RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0034-1373685
Harnleiterverletzung – Visualisierung der Ureteren in der Abdominalchirurgie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
03. April 2014 (online)
Die iatrogene Harnleiterverletzung ist eine schwerwiegende Komplikation im Rahmen
abdomineller Eingriffe. Insbesondere bei Beckentumoren oder z.N. Radiatio ist die
Identifizierung der Harnleiter oft schwierig. Die präoperative Einlage von Double-
J-Stents ist zwar hilfreich, aber invasiv und u. U. mit Komplikationen behaftet. Eine
alternative Möglichkeit der Harnleitervisualisierung stellen Floris Verbeek und Kollegen
vor.
J Urol 2013; 190: 574–579
mit Kommentar
Mittels Nahinfrarot-Fluoreszenzbildgebung können nach Gabe von Methylenblau intraoperativ die Ureteren in Echtzeit deutlich dargestellt werden, wie sich in der Machbarkeitsstudie der niederländischen Arbeitsgruppe zeigte. Zwölf Patienten im mittleren Alter von 48 Jahren mit einem mittleren BMI von 23 kg / m2 wurden in die Studie einbezogen. Die durchgeführten Operationen waren radikale Hysterektomie (n = 4) oder Trachelektomie (n = 4), jeweils mit Lymphadenektomie, Zystektomie und Harnableitung (n = 3) und eine Debulking-Operation bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom (n = 1). Nach Standard-Laparotomie wurden zunächst die Ureteren aufgesucht und freipräpariert. Danach wurde das Mini-FLARE™-System (FLARE: Fluorescence-Assisted Resection and Exploration) mit der Strahlenquelle (700 nm) über dem Operationsfeld positioniert, und die Patienten erhielten über einen peripheren Zugang über 5 min Methylenblau intravenös. Aufnahmen und Darstellung des fusionierten Bildes aus fluoreszierenden Strukturen und Operationssitus auf einem Monitor erfolgten 0 bis 5, 15, 25, 35, 45 und 60 min nach der Injektion. Drei verschiedene Dosen (0,25, 0,5 oder 1,0 mg / kg Körpergewicht) wurden untersucht.
Alle Ureteren konnten innerhalb von 10 min nach Gabe von Methylenblau, das über die Nieren ausgeschieden wird, problemlos visualisiert werden, und das Signal war bis zu 60 min nach der Gabe nachweisbar. Bei Beurteilung des Signal-Rausch-Verhältnisses gab es dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen den 3 verschiedenen Dosierungen – schon 0,25 mg / kg Methylenblau waren für eine gute Darstellung der Harnleiter ausreichend. Unerwünschte Wirkungen aufgrund des Farbstoffs wurden nicht beobachtet.
Die Autoren schlussfolgern, dass die Technik der Nahinfrarot-Fluoreszenzbildgebung erfolgreich zur intraoperativen Darstellung der Ureteren verwendet werden kann. Dabei genügt schon eine geringe Dosierung des als Fluoreszenzfarbstoff verwendeten Methylenblaus, um eine optimale Visualisierung zu erreichen. Auf diese Weise lassen sich Komplikationen im Zusammenhang mit einer Verletzung der Ureteren vermeiden und die Operationszeit kann durch das leichtere Auffinden der Harnleiter verkürzt werden. Die Methode könnte sich auch bei laparoskopischen Eingriffen als hilfreich erweisen, bei denen das Retroperitoneum nicht direkt palpiert werden kann. Allerdings kann Methylenblau nur bei Patienten mit ausreichender Nierenfunktion eingesetzt werden, weitere Fluoreszenz-Kontrastmittel werden derzeit entwickelt.
Innovatives Verfahren
Die Identifikation der Ureteren während Bauch- und Beckenoperationen ist ein wichtiger intraoperativer Schritt um iatrogene Harnleiterverletzungen zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen – v. a. vor dem Hintergrund, dass Harnleiterverletzungen einer erhöhten Morbidität u. a. durch genitoureterale Fisteln, Nierenfunktionseinschränkungen und Infektionen unterliegen.
Die Studiengruppe um Floris Verbeek identifiziert die Ureteren von 12 Patienten intraoperativ mittels Gabe einer Niedrigdosis Methylenblau und Detektion des Signals mithilfe eines Mini-FLARE-Imaging-Systems. Bereits an Tiermodellen wurde die Möglichkeit getestet und nun in dieser Studie erstmalig auf den Menschen übertragen. Neben der Darstellung des Harnleiters spielte die angemessene Dosierung des Methylenblaus eine zentrale Rolle.
Vorteil: geringe Invasivität
Die Einlage von DJ-Stents ist ein bekanntes und viel beschriebenes Verfahren, um die Ureteren intraoperativ zu identifizieren und Ureterverletzungen vorzubeugen. Vor allem bei offenen Operationen spielt das Erkennen des Harnleiters durch Tasten eine große Rolle. Mittels leuchtenden Harnleiterschienen kann die Identifikation bei minimalinvasiven Operationen gewährleistet werden. Nachteil des Verfahrens ist natürlich die Invasivität der DJStent-Implantation, die mit einem erhöhten Risiko für Infektionen, Harnleiterverletzungen und nicht zuletzt Hämaturie einhergehen kann [ 1 ], [ 2 ]. Die fehlende Invasivität von Verbeeks Verfahren ist ein enormer Vorteil gegenüber der präoperativen DJ-Stent-Einlage. Höchstwahrscheinlich weist diese fluoreszenzgestützte Harnleiterdarstellung auch bei minimalinvasiven Eingriffen aufgrund der dort vorliegenden fehlenden taktilen Identifikationsmöglichkeiten Vorteile auf, bislang wurde dies jedoch noch nicht klinisch eruiert.
Die Studiengruppe um Berland publizierte 2007 in einem kleinen Patientenkollektiv von 10 Patienten die Darstellbarkeit der Harnleiter mittels intraoperativer Markierung durch ein Radiopharmazeutikum. In diesem Studienkollektiv wurden die Untersuchungen nur bei offenen Eingriffen durchgeführt, jedoch propagieren die Autoren eine mögliche Übertragung auf minimalinvasive Eingriffe [ 3 ].
Vanbeek et al. zeigen mit ihrer Studie ein innovatives Verfahren, welches in der Zukunft sicher noch eine große Rolle spielen wird. Das Erkennen der markierten Harnleiter v. a. bei minimalinvasiven Operationen sollte in der klinischen Anwendung weiter untersucht werden und könnte eine einfache, weniger invasive Alternative zur DJ-Stent-Implantation darstellen. Nachteil des Verfahrens ist, dass ein Einsatz bisher nur bei Patienten ohne Nierenfunktionseinschränkung möglich ist und dass es keine taktile Erkennung von Harnleitern, wie nach DJ-Stent-Einlagen, bei offenen Operationen ermöglicht. Vorteil ist neben der geringeren Invasivität sicherlich die schnelle Verfügbarkeit. Zeigen sich intraoperativ nicht erwartete Schwierigkeiten bei der Identifikation des Harnleiters, könnte so in Zukunft eine einfache und kurzfristige intraoperative Markierung möglich sein.
Dr. Simone Bier, Prof. Dr. Christian Schwentner, Tübingen
-
Literatur
- 1 Chahin F et al. JSLS 2002; 6: 49-52
- 2 Anita J et al. Archives of Gynecology and Obstetrics 2013; 288: 1061-1066
- 3 Berland TL et al. J Am Coll Surg 2007; 205: 608-611
-
Literatur
- 1 Chahin F et al. JSLS 2002; 6: 49-52
- 2 Anita J et al. Archives of Gynecology and Obstetrics 2013; 288: 1061-1066
- 3 Berland TL et al. J Am Coll Surg 2007; 205: 608-611



