Einführung
§ 3 Absatz 4 der Röntgenverordnung (RöV) eröffnet unter bestimmten Voraussetzungen
die Möglichkeit zum Einsatz teleradiologischer Systeme für die Anwendung von Röntgenstrahlung
zur Untersuchung von Menschen. Wie auch in allen anderen Anwendungsfällen von Röntgenstrahlung
am Menschen bedarf die Teleradiologie einer rechtfertigenden Indikation nach § 23
Abs. 1 RöV. Jedoch muss sich der für das Stellen der rechtfertigenden Indikation befugte
Arzt nicht – wie in sonstigen Anwendungsfällen – am Ort der Untersuchung oder in dessen
unmittelbarer Nähe aufhalten (s. a. § 2 Nr. 25, § 23 Abs. 1 Satz 5 RöV).
In vielen Anwendungsfällen ergeben sich hieraus Vorteile für den Patienten. Zeitliche
Verzögerungen bei Untersuchungen und insbesondere Transportrisiken können durch die
Zulassung der Teleradiologie reduziert werden. Andererseits kann die größere räumliche
Entfernung des die rechtfertigende Indikation stellenden Arztes vom Ort der Untersuchung
zu Nachteilen für den Patienten, insbesondere zu im Einzelfall ungerechtfertigten
Strahlenexpositionen führen.
Der Einsatz teleradiologischer Systeme ist nach § 4 Abs. 4 Nr. 3 RöV immer genehmigungspflichtig,
also auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 RöV. Um zu verhindern,
dass die Anwendung der Teleradiologie dazu führt, dass an einem Krankenhaus generell
keine Person nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RöV mehr vorhanden ist, soll die Teleradiologie
grundsätzlich nur für den Fall des Nacht- oder Wochenenddiensts zulässig sein, da
eine durchgehende Versorgung mit entsprechend fachkundigem Personal in der Regel nicht
gewährleistet werden kann. Ausnahmsweise kann die zuständige Behörde nach Satz 2 den
Einsatz der Teleradiologie auch für den Tagesbetrieb zulassen.
Zur Erteilung der Genehmigung sind in jedem Fall die in § 3 Absatz 4 Satz 1 RöV aufgeführten
Voraussetzungen zusätzlich zu denen der sonstigen Anwendungsfälle von Röntgenstrahlung
am Menschen zu erfüllen. Hiernach darf die rechtfertigende Indikation ausschließlich
von einem Arzt mit umfassender Fachkunde im Strahlenschutz nach § 23 Abs. 1 Nr. 1
RöV gestellt werden, der auch die Befundung vorzunehmen hat und damit die Gesamtverantwortung
für die Anwendung der Röntgenstrahlung am Menschen übernimmt. Dieser ist im Falle
der Teleradiologie der „anwendende Arzt“ im Sinne der §§ 23 ff. RöV. Für die technische
Seite der Anwendung muss zumindest eine Person nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 RöV zur
Verfügung stehen. Mit dem Begriff „zumindest“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass
selbstverständlich auch eine höher qualifizierte Person die Röntgenuntersuchung vor
Ort durchführen darf, wenn sie über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz
verfügt; nicht zugelassen werden soll hier eine Person nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 RöV.
Erforderlich ist darüber hinaus in jedem Fall die Anwesenheit eines Arztes mit Kenntnissen
im Strahlenschutz. Falls also am Untersuchungsort eine Medizinisch-Technische Röntgenassistentin
oder ein Medizinisch-Technischer Röntgenassistent die Röntgenuntersuchung technisch
durchführt und kein Arzt mit Fachkunde im Strahlenschutz vor Ort ist, muss dort sichergestellt
sein, dass ein anderer Arzt für medizinisch notwendiges Handeln unmittelbar zur Verfügung
steht. Dieser muss zumindest über die Kenntnisse im Strahlenschutz verfügen, die es
ihm ermöglichen, die Vorgaben des verantwortlichen Arztes nachzuvollziehen und gemeinsam
mit der oder dem MTRA die Untersuchung durchzuführen.
Eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Arzt nach § 3 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1
RöV einerseits und der oder dem MTRA sowie dem Arzt am Untersuchungsort des Patienten
andererseits muss organisatorisch und technisch sichergestellt sein. Der fachkundige
Arzt muss somit unter Mitwirkung der Personen am Untersuchungsort alle für die rechtfertigende
Indikation erforderlichen Informationen erlangen und darüber hinaus auch während der
Untersuchung des Patienten erforderlichenfalls Einfluss nehmen können. Dies setzt
die Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten der Telekommunikation voraus, also
auch beispielsweise den Aufbau einer Videokonferenzschaltung. Weiterhin wird die Qualitätssicherung
der technischen Komponenten des teleradiologischen Systems einschließlich der Übertragungswege
vorausgesetzt, die durch Abnahmeprüfungen von einem Sachverständigen nach § 4a RöV
und durch Nachweis der Funktionsfähigkeit des Datenübertragungssystems zu erbringen
ist. Die Regelung des Absatz 4 Satz 1 Nr. 5 soll vor allem das Risiko des Patienten
in besonders komplizierten Untersuchungsfällen reduzieren. Sie wirkt aber auch einer
überregionalen Ausweitung teleradiologischer Kommunikationssysteme entgegen, die persönliche
Kontakte zwischen dem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz und
dem Arzt am Ort der Untersuchung zum Nachteil des Patienten ausschließen könnte (vgl.
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Röntgenverordnung, Stand: Juli 2001).
Die Teleradiologie ist eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 23 Abs. 1 Satz 5 RöV,
der für den Normalfall der Röntgenuntersuchung festlegt, dass der verantwortliche
Radiologe anwesend ist und nicht nur die für die Anwendung der Röntgenstrahlung rechtfertigende
Indikation stellt und die Untersuchungsergebnisse befundet, sondern auch die Verantwortung
für die technische Durchführung übernehmen kann (VG Köln, Urt. v. 28.01.2010, Az.:
13 K 1158/06).
In Genehmigungsverfahren ergeben sich dabei häufig Streitpunkte bei den Voraussetzungen
des teleradiologischen Betriebs einer Röntgeneinrichtung, insbesondere beim Einsatz
im Tagesdienst sowie bei der Anzahl und Qualifikation der notwendigen Ärzte. Dabei
ergibt sich insbesondere die Situation, dass bei den Genehmigungsbehörden unterschiedliche
Rechtsansichten über die Auslegung der Anforderungen zur Genehmigung des teleradiologischen
Betriebes nach der RöV bestehen. Darüber hinaus sind aktuell Fragestellungen infolge
der Einführung des Patientenrechtegesetzes vom 20.03.2013 (BGBl. I., S. 277 ff.) entstanden.
Begriff und Voraussetzungen der Teleradiologie
Begriff und Voraussetzungen der Teleradiologie
Die Teleradiologie wird in § 2 Nr. 24 RöV legaldefiniert. Danach stellt die Teleradiologie
die Untersuchung eines Menschen mit Röntgenstrahlung unter der Verantwortung eines
Arztes nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 RöV dar, der sich nicht am Ort der technischen Durchführung
befindet, und der mithilfe elektronischer Datenübertragung und Telekommunikation insbesondere
zur rechtfertigenden Indikation und Befundung unmittelbar mit den Personen am Ort
der technischen Durchführung in Verbindung steht. Der teleradiologie Betrieb bedarf
dabei immer einer Genehmigung. § 3 Abs. 4 RöV stellt insoweit zusätzliche Genehmigungsvoraussetzungen
auf, die über die normalen Genehmigungsvoraussetzungen für Röntgeneinrichtungen nach
§ 3 Abs. 2 RöV hinausgehen. Diese Genehmigungspflicht wird von der Rechtsprechung
auch im Hinblick darauf, dass diese für die ausführenden Radiologen und Krankenhäuser
einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellt, aufgrund der
möglichen Schäden für die Gesundheit der Patienten durch eine zu hohe Strahlenbelastung
für verfassungsgemäß erachtet (VG Köln, Urt. v. 28.01.2010, Az.: 13 K 1158/06).
Teleradiologie im Tagesdienst
Die Teleradiologie ist gemäß § 3 Abs. 4 S. 2 RöV grundsätzlich auf den Betrieb in
der Nacht sowie an Feiertagen und Wochenenden zu beschränken. Darüber hinaus kann
gemäß § 3 Abs. 4 S. 3 RöV auch der teleradiologische Betrieb im Tagesdienst angeordnet
werden, wenn ein Bedürfnis im Hinblick auf die Patientenversorgung besteht. Dadurch
ist die Teleradiologie im Tagesdienst in zweierlei Weise durch diesen Mischtatbestand
beschränkt. Zum einen muss der unbestimmte Rechtsbegriff des Bedürfnisses bejaht werden,
zum anderen hat die Behörde selbst bei Vorliegen eines Bedürfnisses ein Ermessen,
ob sie die Genehmigung erteilt (VG Aachen, Urt. v. 08.02.2007; Az.: 6 K 276/06).
Bedürfnisprüfung
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Aachen ist vor allem das Bedürfnis im Hinblick
auf die Patientenversorgung in der Praxis streitig, da meist eine Genehmigung für
den Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst bereits erteilt worden sei. Um dieses zusätzliche
Bedürfnis festzustellen, greift das Gericht auf den Arbeitsentwurf zur – bisher nicht
umgesetzten – Richtlinie zur Teleradiologie nach § 3 Abs. 4 RöV zurück.
Entscheidend sind danach für das Verwaltungsgericht Aachen Kriterien wie besonders
abgelegene Untersuchungsorte (z. B. Inseln), organisatorisch bedingte Ausnahmesituationen
bei grundsätzlicher Versorgung durch einen Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im
Strahlenschutz am Untersuchungsort oder keine ortsnahe, den Patienten zumutbare fachkundige
radiologische Versorgung oder Notfallversorgung am Krankenhaus unter Berücksichtigung
der regionalen stationären und ambulanten Einrichtungen.
Weiterhin könnten folgende Kriterien herangezogen werden:
-
„Ausmaß des Mangels an Ärzten mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz zur
radiologischen Patientenversorgung am Untersuchungsort und in der Region,
-
bisherige Bemühungen zur Lösung des Mangels an Ärzten mit der erforderlichen Fachkunde
im Strahlenschutz ohne Einsatz der Teleradiologie,
-
Entfernung zwischen Untersuchungsort und Aufenthaltsort des Teleradiologen (z. B.
innerhalb kurzer Zeit, bis 30 Minuten, durch Teleradiologen erreichbar),
-
für Teleradiologie vorgesehene Untersuchungsfrequenz (z. B. bei CT-Untersuchungen
nicht mehr als 5 teleradiologische Untersuchungen pro Tag),
-
für Teleradiologie vorgesehene Untersuchungsarten (z. B. Begrenzung auf weitgehend
standardisierte Diagnostik mit geringer Strahlenexposition oder auf bestimmte Fragestellungen
und Untersuchungsarten mit klarere medizinischer und rechtfertigender Indikation),
-
Prozentsatz der teleradiologisch erbrachten Röntgenanwendungen an einer Röntgeneinrichtung
(z. B. kleiner als 30% der insgesamt durchgeführten Röntgenanwendungen),
-
Erfahrung des Teleradiologen hinsichtlich des für die Teleradiologie vorgesehenen
Untersuchungsspektrums (z. B. durch Vorlage der vom Teleradiologen durchgeführten,
für die Teleradiologieanwendung relevanten Untersuchungszahlen der letzten 2 Jahre),
-
über den Stand der Technik hinausgehende Funktionen und Qualitätssicherungsmaßnahmen
am Teleradiologiesystem (z. B. Videokonferenzsystem, schnelle Datenleitung, Qualitätsmanagementsystem),
-
Anbindung relevanter therapeutischer Einrichtungen, um die Bereitstellung der Bilder
für die Weiterbehandlung und die schnelle Nutzung der durch die Röntgenanwendung erworbenen
Informationen zu verbessern (z. B. Neurochirurgie).“ (vgl. VG Aachen, Urt. v. 08.02.2007;
Az.: 6 K 276/06)
Restriktive Auslegung
Das Gericht betont jedoch, dass der Bedürfnisbegriff restriktiv auszulegen sei, da
erkennbar eine Stufenfolge der Genehmigung (teleradiologischer) Röntgeneinrichtungen
in der RöV zu erkennen sei. Die Teleradiologie bleibe eine „Ersatzlösung“, da bei
einer vollständigen Öffnung die Gefahr bestünde, dass künftig gar keine Ärzte mit
der Fachkunde im Strahlenschutz in den Kliniken tätig seien. Dies bedeutet, dass es
auch keine grundsätzliche Genehmigung der Teleradiologie in der Anwendung bei Notfällen,
außerhalb der vom Verordnungsgeber definierten Fälle des Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienstes
geben könne (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.12.2007; Az.: 20 A 943/07).
Verantwortliche Ärzte im Rahmen der Teleradiologie
Im Rahmen der Teleradiologie nach der RöV sind mindestens zwei Ärzte verantwortlich
zu beteiligen. Dies ist zum einen der Teleradiologe nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 RöV
und zum anderen ein weiterer Arzt am Ort der technischen Durchführung nach § 3 Abs. 4
S. 1 Nr. 3 RöV.
Der Begriff des Teleradiologen
Der Teleradiologe ist nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 RöV eine Person nach § 24 Abs. 1
Nr. 1 RöV, die sich nicht am Ort der technischen Durchführung der Untersuchung befindet
und die rechtfertigende Indikation nach § 23 Abs. 1 RöV für die Anwendung von Röntgenstrahlung
am Menschen stellt, die Untersuchungsergebnisse befundet und die ärztliche Verantwortung
für die Anwendung der Röntgenstrahlung trägt. § 24 Abs. 1 Nr. 1 RöV meint dabei diejenigen
Personen, die als Ärzte approbiert sind oder denen die Ausübung des ärztlichen Berufs
erlaubt ist und die für das Gesamtgebiet der Röntgenuntersuchung oder Röntgenbehandlung
die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen. Der Teleradiologe muss somit
die volle Fachkunde im Strahlenschutz innehaben.
Der Arzt am Ort der technischen Durchführung
Der 2. notwendige Arzt muss sich gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV am Ort der technischen
Durchführung der teleradiologischen Untersuchung befinden. Dieser ist nicht dafür
zuständig, die rechtfertigende Indikation nach § 23 RöV zu erstellen. Daher muss diese
Person nicht die Fachkunde im Strahlenschutz innehaben. Ihre Tätigkeit beschränkt
sich darauf, die zur Feststellung der rechtfertigenden Indikation erforderlichen Angaben
zu ermitteln. Daher benötigt sie nur die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz,
um dieser Aufgabe nachkommen zu können. Es handelt sich bei dieser Person nicht um
einen Radiologen, sondern um einen Facharzt eines anderen Fachgebiets in der Einrichtung,
die die teleradiologische Leistung einfordert.
Die Erlangung der erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz kann durch einen Kurs
bei der Ärztekammer erfolgen. Genauere gesetzliche Anforderungen zum Inhalt dieser
Kenntnisse existieren jedoch nicht. Dabei ist zu beachten, dass der Arzt nach § 3
Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV keine Fachgebietsidentität mit der die Röntgenuntersuchung anfordernden
Fachabteilung bzw. dem anfordernden Facharzt haben muss:
„Erfüllt ist wohl auch die Voraussetzung des § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV, weil nach
den Angaben der Kläger die am Ort der technischen Durchführung der CT-Untersuchungen
anwesenden Krankenhausärzte Dr. ..., ... und ... in ihrem jeweiligen Teilgebiet Fachkunde
im Strahlenschutz besitzen, also erst recht das in § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV vorausgesetzte
Tatbestandsmerkmal der „erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz“ erfüllen und
– soweit ersichtlich – trotz unterschiedlicher fachärztlicher Ausbildung wohl auch
in der Lage sind, die zur Feststellung der rechtfertigenden radiologischen Indikation
erforderlichen Angaben zu ermitteln und an den Teleradiologen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis
weiterzuleiten sowie die Patienten aufzuklären.“ (Bayer. VGH, Urt. v. 14.04.2008,
Az.: 9 B 08.81)
Seitens der zuständigen Genehmigungsbehörden für die Teleradiologie nach der RöV werden
hinsichtlich der Ärzte nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV gelegentlich konkrete Zahlenvorgaben
gemacht, die z. B. von der entsprechenden Einrichtung zu erfüllen sind. Ebenso wird
teilweise von den Behörden gefordert, dass zur Erfüllung dieser Anforderungen in Krankenhäusern
grundsätzlich nur die Ärzte im Vordergrunddienst mitgezählt werden dürfen, nicht jedoch
z. B. Oberärzte im Hintergrunddienst. Für derartige Vorgaben der Genehmigungsbehörden
existieren jedoch weder in der RöV, noch in anderen Vorschriften (z. B. den Weiterbildungsordnungen
der Landesärztekammern) entsprechende Regelungen. Gefordert wird nach der RöV nur,
dass im Verhältnis zur Größe der Einrichtung bzw. des Krankenhauses genügend Ärzte
nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV zur Verfügung stehen.
Im Übrigen ist den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in dem oben
zitierten Urteil zu entnehmen, dass Teilgebietsradiologen, die in ihrem jeweiligen
Teilgebiet die Fachkunde im Strahlenschutz besitzen, nicht zusätzlich die erforderlichen
Kenntnisse im Strahlenschutz nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV gesondert nachweisen müssen.
Verfassungswidrigkeit des Regionalprinzips nach § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 RöV?
Fraglich ist, inwieweit die Anforderung des § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV erfüllt sein musS. Danach
muss der Teleradiologe innerhalb eines für die Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums
am Ort der technischen Durchführung eintreffen. Darunter wird ein Zeitraum von 45
Minuten verstanden. Dieser räumliche Zusammenhang zwischen dem Teleradiologen und
dem Ort der Untersuchung wird auch als „Regionalprinzip“ bezeichnet. Diese Regelung
ist vom Verwaltungsgericht Köln in einem Urteil vom 28.01.2010 (Az.: 13 K 1158/06)
für unverhältnismäßig und damit im Ergebnis für verfassungswidrig erachtet worden.
Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, dass sich herausgestellt hätte, dass es im
Rahmen der Teleradiologie keinerlei Szenarien gebe, in denen dieses zeitliche Erfordernis
zwingend eingehalten werden müsse. Bei Schwangeren und Kindern würden keine teleradiologischen
Maßnahmen durchgeführt. Kontrastmittelzwischenfälle werden vom Verwaltungsgericht
nicht als radiologische, sondern als internistische Notfälle angesehen, da sich der
Internist um Kontrastmittelunverträglichkeiten kümmern müsse. Die Gefahr, dass der
Teleradiologe durch Bewusstlosigkeit oder Tod ausfalle, sei mehr als unwahrscheinlich.
Zudem könne dieser Gefahr durch das Vorhandensein eines weiteren Teleradiologen begegnet
werden. Die Bilder selber könnten hingegen nicht verloren gehen, da sie vor Ort abgespeichert
werden, jederzeit vorhanden seien und im äußersten Notfall ausgedruckt und zu einem
im Umkreis ansässigen Radiologen gebracht werden könnten. Ein Ausfall aller Kommunikationssysteme
sei zudem kaum denkbar. In jedem Fall müsse der Patient keiner erneuten Strahlenbelastung
ausgesetzt werden.
Bereits die Prämisse des VG Köln, wonach die Regelung in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV unverhältnismäßig
sei, da Notfallsituationen im Rahmen der teleradiologischen Leistungserbringung nicht
bekannt seien, die das Erfordernis der Genehmigungsvoraussetzung rechtfertigen würden,
erscheint zweifelhaft und auch im Detail nicht zutreffend. Darüber hinaus hat sich
das VG Köln nicht mit dem weiteren gesetzgeberischen Ziel dieser Regelung, dem Entgegenwirken
einer überregionalen Ausweitung teleradiologischer Kommunikationssysteme auseinandergesetzt.
Nach Ansicht des Verordnungsgebers sind auch bei einem teleradiologischen Betrieb
„persönliche Kontakte zwischen dem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz
und dem Arzt am Ort der Untersuchung zum Nachteil des Patienten“ erforderlich (Wigge
P, Kaiser R, Fischer J, Loose R. MedR 2010; 700, 706). Das Regionalprinzip ist im
Ergebnis daher nicht unverhältnismäßig, da es dem Umstand Rechnung trägt, dass unter
der Prämisse eines bestimmten typischen – ausgedünnten – Versorgungsbilds, nämlich
der Gegebenheiten während der Nacht sowie an Wochenend- und Feiertagen, „die Anwesenheit
des indizierenden Arztes beim Patienten zumindest in personeller Hinsicht gemindert“,
jedoch nicht vollständig aufgehoben werden soll (vgl. OVG NRW Beschluss vom 18.12.2007,
Az.: 20 A 943/07). Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW) hat in dem Berufungsverfahren (Az.: 20 A 497/10) gegen das Urteil des VG Köln
daher ebenfalls die Auffassung vertreten, dass das Regionalprinzip rechtmäßig und
verfassungskonform ist, auch wenn das Verfahren nicht mit einem Urteil, sondern mit
einem Vergleich beendet worden ist (vgl. Wigge P, Tonner U. Fortschr Röntgenstr 2012;
184: 176–180).
Auch das Verwaltungsgericht Aachen hat beispielsweise in dem oben genannten Urteil
vom 08.02.2007 (Az.: 6 K 276/06) die Notwendigkeit der örtlichen Nähe des Teleradiologen
betont, um einer Ausweitung der Teleradiologie eine Absage zu erteilen. Auch in der
Literatur wird das Regionalprinzip im Sinne einer optimalen Patientenversorgung für
verfassungsmäßig erachtet, weil darauf abgestellt wird, dass in Notfallsituationen
die Spezialkenntnisse des Radiologen ggf. erforderlich seien (Rosenberg C, Langner
S, Rosenberg B, Hosten N. Fortschr Röntgenstr 2011; 183: 804, 807).
Patientenrechtegesetz und Teleradiologie
Patientenrechtegesetz und Teleradiologie
Ein Wertungswiderspruch zu den Vorschriften für die Teleradiologie in der RöV ergibt
sich scheinbar aus den Regelungen des Patientenrechtegesetzes vom 20.03.2013. Die
durch das Patientenrechtegesetz eingeführte Bestimmung über den sog. Behandlungsvertrag
nach § 630 e des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat folgenden Inhalt:
„(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung
wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung,
zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit,
Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei
der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch
gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen,
Risiken oder Heilungschancen führen können.
(2) Die Aufklärung muss
1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur
Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen
Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält, (…)“.
Hier liegt scheinbar ein Widerspruch zu der Rolle der beiden beteiligten Ärzte im
Rahmen der Teleradiologie vor, wonach der Teleradiologe, der die rechtfertigende Indikation
stellt und die Befundung vornimmt, nicht die Aufklärung des Patienten vornimmt. Zu
dem Verhältnis dieser Normen hat sich die Rechtsprechung bisher nicht geäußert.
Unterschiedliche Zielrichtungen der Röntgenverordnung und des Patientenrechtegesetzes
Zunächst ist anzumerken, dass die Vorschriften in der RöV und dem BGB unterschiedliche
Zielrichtungen haben:
Die Röntgenverordnung regelt öffentlich-rechtlich im Sinne der Gefahrenabwehr die
Grundsätze der Anwendung von Röntgenstrahlung auf den Menschen und beschreibt, wann
und in welcher Form die Anwendung von Röntgenstrahlen erlaubt und ggf. genehmigungsfähig
ist.
In den Neuregelungen zum Behandlungsvertrag nach den §§ 630 a ff. BGB aufgrund des
Patientenrechtegesetzes ist dagegen zivilrechtlich festgelegt worden, welche Pflichten
der Behandelnde (Arzt, Heilberufe) gegenüber dem Patienten hat und wann es privatrechtlich
zu einem Haftungsanspruch des Patienten gegen den Behandelnden kommen kann. Die Regelungen
wirken daher nur im Verhältnis zwischen dem Behandelnden und dem Patienten aufgrund
des Behandlungsvertrags.
Auslegung des § 630 e BGB und Verhältnis zu § 3 Abs. 4 RöV
§ 630 e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB verlangt die Aufklärung durch den Behandelnden oder
eine Person, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt.
Daher besteht die Frage, wie die Formulierung „zur Durchführung der Maßnahme notwendige
Ausbildung“ auszulegen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung kann die Aufklärung auf einen anderen Arzt delegiert
werden (BGH, Urt. v. 27.11.1973; Az.: IV ZR 167/72). Behandelnder und aufklärender
Arzt können daher auseinanderfallen (Schreiber, in: Hk-BGB, § 630e BGB, Rn. 3). Nach
der Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz muss dieser aufklärende Arzt die
notwendige theoretische Befähigung für die Behandlung haben, nicht jedoch die erforderliche
praktische Erfahrung für die selbstständige Durchführung der Maßnahme selbst (BT-DrS. 17/11710,
S. 38 f.). Der Arzt, auf den die Aufklärung übertragen wurde, muss nicht die Kenntnisse
eines Facharztes haben; er muss jedoch die für eine ordnungsgemäße Aufklärung notwendigen
Kenntnisse aufweisen, was auch Kenntnisse erfordern kann, die über den Facharztstandard
hinausgehen (Bender, VersR 2013, S. 962, Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 630 e BGB,
Rn. 8). Maßgeblich wird in der Literatur hinsichtlich der „Ausbildung“ auf die ärztliche
Approbation abgestellt (Rehborn, GesR 2013, S. 257, 264 mit Bezugnahme auf BVerfG,
Beschl. v. 01.02.2011; Az.: 1 BvR 2383/10). Entscheidend ist somit nicht die formale
Qualifikation als Facharzt, sondern die Fähigkeit, den Patienten zu informieren und
dessen Fragen sachgerecht zu beantworten (vgl. Rehborn, a. a. O.).
Dies widerspricht jedoch grundsätzlich nicht dem Regelungssystem der RöV hinsichtlich
der Teleradiologie. Im Rahmen der teleradiologischen Untersuchung sind die Leistungsanteile
räumlich auf verschiedene Ärzte aufgeteilt, wenngleich der Hauptanteil beim Teleradiologen
gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 1 RöV liegt, da dieser die rechtfertigende Indikation zu stellen
hat und die Befundung durchführt.
Nur der Teleradiologe hat nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 RöV „für das Gesamtgebiet der Röntgenuntersuchung
oder Röntgenbehandlung die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz“, die notwendig
ist, um nach § 23 RöV die rechtfertigende Indikation zu stellen; allerdings muss auch
der Arzt am Ort der technischen Durchführung die gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 RöV erforderlichen
Kenntnisse im Strahlenschutz aufweisen, um die notwendigen Informationen zur rechtfertigenden
Indikation zu ermitteln und den Patienten wirksam aufzuklären. Mithin weist er, wie
von der Rechtsprechung im Rahmen der Aufklärung gefordert, Kenntnisse auf, um den
Patienten in sachgerechter Form aufzuklären.
Zudem ist zu bemerken, dass § 630e BGB zwar die neuere Vorschrift ist, § 3 Abs. 4
RöV jedoch eine sogenannte lex specialis hinsichtlich der Durchführung der Teleradiologie
sein dürfte. Allerdings ist der Teleradiologe, wie jeder Behandelnde, verpflichtet,
sicherzustellen, dass der aufklärende Kollege die entsprechenden Kenntnisse für eine
ordnungsgemäße Aufklärung besitzt (BGH, Urt. v. 07.11.2006; Az.: VI ZR 206/05; Weidenkaff,
in: Palandt, BGB, § 630 e BGB, Rn. 8).
Fazit
Im Rahmen der mit den Genehmigungsbehörden strittigen Fragen zur Teleradiologie gibt
es bisher kaum Äußerungen der Obergerichte, sondern nur einzelne verwaltungsgerichtliche
Urteile. Gleichwohl können diese hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen und
des Arzteinsatzes hilfreiche Argumentationsansätze für Ärzte, Krankenhausträgern und
Betreiber gegenüber den Behörden liefern.
In der Rechtsprechung noch ungeklärt ist das Verhältnis der RöV zu den Vorschriften
des PatientenrechtegesetzeS. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die bisherigen
Verfahrensweisen in der Teleradiologie dem Patientenrechtegesetz nicht zuwider laufen.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Lic. iur. can. Urs Fabian Frigger
Rechtsanwalt
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