56. Kommende-Treffen der ackpa am 10. März 2014 in Kassel
40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich am 10. März 2014 im Ludwig-Noll-Krankenhaus
in Kassel zur 56. Kommende-Tagung der Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für
Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland. Bedingt
durch Chefarztwechsel an einzelnen Kliniken, aber auch durch die Schaffung neuer Klinikstandorte
mit regionalem Versorgungsauftrag konnten wir 5 neue Mitglieder begrüßen.
Martin Ohlmeier, Kassel, und Karl Beine, Hamm, begrüßten die Teilnehmer.
Ingrid Munk, Berlin, eröffnete und moderierte die Kommende-Tagung am Vormittag.
Claudia Birkenheier, Völklingen, referierte über Betreutes Wohnen in Familien (BWF)
im Saarland. 30 Plätze bei Gastfamilien werden durch ein Klinikteam betreut. Seit
1995 werden die Bewohner im BWF von Laien und professionellen Mitarbeitern betreut
und erreichen damit höhere Lebensqualität, seltenere stationäre Aufenthalte (87 %
weniger Behandlungstage im Jahr beim Prä-Post-Vergleich), Reduktion von Medikamenten
und bessere psychische Befunde.
Mehr als 70 % der Bewohner haben F2-Diagnosen, wurden oft schon vorher über Jahre
vom psychosozialen Hilfssystem unterstützt, ohne allerdings die Abhängigkeit von Klinik
und den Unterstützungsbedarf zu reduzieren, manche auch mit zusätzlicher körperlicher
Behinderung. Gastfamilien erweisen sich als flexibler, effektiver und optimistischer
beim Überwinden von Hindernissen als viele rein professionell geführte Hilfsangebote.
Die psychosozialen Stressoren der 21 – 75 Jahre alten Bewohner können im BWF wirksamer
reduziert werden als in anderen Hilfsangeboten. Fachliche Standards für das BWF stellt
die DGSP (Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie) zur Verfügung. Auch Mutter-Kind-Betreuung
ist möglich. Im Laufe der Zeit diversifizierten sich die Beschäftigungsarten der Bewohner
im BWF von häuslicher Beschäftigung, Tageszentrum, über Werkstatt und ersten Arbeitsmarkt.
Trotz sehr guten Ergebnissen gibt es Gegenwind aus der Psychiatrie, dafür aber positives
Echo in der regionalen Presse. Die Zeiten, die die Bewohner in dieser Wohnform bleiben,
schwanken zwischen 1 und 10 Jahren. Scheinbar Unmögliches wird möglich: Gemeinsame
Interessen, z. B. Haustiere, schaffen gemeinsame Aufgaben (dafür lohnt es sich gesund
zu werden). Inzwischen gibt es in Zürich und Kopenhagen auch Akutbehandlung in Gastfamilien.
Martin Zinkler, Heidenheim, berichtete über die Vermeidung von Zwangsbehandlungen.
Verzicht auf medikamentöse Zwangsbehandlung führte in Heidenheim gerade nicht zur
Zunahme von anderen Formen von Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen, Stationsschließungen,
oder mehr neuroleptischer Behandlung oder gar zu mehr aggressiven Übergriffen auf
Mitarbeiter oder andere Patienten. Behandlungsgeschichten mit schwierigen ethischen
und medizinischen Fragen beim Verzicht auf medikamentöse Zwangsbehandlung wurden vorgestellt
und kontrovers diskutiert.
Karel Frasch, Donauwörth, berichtete über Home-Treatment (HT) in Günzburg und Donauwörth.
HT begann 2003 in Günzburg und wurde mit der Gründung der neuen Klinik in Donauwörth
auch dort eingeführt. Patienten im HT haben mindestens 3 Kontakte mit dem HT-Team
pro Woche, darunter ein Arztkontakt. Die Finanzierung erfolgt über die bayerische
PIA-Einzelleistungsvergütung. Diese deckt jedoch nur die Personalkosten. Bei der Evaluierung
zeigte sich: HT Patienten waren „kränker“ als die Patienten einer stationär behandelten
Vergleichsgruppe. In der vor bzw. nach der Behandlung ermittelten HONOS ergaben sich
signifikante Verbesserungen in der HT-Gruppe, nicht signifikante Verbesserungen dagegen
in der stationär behandelten Vergleichsgruppe, bei längerer Behandlungsdauer im HT.
In den Landkreisen mit Regionalbudget zeigt sich, dass HT die PsychKG Einweisungen
reduziert (und damit natürlich auch die Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen).
Frank Godemann, Berlin, präsentierte das VIPP-Projekt, eine Datensammlung zu Versorgungsindikatoren
in der Psychiatrie und Psychosomatik. 57 Einrichtungen sind inzwischen dabei, mit
über 450 000 Behandlungsfällen, allerdings nur 11 psychiatrische Kliniken an Allgemeinkrankenhäusern.
Alle teilnehmenden Kliniken können sich die Daten selbst online ansehen. Die Teilnahme
kostet nichts. Alle weiteren Infos gibt es bei f.godemann@alexius.de.
ackpa empfiehlt, sich am VIPP-Projekt zu beteiligen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen haben wir uns zur ackpa-Mitgliederversammlung getroffen
und zunächst die anstehende Reform der ärztlichen Weiterbildungsordnung diskutiert.
ackpa tritt dafür ein, dass sozialpsychiatrische und psychotherapeutische Lernziele
stärker berücksichtigt werden. Aus der Arbeitsgruppe „Offene Psychiatrie“ gab es einen
Zwischenbericht.
Breiten Raum hat das Thema Entgelt (PEPP) eingenommen. Es wurde mehr als deutlich,
dass PEPP in seiner jetzigen Ausgestaltung keine Akzeptanz in unseren Häusern findet.
ackpa fordert ein Bundesmodellprogramm, in dem viele Regionen sektorenübergreifende
Versorgung – personenbezogen – erproben können. Außerdem muss es nach ackpa-Auffassung
eine Expertenkommission geben: Die Entwicklung der Entgeltsystematik muss fachlich,
d. h. psychiatrisch/psychotherapeutisch, begleitet werden.
Termin: Die nächste ackpa-Jahrestagung findet vom 6. – 8.11.2014 in Heidenheim statt. Thema: Was wirkt in der Gemeindepsychiatrie?
Dr. med. Martin Zinkler
Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH
Schlosshaustr. 100, 89522 Heidenheim
martin.zinkler@kliniken-heidenheim.de