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DOI: 10.1055/s-0034-1373690
31. Deutscher Krebskongress – Aktuelle Entwicklungen und Diskussionen in der Uroonkologie
Publication History
Publication Date:
03 April 2014 (online)
- Behandlung von Hodentumoren im Stadium CS I
- Aktuelle Entwicklungen beim Prostatakarzinom
- Für und Wider des PSA-Screenings
Vom 19. – 22. Februar 2014 trafen sich rund 10 000 Experten in Berlin zum Deutschen Krebskongress, der in diesem Jahr unter dem Motto „Intelligente Konzepte in der Onkologie (iKon)“ stand. Ein wichtiges Thema waren dabei auch die urologischen Tumoren. Auf den folgenden Seiten geben wir Ihnen einen kleinen Einblick.
Behandlung von Hodentumoren im Stadium CS I
Über aktuelle Kontroversen bei der Therapie des Hodentumors diskutierten Mitglieder der Arbeitsgruppe Hodentumoren unter Vorsitz von Prof. Rainer Souchon, Tübingen, und Prof. Carsten Bokemeyer, Hamburg.
„60–80 % der Patienten werden heute im Stadium I diagnostiziert. Das heißt das Management dieser Patienten mit exzellenter Prognose hat große Relevanz für viele Patienten“, sagte Bokemeyer zu Beginn der Session. Derzeit erhielten in diesem Stadium 80–85 % der Patienten, die eine Bestrahlung oder Chemotherapie bekommen, unnötig eine Therapie. Die Minimierung der therapiebedingten Toxizität ist laut Bokemeyer eines der Hauptziele und auch die amerikanische Expertengruppe habe die Active Surveillance für alle Patienten mit Hodenkrebs im klinischen Stadium I gefordert.
Pro Active Surveillance
Für diese Forderung sprach sich auch Prof. Peter Albers, Düsseldorf, in seinem anschließenden Vortrag aus. Das stichhaltigste Argument ist dabei laut Albers das tumorbedingte Überleben von fast 100 % sowohl bei Seminomen als auch bei Nichtseminomen. Außerdem liegt die Rezidivrate bei Seminomen unter 20 % und somit nur 10–15 % höher als nach adjuvanter Therapie. „Da muss man sich wirklich fragen: Lohnt sich das Gift?“, so Albers. Die Rezidivrate bei Nichtseminomen unterscheidet sich bei Patienten ohne (niedriges Risiko: 30 %) und mit vaskulärer Invasion (hohes Risiko: 50 %). Die Hochrisikopatienten seien die einzigen, bei denen man über eine adjuvante Therapie nachdenken könne, sagte Albers. Insgesamt bliebe mit dieser Strategie etwa 80 % der Patienten eine Therapie und so auch deren Langzeittoxizität erspart.


Contra Active Surveillance
Prof. Klaus-Peter Dieckmann, Hamburg, führte im Anschluss einige Argumente gegen die Strategie „Active Surveillance für alle“ an. Seiner Meinung nach geht die Aktive Überwachung bei Seminomen und Nichtseminomen mit einer größeren Toxizität als die adjuvante Therapie einher. Ein Grund dafür sei u. a. die deutlich höhere Anzahl an CT-Untersuchungen, die bei diesen Patienten nötig ist. Als weiteren Punkt führte Dieckmann die mangelnde Erfahrung mit Hodentumoren und die Vereinzelung der Nachsorge in niedergelassenen Praxen in Deutschland an: „Jeder durchschnittliche Urologe sieht im Jahr 2–3 Fälle mit Hodenkrebs. Wie soll sich da Erfahrung aufbauen?“. Man müsse daher mit Fehlern rechnen, was mit einem unnötigen Risiko verbunden sei, so Dieckmann. Ein drittes Argument gegen die Aktive Überwachung sei die fehlende Compliance der Patienten.
„Wenn der Patient sich dieser Therapie entzieht, dann können wir wenig machen“, sagte Albers dazu in der anschließenden Diskussion. Allerdings war dies der einzige Punkt, in dem er Dieckmann zustimmte. Seine Begründung: „Wir gehen immer davon aus, dass wir die Patienten so behandeln, wie wir sie die letzten 30 Jahre behandelt haben.“ Zwei Dinge müssten aber seiner Meinung nach geändert werden: die Strahlentoxizität der CT und die Rezidivtherapie. „Es bleibt dann am Ende nur das Compliance-Argument.“
„Eigentlich haben beide Redner Recht“, sagte Frau Prof. Sabine Kliesch, Münster, in der Diskussion. Ihrer Meinung nach sollte daher vielmehr die individualisierte Therapie im frühen Stadium des Hodentumors in den Vordergrund gestellt werden.
Aktuelle Entwicklungen beim Prostatakarzinom
Alte und neue Marker
Die Plenarsitzung „Prostatakarzinom: Neue klinische Entwicklungen“ am Samstagvormittag eröffnete Prof. Thorsten Schlomm, Hamburg, und gab ein Update zu den diagnostischen und prognostischen Markern für das Prostatakarzinom. Der PSA-Wert ist laut Schlomm immer noch das Beste, was derzeit bei den diagnostischen Markern zur Verfügung steht. „Wir brauchen aber einen intelligenteren Umgang mit dem PSA“, betonte er. Als vielversprechenden neuen Ansatz sieht Schlomm die Kombination aus PCA3- und PMPRSS2:ERG-Test.
Bei den prognostischen Markern gebe es neben den etablierten, wie T-Stadium, PSA-Wert und Gleason-Score, einige neue Tests, die zurzeit in Studien validiert würden. Schlomm nannte dabei den Oncotype-DX-, Prolaris- und Decipher-Test. Alle diese Tests würden auf Genexpressionsanalysen beruhen und ließen sich an geringsten Gewebemengen sehr standardisiert und hoch reproduzierbar durchführen.
Trends in der Bildgebung
Prof. Gerald Antoch, Düsseldorf, berichtete im Anschluss über neue Entwicklungen in der Bildgebung. Bei der funktionellen Bildgebung werde deutschlandweit meist noch das Niedrigfeld-MRT mit 1,5 T verwendet, so Antoch. Da die Auflösung mit 3 T jedoch besser ist, empfiehlt er – wenn möglich – Höherfeld-MRTs zu verwenden. Außerdem sollten statt Endorektalspulen eher Oberflächenspulen eingesetzt werden. Auch die Spektroskopie sei eher auf dem absteigenden Ast – nationaler und internationaler Standard seien mittlerweile die Perfusion- und Diffusionsbildgebung.
Für die gezielte Biopsie stellte Antoch zwei Verfahren vor: die MRT-gesteuerte Biopsie und die MRT / US-Fusionbiopsie. Welches der beiden Verfahren genauer ist, ist derzeit noch nicht bekannt. „Ich könnte mir vorstellen, dass beide Verfahren gleich gut sind“, sagte Antoch. In diesem Fall wird sich seiner Meinung nach wahrscheinlich die Fusionsbiopsie langfristig durchsetzen, da die MRT-gesteuerte Biopsie sehr kostenintensiv ist.
Zuletzt ging Antoch noch auf die PET-Diagnostik ein und stellte das neue Radionuklid PSMA (prostate specific membrane antigen) vor, mit dem sich, verglichen mit Cholin, ein deutlich besserer Kontrast zwischen Tumor und Hintergrund erreichen lasse.
Fokale Therapie
„Ich erwarte, dass das einer der zukünftigen Renner wird – gerade im Spannungsfeld zwischen der radikalen Therapie auf der einen Seite und dem Aktiven Beobachten auf der anderen Seite“, sagte Prof. Martin Schostak, Magdeburg, in seinem Vortrag über fokale Therapieverfahren. Dabei gebe es eine ganze Reihe an Techniken, die in der Lage seien, eine fokale Therapie der Prostata durchzuführen. Als wichtigste nannte er den hochintensiven fokussierten Ultraschall (HIFU). Aber auch die Kryotherapie, Laserablation und Seed-Implantation seien weitere sehr wichtige Techniken. Leider würden bisher valide multizentrische und prospektive Studiendaten und Langzeitergebnisse fehlen. Es liefen aber derzeit weltweit 15 registrierte rekrutierende Studien, sagte Schostak und hob besonders die deutsche HEMIStudie (AUO AP68/11) hervor.
Perspektiven beim Niedrigrisko-Prostatakarzinom
„Auch Wikinger werden gelegentlich krank“ sagte Prof. Manfred Wirth zu Beginn seiner Keynote-Lecture „Perspektiven der Therapie des Low-Risk-Prostatakarzinoms“ und meinte damit Prof. Per- Anders Abrahamsson, Malmö / Schweden, in Vertretung dessen er die Vorlesung hielt.
Beim Niedrigrisiko-Prostatakarzinom sei die Lebenserwartung ein ganz entscheidender Faktor bei der Wahl der Therapie: „Lebt der Patient nur 10 Jahre, hat er noch kein hohes Risiko an dem Tumor zu versterben, lebt er 20 Jahre sieht es schon ganz anders aus“, sagte Wirth. Dabei spielen die Komorbiditäten eine entscheidende Rolle. Dies müsse man besonders bei der Aktiven Überwachung bedenken, die Wirth als gleichwertige Therapieform ansieht, über die die Patienten aber sehr genau aufgeklärt werden müssten.
Das Alter der Patienten ist auch bei der radikalen Prostatektomie nicht außer Acht zu lassen, da sich hier gezeigt habe, dass die funktionellen Ergebnisse der Operation im höheren Alter schlechter sind. „Je länger Sie warten, desto schlechter wird die Kontinenz und natürlich auch die Potenz“, sagte Wirth. Weiterhin entscheidend sei hierbei aber auch die Erfahrung des Operateurs. Die Technik – offen oder roboterassistiert – spiele dagegen wahrscheinlich keine große Rolle.
Wirth ging in seinem Vortrag auch auf die Perspektiven der fokalen Therapie und die Strahlentherapie ein und machte zudem noch einmal auf die PREFERE-Studie aufmerksam, in der die vier empfohlenen Therapien zu Behandlung des Prostatakarzinoms verglichen werden sollen: „Ich halte diese Studie für extrem wichtig, damit die Fragen, die ich hier zu beantworten hatte, vielleicht der Redner in 10 Jahren besser beantworten kann“.
Für und Wider des PSA-Screenings
Ein weiterer Programmpunkt der Plenarsitzung „Urologische Tumoren“ war die Diskussion zum PSA-Test unter Vorsitz von Prof. Jürgen Gschwend, München, und Prof. Carsten Bokemeyer, Hamburg. Für den PSA-Test sprach sich Prof. Michael Stöckle, Homburg / Saar, in seinem Vortrag aus, Prof. Peter Albers, Düsseldorf, dagegen.


Pro PSA-Test
Zu Beginn seines Vortrags ging Stöckle noch einmal auf die amerikanische (PLCO) und die europäische (ERSPC) PSA-Screening-Studie, die Berichterstattung in den Publikumsmedien und die methodischen Probleme der beiden Studien ein. Dazu gehört, dass den Männern in beiden Studien lediglich eine Empfehlung für oder gegen den PSA-Test gegeben wurde, sie sich aber trotzdem frei entscheiden konnten. Ein weiteres Problem war laut Stöckle, dass in die Studien 55–70-jährige Männer einbezogen wurden und so viele der entdeckten Tumoren schon zum Zeitpunkt der Erstentdeckung inkurabel waren. Außerdem seien mit Nachbeobachtungszeiten von 7 bzw. 9 Jahren extrem präliminäre Daten veröffentlicht worden.
Mittlerweile seien aber von einer Subgruppe der europäischen Screening-Studie in der sog. Göteborg-Studie 13-Jahres-Ergebnisse veröffentlicht worden, sagte Stöckle. „Da zeigt sich, dass nach 10 Jahren die Schere auseinander geht.“ Denn zu diesem Zeitpunkt sei schon ein 50 %iger Unterschied in der tumorspezifischen Sterblichkeit zu sehen. In dieser Serie habe man sich außerdem die Patienten näher angesehen, die sich wenigstens schon vor dem 60. Lebensjahr testen lassen haben. Hier seien in der Screening-Gruppe nur noch 8 tumorbedingte Todesfälle aufgetreten im Vergleich zur Kontrollgruppe, in der es 43 waren. „Das sind kleine Zahlen, die aber Hoffnung machen, dass man mit dem PSA-gestützten Screening die Sterblichkeit sogar um weit mehr als 50 % senken kann“, sagte Stöckle.
Weitere interessante Daten zur ERSPC-Studie kommen von einer Subgruppe aus Holland. In dieser Studie sei das tumorspezifische Überleben von Patienten, die sich protokollgerecht verhalten haben, untersucht worden und es habe sich nach 13 Jahren ein Unterschied von 51 % ergeben, berichtete Stöckle. „Das heißt wir empfehlen zurzeit mit Nachdruck den Frauen eine strahlenbelastende Untersuchung wie die Mammografie und warnen die Männer vor einer vergleichsweise harmlosen Blutabnahme, obwohl die Effektivität in der Absenkung der Tumorsterblichkeit wahrscheinlich beim PSA größer ist.“
Zum Abschluss seines Vortrags sagte Stöckle, dass die Zeit vielleicht noch nicht reif sei für ein generelles PSA-Screening, da die Ergebnisse der ERSPC-Studie noch zu präliminär seien. „Aber die Zeit ist gewiss reif, einem adäquat aufgeklärten und früherkennungswilligen Mann, der sich in Kenntnis sämtlicher bekannter Vor- und Nachteile für den Test entscheidet, diesen auch zu erstatten.“
Contra PSA-Test
Der Meinung, dass ein generelles PSAScreening nicht empfohlen werden kann, ist auch Prof. Peter Albers. Allerdings fiel es ihm – wie er selbst anmerkte – schwer, den Contra-Standpunkt vehement zu vertreten. „Contra PSA ist genauso kategorisch falsch wie pro PSA für alle“, sagte Albers. „Es ist wichtig, dass wir über das aufklären, was wir wissen, und nicht über das, was wir glauben“, fügte er hinzu. Das Hauptargument ist laut Albers nach wie vor die Überdiagnostik, da der Großteil dieser Patienten dann eine sehr aggressive Therapie bekommt. In Deutschland sei es aber leider Realität, dass Patienten nicht über andere Optionen aufgeklärt würden, der ökonomische Druck für eine aktive Therapie sehr hoch und die generelle Bevölkerung uninformiert sei.
Neueste Studienergebnisse würden nun belegen, dass unnötige Prostatakarzinom-Diagnosen vor allem bei Patienten in der Altersgruppe > 60 auftreten. Dies sei dadurch erklärbar, dass der PSA-Wert in dieser Patientengruppe häufig durch die benigne Prostatahyperplasie in die Höhe getrieben werde. Bei Patienten < 60 dagegen sei ein hoher PSA-Wert meist tatsächlich Krebs anzeigend. Das PSA-Screening müsse deshalb laut Albers zwischen 60 und 70 aufhören und nicht beginnen, wie es im Moment noch der Fall sei.
Wann sollte es aber beginnen? Diese Frage soll mithilfe der PROBASE-Studie beantwortet werden, die gerade gestartet ist und an vier Studienzentren in Hannover, München, Heidelberg und Düsseldorf durchgeführt wird, erläuterte Albers. Beide Gruppen (erster PSA-Test mit 45 bzw. mit 50) würden in dieser Studie ein risikoadaptiertes Screening erhalten. 90 % der Patienten werden laut Albers einen Basis-PSA-Wert von < 1,5 haben und damit in der Niedrigrisiko-Gruppe sein, 10 % der Patienten aber werden mit einem Basis-PSA von > 1,6 ein hohes Risiko haben. Bei diesen Patienten sollen im Abstand von zwei Jahren weitere PSA-Tests durchgeführt werden. Bei Patienten mit einem PSA-Wert > 3 sei eine Diagnostik erforderlich.
„Ich glaube vieles lässt sich jetzt schon in die Praxis umsetzen“, sagte Albers am Ende seines Vortrags. Dazu gehöre, dass bei Patienten > 70 generell und bei Patienten > 60 mit einem PSA < 1 kein Screening durchgeführt werden sollte. „Der Baseline-Wert ist definitiv prädiktiv“, betonte Albers. Liege dieser < 0,5, sollte der nächste Wert frühestens nach 5 Jahren bestimmt werden. Damit werde das Screening auf 2–3 Blutentnahmen zwischen 50 und 60 reduziert, um sicher zu sein, ob sich ab 60 ein Prostatakarzinom entwickelt.
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