Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46(01): 1
DOI: 10.1055/s-0034-1367056
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ununterbrochen im Fokus: die distale Radiusfraktur

Always a Topic: The Distal Radius Fracture
K.-J. Prommersberger
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Publication Date:
26 February 2014 (online)

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K.-J. Prommersberger

Die distale Radiusfraktur und ihre Begleitverletzungen beschäftigen – nicht nur arbeitstechnisch – jeden Hand- und Unfallchirurgen. Anfang November fand in Erfurt das 24. Ostdeutsche AOTrauma Seminar statt. Thema waren die distale Radiusfraktur, ihre Begleitverletzungen sowie Folgen. Das Seminar war national sehr gut besetzt und der Veranstalter hatte nicht die Kosten gescheut, Jesse Jupiter, den „Master of the distal radius“ einzufliegen. Am Freitag wurden keine 50 Teilnehmer gezählt und am Samstag kaum mehr. Eine Woche später fand an der LMU München ein ebenfalls national und international gut besetztes Seminar „Wrist sequelae in complex distal radius fractures – open vs. arthroscopic treatment“ statt, organisiert von der Klinik für Handchirurgie, Plastische Chirurgie, Ästhetische Chi­rurgie. Die Teilnehmerzahl lag bei über 200. Dass eine von der AO organisierte Veranstaltung zum distalen Radius weniger Resonanz erfuhr als eine handchirurgisch/plastisch-chirurgische Veranstaltung zum gleichen Thema, hat mich überrascht. Schockiert hat mich, dass die Evaluation des Erfurter Seminars ergab, dass von einigen Teilnehmer die Themen Begleitverletzungen und sekundäre Korrekturen als wenig und überhaupt nicht relevant bewertet wurden.

Als ich 1994 als Unfallchirurg in die Handchirurgie zu Professor Lanz wechselte, hat sich meine Weltanschauung die distale Radiusfraktur betreffend in kürzester Zeit gravierend geändert, denn auf einmal wurde ich mit einer nicht geringen Zahl von Patienten mit persistierenden Beschwerden nach Frakturen des distalen Radius konfrontiert. Beschwerden bei in Fehlstellung verheilten distalen Radiusfrakturen, damals meist nach konservativer Behandlung, Beschwerden basierend auf Begleitverletzungen seitens des ulnokarpalen Komplexes oder des skapholunären Bandes. 1994 ist lange her, und die distale Radiusfraktur ist längst nicht mehr Domäne der konservativen Behandlung. Die Anzahl jährlicher Korrekturosteotomien an der eigenen Klinik ([Abb. 1]) zeigt, dass sich die Anzahl im Vergleich 1994 zu 2012 verdoppelte mit Spitzen von 100 Korrekturosteotomien in den Jahren 2002 und 2003, also in den Jahren, in denen die operative Behandlung der distalen Radiusfraktur „populär“ wurde. Die Zahlen zeigen aber auch, dass heute die Hälfte der Patienten, die einer Radiuskorrektur bedürfen, operativ vorbehandelt ist, wobei wir dies bis 2003 leider nicht bzw. nur unvollständig bei der digitalen Op-Daten-Verschlüsselung erfassten.

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Abb. 1 Anzahl der Radiuskorrekturosteotomien an der Klinik für Handchirurgie Bad Neustadt im Zeitraum von 1992 bis 2012.

Bekanntermaßen liegt mir die distale Radiusfraktur am Herzen, insbesondere die Rekonstruktion der massiv zerstörten Radiusgelenkfläche bei frischen Frakturen und die Behandlung der fehlverheilten Radiusfraktur. Entsprechend freut es mich, dass der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes der Handchirurgie Mikrochirurgie Plastische Chirurgie die distale Radiusfraktur ist; ein Thema, das uns Handchirurgen und Unfallchirurgen in den nächsten Jahren bei steigender Inzidenz der Radiusfraktur noch mehr beschäftigen wird. Dabei sollte man weder die Begleitverletzungen noch die Folgen der Radiusfraktur, erst Recht nicht die Folgen unseres eigenen Handels, außeracht lassen.