outcome durch die Verwendung biokompatibler PD-Lösungen

Wie Prof. Dr. Achim Jörres, Charité Berlin, ausführte, bestehe ein Problem der PD-Behandlung in der akuten und chronischen peritonealen Toxizität herkömmlicher PD-Lösungen durch einen relativ sauren pH-Wert sowie durch die beim Herstellungsprozess (Hitzesterilisation) entstehenden Glukose-Degradations-Produkte (GDPs) und Glykosilierungs-Endprodukte (AGEs).

Daher stehen heute verschiedenen Alternativen zur Verfügung: Aminosäurelösungen eigenen sich als Osmolyte, können aber zu einer metabolischen Azidose führen und dürfen nur einmal täglich eingesetzt werden; auch kann es zu einem paradoxen transperitonealen Albuminverlust kommen [ 4 ]. Bei der Glukose-Polymer-Lösung (Icodextrin) setzt die UF-Wirkung (UF: Ultrafiltration) verzögert ein und hält länger an, wodurch sie sich in erster Linie für Patienten eignet, bei denen bereits ein UF-Versagen zu verzeichnen ist („Schnelltransporter“). Bei manchen Patienten kommt es jedoch darunter zum schnelleren Verlust der renalen Restfunktion [ 5 ]. Eine aktuelle Studie [ 6 ] zum Einsatz glukosesparender PD-Lösungen zeigte gegenüber herkömmlichen glukosehaltigen Lösungen keine Vorteile. Es gab sogar eine erhöhte Zahl schwerer Nebenwirkungen und unerwünschter – auch letaler – Ereignisse im Zusammenhang mit dem Volumenstatus.

Eine gute Alternative sind moderne biokompatible Doppelkammerlösungen, die kaum GPDs erhalten. Für diese Lösungen konnten protektive Effekte auf die peritoneale Permeabilität bzw. die UF-Funktion demonstriert werden. Die balANZ-Studie [ 7 ] – die größte, prospektive, randomisiert kontrollierte Multicenterstudie – zeigte auch eine signifikant reduzierte Peritonitisrate [ 7 ], [ 8 ] sowie einen signifikant besseren Erhalt der residualen Nierenfunktion bzw. ein Hinauszögern der Anurie [ 7 ], [ 8 ], [ 9 ], [ 10 ]. Eine Observationsstudie hatte bereits 2006 für biokompatible Lösungen ein signifikant besseres Patienten- als auch Methodenüberleben gezeigt [ 11 ].


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Interdisziplinäres Zusammenspiel sorgt für hohe Qualität in der PD

Wichtig bei der Versorgung von PD-Patienten sind nicht nur die Dialysequalität, sondern auch die PD-Katheteranlage mit dem Ziel eines gut funktionierenden Dialysezugangs sowie die bildgebenden Verfahren für das Monitoring und die frühzeitige Diagnose von möglichen Komplikationen.

Wie Prof. Dr. Martin Walz, Kliniken Essen-Mitte, ausführte, hat sich vielerorts das laparoskopische Verfahren etabliert, um PD-Katheter zu implantieren. Gemäß einer prospektiven Studie [ 12 ] ist es dem offenen Verfahren insgesamt nicht unterlegen, bei dem minimal-invasiven Verfahren kam es sogar signifikant seltener zu Kathetermigrationen (2,7 % vs. 15,0 %). Auch bei mechanischen Komplikationen, wie dem „omental entrapment“, kann die laparoskopische Technik des „omental folding“ den Dialysekatheter sanieren [ 13 ].

Die Radiologie nimmt ebenfalls eine große Rolle bei der Versorgung von PD-Patienten ein. Bildgebende Verfahren kommen u. a. zum Einsatz, um Dislokationen, Leckagen, Tunnelinfekte, sklerosierende Peritonitis oder auch Hernien sicher zu diagnostizieren. Dabei stehen verschiedene radiologische Verfahren prinzipiell zur Verfügung, wie PD Dr. Hilmar Kühl, Universitätsklinikum Essen, ausführte. Neben der konventionellen Röntgenuntersuchung kommen Schnittbildverfahren für eine differenzierte Diagnostik zum Einsatz. Das MRT wäre theoretisch die Methode der Wahl, da sie die Möglichkeit der Peritoneografie ohne Strahlenbelastung bietet. Limitierend sind jedoch die hohen Kosten und das – wenn auch geringe – Risiko einer nephrogenen Systemfibrose (beim Einsatz gadoliniumhaltiger Kontrastmittel). Daher wird stattdessen häufig eine CT-Peritoneografie durchgeführt. Mit dem statistisch iterativen Rekonstruktionsverfahren kann die Strahlendosis um bis zu 60 % reduziert werden. Zur Untersuchung von Leckagen kann auch die Szintigrafie eingesetzt werden.


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Kardiovaskuläres Risiko senken – von Anfang an

Wie wichtig eine hohe Qualität in der Dialyse ist, demonstrierte Prof. Dr. Rainer Büscher, Universitätsklinikum Essen, anhand der Daten der American Heart Association [ 14 ]: Pädiatrische Dialysepatienten haben demzufolge im Vergleich zu ihren Altersgenossen ein 500–1000-faches Mortalitätsrisiko und weisen bereits früh im CKD-Krankheitsverlauf ausgeprägte vaskuläre Schäden auf. Um die Pathogenese der kardiovaskulären Komorbidität besser verstehen zu können, wurde die 4C-Studie [ 15 ] initiiert – eine prospektive Observationsstudie, die 625 Kinder aus 14 europäischen Staaten einschließt.

Bereits jetzt gibt es Hinweise auf eine Assoziation zwischen Labor- und kardiovaskulären Parametern sowie der CKD-Progression, auch scheint die Erhebung zusätzlicher Biomarker vielversprechend, so Büscher. Die Studie ist essenziell, denn das wichtigste Kriterium zur Verbesserung der Qualität in der Dialyse ist nach wie vor die Senkung der hohen kardiovaskulären Mortalität der Patienten.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom „20. Essener Peritonealdialyse-Gespräch“, Universitätsklinikum Essen, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.


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