Die EU fordert im Rahmen der neuen Richtlinie zur Sicherheit beim Umgang mit ionisierenden
Strahlen in der Medizin eine stärkere Einbindung von Medizinphysik-Experten (MPE)
in der Radiologie. Die Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik in der bildgebenden
Diagnostik der DRG (APT) hat darauf mit einem Positionspapier reagiert, das aufzeigt,
wie diese Forderung ohne hohe Belastung der Krankenhäuser und speziell der niedergelassenen
Radiologen umzusetzen ist.
Die neue EU-Richtlinie sieht einen verstärkten Einsatz von Medizinphysik-Experten
(MPE) in der Radiologie vor. Wie kam es dazu und welche neuen Bestimmungen enthält
die Richtlinie?
Lenzen: In der EU gibt es einen kontinuierlichen Trend, Sicherheitsverordnungen immer weiter
zu verschärfen, so auch den Strahlenschutz. Dabei wird die Verantwortung immer stärker
in die Hände der Betriebe gelegt, also weg vom Staat. Dieser soll lediglich den Rahmen
schaffen. Bei der neuen EU-Richtlinie zum verstärkten Einsatz von Medizinphysik-Experten
(MPE) ist das so passiert: Die EU hat zunächst eine Vielzahl von Verordnungen und
Richtlinien zusammengefasst, ein notwendiger Schritt. Dabei hat sie auch einige Schritte
verfeinert und den MPE in der Röntgendiagnostik für ganz spezielle Gebiete auch in
der Röntgendiagnostik gefordert. Hierin ist sie demnach einen Schritt weitergegangen
als bisher: Bisher hieß es lediglich, der MPE kann unter bestimmten Bedingungen zu
Beratungen hinzugezogen werden. Nun muss er hinzugezogen werden. Dies ist eine ganz
andere Dimension.
Warum wurde der MPE obligat gemacht?
Lenzen: Diese Richtlinie entstand aus dem Bedürfnis aller Staaten, Gefahren von der Bevölkerung
fernzuhalten. Es geht explizit darum, die Strahlenbelastung der Bevölkerung unter
Kontrolle zu haben bzw. so gering wie möglich zu halten. In Deutschland gibt es in
der radiologischen Diagnostik 2 Bereiche, die relativ stark zur Strahlenexposition
der Bevölkerung beitragen. Das ist das CT und das sind die Interventionen. Die Interventionen
machen 2% aller Maßnahmen in der Radiologie aus, verursachen jedoch eine Strahlenexposition
von 20%. Beim CT sieht das ähnlich aus. Dieses ist zu 8% an den Gesamtuntersuchungen
beteiligt, verursacht aber eine Strahlenexposition von 60%. Bei einer Beteiligung
von 10% an allen Untersuchungen machen diese beiden Bereiche also eine Strahlenexposition
von 80% aus und für diese 80% sieht die EU einen Handlungsbedarf. Hier soll mehr Sicherheit
geschaffen werden und zwar dadurch, dass der MPE, ähnlich wie in Strahlentherapie
und Nuklearmedizin bereits üblich, intensiver eingebunden wird.
Wie hat die APT auf diese neue Richtlinie reagiert?
Lenzen: Deutschland muss die Richtlinie bis 2018 in geltendes nationales Recht umgesetzt
haben. Daher müssen wir uns schon jetzt überlegen wie eine praxisgerechte deutsche
Richtlinie aussehen könnte. Die Politik wird in naher Zukunft an uns herantreten und
uns nach möglichen Lösungswegen befragen und genau hier hat die APT angesetzt und
mit ihrem Positionspapier Vorschläge gemacht, wie das in einer maßvollen und vernünftigen
Art und Weise möglich wäre.
Was bedeuteten diese Bestimmungen für die Radiologie in Deutschland, vor allem in
Bezug auf Kosten und Personal?
Lenzen: Natürlich werden sich die Kliniken und Praxen zuerst die Frage stellen, was sie die
ganze Sache kostet. Gut ist es, wenn wir uns dann vorher Gedanken dazu machen und
nicht warten bis andere für uns die Entscheidungen fällen. Denn eins ist sicher: die
Auflagen werden kommen und man wird sie umsetzen müssen, auch wenn uns das nicht gefällt.
Zum Thema Personalbedarf haben wir in dem Papier daher konkrete Zahlen ausgerechnet.
Als Grundlage diente uns eine Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische
Physik (DGMP), worin es um den tatsächlichen Personalbedarf geht, mit dem eine vernünftige
Betreuung von Patienten, Mitarbeitern und Geräten im diagnostischen Betrieb zu erreichen
ist. Um die neue Richtlinie umzusetzen, brauchen wir 0,06 MPE pro CT und 0,08 MPE
pro interventionellem Gerät pro Jahr. Das sind also keine riesigen Zahlen und sicher
wird der Markt Möglichkeiten eines pragmatischen Vorgehens schaffen. Beispielsweise
stellt ein Krankenhaus einen oder mehrere MPE ein und verkauft dann seine Leistungen
an andere Häuser oder Praxen. So könnte eine kleinere Praxis dann auch einen „Teil-MPE“
als Dienstleistung erwerben. Darüber hinaus werden sich wohl auch niedergelassene
MPE und entsprechende Dienstleistungsfirmen etablieren.
Bei allen Diskussionen über Kosten und den Sinn und Zweck des Strahlenschutzes darf
man eins nicht außer acht lassen: Der MPE wird viel zusätzliches physikalisches und
technisches Know How in die Kliniken und Praxen bringen und könnte damit die Wirtschaftlichkeit
der Betriebe verbessern. In der Pflicht kann also auch eine Chance stecken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dipl.-Ing. Horst Lenzen, Vorsitzender der APT, im Gespräch.