Aktuelle Urol 2014; 45(02): 89-90
DOI: 10.1055/s-0034-1373681
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierentransplantation – Verhindert Kohlenmonoxid den Zelltod?

Contributor(s):
Elke Ruchalla

J Urol 2013;
190: 772-778
Further Information

Publication History

Publication Date:
03 April 2014 (online)

 

Bei der Organtransplantation kommt es häufig zu Reperfusionsschäden, wenn das Organ nach kalter Ischämie wieder für die Durchblutung freigegeben wird. Es gibt eine Reihe von Substanzen, die diese Schäden vermindern sollen, aber das optimale Mittel existiert bislang nicht. Aktuelle Arbeiten untersuchen die Funktion von CO-freisetzenden Molekülen, und eine Gruppe aus Kanada stellt dazu jetzt neue Daten vor.
J Urol 2013; 190: 772–778

mit Kommentar

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CORM-3 stabilisiert die Mitochondrienmembran und verhindert so eine Apoptose. (Bild: zna)

Der Zusatz von CO-freisetzendem Molekül 3 (CO-releasing molecule 3, CORM-3) zur standardmäßig verwendeten University- of-Wisconsin-Lösung (UW-Lösung) kann die Zellschäden nach Transplantation sowohl in vitro als auch in vivo vermindern. Zu diesem Ergebnis kommen die Wissenschaftler um Alp Sener, die in vitro menschliche Nabelschnurendothelzellen und Tubulusepithelzellen unter 4 Bedingungen untersuchten:

  • Kontrollen (bei 37 °C)

  • Kälteschädigung bei 4 °C

  • Kälteschädigung plus CORM-3

  • Ausscheidungsurogramm

  • Magnetresonanztomografie

  • Kälteschädigung plus inaktiviertes CORM-3

Weiterhin wurden im Rattenmodell Nierentransplantationen durchgeführt, bei denen die Organe zunächst unter 4 verschiedenen Bedingungen (jeweils unter Kälte) konserviert worden waren:

  • Kontrollen (Standard-UW-Lösung)

  • Standard-UW-Lösung plus CORM-3-Perfusion (Frühperfusion)

  • Standard-UW-Lösung, CORM-3-Perfusion erst vor Replantation (Spätperfusion)

  • Standard-UW-Lösung plus CORM-3-Perfusion plus zusätzliche zweite Perfusion unmittelbar vor Replantation

Beurteilt wurden im In-vitro-Modell der Anteil lebender Zellen, die Expression des Apoptose-regulierenden Blc-2-Gens und das Potenzial über der Mitochondrienmembran. Bei den transplantierten Ratten werteten die Forscher das Überleben der Tiere sowie die Organfunktion nach der Transplantation aus (anhand der Serumkreatininkonzentration), zusätzlich die Histologie des Nierengewebes.

Erhöhtes Zellüberleben durch CORM-3

Es zeigte sich in den Zellkulturen ein deutlich erhöhter Anteil lebender Nabelschnurendothelzellen nach CORM-3-Supplementation gegenüber den kältegeschädigten Zellen (72,3 % vs. 4,5 %). Das inaktivierte Molekül dagegen führte zu keinem entsprechenden Schutzeffekt. Im Einklang damit stand eine Hochregulation der Bcl-2-Gen- Expression um mehr als das 7-Fache.

Ähnlich sah das Muster bei den Tubulusepithelzellen aus. Das Mitochondrien-Transmembranpotenzial nahm durch den Kälteschaden im Vergleich zu den Kontrollen ab, und dies wurde durch den CORM-3-Zusatz verhindert. Inaktiviertes CORM-3 zeigte auch hier keine Wirkung.

Bei den Ratten fand sich ebenfalls eine Protektion durch die CORM-3-Zugabe, mit geringeren Kreatininkonzentrationen und längeren Überlebenszeiten gegenüber den Kontrolltieren. Dabei waren die Daten am besten, wenn eine 2-malige Perfusion durchgeführt worden war. Zusätzlich zeigte die frühe Perfusion günstigere Effekte als die späte Perfusion. Die histologische Beurteilung bestätigte die physiologischen Befunde: CORM-3 verminderte die Entzündungszeichen in der transplantierten Niere, mit geringerer Lymphozytenund Neutrophileninfiltration und weniger glomerulären und tubulären Nekrosen.

Fazit

CO-freisetzende Moleküle können möglicherweise die Schäden in zu transplantierenden Nieren vermindern und das Transplantatüberleben verbessern, folgern die Autoren. Dafür ausschlaggebend scheint der antiapoptotische Effekt von CO zu sein, der wiederum über die Stabilisierung der Mitochondrienmembran vermittelt wird.


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Kommentar

Vielversprechende Ergebnisse

Das Langzeitüberleben von Nierentransplantaten hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, wobei dies v. a. auf eine Verbesserung des 1-Jahres-Überlebens infolge der reduzierten Zahl akuter Abstoßungen bei verbesserter Immunsuppression zurückzuführen ist. Die langfristige Verlustrate an Nierentransplantaten hat sich allerdings kaum verändert. Der Verlust durch ein chronisches Transplantatversagen bzw. den Tod der Patienten mit funktionierendem Transplantat stehen hierbei im Vordergrund. Das chronische Transplantatversagen ist durch eine zunehmende Fibrose und Tubulusatrophie gekennzeichnet. Diese pathophysiologischen Vorgänge werden durch akute und chronische Abstoßungsreaktionen begünstigt. Aber auch nicht alloantigenabhängige Faktoren wie der Ischämie- / Reperfusionsschaden im Rahmen der Transplantation spielen eine wesentliche Rolle.

An dieser Stelle setzt die Untersuchung von Sener et al. an, die den Einfluss eines CO-freisetzenden Moleküls (CORM-3) auf den programmierten Zelltod in Nierentransplantaten untersucht. Ziel der Untersuchung ist es, durch eine Freisetzung von Kohlenmonoxid im Transplantat die Expression sog. protektiver Faktoren, die den programmierten Zelltod (Apoptose) verhindern, zu stimulieren. Dadurch soll der initiale Schaden des Transplantats infolge der Ischämie / Reperfusion vermindert und so langfristig Entzündungs- und Fibroseprozesse reduziert werden, sodass dann ein längeres Transplantatüberleben resultiert.

Die In-vitro-Untersuchungen der Autoren zeigen, dass die Behandlung von HUVECs während einer Inkubation bei niedriger Temperatur mit CORM-3 zu einer signifikanten Reduktion apoptotischer Zellen führt. In diese Richtung weisen auch die Ergebnisse der In-vivo-Untersuchungen an einem syngenen Rattentransplantationsmodell hin, die in der Gruppe mit einer Perfusion des Transplantats mit UWLösung in Kombination mit CORM-3 ein signifikant besseres Überleben und bessere Nierentransplantatfunktion zeigten als bei den Kontrollen.

Dies sind interessante und vielversprechende Ergebnisse, da auf diese Weise ein zusätzlicher Schutz des Transplantats zumindest in dem gewählten experimentellen Aufbau erreicht werden kann.

Weitere Untersuchungen notwendig

In der letzten Zeit wurde erkannt, dass neben der Apoptose, die lange als einzige Möglichkeit eines programmierten Zelltods angesehen wurde, auch der zufällig und unprogrammiert ablaufenden Nekrose ein genetisches Programm zugrunde liegen kann [ 1 ]. Dieser, als Nekroptose bezeichnete Prozess, kann wie die Apoptose zu einem Verlust von Zellen im Organ aber auch zu einer Stimulation von Entzündungs- und Alloantigenreaktionen durch Sekretion bestimmter Moleküle führen, die sowohl das adaptive als auch das angeborene Immunsystem stimulieren können, und auf diese Weise die Transplantatfunktion nach Ischämie / Reperfusion einschränken. Die zugrunde liegenden Mechanismen der beobachteten positiven Effekte sollten in Zukunft auch vor diesem Hintergrund weiter untersucht werden.

Weitere Untersuchungen sollten auch zeigen, dass diese positiven Effekte auch in einem Allotransplantationsmodell vorhanden sind. Zurzeit fehlen diese Daten noch. Am Ende steht natürlich die Frage, wie sich dieses Konzept in einem klinischen Kontext beim Menschen bewährt. Gerade vor diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, welche Auswirkungen die Perfusion der Spenderorgane mit CORM-3 auf den Spender nach entsprechender Reperfusion haben. Gibt es hier unerwünschte Wirkungen im Spenderorganismus zu beachten?

Es sollte auch geklärt werden, aus welchem Grund die Transplantate nicht dauerhaft während der gesamten kalten Ischämiezeit mit CORM-3 perfundiert werden können, sondern eine frühe / späte Perfusion mit dieser Substanz notwendig ist, besonders wenn die besten Ergebnisse hinsichtlich einer Organprotektion bei der Kombination aus früher und später Perfusion vorhanden sind.

Zusammenfassend sind die Ergebnisse der Untersuchung vielversprechend. Allerdings müssen in Zukunft weitere Untersuchungen die Mechanismen aufklären, sowie die Möglichkeit analysieren, die Methode auch im Allotransplantationsmodell und damit potenziell auch beim Menschen einzusetzen.

Prof. Dr. Jens Lutz, Mainz


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Prof. Dr. Jens Lutz


ist Leiter des Schwerpunkts Nephrologie an der I. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz

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  • Literatur

  • 1 Linkermann A et al. Am J Transplantation 2013; 13: 2797-2804

  • Literatur

  • 1 Linkermann A et al. Am J Transplantation 2013; 13: 2797-2804

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CORM-3 stabilisiert die Mitochondrienmembran und verhindert so eine Apoptose. (Bild: zna)