Z Orthop Unfall 2014; 152(01): 10
DOI: 10.1055/s-0034-1371428
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lumbale Spinalkanalstenose – Spacer als Konkurrenz zur mikrochirurgischen Dekompression?

Contributor(s):
Dorothea Daentzer
Beyer F et al.
Percutaneous interspinous spacer versus open decompression: a 2-year follow-up of clinical outcome and quality of life.

Eur Spine J 2013;
22: 2015-2021
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Publication History

Publication Date:
27 February 2014 (online)

 

Als Standardbehandlung der lumbalen Spinalkanalstenose gilt die offene Entlastungsoperation der neuralen Strukturen. Beyer et al. analysierten die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit mikrochirurgischer Dekompression im Vergleich zum alleinigen perkutan eingebrachten interspinösen Spacer.
Beyer F et al. Percutaneous interspinous spacer versus open decompression: a 2-year follow-up of clinical outcome and quality of life. Eur Spine J 2013; 22: 2015–2021

Einleitung

Während bei milden Symptomen der lumbalen Spinalkanalstenose noch konservative Behandlungsoptionen empfohlen werden können, sind bei stärkeren oder progredienten Beschwerden chirurgische Verfahren indiziert. Hier gilt als Standardoperation die in der Regel mikrochirurgisch durchgeführte offene Dekompression mit Entlastung der stenotischen Segmente. Alternativ werden entweder alleinige oder zusätzliche Implantate eingesetzt, die zwischen die Dornfortsätze geklemmt werden (interspinöse Spacer). Diese Platzhalter behindern die Retroflexion und erweitern den Spinalkanal und die Neuroforamina. Eine Evidenz für ihren Nutzen gibt es bisher jedoch nicht.

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Die seitliche lumbale Myelographie hilft bei der Diagnose der Spinalkanalstenose und macht die sanduhrförmige Einengung deutlich. (Bild: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011)

Die Intention dieser prospektiven klinischen Studie war es, die beiden Verfahren -mikrochirurgische Dekompression versus alleiniger interspinöser Spacer- hinsichtlich ihrer klinischen Ergebnisse zu untersuchen.


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Methodik

Im Rahmen einer prospektiven, nicht randomisierten Beobachtungsstudie wurden 45 Patienten mit einer Claudicatio–spinalis–Symptomatik bei lumbaler Spinalkanalstenose eingeschlossen. 12 Patienten erhielten ausschließlich einen interspinösen Spacer (Aperius, Medtronic, Schweiz). Bei 33 Personen erfolgte eine mikrochirurgische bilaterale Dekompression. Das klinische Outcome wurde präoperativ sowie nach 3, 6, 9, 12 und 24 Monaten anhand diverser Parameter analysiert (Core Outcome Measures Index, COMI; Short- Form 36, SF-36; Oswestry Disability Index, ODI; Visuelle Analog Skala für Rücken und Bein, VAS; Gehstrecke auf einem Laufband).


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Ergebnisse

Von 32 Patienten konnten die klinischen Daten ausgewertet werden. Aufgrund einer unzureichenden Beschwerdelinderung erhielten 5 Patienten aus der Spacergruppe als Sekundäreingriff eine Implantatentfernung mit mikrochirurgischer Dekompression. Alle 26 analysierbare Patienten, die sich initial einer Dekompressionsoperation unterzogen hatten, zeigten statistisch signifikante Verbesserungen in der VAS Rücken und Bein, im ODI und SF-36. Hingegen zeigten die 6 in die Auswertung eingeschlossenen Personen mit implantiertem Spacer sogar stets eine (nicht signifikante) Verschlechterung in diesen Parametern. Im direkten Vergleich schnitten die dekomprimierten Patienten während des gesamten Follow-up in allen untersuchten Parametern signifikant besser ab.


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Kommentar

Die Autoren folgern aus den Ergebnissen, dass die offene Dekompressionsoperation eindeutig der alleinigen interspinösen Spacerimplantation überlegen ist. Dabei werden die Einschränkungen ihrer Studie (fehlende Randomisierung, geringe Patientenzahl und hohe Ausfallrate) klar erkannt. Die wesentliche Schlussfolgerung besteht in der Forderung randomisierter kontrollierter Studien zum direkten Vergleich der konkurrierenden Operationsverfahren. Solange keine eindeutigen Daten zur Wertigkeit und auch zur Indikation dieser interspinösen Implantate vorliegen, sollten diese mit äußerster Zurückhaltung oder nur unter Studienbedingungen eingesetzt werden. Dieses erscheint insbesondere unter dem Aspekt wichtig, da sich die Implantate unter ambulanten Bedingungen einbringen lassen und somit einen gewissen Anreiz für ihre Verwendung darstellen. Ein unkritischer Einsatz sollte zum jetzigen Zeitpunkt aber unbedingt vermieden werden.


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Die seitliche lumbale Myelographie hilft bei der Diagnose der Spinalkanalstenose und macht die sanduhrförmige Einengung deutlich. (Bild: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011)