Auf der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
(DGSM) e. V. trafen sich vom 17.–19. Oktober 2013 rund 1745 Experten aus Wissenschaft,
Klinik und Praxis in Wiesbaden. Der Kongress stand unter dem Motto „Der Blick zurück
und der Weg nach vorn“.
Unter Leitung der Tagungspräsidenten Dr. Jörg Heitmann, Dr. Tim O. Hirche und Prof.
Richard Schulz wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Symposien, freien Vorträgen
sowie einem zusätzlichen Fort- und Weiterbildungsangebot für medizinisch-technisches
Personal neue Erkenntnisse und praktische Erfahrungen zur Bedeutung des Schlafes für
Gesundheit, Leistung und Lebensqualität präsentiert und zur Diskussion gestellt. Rund
7,4 Mio. Deutsche leiden an Schlafstörungen – Tendenz steigend. Ein Faktor, der dazu
beigetragen hat, sind die Lebensbedingungen in unserer modernen Welt, wie Globalisierung,
Hektik und Stress, die ständige Erreichbarkeit, soziale Netzwerke, die beleuchteten
Städte, die die Nacht zum Tag machen. Die neuen Forschungsergebnisse, die auf dem
DGSM-Kongress präsentiert wurden, zeigten, welchen entscheidenden Einfluss Schlaf
in allen Lebensphasen auf das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit hat.
Die Forschergruppe des Neurologen Prof. Matthias Schwab, Jena, stellte innovative
Untersuchungen zum Schlafen im Mutterleib vor. Die Schlafentwicklung beim ungeborenen
Kind wird durch Stress und die therapeutische Gabe von Stresshormonen zur Förderung
der Lungenreifung bei drohender Frühgeburt stark beeinflusst. Die therapeutische Gabe
von Stresshormonen während der Schwangerschaft beeinflusst nach neuen Erkenntnissen
langfristig die Stressregulation des Kindes und führt zu kognitiven Problemen und
Verhaltensstörungen, die noch im Grundschulalter sichtbar sind. Es wurde zudem dargestellt,
dass das fetale Gehirn akustische Reize in Abhängigkeit vom Schlafstadium, in dem
sich das Baby im Mutterleib befindet, verarbeitet. Dies geschieht jedoch erst in den
letzten Wochen der Schwangerschaft.
Weitere Forschungsergebnisse wurden zu Schlafproblemen bei Kindern und Jugendlichen
vorgestellt, so zum Beispiel zu begleitenden Angstsymptomen, zu Fremd- und Autoaggression
und zum Zusammenhang von Schlaf, Schlafdauer und Schlafstörungen. Wie entscheidend
die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte sein kann, wurde am Krankheitsbild
der kindlichen Schlafapnoe aus Sicht eines Pädiaters, eines HNO-Arztes und eines Kieferorthopäden
verdeutlicht. Wie neue Studien zeigten, sind rund 3 % aller Kinder davon betroffen
und leiden unter angestrengter Atmung, Schnarchen und einem nicht erholsamen Schlaf.
Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Kinder, die häufig oder fast immer schnarchen,
ein höheres Risiko für schlechtere Schulleistungen haben als nicht schnarchende Kinder.
Dr. Susanne Diekelmann vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie
der Universität Tübingen präsentierte zusammen mit Kollegen neue Untersuchungen zu
Bedingungen und Einflussfaktoren für die Gedächtnisbildung im Schlaf, für die der
erholsame Schlaf eine große Rolle spielt. Die Ergebnisse zeigten, dass äußere Einflüsse
wie elektromagnetische Funkwellen den Schlaf und die Lernfähigkeit verändern können.
Verschiedene Studien wiesen darauf hin, wie entscheidend der Erholungswert des Schlafes
ist. Auch wenn der circadiane Schlaf-Wach-Rhythmus konstitutionell festgelegt ist,
ist die Schlafdauer individuell beeinflussbar und kann verändert werden. Bei vorübergehenden
Abweichungen sollten keine ernsthaften Folgen für die Gesundheit auftreten. Weitreichende
Folgen sind jedoch zu befürchten, wenn der individuelle Schlaf-Wach-Rhythmus und Schlafbedarf
langfristig nicht eingehalten werden kann.
Neue Forschungen im Bereich der Chronobiologie zeigten, welche Auswirkungen die Anpassung
der individuellen Schlaf- und Wachabläufe auf soziales Umfeld und berufliche Anforderungen
hat.
Die Neurologin und Schlafmedizinerin Prof. Svenja Happe, Telgte, präsentierte aktuelle
Studien zu den komplexen Zusammenhängen von Schlaf und Kopfschmerz. Schlafbezogene
Kopfschmerzformen, die den Schlaf und nachfolgend die Tagesbefindlichkeit und Lebensqualität
erheblich stören können, könnten meistens gut behandelt werden, wenn sie erst einmal
richtig diagnostiziert sind. Manchmal können auch Träume Hinweise auf die Ursache
von Schlafstörungen geben. Es wurde gezeigt, dass Depression, Schizophrenie, Angsterkrankungen
und posttraumatische Belastungsstörungen spezifische Auswirkungen auf Träume haben
können. Dr. Helmut Frohnhofen, Essen, untersuchte den Schlaf im hohen Lebensalter.
Zu Auswirkungen von Schlafstörungen auf Demenzkranke diskutierten die Experten innovative
diagnostische und therapeutische Ansätze.
Die Ausführungen des Vorsitzenden der DGSM, Dr. Alfred Wiater, Köln, zur gesellschaftlichen
Relevanz von Schlafstörungen und zu wirtschaftlichen Konsequenzen gaben wichtige Impulse
zu aktuellen Diskussionen. Mit einer adäquaten, qualitativ hochwertigen Behandlung
der Patienten, die unter Schlafstörungen leiden, ließe sich die hohe Zahl der Betroffenen
deutlich verringern. Ein wichtiger Schritt wäre die Etablierung einer schlafmedizinischen
Zusatzqualifikation für niedergelassene Ärzte (oft die erste Anlaufstelle für Patienten),
deren Diagnostik entscheidend sein kann. Wie wichtig dann die richtige Therapie ist,
verdeutlichte Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums des
Pfalzklinikums Klingenmünster: „Die sprechende Medizin wird eher vernachlässigt in
unserem Gesundheitssystem, im Vordergrund steht eher die Instrumentenmedizin.“ Viele
von Schlafstörungen Betroffen könnten von einer Verhaltenstherapie profitieren. Der
Einsatz von Medikamenten sollte eindeutig indiziert sein und regelmäßig überwacht
werden.
Die nächste Jahrestagung der DGSM findet vom 4.–6. Dezember 2014 unter der Leitung
von Dr. Alfred Wiater, Dr. Wolfgang Galetke, Köln, und Prof. Winfried Randerath, Solingen,
in Köln statt.
Kerstin Aldenhoff, Jena