NOTARZT 2015; 31(01): 34-36
DOI: 10.1055/s-0034-1370304
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geräuchert

L. Nibbe
1   Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin, Campus Virchow Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
A. Lamberti-Castronuovo
2   Notfallmedizin/Rettungsstellen, Campus Virchow Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
F. Martens
1   Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin, Campus Virchow Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens
Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. Februar 2015 (online)

 

Fall

In den Abendstunden wird der Notarzt unter dem Stichwort „Plötzliche Bewusstlosigkeit auf dem Gehweg“ zusammen mit einem RTW alarmiert. Beim Eintreffen wird ein etwa 20-jähriger Mann von begleitenden Freunden präsentiert, der sich nach deren Angabe plötzlich während des Gehens an einem Pfahl festgehalten habe, dann zusammen gesunken sei und mehrfach an Armen und Beinen heftige Zuckungen gezeigt habe.


#

Der Patient ist zum Zeitpunkt der notärztlichen Untersuchung wach, orientiert, kann lediglich das aktuelle Datum nicht nennen. Die Einnahme von Drogen oder Medikamenten oder Alkohol wird negiert. Vorerkrankungen, insbesondere ein Krampfleiden, sind ebenfalls nicht zu eruieren. Er sei mit seinen Freunden seit mehreren Stunden in einer Shisha-Bar gewesen und habe dort mehrere Shishas geraucht. Verletzungen sind nicht sichtbar und ein orientierender Bodycheck bleibt ohne pathologischen Befund. Die gemessenen Vitalparameter liegen mit einem Blutdruck von 100/70 mm Hg, einer Atemfrequenz von 16/min und einer Herzfrequenz von 100/min weitgehend im Normalbereich. Auch die pulsoxymetrische Sättigung zeigt einen Normalwert von 96 %.

Zum Ausschluss etwaiger innerer Veränderungen wie Infektionen oder Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts weist der Notarzt den Patienten in eine nahegelegene Klinik in die dortige Rettungsstelle ein.

Dort werden letztlich ebenfalls keine pathologischen Veränderungen der Vitalwerte gefunden. Ein Computertomogramm des Kopfes wird bei fehlenden Verletzungszeichen zunächst hintangestellt. In einer venösen Blutgasanalyse findet sich ein deutlich erhöhter Wert von Carboxyhämoglobin von 32 % sowie ein diskret erhöhtes Laktat von 26 mg / dl, das unter Flüssigkeitsgabe innerhalb einer halben Stunde auf den Normalwert von 15 sinkt. Der Anruf bei einer Giftinformationszentrale ergibt die Empfehlung, bei diesem deutlich erhöhten Wert des CO-Hb und den neurologischen Phänomenen (stattgehabter Krampfanfall) eine hyperbare Oxygenation zu erwägen. Nach Kontaktaufnahme mit dem Zentrum für hyperbare Sauerstofftherapie und Tauchmedizin in Berlin wird der Patient dorthin verlegt und erhält eine lange und zwei kurze Behandlungen in der Überdruckkammer. Details zum nachfolgenden Verlauf stehen nicht zur Verfügung.

Ursachen

Zwischen dem Rauchen der Wasserpfeifen und der klinischen Symptomatik scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 28.12.2011 über eine mit Kohlenmonoxid vergiftete Gastwirtin, die sich die Vergiftung bei der Vorbereitung der glühenden Kohlen für die Wasserpfeifen zugezogen hatte. Im gleichen Artikel wird von der Weihnachtsfeier eines Shisha-Versand-Shops berichtet, wo es nach Schließen von Hallentoren wegen großer Kälte bei 10 Partygästen zu Vergiftungssymptomen kam. Alle hatten erhöhte CO-Werte im Blut, 6 davon bedurften der Krankenhausbehandlung [ 1 ].

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 2009 eine aktualisierte gesundheitliche Bewertung (Nr. 011/2009) der „Gesundheits- und Suchtgefahren durch Wasserpfeifen“ publiziert [ 2 ]. Dort wird auf die besondere Bedeutung des Kohlenmonoxids im Wasserpfeifenrauch hingewiesen. Eine in dieser Publikation zitierte experimentelle Studie fand einen deutlichen Anstieg der Kohlenmonoxidkonzentration in Räumen, in denen Shishas geraucht werden [ 3 ]. Die Nikotinaufnahme hingegen bewege sich in vergleichbaren Größenordnungen wie beim Konsum von Zigaretten. Eine weitere experimentelle Untersuchung an 54 gesunden Probanden zeigte, dass während einer 45-minütigen Wasserpfeifensession im Vergleich zum einmaligen Rauchen einer Zigarette der Hb-CO-Gehalt kontinuierlich auf bis zu 4,5 % anstieg (Zigarette max. 1 %). Auch die im Blut gemessene Nikotinkonzentration stieg kontinuierlich bis 8 ng / ml an, während nach Rauchen einer Zigarette ein rasch ansteigender Wert von ca. 8 ng / ml erzielt wurde, der danach kontinuierlich abfiel. Die subjektiven Empfindungen wurden von beiden Probandengruppen gleich bewertet [ 4 ].

Weitere Untersuchungen und Fallpublikationen scheinen Kohlenmonoxid als Hauptverursacher klinischer Symptomatik zu bestätigen: Zahran et al. untersuchten 1832 gesunde Männer, die entweder nie geraucht hatten (n = 256), ausschließlich Zigaretten rauchten (n = 601) oder Shisha rauchten (n = 975) und bestimmten in deren Blut Carboxyhämoglobin nach dem Rauchen. Dabei wurden mittlere Konzentrationen von 10 % CO-Hb bei den Shisharauchern gefunden, die sich von den Zigarettenrauchern (6,5 %) und den Nichtrauchern (1,6 %) deutlich unterschieden [ 5 ]. Lim beschreibt einen jungen Mann aus Singapur, der nach Shisha-Anwendung stürzte und mit retrograder Amnesie in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Sein CO-Hb-Gehalt im Blut betrug 27,8 % und fiel nach 6-stündiger Atmung reinen Sauerstoffs auf 1,1 % ab [ 6 ]. Uyanik beschreibt einen 25-jährigen Mann, der über Kopfschmerz, Schwindel und Erbrechen nach einer 2-stündigen Shisha-Sitzung klagte. Die CO-Hb-Konzentration lag bei 28,7 % und fiel unter Sauerstoffgabe innerhalb eines Tages auf 5,7 % [ 7 ]. Ähnliche Symptome bot ein 16-jähriges Mädchen, das am sonnigen Strand zusammen mit anderen Shisha geraucht hatte. Mit Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit und Schwäche begann die Symptomatik und gipfelte in einer Synkope. Bei Krankenhausaufnahme wurde verwaschene Sprache und Verwirrtheit festgestellt. Alkohol oder andere Drogen wurden fremdanamnestisch negiert. Im Blut fand sich ein CO-Hb von 24 %. Unter Atmung reinen Sauerstoffs besserte sich die Bewusstseinslage. Schließlich wurde eine hyperbare Oxygenation mit 2,5 Bar über 2 Stunden durchgeführt, wonach die Patientin völlig asymptomatisch entlassen werden konnte [ 8 ]. Clarke et al. berichten über 12 Patienten, die in kurzen Intervallen in die Notfallaufnahme gebracht wurden, nachdem sie auf einer Party mit Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit erkrankt waren. Bei insgesamt 12 Personen wurden pulsoxymetrische CO-Hb-Konzentationen von 2–25 % gemessen. Nach 2 Stunden Sauerstoffatmung fanden sich im Blut noch Werte zwischen 2 und 16,5 % die zum Entlassungszeitpunkt auf 0,5–3,7 % abgefallen waren. Die Untersuchung der Partyräumlichkeiten ergab einen Kellerraum unter einem Restaurant, in dem 10 Wasserpfeifen und Vorrichtungen zur Herstellung glühender Kohle gefunden wurden. Die Raumluft enthielt gefährlich erhöhte CO-Werte von 440 ppm [ 9 ].

Ein letzter Fallbericht illustriert die möglichen Folgen des längerdauernden Shisha-Gebrauches mit Entwicklung einer Polyzythämie (Hb 20 g / dl). Ein athletisch gebauter 25-jähriger Student hatte über 6 Monate täglich für 1–2 Stunden Shisha geraucht und bereits danach jeweils Übelkeit, Kopfschmerz, Schwindel und Dösigkeit bemerkt. Einmalig war es zu einer Synkope gekommen. Nach Beendigung des Shisharauchens kam es über 6 Wochen zu einer Normalisierung des Hämoglobins, sodass die Autoren eine Kohlenmonoxid induzierte Polyzythämie für wahrscheinlich hielten [ 10 ].

Wodurch erklärt sich die erhöhte Kohlenmonoxidexposition beim Shisha rauchen im Vergleich zum Rauchen von Zigaretten?

Die Wasserpfeifen bestehen aus einem meist bauchigen Gefäß, das mit Wasser befüllt wird. Damit luftdicht verbunden ist ein Rohr, an dessen äußeren Seite ein Aufsatz (Kopf) befestigt ist. In diesem Kopf wird Wasserpfeifentabak aufgelegt und mit einer perforierten Aluminiumfolie bedeckt. Auf die Aluminiumfolie werden glühende Holzkohlenstücke gelegt. Dadurch kommt es zur Erhitzung des Tabaks. Der entstehende Rauch wird über das Rohr in das Wasser geleitet und dann über Saugschläuche herausgesaugt.

In verschiedenen Publikationen wird die größere Kohlenmonoxidmenge im Vergleich zum Zigarettenrauchen mit den glühenden Kohlen im Verbrennungskopf in Verbindung gebracht. Aber auch bei der Vorbereitung der Kohlen kann es in schlecht belüfteten Innenräumen zu Kohlenmonoxidintoxikation kommen [ 1 ].


#

Leitsymptome

In verschiedenen Internetforen berichten Shisha-Raucher über unangenehme körperliche Symptome:

  • „habe gerade Shisha geraucht, ca. 2–3 Stunden. Und jetzt tut mein Kopf weh und es brummt in meinem Kopf, mir war schwindlig und …“.

  • „hab Shisha geraucht, einen Kopf um 13 Uhr, einen um 14 und einen um 17 Uhr, nach dem um 17 war mir schwindlig und übel …“

  • „war Shisha rauchen und als wir dann raus aus der Bar sind, wurde mir schwindlig, bekam kalten Schweiß, hatte unglaubliche Bauchkrämpfe und war kurz vor dem Übergeben …“

Die in den 3 Aussagen berichteten Symptome können bei leichteren Kohlenmonoxidvergiftung auftreten. Ähnliche Symptome wurden auch von Patienten berichtet, die sich in der Notaufnahme mit einem erhöhten Carboxyhämoglobin vorstellten: Kopfschmerz, Schwindel, Dösigkeit, Übelkeit, Erbrechen, bei schwereren Formen der Vergiftung auch deutlichere Bewusstseinsveränderungen und auch Herzrhythmusstörungen [ 11 ]. Manche Patienten präsentieren sich auch mit grippeähnlichen Symptomen. Kohlenmonoxidvergiftung ist nicht häufig und wird daher oft übersehen, wenn nicht anamnestisch eindeutige Hinweise darauf vorliegen (Wohnungsbrand, Abgas ins Auto geleitet, Campinggrill in geschlossenen Räumen).

Eingeatmetes Kohlenmonoxid bindet rasch und fest an das Hämoglobin, welches danach für den O2-Transport nicht mehr verfügbar ist. Durch Einatmung reinen Sauerstoffs lässt sich das CO-Hämoglobin in wenigen Stunden wieder in sauerstoffbindendes Hämoglobin überführen. Die Zellhypoxie durch Bindung des CO an intrazelluläre Enzyme wird hingegen wesentlich langsamer durch Sauerstoffatmung verringert. Besonders empfindlich auf Sauerstoffmangel reagierende Gewebe können somit auch noch Schädigungen erleiden, obwohl sich die Carboxyhämoglobinkonzentration im Blut normalisiert hat. Neben den oben genannten leichteren Symptomen kann es bei Einatmung sehr hoher CO-Konzentrationen auch zu sehr rasch verlaufenden Verläufen mit Koma, Krampfanfällen bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. Auch neurologische Spätschäden wie Lähmungen, Parkinsonismus, Verhaltensveränderungen, Gedächtnisstörungen, rezidivierende Kopfschmerzen und Schwindelattacken werden berichtet.

Einsatzstellen, wo relativ offensichtlich mit Kohlenmonoxid und anderen volatilen Giftstoffen zu rechnen ist (z. B. Wohnungsbrände), werden in der Regel vom Rettungsdienstpersonal erst nach Freigabe durch Atemschutz tragende Feuerwehrmitarbeiter betreten. Um das Rettungsdienstpersonal an allen anderen Einsatzstellen vor einer Gefahr durch Kohlenmonoxid zu warnen, sind an allen mitgeführten Notfallkoffern des Berliner Rettungsdienstes miniaturisierte COMessgeräte mit akustischem Alarm befestigt. Auch gibt es – leider nicht in allen Fahrzeugen – handliche Messgeräte, die einem Pulsoxymeter ähnlich, die Carboxyhämoglobinkonzentration bestimmen können.

In Rettungsstellen sollte bei allen Patienten mit obigen Symptomen mindestens eine venöse Blutgasanalyse zur Ermittlung der CO-Hb-Konzentration untersucht werden.


#

Therapie

Bewusstlose Patienten sollten zur Aspirationsprophylaxe intubiert und mit reinem Sauerstoff beatmet werden. Krämpfe oder Herzrhythmusstörungen werden symptomatisch nach aktuellen Leitlinien behandelt. Da die CO-Hb-Konzentration unter reiner O2-Atmung bzw. -beatmung erst nach etwa 1,3 Stunden halbiert wird, sollte bei Vorliegen schwerer Symptome (Bewusstseinsstörungen, Krämpfe, Herzrhythmusstörungen) die hyperbare Oxygenation mit 3 Atmosphären Druck (303 kPa) erwogen werden, die Hb-CO innerhalb von 23 Minuten auf die Hälfte senken kann. Durch die damit bewirkte Erhöhung des im Blut gelösten Sauerstoffs kann die Gewebshypoxie ebenfalls rasch verringert werden und damit die Rate neurologischer Spätkomplikationen von 15–40 % auf 1,6 % reduziert werden [ 12 ].

Bei einer vermuteten oder durch Messung von CO-Hb gesicherten Kohlenmonoxidvergiftung ist die Gabe von reinem Sauerstoff die Therapie der Wahl.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens
Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin