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DOI: 10.1055/s-0034-1373682
Prostatakarzinom – Aussagekraft der MRT
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
03. April 2014 (online)
Die immer häufiger durchgeführte Bestimmung des PSA-Wertes hat dazu geführt, dass
vermehrt die Verdachtsdiagnose Prostatakarzinom gestellt wird. Dabei werden Tumoren
in Frühstadien entdeckt, bei denen sich die Frage stellt, wie aggressiv sie behandelt
werden müssen. Bislang beruht diese Entscheidung v. a. auf klinischen Daten und den
Ergebnissen der Prostatabiopsie. Möglicherweise kann aber auch die Bildgebung beitragen:
Michael Borofsky und seine Gruppe haben die MRT daraufhin untersucht.
Urology 2013; 81: 1279–1283
mit Kommentar
Der starke Verdacht auf ein Prostatakarzinom gemäß MRT-Befund ist mit ungünstigeren pathologischen Tumorparametern verbunden. Dieses Ergebnis haben die Wissenschaftler der New York University erhalten, die retrospektiv die Daten von insgesamt 154 Patienten mit Prostatakarzinom ausgewertet haben. Bei den Männern war zwischen August 2007 und September 2009 eine radikale Prostatektomie durchgeführt worden. Zuvor war bei allen eine MRT im 1,5-T-Gerät erfolgt, sowohl mit konventionellen, T2-gewichteten als auch mit funktionellen, diffusionsgewichteten Aufnahmen (DWI). Beurteilt wurde nun der Zusammenhang zwischen den Diagnosen, die ein im Hinblick auf den pathologischen Befund verblindeter Radiologe anhand der MRTAufnahmen gestellt hatte, und den endgültigen pathohistologischen Beurteilungen.
Die radiologischen Befunde wurden in 3 Gruppen eingeteilt:
-
kein Tumorverdacht (n = 15)
-
nicht eindeutiger Befund im Hinblick auf einen Tumor (n = 60)
-
starker Tumorverdacht (n = 79)
Als ungünstige pathologische Befunde wurden gewertet:
-
Gleason-Grad ≥ 4
-
pathologisches Stadium ≥ T3
-
„Upgrading“ des Tumors im Gleason-Score gegenüber der vorläufigen Beurteilung laut Biopsie
Höherer Gleason-Grad in Gruppe mit starkem Tumorverdacht
Zunächst wurden die beiden Gruppen „kein Tumorverdacht“ und „nicht eindeutiger Befund“ zusammengefasst und der Gruppe mit starkem Tumorverdacht gegenübergestellt. Die Auswertung zeigte bei starkem Verdacht deutlich mehr Tumoren mit ungünstigem Gleason-Grad (39,2 % vs. 6,7 %) und mit fortgeschrittenerem pT-Stadium (48,1 % vs. 24 %; jeweils p < 0,05). Auch ein „Upgrading“ war in dieser Gruppe häufiger notwendig, aber nicht statistisch signifikant unterschiedlich (30,4 % vs. 17,3 %).
Die multivariate Analyse ergab ein mehr als 6-mal so hohes Risiko für einen Gleason-Grad von 4 oder höher, wenn gemäß MRT ein starker Tumorverdacht geäußert worden war (Odds Ratio [OR] 6,1), das Risiko für ein „Upgrading“ lag mehr als doppelt so hoch (OR 2,47). Das pT-Stadium war nicht unabhängig mit dem MRT-Befund verknüpft.
Eine Subgruppenanalyse untersuchte nur die 55 Patienten, bei denen nach derzeitigen Standards zunächst die Strategie einer engmaschigen Überwachung möglich gewesen wäre. Dafür wurden nun die Gruppen „kein Tumorverdacht“ einerseits und „nicht eindeutiger Befund“ und „starker Tumorverdacht“ andererseits verglichen. Dabei zeigten sich in der Gruppe ohne Tumorverdacht signifikant niedrigere PSAKonzentrationen und deutlich weniger Patienten mit ungünstigeren pathologischen Befunden: Nur einer von 13 Patienten in der Gruppe ohne Tumorverdacht wies einen pT3-Tumor auf, und keiner einen Gleason-Score von 7 oder mehr. In der Vergleichsgruppe waren es dagegen 20 von 42 Männern: 12 Patienten mit Gleason-Score mind. 7, 5 Patienten mit Stadium mind. pT3 und 5 Patienten mit beiden Parametern.
MRT-Befunde können wesentlich zur Einschätzung eines Prostatakarzinoms beitragen, wenn anatomische und funktionelle Sequenzen herangezogen werden, meinen die Autoren. Darüber hinaus könnte die MRT auch einen Beitrag leisten, wenn es um die Abwägung einer engmaschigen Überwachung oder einer sofortigen Therapie geht, das müssten prospektiv angelegte Studien mit größeren Patientenzahlen herausfinden. Dabei sollte auch der Einsatz von MRT-Kontrastmitteln untersucht werden, ebenso der Beitrag von 3-T-Geräten zu einer möglicherweise noch besseren Befundung.
In geübter Hand ein vielversprechendes Instrument
Die Bildgebung beim Prostatakarzinom ist Gegenstand intensiver Forschungsarbeit. Obgleich durch die Bestimmung des PSAWertes, dem bioptischen Gleason-Score und der digital rektalen Untersuchung eine weitgehend realistische Risikostratifizierung der Patienten mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom häufig gelingt, kommt es doch bei einem substanziellen Patientenanteil zu einer Fehleinschätzung des Risikoprofils [ 1 ]. Dies kann bspw. in einer suboptimalen Behandlungsstrategie resultieren. Entsprechend verlockend ist die Vorstellung, dass durch den Einsatz bildgebender Verfahren eine noch genauere Risikostratifizierung gelingt.
In der vorgestellten Studie wurde die Fähigkeit das MRT zur Vorhersage prognostisch ungünstiger histopathologischer Parameter evaluiert. Im Wesentlichen sind 2 Punkte dieser Arbeit besonders interessant:
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Starker Tumorverdacht im MRT war statistisch signifikant mit einer deutlich erhöhten Rate an histopathologisch ungünstigen Charakteristika, wie einem dominierenden Gleason-4-Tumor im Prostatektomie-Präparat und / oder einem Gleason-Upstaging assoziiert. Obgleich die Rate an ≥pT3 sich nicht statistisch signifikant zwischen den Gruppen unterschied, sind die prozentualen Unterschiede doch bemerkenswert (6,7 % bei Patienten ohne Tumorverdacht im MRT, 28,3 % bei nicht eindeutigen Befund und 48,1 % bei starken Tumorverdacht), und es ist anzunehmen, dass bei einer höheren Fallzahl dieser Unterschied Signifikanzniveau erreichen würde.
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Bei Patienten, die aufgrund der klinischen Befunde Kandidaten für eine aktive Überwachung (AS) sind, wurde bei keinem der Patienten, die ein unauffälliges MRT zeigten, ein Gleason-Score ≥ 7 im Prostatektomie-Präparat nachgewiesen, und lediglich bei 7,7 % zeigte sich ein Tumorstadium ≥pT3. Hingegen zeigte sich bei 40 % der Patienten mit einem nicht eindeutigen oder stark suspekten MRT ein Gleason-Score ≥ 7 und bei 19 % ein Tumorstadium ≥pT3.
Beide Punkte zeigen, dass durch ein additives MRT teilweise eine bessere Risikostratifizierung erreicht wird, als wenn lediglich der PSA-Wert, der bioptische Gleason- Score und der Befund der digital rektalen Untersuchung erhoben würde. Bei der Interpretation der vorgestellten Studie sollte allerdings Folgendes berücksichtigt werden: Eine leider deutliche Limitation der Studie ist die nicht eindeutig nachvollziehbare Risikostratifizierung, welche durch den Radiologen vorgenommen wurde. Es existieren internationale Empfehlungen zur Befundung von MRT-Aufnahmen der Prostata. Beispielsweise wurde 2012 von der European Society of Urogenital Radiology (ESUR) die sog. PI-RADS-Klassifizierung zur Befundung von multiparametrischen MRTs der Prostata vorgenommen [ 2 ]. Anhand solcher strukturierten Befundungsschemata für die MRT der Prostata können Befunde transparent und reproduzierbar erhoben werden. In der hiesigen Arbeit wurde sich keiner solcher Klassifizierungssysteme bedient, sondern der Radiologe entschied subjektiv, ob ein MRT entweder nicht tumorverdächtig, nicht eindeutig tumorverdächtig oder stark tumorverdächtig ist. Leider ist die MRT-Bewertung des Radiologen für den Leser nicht weiter nachvollziehbar, was die Generalisierbarkeit der Arbeit infrage stellt. Weiterhin sollte erwähnt werden, dass die MRTs sämtlich von einem Radiologen ausgewertet wurden, der über eine hohe Expertise in der Befundung von MRTs der Prostata verfügt. Der klinische Alltag sowie publizierte Daten zeigen immer wieder, dass nicht nur bei der operativen Versorgung des Prostatakarzinoms die Erfahrung des Operateurs eine entscheidende Rolle spielt, sondern dass auch bei der Bewertung von radiologischen Befunden die Expertise des Radiologen einen entscheidenden Einfluss auf die Validität der Befundung hat [ 3 ]. Entsprechend ist anzuraten, dass therapeutisch signifikante Entscheidungen lediglich dann durch ein MRT mit beeinflusst werden, wenn ein entsprechend qualifizierter Radiologe dieses befundet hat.
Zusammenfassend demonstriert die vorgestellte Studie, dass die MRT eindeutig das Potenzial besitzt, Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms substanziell zu beeinflussen. Jedoch ist die MRT noch weit davon entfernt eine so exakte Darstellung der Prostata zu erlauben, dass auf die übliche weitere Diagnostik beim Prostatakarzinom (PSA, Prostatabiopsie etc.) gar verzichtet werden kann. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass knapp 10 % der MRTs gar nicht suspekt waren und sogar 39 % keinen eindeutigen Befund ergaben, obgleich alle Patienten ein stanzbioptisch gesichertes Prostatakarzinom hatten. Die rasante Weiterentwicklung und Optimierung der bildgebenden Verfahren nebst Expertenempfehlungen zur Interpretation der Befunde lassen es jedoch sehr wahrscheinlich erscheinen, dass der Stellenwert der Bildgebung beim Prostatakarzinom in den nächsten Jahren noch deutlich weiter steigen wird.
PD Dr. Hendrik Isbarn, Hamburg
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Literatur
- 1 Vellekoop A et al. Am J Transplantation 2014; 191: 350-357
- 2 Barentsz JO et al. Eur Radiol 2012; 22: 746-757
- 3 Ruprecht O et al. Eur J Radiol 2012; 81: 456-460
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Literatur
- 1 Vellekoop A et al. Am J Transplantation 2014; 191: 350-357
- 2 Barentsz JO et al. Eur Radiol 2012; 22: 746-757
- 3 Ruprecht O et al. Eur J Radiol 2012; 81: 456-460

