ergopraxis 2014; 7(02): 34-35
DOI: 10.1055/s-0034-1370376
ergotherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Mini-Mental Status-Test (MMST) – Der schnelle Standardtest

Sabine Bühler

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Publication Date:
05 February 2014 (online)

 

Die kognitive Leistungsfähigkeit einfach und objektiv einstufen und damit Demenzen erkennen oder deren Verlauf beobachten – das ermöglicht der MMST. Den bewährten Kurztest können Ergotherapeuten ohne viel Aufwand durchführen.


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Sabine Bühler

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Sabine Bühler, Ergotherapeutin BSc, mit dem Arbeitsschwerpunkt Neurologie, ist seit 2003 therapeutische Leitung des „Memory & Demenz Programms“, einem stationären Rehabilitationsprogramm für Menschen mit einer leichten bis mittelschweren Demenz, die gemeinsam mit dem pflegenden Angehörigen aufgenommen werden.

Der MMST hat das Ziel, Demenzen zu erkennen, deren Schweregrad festzustellen und Verlaufskontrollen durchzuführen [1]. Bereits 1975 wurde die Mini-Mental State Examination (MMSE) von einer Arbeitsgruppe um die Psychiater Marshal F. und Susan E. Folstein entwickelt und 1990 in Deutschland als Mini-Mental Status-Test (MMST) publiziert [4, 5]. Das Assessment ist inzwischen das am weitesten verbreitete und am besten untersuchte Screening-Verfahren zur Abklärung der kognitiven Leistungsfähigkeit, insbesondere bei Menschen mit Verdacht auf eine demenzielle Entwicklung oder mit bereits gesicherter Demenzdiagnose [7].

Einfache Durchführung

Für die Durchführung des MMST benötigt man den Testbogen, ein Blatt Papier, einen Bleistift und eine Uhr sowie einen weiteren Stift zum Schreiben. Die Testdauer liegt bei etwa 10 bis 15 Minuten. Wie bei jedem Testverfahren klärt die Therapeutin im Vorfeld ab, ob der Betroffene ausreichend gut hören und sehen kann, um die Anweisungen zu verstehen, oder ob Hilfsmittel erforderlich sind. Auf eine ungestörte Situation sollte sie zudem achten. Anhand der neun Aufgabenkomplexe des MMST überprüft die Therapeutin grundlegende kognitive Funktionen. Dazu gehören Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Rechnen, Erinnern, Benennen, Wiederholen, dreiteiliger Befehl, Reagieren, Schreiben und Abzeichnen.


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Neun Aufgabenbereiche

Zunächst stellt die Therapeutin dem Patienten Fragen zur zeitlichen und räumlichen Orientierung. Sie erkundigt sich nach dem aktuellen Datum (Tag, Monat, Jahr, Wochentag), der Jahreszeit und dem Ort (Land/Staat, Bundesland, Ortschaft/Stadt, Klinik/Praxis/Heim, Stockwerk). Hier kann der Patient maximal zehn von insgesamt 30 möglichen Punkten erzielen (Tab.).

Tab.

MMST. Aufgabenbereiche und maximal zu erreichende Punkte

Aufgabenbereich

max. Punktzahl

Orientierung

10

Merkfähigkeit

3

Aufmerksamkeit und Rechnen

5

Erinnern

3

Benennen

2

Wiederholen

1

dreiteiliger Befehl

3

Reagieren

1

Schreiben

1

Abzeichnen

1

INTERNET

MMST …

… zum kostenfreien Download unter www.demenznetz-aachen.de/aerzte/formulare/testverfahren > „Mini-Mental Status-Test (MMST)

Bei der Merkfähigkeitsaufgabe nennt die Therapeutin dem Patienten drei Wörter, die er sich merken soll: Zitrone, Schlüssel, Ball. Diese Wörter soll der Patient wiederholen. Im ersten Versuch gibt es dafür einen Punkt für jede richtige Antwort. Die Therapeutin wiederholt die Wörter ggf. so lange (maximal sechsmal), bis sich der Patient alle drei gemerkt hat.

Zur Überprüfung von Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit bekommt der Patient den Auftrag, von der Zahl 100 in Siebenerschritten rückwärts zu zählen. Die Aufgabe endet nach dem fünften Schritt. Falls dabei ein Rechenfehler auftaucht und die Folgeergebnisse verschoben sind, wird nur ein Fehler gewertet. Alternativ kann der Patient ein Wort mit fünf Buchstaben – zum Beispiel RADIO – rückwärts buchstabieren.

Um die Erinnerungsfähigkeit zu überprüfen, fordert die Therapeutin den Patienten auf, die zuvor genannten drei Wörter erneut zu wiederholen. Für jedes richtige Wort erhält er einen Punkt, insgesamt also maximal drei Punkte.

Ein Aufgabenkomplex betrifft vor allem sprachliche Anforderungen, bei denen der Patient insgesamt neun Punkte erzielen kann. Zuerst soll er zwei gezeigte Gegenstände (Armbanduhr und Bleistift) benennen. Anschließend spricht die Therapeutin einen Satz vor („Sie leiht ihm kein Geld mehr“) und bittet den Patienten, diesen nachzusprechen. In der nächsten Teilaufgabe fordert sie ihn auf, einen dreiteiligen Auftrag auszuführen. Diesen erteilt sie auf einmal und bewertet die Ausführung der drei Einzelteile jeweils mit einem Punkt: „Nehmen Sie dieses Blatt Papier in die Hand. Falten Sie es in der Mitte. Legen Sie es auf den Boden.“

Die Lesefähigkeit überprüft die Therapeutin, indem sie den Patienten die Anweisung „Schließen Sie die Augen“ lesen und ausführen lässt. Anschließend bittet sie ihn, ohne Hilfestellung einen vollständigen Satz zu schreiben. Er bekommt einen Punkt, wenn der Satz ein Subjekt und ein Verb enthält und einen Sinn ergibt, Grammatik und Interpunktion berücksichtigt die Therapeutin nicht. In der letzten Aufgabe fordert sie den Patienten auf, eine vorgegebene Figur (zwei sich überschneidende Fünfecke) abzuzeichnen. Er erhält einen Punkt, wenn alle zehn Ecken vorhanden sind und sich zwei der Ecken überschneiden.


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Den Schweregrad einer Demenz bestimmen

Insgesamt kann ein Patient beim MMST maximal 30 Punkte erreichen. In der Literatur finden sich unterschiedliche Punktwerte als Abgrenzung zwischen der Norm und den verschiedenen Stadien einer Demenz [3]. Bei einer Gesamtpunktzahl von unter 27 bzw. 25 Punkten liegt wahrscheinlich eine kognitive Beeinträchtigung oder eine leichte Demenz vor. Testwerte von unter 20 bzw. 18 Punkten stehen für eine moderate/mittelschwere Demenzausprägung und bei weniger als 10 Punkten geht man von einer schweren Demenz aus [3, 5, 6].

Den MMST gibt es in drei Versionen, wobei sie sich vor allem in den Begriffen für den Test der Merkfähigkeit unterscheiden. Er ist kostenfrei zum Beispiel bei Herstellern von Antidementiva oder im Internet in verschiedenen Sprachen erhältlich („Internet“). Beim Beltz-Verlag bekommt man auch eine Testmappe [6].


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Ein sehr gutes Screening-Instrument

Die Testgütekriterien wie Objektivität, Validität, Reliabilität und Ökonomie sind in ausreichendem Maße erfüllt [1]. Die Studien dazu stammen allerdings vor allem aus den Jahren zwischen 1987 und 2000. Die Aufgabenkonstruktion und die statistischen Kennwerte halten den heutigen Kriterien nicht mehr stand [3]. Da es aber sehr viele Erfahrungen in der praktischen Anwendung gibt und der MMST ein sehr bekanntes Instrument ist, kommt er weiterhin häufig zum Einsatz. Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass der MMST als Screening-Verfahren neuen Testverfahren nicht unterlegen ist [1, 2, 7].

Die Ergebnisse des MMST sind vom prämorbiden Bildungsniveau und vom Alter abhängig. Berücksichtigen kann man dies in der Auswertung jedoch nicht. Falsch positiv ist der MMST häufig bei Patienten mit einer Depression. In diesen Fällen ist der Patient gesund, der Test hat ihn jedoch als beeinträchtigt eingestuft. Besteht also der Verdacht auf eine Depression, sollte man eher den Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung (TFDD) durchführen [3]. Die Vielzahl an explizit sprachabhängigen Aufgaben im MMST kann zudem bei einer nicht erkannten aphasischen Störung zu einer irrtümlichen Demenzdiagnose führen [7].

Wegen seiner Kürze ist der MMST ein sehr gutes Screening-Instrument. Ergeben sich kritische Testwerte, sollte auf jeden Fall eine genauere Diagnostik erfolgen [2]. Häufig wird der Test zum Screening in Arztpraxen und Kliniken eingesetzt. Es stellt sich jedoch die Frage, wie aussagekräftig ein Test in einer ungewohnten Umgebung unter Stress sein kann, insbesondere bei Fragen zur Orientierung oder Aufmerksamkeit. Auch für dieses Assessment gilt, dass zunächst ein Vertrauensverhältnis entstehen sollte, bevor man einen Patienten testet. Denn gerade bei den Orientierungsfragen wird schnell deutlich, ob jemand adäquat antworten kann oder nicht. Patienten berichten häufig über Versagensgefühle, nachdem sie mit diesen Fragen konfrontiert wurden.


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Nicht für Unterscheidung von Demenzformen geeignet

Orientierung, episodisches Gedächtnis und Rechnen sind Aufgaben, die sich besonders für den Nachweis einer Demenz eignen. Diese Aufgabenkomplexe werden im MMST stark berücksichtigt und bewertet. Für den Aufgabenkomplex Orientierung werden 33 Prozent der maximal 30 Punkte vergeben, für das episodische Gedächtnis 23 Prozent und für das Rechnen 17 Prozent. Das heißt, Kombination und Gewichtung der Aufgaben sind günstig, um die typischen neuropsychologischen Defizite bei einer Demenz zu erfassen. Somit kann sich der MMST im Vergleich mit umfangreicheren Testbatterien, zum Beispiel dem Strukturierten Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ, der Multiinfarktdemenz und Demenzen anderer Ätiologie nach ICD 10 und DSM-III-R (SIDAM) und Alzheimer's Disease Assessment Scale (ADAS) oder dem Neuropsychologischen Defizit-Screening (NDS), als Screening-Verfahren weiterhin behaupten [2, 7].

Ein Hauptkritikpunkt am MMST ist, dass Aufgaben fehlen, mit denen man komplexe kognitive Funktionen testen kann, zum Beispiel räumlichkonstruktive Aufgaben oder Planungsaufgaben [3]. Darüber hinaus ist der MMST nicht geeignet, wenn es um die Abklärung eines Mild Cognitive Impairment (MCI) geht. Durch die eher einfachen Aufgaben kommt es bei leicht betroffenen jungen Patienten, insbesondere mit hohem Bildungsniveau, häufig zu falsch-negativen Ergebnissen [2]. Für diese Patientengruppen empfehlen sich der Demenz-Detektionstest (DemTect) oder das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) (ergopraxis 3/13, S. 26, „MoCA“) [1, 3].

Insgesamt ist der MMST ein effizientes Screening-Verfahren bei Verdacht auf eine demenzielle Erkrankung, sofern es nicht um die Früherkennung geht. Er eignet sich gut für die Verlaufskontrolle einer Demenzerkrankung, jedoch nicht für die Unterscheidung einzelner Demenzformen.


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