Der Klinikarzt 2013; 42(12): 548-549
DOI: 10.1055/s-0034-1368108
Medizin & Management
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„Rote Zahlen sind kein Kriterium für Krankenhausschließungen!“ – Interview mit Lothar Riebsamen (CDU), MdB

L Riebsamen
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Publication Date:
20 January 2014 (online)

 

Zusammenfassung

„Fair finanziert – Krankenhäuser brauchen eine Zukunft“ war das Schwerpunktthema des 36. Deutschen Krankenhaustages, der vom 20. bis 23. Dezember im Rahmen der MEDICA in Düsseldorf stattfand. Die Krankenhausfinanzierung ist ein brandheißes Thema, denn die Zukunft der Krankenhäuser sieht alles andere als rosig aus. Jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen; Strukturreformen sind längst überfällig und damit auch Schließungen unvermeidlich. Das weiß auch Lothar Riebsamen, der die CDU auf dem Podium der Auftaktveranstaltung des Deutschen Krankenhaustages vertrat. Riebsamen ist ein profunder Kenner des Deutschen Krankenhauswesens. Bevor der heute 56-Jährige 2009 mit einem Direktmandat des Wahlkreises Bodensee in den Bundestag einzog, lernte er als Spitalverwalter und Amtsleiter für die Verwaltung der Kreiskrankenhäuser die praktische Seite dieses Sektors kennen. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses und Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für die stationäre/teilstationäre medizinische Versorgung, Arbeit und Ausbildung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen steht er jetzt an vorderster Front.


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Herr Riebsamen, Sie haben sich schon vor einem Vierteljahrhundert in Ihrer Zeit als Bürgermeister und Krankenhausverwalter mit der Überkapazität im Krankenhauswesen auseinandersetzen müssen. Hat Baden-Württemberg seine Krankenhauspolitik im Griff?

Lothar Riebsamen: Es ist richtig, in Baden-Württemberg wurden bereits in den 80er Jahren viele Krankenhäuser geschlossen. So gibt es von den 4 Krankenhäusern, mit denen ich beruflich zu tun hatte, heute noch 2 und – so wie ich das sehe – in 5 Jahren nur noch eins. Heute hat Baden-Württemberg die wenigsten Betten auf tausend Einwohner und es ist nicht zum Nachteil für die Menschen dort.

Die Widerstände gegen Schließungen von Krankenhäusern sind bekanntlich hoch und kommen von der Kommune, den Kirchen bis hin zur Landesregierung. Gingen diese Schließungen problemlos über die Bühne?

Riebsamen: Es hat jeweils erhebliche Proteste gegeben; da redet heute kein Mensch mehr drüber. Damals wie heute ist es wichtig, dass wir im ländlichen Raum Krankenhäuser haben, die über eine hohe Qualität verfügen und in einem vernünftigen Zeitraum erreichbar sind. Denn die ländliche Bevölkerung hat den gleichen Anspruch, gute Qualität zu bekommen, wie in Ballungsgebieten.

Warum gelingt es einem Bundesland problemlos, Krankenhäuser zu schließen und andere Länder trauen sich nicht an dieses Problem?

Riebsamen: Man darf nicht vergessen, das war in den 80er Jahren, als es die DRGs noch nicht gab! Das waren andere Zeiten: Es gab die alte Bundespflegesatzverordnung und die Länder mussten eine Krankenhausbedarfsplanung betreiben.Nach Einführung der DRGs hielten die Länder eine solche Krankenhausbedarfsplanung für nicht mehr nötig und hofften auf den Markt, der das schon richten würde. Wer mit den Fallpauschalen nicht klar kommen würde, müsste den Schirm zumachen und die Länder müssten sich nicht mehr die Hände schmutzig machen. Das hat bis zu einem bestimmten Grad auch so geklappt, aber jetzt sind wir am Ende der Fahnenstange angelangt und haben immer noch keine Lösung.

Baden-Württemberg ist eher ein Ausnahmefall; wie sieht es bundesweit aus?

Riebsamen: Richtig, diese Entwicklung – das kann man beim Statistischen Bundesamt nachlesen – hat nicht in allen Bundesländern im gleichen Maße stattgefunden; andere Bundesländer haben bis zu 50 % mehr Betten. Daraus schließe ich, dass wir einen Betten- und Krankenhausüberhang haben, den wir im vernünftigen Umfang reduzieren sollten.

Und was ist aus Ihrer Sicht die Lösung?

Riebsamen: Die Länder müssen in die Pflicht genommen werden und anhand von vernünftigen Kriterien – das sind Qualität, Standort und Entfernung, flächendeckende Versorgung – wieder Krankenhausbedarfsplanung betreiben.Als Bund müssen wir dann aber auch so konsequent sein und die Krankenhäuser, vor allem die kleinen aber bedarfsgerechten im ländlichen Raum, vernünftig mit Geld ausstatten. Da reichen die jetzigen Fallpauschalen nicht aus, hier müssen wir nachjustieren.

Wenn es um Investitionskosten geht, haben sich die Länder in den letzten Jahren – egal ob sie nicht konnten oder nicht wollten – nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wie kann man die Länder zwingen, ihrer Pflicht zu investieren nachzukommen?

Riebsamen: Die Bundesländer müssen bis 2020 die Schuldenbremse einhalten. Das macht ihnen alle Mühe; und zu verlangen, die Investitionen in den Krankenhäusern zu verdoppeln, ist äußerst schwierig. Deswegen werden wir neue Wege gehen müssen.Im derzeitigen Koalitionsvertragsentwurf steht, dass 500 Millionen für Investitionen bereitgestellt werden. 500 Millionen sind eine beachtliche Zahl! Bei den 1500 bis 2000 Krankenhäusern die wir haben, entspricht dies 5 Millionen pro Krankenhaus. Das ist kein Tropfen auf den heißen Stein, damit kann man schon etwas anfangen.

Wenn Krankenhäuser geschlossen werden müssen, dann nach welchen Kriterien? Sind es die kleinen, die man als erstes schließen müsste; die überflüssigen in den Ballungsgebieten oder die, die rote Zahlen schreiben?

Riebsamen: Die roten Zahlen spielen gar keine Rolle! Es gibt Krankenhäuser, die rote Zahlen schreiben, aber dringend für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Wir brauchen bedarfsgerechte Krankenhäuser und wenn wir in einer Region über die Bedarfsgerechtigkeit hinaus zu viele Krankenhäuser haben, dann ist das ein Kriterium für eine Schließung.

Union und SPD planen, die Umwandlung maroder oder überflüssiger Krankenhäuser zu fördern. Macht es nicht mehr Sinn, sie still zu legen?

Riebsamen: Es geht bei diesem Projekt um eine vernünftige Weiterverwendung von Krankenhäusern; vielleicht in eine Umwandlung als ein medizinisches Versorgungszentrum, oder als Nachsorgekrankenhaus.

Damit greift der Bund, an den Ländern und Kommunen vorbei, in die Marktbereinigung ein. Ist das nicht ein beliebter politischer Fehler?

Riebsamen: Ich sehe das als Chance für das eine oder andere Haus, weiterhin eine vernünftige Aufgabe zu haben – egal ob im Ballungsgebiet oder im ländlichen Raum!

Arbeitsbeschaffung statt Abriss?

Riebsamen: Die demografische Entwicklung stellt uns vor neue Aufgaben. Nehmen Sie das Entlassungsmanagement der Krankenhäuser, das in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Zwischen der Krankenhausentlassung und der geriatrischen Rehabilitation haben wir ein Delta, das nicht abgedeckt ist. Und dieses Delta wird durch die demografische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen. Wenn z.B. ältere und alleinstehende Menschen aus dem Krankenhaus entlassen werden müssen, aber noch nicht zuhause alleine zurechtkommen, dann benötigen wir Häuser und Institutionen, die sie in dieser Phase auffangen. Das ist eine sinnvolle Weiterverwendung der Häuser, die man aus diesem Strukturfond finanzieren kann.

Neben der Erreichbarkeit wird die Qualität eines Krankenhauses als ein wichtiges Kriterium genannt. Im Koalitionsvertragsentwurf steht, dass die Qualität der Behandlung in Zukunft eine noch größere Rolle spielen soll als bisher. Und schon ist ein neues Qualitätsinstitut angedacht, das erfahrungsgemäß mehr Bürokratie bringt und viel Geld kostet. Brauchen wir das wirklich?

Riebsamen: Die Frage ist, ob wir den Mut haben neue Wege zu gehen? So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht weitergehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dieses Qualitätsinstitut als unabhängige Einrichtung schaffen und in Kauf nehmen, dass wir hier eine zusätzliche Administration bekommen. Ich sehe im Moment keine vernünftige Alternative.

Reichen Medizinischer Dienst, Leitlinien der Medizinischen Gesellschaften oder Qualitätsstandards zur Qualitätssicherung nicht aus?

Riebsamen: Ich gehe davon aus, dass diese Orientierungsmittel für ein neues Institut eine erhebliche Rolle spielen werden. Nur diese Kriterien kennt doch kein Mensch! Zumindest kein Patient! Und uns geht es darum, dass die Patienten zukünftig einen Überblick über die Qualität der einzelnen Häuser bekommen.Die Qualitätsberichte, die jetzt in Krankenhäusern auch schon gemacht werden – tut mir leid – sind nicht aussagefähig. Sie müssen deutlich aussagekräftiger werden, die Vergleichbarkeit zu anderen Häusern muss hergestellt werden – das ist bislang doch überhaupt nicht der Fall. Und deswegen brauchen wir eine Institution, die alles, was wir jetzt schon haben, bündelt, um sie auch für die Patienten transparent zu machen.

Welche Themen sollte die neue Regierung vorrangig angehen?

Riebsamen: Im Gesundheitsbereich steht die Krankenhausfinanzierung in der nächsten Legislaturperiode absolut an erster Stelle. Die Diskussion verläuft aber nicht in erster Linie zwischen den eventuellen Koalitionspartnern, sondern zwischen Bund und Ländern.Wir haben aufgrund der Länderhoheit bei der Krankenhausbedarfsplanung und bei der Investitionskostenfinanzierung eine sehr starke Einbindung der Länder. Ohne die Länder kann diese Koalition gar nichts machen! Deswegen ist die Einberufung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die 2 Jahre Zeit hat, einen vernünftigen Vorschlag zu erarbeiten, unverzichtbar. Es wäre fatal, wenn man seitens des Bundes oder der eventuellen Koalition, schon jetzt Forderungen an diese Gruppe stellt. Deswegen steht in diesem Koalitionsvertragsentwurf nur der eine Satz: Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

Herr Riebsamen, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anne Marie Feldkamp, Bochum.


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