Aktuelle Urol 2014; 45(01): 9-12
DOI: 10.1055/s-0034-1366935
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bildgebung – Harnleitersteine darstellen: Was ist die beste Technik?

Contributor(s):
Anna Winters

J Urol 2013;
189: 1203-1213
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Publication History

Publication Date:
05 February 2014 (online)

 
 

Mitglieder der Amerikanischen Urologischen Gesellschaft AUA haben aktuell den Status quo der bildgebenden Techniken zur Darstellung von Harnleitersteinen bewertet. Die Protokolle, die sie dabei ausgearbeitet haben, sollen dem Kliniker die optimale Bildgebung an die Hand geben und zwar von der Diagnose bis zur Nachsorge – auch unter wirtschaftlichen Aspekten. J Urol 2013;189:1203–1213

mit Kommentar

Grundlage der technischen Bewertung bildete eine Literaturrecherche englischsprachiger Publikationen aus den Jahren 1999–2011. Die folgenden Techniken nahmen Erstautor Pat Fox Fulgham und Kollegen in die Suche auf:

  • native Computertomografie

  • konventionelle Röntgenaufnahme

  • Ultraschall

  • Ausscheidungsurogramm

  • Magnetresonanztomografie

  • Nuklearmedizin

Um das optimale Vorgehen zu erarbeiten, beantworteten die Autoren 4 Fragen:

  1. Welche Bildgebung sollte man bei einem Verdacht auf Harnleitersteine wählen?

  2. Welche Informationen werden benötigt?

  3. Welche Bildgebung ist nach der positiven Diagnose am besten für ein Follow-up geeignet?

  4. Was ist die beste Wahl, um den Therapieerfolg zu beurteilen?

Bei Verdacht: konventionelles Low-Dose-CT

Zur Abklärung eines Verdachts auf Harnleitersteine Urologen das native CT mit einer niedrigen Energiedosis. Diese Wahl basiert auf einer medianen Sensitivität und Spezifität von 97 und 98 %. Damit ist die Computertomografie den anderen Verfahren weit überlegen.

Die Literaturrecherche lasse den Schluss zu, so die Autoren, dass der obere Grenzwert der niedrigen Dosis bei 4 mSv liege.

Diese empfehlen die Experten bei Patienten mit einem BMI von ≤ 30 kg / m2. Bei allen anderen Patienten ist die native Computertomografie im Standardprotokoll zu fahren.

In Fällen, in denen mithilfe des CT kein Stein dargestellt werden konnte, raten die Urologen zu einer Abdomenübersichtsaufnahme, bei der sich auch bei negativem CT noch in 10 % der Fälle ein Konkrement nachweisen lässt. Eine Möglichkeit, die Methode zu unterstützen, sind zusätzliche schräge Aufnahmen. Auch dem Follow- up nach der Diagnose sollte die Abdomenübersicht dienen.

Eine Kombination aus Ultraschall und Abdomenübersichtsaufnahme ist eine Option für Patienten, die schon zuvor röntgendichte Harnsteine gebildet hatten. Diese Methode erreicht in der Literatur eine Sensitivität von 58–100 % und Spezifität von 37–100 %.


Bei Kindern und Schwangeren zunächst Ultraschall

Trotz der geringeren Sensitivität empfehlen die Experten aufgrund der Strahlenbelastung bei Kindern und Schwangeren den Ultraschall als Mittel der Wahl. Führt die Sonografie nicht zum Ziel, ist ein konventionelles, gering dosiertes CT in Erwägung zu ziehen. Es ist zu bedenken, dass der Fetus im ersten Trimester am anfälligsten für die Strahlung ist. Ein Komitee des „American College of Obstetricians and Gynecologists“ befürwortet den Einsatz der Low-Dose-Computertomografie mit der Begründung, dass bei einer Exposition von weniger als 0,05 Gy keine fetalen Fehlbildungen zu erwarten sind.


Beobachtung des natürlichen Verlaufs

Eine qualitativ hochwertige Studie kam zu dem Schluss, dass Harnleitersteine in 83 % der Fälle ohne Intervention abgehen. Dies geschieht in der Regel (zu 95 %) innerhalb von 6 Wochen des Follow-up. Daher empfehlen die europäisch-amerikanischen Richtlinien bei Patienten mit kontrollierter Symptomatik zunächst die expulsive Therapie. Klare Empfehlungen, wie die Bildgebung für deren Verlauf aussehen sollte, lassen sich aus der Literatur nach Aussage der Autoren nicht ableiten. Sie gehen aber davon aus, dass bei Patienten

  • mit röntgendichten Harnleitersteinen, die einen Durchmesser < 10 mm haben,

  • mit minimaler bis moderater Hydronephrose,

  • ohne erkennbare Schädigung der Niere und

  • kontrollierter Symptomatik

die Sonografie in Kombination mit Abdomenübersichtsaufnahme den besten Kompromiss zwischen Sensitivität, Strahlenbelastung und Kosten liefert. Erreicht dieses Verfahren keine zufriedenstellende Darstellung vermutlich persistierender Steine, steht wiederum das Low-Dose-CT zur Disposition – beschränkt auf die Region, die von Interesse ist.


Follow-up nach spontanem Abgang / Intervention

Spontaner Abgang und expulsive Therapie

Bei symptomlosen Patienten mit sicher dokumentiertem Abgang der Harnleitersteine, spontan oder nach expulsiver Therapie, ist keine weitere Bildgebung notwendig. Leiden diese Patienten weiterhin unter Symptomen ermöglicht die Sonografie die Darstellung von etwaigen Hydronephrosen, die im Folgenden in einer kontrastmittelunterstützten Computertomografie abgeklärt werden – vorausgesetzt die Nieren sind funktionstüchtig und es besteht keine Allergie.


Erfolgskontrolle nach Intervention

Obwohl bei postoperativ symptomfreien Patienten Obstruktionen der ableitenden Harnwege sehr selten seien, halten die Autoren eine routinemäßige sonografische Kontrolle im Follow-up für gerechtfertigt. Ein routinemäßig durchgeführtes Urogramm bei symptomfreien Patienten ohne präoperative Obstruktion seien hingegen aus ökonomischer Sicht und aufgrund der Strahlenbelastung schlechter zu rechtfertigen – nach Bugg et al. müsste man 25 Patienten röntgen, um einen Fall mit einer persistierenden Obstruktion zu identifizieren.

Zur Erfolgskontrolle nach Stoßwellentherapie bietet sich die Kombination aus Ultraschall und Abdomenübersichtsaufnahme an bzw. lediglich der US bei nicht röntgendichten Steinen. Zeigen sich nach erfolgter Therapie in US oder Abdomenübersichtsaufnahme weiterhin Hydronephrosen / Harnsteinfragmente, erfolgt die Abklärung im Low-Dose-CT.

Bei der Ureteroskopie unterscheiden die Autoren zwischen einem intakten entfernten Stein und einem fragmentiert entfernten Stein:

  • intakter Stein

    • symptomloser Patient: zunächst sonografische Kontrolle, bei Hydronephrose erfolgt kontrastmittelunterstütztes CT

    • persistierende Symptome: direkt kontrastmittelunterstütztes CT

  • Fragmentierung

    • persistierende Symptome: Sono und Abdomenübersichtsaufnahme bzw. Low-Dose-CT falls Steine nicht röntgendicht

    • keine Symptome: Sono und Abdomenübersichtsaufnahme bzw. nur Sono falls Steine nicht röntgendicht

    • bei mittels Sono / Abdomenübersichtsaufnahme dargestellten postoperativen Hydronephrosen: Low-Dose-CT



Jede Technik erfordert optimierte Protokolle

Die weniger sensitiven Methoden sind im Follow-up teilweise zunächst vorzuziehen, weil sie mit einem geringeren Risiko verbunden sind. Damit ihr Erfolg wahrscheinlicher wird, legen die Autoren den Klinikern nahe, die Protokolle jeder Technik zu optimieren. Das bedeute bspw. bei Ultraschall und Abdomenübersichtsaufnahme, den Patienten nüchtern zu untersuchen, damit weniger Gase in den Eingeweiden die Untersuchung beeinträchtigen. Dies gilt auch für konventionelle Urogramme, bei denen Maßnahmen ergriffen werden sollten, die die Gase in den Eingeweiden reduzieren. Ferner können Aufnahmen aus zusätzlichen Perspektiven die Darstellung bereichern.

CTs sollten auf die anatomisch notwendigen Regionen beschränkt und mit der minimal notwendigen Dosis gefahren werden. Spezielle Protokolle erlauben nach Angaben der Experten bei der Computertomografie von Abdomen und Becken eine Reduktion der effektiven Dosis auf 10 bis 3 mSv.

Fazit

Einer Überlegenheit des CT bei der Darstellung von Harnleitersteinen gegenüber Ultraschall und Abdomenübersichtsaufnahme stehen höhere Kosten und das Risiko durch eine höhere Strahlenbelastung gegenüber – bei kontrastmittelverstärkten Methoden kommen weitere Risiken hinzu. Für ein Follow-up erscheinen US und Abdomenübersichtsaufnahme für die meisten Fälle ausreichend zu sein. Die Autoren der vorliegenden Beurteilung geben im Detail an, für welche Fragestellungen ein CT notwendig wird und wann das Low-Dose-CT dem Standardprotokoll mit ggf. zusätzlichem Kontrastmitteleinsatz vorzuziehen ist.


Kommentar

Hoch lebe das CT?

Nun scheint alles klar zu sein: Die American Association of Urology (AUA) hat sich intensiv der optimalen Bildgebung beim Harnleiterstein gewidmet [ 1 ]. Trotz der Ausführlichkeit der publizierten Protokolle, die in strenger Anlehnung an geltende Evidenz-Regeln erstellt wurden, stellen sich evidente Fragen nach der Interpretation der Ergebnisse sowie der Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse. Insbesondere die Rolle der Computertomografie in der primären Diagnostik gilt es dabei zu beleuchten.

Ultraschall nur bei Kindern?

Die aktuelle deutsche AWMF-Leitlinie zum Thema Urolithiasis von 2009 beschreibt die Bildgebung zur Steindiagnostik als „klassisches Konzept“ mit der Sonografie als Primärdiagnostik [ 2 ]. Wo findet sich der Ultraschall in der primären Diagnostik der AUA-Protokolle? Lediglich bei Kindern wird dem Ultraschall eine führende Rolle zugestanden, da hier besondere Bedenken hinsichtlich der Strahlenbelastung bestehen. Zugleich wird allerdings das ALARA-Prinzip (ALARA: As Low As Reasonably Achievable) in der Anwendung von Röntgenstrahlung gefordert [ 3 ]. Gilt dieses Prinzip der Vermeidung nur für Kinder und nicht für Erwachsene? Tatsächlich bietet der Ultraschall mit seinen Sub-Modalitäten deutlich mehr, als die Literatur über Evidenzgrade ausdrücken kann. Es können nicht nur Steinlokalisation und Steingröße festgestellt werden, sondern auch funktionelle Aussagen getroffen werden. Pepe et al. konnten 2005 im European Journal of Radiology zeigen, dass die Messung des Resistance Index mittels Doppler-Sonografie in Kombination mit einer Überprüfung des ureteralen Jet-Phänomens mit 99 und 91 % eine ähnlich hohe Sensitivität und Spezifität in der Vorhersage einer ureteralen Obstruktion erreicht, wie die Computertomografie [ 4 ].

Für die große Patientengruppe mit bekannten röntgenpositiven Konkrementen ist die Kombination aus Sonografie und Ausscheidungsurogramm (AUG) eine berechtigte Alternative zur CT-Untersuchung, was leider nur in einem Nebensatz des AUA-Artikels zur Sprache kommt. Diese Aussage steht in klarem Widerspruch zur aktuellen EAU-Leitlinie, wonach die Nativ-CT-Untersuchung dem AUG pauschal vorzuziehen ist (Grad-A-Empfehlung) [ 5 ]. Leider wird in dieser doch sehr konkreten Empfehlung nicht zwischen Low-Dose- und herkömmlichem Nativ-CT differenziert. Weiterhin wird die Aussagekraft des AUGs hinsichtlich der Nierenfunktion sowie der Abflussverhältnisse nicht mit in die Diskussion einbezogen. Eigenartigerweise wird für den Fall einer Therapieplanung nach diagnostischem Nativ-CT eine funktionelle kontrastmittelgestützte Untersuchung empfohlen [ 5 ]. Ein primäres AUG würde diesen Schritt überflüssig machen.

Ein weiteres, gerne verwendetes Argument gegen den primären Einsatz der AUG (neben der weniger sensitiven und spezifischen Steindetektion im Vergleich zur Computertomografie) ist der erforderliche Einsatz von jodhaltigem Kontrastmittel. Die Literatursuche nach stichhaltigen Zahlen zur Häufigkeit von schweren allergischen Reaktionen, dauerhafter Einschränkung der Nierenfunktion und nephrogener systemischer Fibrose gestaltet sich jedoch aufgrund deren Seltenheit als frustrierend.

CT ist nicht gleich CT

Ohne Zweifel hat die Computertomografie ihren Stellenwert in der Steindiagnostik. Dennoch ist es für den indizierenden Urologen essenziell, nicht sämtliche CT-Modalitäten unter dem Begriff CT zu subsummieren. Zu vielfältig ist die technische Ausstattung vieler radiologischer Einrichtungen, zu vielfältig sind die gewählten Schichtdicken und Scan-Protokolle für das eigentlich gewünschte Low-Dose-Stein-CT. In den aktuellen EAU-Leitlinien wird klar zwischen dem herkömmlichen Nativ-CT und dem Low-Dose-nativ-CT unterschieden, wobei sich die angegebene Strahlenbelastung ebenfalls deutlich unterscheidet: 4,5–5,0 mSV vs. 1,0–1,9 mSv (die Strahlenbelastung des AUG ist im Vergleich dazu mit 1,3–3,5 mSv angegeben) [ 5 ]. Wie im AUA-Artikel beschrieben ist es unverzichtbar für den Urologen, eine klare Indikation für ein Low-Dose-nativ-CT zu stellen, im Gegensatz zu einem herkömmlichen Nativ-CT. Eine abschließende Information vom durchführenden Radiologen über die tatsächlich erreichte effektive Dosis der Untersuchung ist zur Einschätzung der technischen Bedingungen sehr hilfreich. Doch leider sind Angaben über die Strahlenbelastung ebenso wenig routinemäßiger Bestandteil des radiologischen Befunds, wie Angaben bez. der Hounsfield-Einheiten der Konkremente. Sollte dem akut behandelnden Urologen ein Low-Dose-nativ-CT zur Verfügung stehen, so wäre dies sicherlich die diagnostisch bessere Variante im Vergleich zum selbst durchgeführten AUG.

Zur Vervollständigung muss zuletzt noch der Kostenfaktor kommentiert werden. Im Artikel ist die Rede davon, dass die Nativ- CT-Untersuchung nur doppelt so teuer ist, wie eine Ultraschalluntersuchung. Dies gilt sicher nicht für deutsche Verhältnisse.

AUA-Protokolle keine starre Schablone

Eine reflexartige, flächendeckende Indikationsstellung zur CT-Untersuchung im primären Stadium scheint in Deutschland nicht der optimale Pfad zu sein. Der deutsche Urologe praktiziert gerne nach dem Prinzip „Selbst ist der Mann“. Sowohl in der Uro-Gynäkologie, in der Uro-Onkologie, als auch in der Uro-Radiologie werden die Patienten gerne von der Diagnostik bis zur Therapie aus einer Hand versorgt. Insbesondere die Uro-Radiologie hat innerhalb der Urologie in Deutschland einen traditionell hohen Stellenwert. Während z. B. in den USA von Urologen kaum noch selbstständig radiologische Diagnostik durchgeführt wird, ist der Röntgenapparat aus deutschen Kliniken und Praxen nicht wegzudenken. Selbiges gilt auch für die Anwendung des Ultraschalls. In kaum einem zweiten Land der Erde wird man eine vergleichbare Ausstattung von urologischen Praxen und Kliniken mit Röntgengeräten und Ultraschallgeräten finden, die den behandelnden Urologen in die Lage versetzt, auf Basis der eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen eine hochqualitative und zuverlässige Primärdiagnostik ohne den pauschalen Einsatz der teuren Computertomografie durchzuführen. Dies steht aber nicht im Widerspruch zum AUA-Artikel: Die Autoren der AUA-Protokolle verstehen diese nicht als absolute diagnostische Vorgabe, sondern als Vorschlag für das Vorgehen unter bestimmten Bedingungen. Diese Erkenntnis sollte den deutschen Urologen einerseits davor bewahren, die AUA-Protokolle als eine starre Schablone für die individuelle Patientenversorgung zu verwenden und damit von seinen bewährten effektiven diagnostischen Pfaden abzuweichen (auch scheinbar entgegen den aktuellen EAULeitlinien). Die ubiquitäre strikte Einhaltung der vorgeschlagenen Vorgehensweisen würde sicherlich nicht zu einer optimalen Effektivität der bildgebenden Diagnostik der Urolithiasis in Deutschland führen.

PD Dr. Hans-Martin Fritsche, Regensburg


PD Dr. Hans-Martin Fritsche


ist Oberarzt an der Klinik für Urologie der Universität Regensburg

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