Z Gastroenterol 2014; 52(07): 711-743
DOI: 10.1055/s-0034-1366687
Leitlinie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ergebnisse einer S2k-Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) gemeinsam mit der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) zur Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität

Results of a S2k-Consensus Conference of the German Society of Gastroenterolgy, Digestive- and Metabolic Diseases (DGVS) in Conjunction with the German Coeliac Society (DZG) Regarding Coeliac Disease, Wheat Allergy and Wheat Sensitivity
J. Felber
1   Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
,
D. Aust
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
,
S. Baas
3   Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (DZG), Stuttgart
,
S. Bischoff
4   Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim, Stuttgart
,
H. Bläker
5   Institut für Pathologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin
,
S. Daum
6   Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin
,
R. Keller
7   Medizinische Klinik II, Gastroenterologie, Onkologie, Klinikum Aschaffenburg
,
S. Koletzko
8   Dr. von Hauner Kinderspital, Klinikum der Universität München Campus Innenstadt, Ludwig-Maximilians-Universität München
,
M. Laass
9   Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
,
M. Nothacker
10   Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), Philipps-Universität, Marburg
,
E. Roeb
11   Medizinische Klinik II, Abteilung für Gastroenterologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen
,
D. Schuppan*
12   Institut für Translationale Immunologie, Universitätsmedizin Mainz, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
,
A. Stallmach*
1   Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Jörg Felber
Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erlanger Allee 101
07740 Jena
Germany   

Publikationsverlauf

14. April 2014

23. Mai 2014

Publikationsdatum:
15. Juli 2014 (online)

 

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Seite

Einleitung und Methodik

711

Einleitung

711

E-1

Hintergrund

711

E-2

Ziele der Leitlinie

712

Methodik

712

M-1

Versorgungsbereich und Zielgruppen

712

M-2

Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessengruppen

712

M-3

Beteiligte Gruppierungen und Fachgesellschaften

713

M-4

Redaktionelle Unabhängigkeit und Umgang mit potenziellen Interessenskonflikten

713

M-5

Durchführung

713

a) Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege (Evidenzbasierung)

713

b) Formulierung der Empfehlungen und strukturierte Konsensfindung

713

M-6

Externe Begutachtung und Verabschiedung

714

M-7

Verbreitung und Implementierung

714

M-8

Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren

714

Kapitel

714

K-1

Klinisches Bild der Zöliakie einschließlich Begleiterkrankungen und Spektrum der weizenabhängigen Erkrankungen (Weizenallergie und Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität) (AG 2)

714

K-2

Diagnostik (AG 1)

718

K-3

Therapie (AG 3)

724

K-4

Pathologie (AG 4)

729

K-5

Refraktäre Zöliakie, ulzerative Jejunitis und enteropathieassoziiertes T-Zelllymphom (EATL); (AG 5)

731

Literatur

737

Einleitung und Methodik

E-1 Hintergrund

Die Zöliakie ist eine lebenslange immunologisch vermittelte chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die sich bei Personen mit genetisch-determiniertem Risiko manifestiert. Sie ist die Folge einer fehlgerichteten Immunantwort auf Gluten und verwandte Proteine, die in Weizen, Roggen, Gerste und anderen Getreidesorten vorkommen. Die Immunreaktionen führen zu entzündlichen Veränderungen im Dünndarm und potenziell zu systemischen Komplikationen. Die intestinale Schädigung wiederum kann zu einer Malabsorption von Nahrungsstoffen und entsprechenden Folgeerkrankungen führen. In den letzten Jahren sind weitere weizenabhängige Erkrankungen, die Weizenallergie und die „Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität“ Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, aber auch intensiver Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit geworden.

Historisch gesehen wurde die Zöliakie lange Zeit als eine relativ seltene Erkrankung des Kindesalters betrachtet. Verbesserte Diagnosemöglichkeiten, wie z. B. die Einführung der Endomysium- bzw. Transglutaminase-Antikörpernachweise, haben in den 1980er- und -90er-Jahren zu einer deutlichen Zunahme der erkannten Fälle geführt. Zusätzlich wurde auch eine Verschiebung des Diagnosealters hin ins Erwachsenen-, teilweise ins höhere Erwachsenenalter beobachtet [1].

Darüber hinaus gibt es epidemiologische Hinweise, dass nicht nur die Anzahl der erkannten, sondern auch die Anzahl der absoluten Erkrankungsfälle zugenommen hat [1] [2] [3] [4].

Die Zunahme der Inzidenz in den letzten Jahren weist auf Umweltfaktoren (z. B. gastrointestinale Infektionen, veränderte Ernährungsgewohnheiten, psychosoziale Faktoren) als Risikofaktoren für die Entstehung einer Zöliakie und die mit ihr assoziierten Autoimmunerkrankungen hin [5] [6] [7] [8] [9].

Die Prävalenz der Zöliakie liegt in Deutschland bei ca. 0,3 %. Damit liegt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der unteren Quartile [10]. Zur Häufigkeit der anderen weizenabhängigen Erkrankungen gibt es keine guten epidemiologischen Daten. Experten gehen davon aus, dass zwischen 0,5 und 7 % der Bevölkerung betroffen sind. Nach Selbsteinschätzung von Erwachsenen sind bis zu 13 % der Bevölkerung betroffen [11].

Obwohl die Zöliakie in den letzten Jahren zunehmend Beachtung gefunden hat, muss immer noch von einer hohen Anzahl an erkrankten, aber nicht diagnostizierten Personen ausgegangen werden. Dieses ist um so mehr von klinischer Relevanz, da fortgesetzte Glutenexposition bei nicht diagnostizierten Zöliakiebetroffenen das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen, wie z. B. den Diabetes mellitus Typ 1 oder die Autoimmunthyreoiditis, erhöhen kann [12].

Der erhöhten klinischen Relevanz der Zöliakie wurde in den letzten Jahren durch die Entwicklung internationaler Leitlinien Rechnung getragen. So haben u. a. 2012/2013 die Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung [13], die Amerikanische Gesellschaft für Gastroenterologie [14] und die World Gastroenterology Organization [155] Leitlinien vorgestellt. Die S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS), die gemeinsam mit der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) entwickelt wurde, versteht sich ganz bewusst als Ergänzung zu diesen bereits existierenden Leitlinien. Die aktuellen Publikationen, die nach Veröffentlichung o. g. Leitlinien erschienen sind, wurden kritisch gewürdigt und haben – wenn sinnvoll – Eingang in die Empfehlungen dieser Leitlinie gefunden.


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E-2 Ziele der Leitlinie

Das Ziel der interdisziplinären S2k-Leitlinie „Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität“ ist es, den aktuellen Kenntnisstand zu klinischem Bild, Diagnostik, Therapie, Pathologie und refraktärer Zöliakie einschließlich der mit Zöliakie assoziierten Malignome bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz zusammenzufassen, im Expertenkonsens zu bewerten und daraus praxisrelevante Empfehlungen abzuleiten. Die Leitlinie soll einen Handlungskorridor für häufige Entscheidungen liefern. Sie soll zudem der evidenzbasierten Fort- und Weiterbildung dienen und somit eine Verbesserung der medizinischen Versorgung von Zöliakiebetroffenen Personen erreichen.

Hierzu seien weitere erläuternde Vorbemerkungen vorangestellt.

  1. Das Krankheitsbild, die Diagnostik und Therapie der Zöliakie können sich in verschiedenen Aspekten zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden. Vor diesem Hintergrund wurden die besonderen Empfehlungen zu Kindern und Jugendlichen von den Empfehlungen zu adulten Patienten abgegrenzt. Eine separate Leitlinie für Kinder und Jugendliche oder für Erwachsene erschien den Koordinatoren und den Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften wegen der weiträumigen Überschneidungen nicht sinnvoll.

  2. Die Qualität der wissenschaftlichen Evidenz zur Weizenallergie und zur Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität wird als nicht so hoch eingeschätzt wie die Qualität der wissenschaftlichen Evidenz zur Zöliakie. Insbesondere in diesem Bereich fehlen klare international akzeptierte Definitionen, sodass häufig lediglich Expertenmeinungen Grundlage für die Empfehlungen bilden können.

  3. Die Gültigkeit dieser Leitlinie beträgt 5 Jahre. Eine Revision ist für 2018/2019 geplant.


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Methodik

M-1 Versorgungsbereich und Zielgruppen

Die Leitlinie gilt sowohl für die ambulante als auch die stationäre Versorgung. Die Empfehlungen richten sich an alle an der Diagnostik und Therapie beteiligten Berufsgruppen (insbesondere Hausärzte, Allgemeinmediziner, Internisten, Gastroenterologen, Kinderärzte, Kindergastroenterologen, Pathologen, endoskopisch tätige Chirurgen und Ernährungsberater) ebenso wie an alle betroffenen Personen.


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M-2 Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessengruppen

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) beauftragte Andreas Stallmach und Detlef Schuppan mit der Leitung der Leitlinienerstellung. Diese legten die Eckpunkte des Konsentierungsverfahrens fest, luden andere Fachgesellschaften ein und wählten die Mitglieder der Arbeitsgruppen aus. Dabei erfolgte die Auswahl der AG-Mitglieder primär nach fachlicher Expertise. Es wurde Wert darauf gelegt, dass in jeder Arbeitsgruppe zwei Patientenvertreter, die von der DZG benannt wurden, teilnahmen ([Tab. M-2]).

Tab. M-2

Mitarbeiter der Leitlinie.

Mitarbeiter der Leitlinie

AG 1 „Diagnostik“

Martin W. Laaß (GPGE, Dresden)

Detlev Schuppan (DGVS, Mainz)

Hubert Allgayer (Bad Mergentheim)

Stephanie Baas (DZG, Hamburg)

Thomas Mothes (Leipzig)

Barbara Schäfer (DZG, Bergatreute)

AG 2 „Klinisches Bild“

Elke Roeb (DGVS, Gießen)

Andreas Stallmach (DGVS, Jena)

Mirijam Eiswirth (DZG, Bremen)

Winfried Häuser (Saarbrücken)

Wolfgang Holtmeier (Köln)

Klaus-Michael Keller (GPGE, Wiesbaden)

Bernhard Lembcke (Gladbeck)

Heide Mecke (DZG, Villingen-Schwenningen)

AG 3 „Therapie“

Stephan C. Bischoff (DGEM, Stuttgart)

Sibylle Koletzko (GPGE, München)

Maria Brandstätter (DZG, Neu-Ulm / Burlafingen)

Walburga Dieterich (Erlangen)

Dan Kühnau (DZG, Berlin)

Jürgen von Schönfeld (Bergisch-Gladbach)

AG 4 „Pathologie“

Daniela E. Aust (DGP, BDP, Dresden)

Nikolaus Gaßler (DGP, BDP, Aachen)

Sofia Beisel (DZG, Stuttgart)

Hendrik Bläker (Berlin)

Falko Fend (Tübingen)

Ilka-Barbara Mlosch (DZG, Berlin)

Jürgen Stein (Frankfurt a. Main)

AG 5 „Refraktäre Zöliakie“

Severin Daum (DGVS, Berlin)

Wolfgang Fischbach (DGVS, Aschaffenburg)

Jörg Felber (Jena)

Gerhard Fessler (DZG, Ostfildern)

Christoph-Thomas Germer (Würzburg)

Ulrike Oelhoff (DZG, Mannheim)

Arnd-Oliver Schäfer (Freiburg)

Michael Schumann (Berlin)

AWMF

Monika Nothacker (Marburg)

DGVS

Petra Lynen-Jansen (Berlin)


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M-3 Beteiligte Gruppierungen und Fachgesellschaften

Federführung und Koordination

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS)


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Mitarbeit

Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e. V. (GPGE)

Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM)

Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. (BDP)

Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V. (DGP)

Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (DZG)


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M-4 Redaktionelle Unabhängigkeit und Umgang mit potenziellen Interessenskonflikten

Die Leitlinie wurde finanziert von der DGVS und der DZG. Vertreter der pharmazeutischen Industrie wurden nicht am Prozess der Leitlinienentwicklung beteiligt, um Neutralität und Unabhängigkeit zu wahren.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen werden potenzielle Interessenskonflikte der an der Leitlinie mitarbeitenden Personen immer wichtiger. Interessenskonflikte sind als Situationen definiert, die das Risiko beinhalten, dass das professionelle Urteilsvermögen, welches sich auf ein primäres Interesse bezieht, durch sekundäre Interessen unangemessen beeinflusst wird [16]. Sekundäre Interessen, die mit dem primären Interesse der evidenzbasierten Leitlinienerstellung in Konflikt geraten können, sind zum Beispiel materielle Interessen wie das Interesse an der Aufrechterhaltung einer Beziehung zu einem pharmazeutischen Unternehmen. Zu den immateriellen Interessen gehören ggf. die mandatierende Organisation (z. B. Fachgesellschaft), der Arbeitgeber und der wissenschaftliche Schwerpunkt der betroffenen Person. Ebenso können soziale oder intellektuelle Interessen als sekundäre Interessen zu einem Interessenkonflikt führen. Bezüglich potenzieller Interessenskonflikte bei den Teilnehmern der S2k-Leitlinienkonferenz Zöliakie sei an dieser Stelle kurz zusammengefasst, dass vor Beginn der Leitlinienkonferenz alle Teilnehmer ihre potenziellen Interessenskonflikte offen gelegt haben (siehe PDF-Datei Online-Version: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021 – 021.html). Hierfür wurden Interessenkonflikte schriftlich mithilfe eines Formblattes der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), das materielle und immaterielle Interessen umfasst, offen gelegt. Diese Interessenskonflikte wurden auf der Leitlinienkonferenz unter Moderation der AWMF (vertreten durch M. Nothacker) offen diskutiert und es wurde einstimmig beschlossen, dass Personen mit potenziellen Interessenskonflikten bei Abstimmungen über Empfehlungen, die von diesen Interessenskonflikten berührt werden könnten, sich ihrer Stimme enthalten.


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M-5 Durchführung

a) Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege (Evidenzbasierung)

Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche. Auf Grundlage von Stichwörtern, die von den Arbeitsgruppenleitern benannt wurden, erfolgte im November 2012 eine Literatursuche nach „MeSH-terms“ in PubMed (Einschränkungen: Human, 10 Jahre; keine Editorials, historische Artikel, Kommentare oder Fallberichte). Die gefundenen Artikel wurden aufgrund Abstract und Titel bewertet und entweder in das Literaturverzeichnis aufgenommen oder verworfen. Die Details dieser Literatursuche sind in [Tab. M-3] dargestellt. Außerdem wurden alle Teilnehmer der Arbeitsgruppen gebeten, zusätzliche, relevante Literatur hinzuzufügen. Die so gefundene Literatur wurde allen Teilnehmern über eine Online-Plattform zur Verfügung gestellt.

Tab. M-3

Literatursuche.

Literatursuche

Arbeitsgruppe

Stichwörter

gefundene Artikel

verwendete Artikel

AG 1 „Diagnostik“

celiac-specific antibody tests

anti-TG2, tissue transglutaminase type 2 (TG2) antibodies.

endomysial antibodies (EMA)

anti-DGP

IgA deficiency

HLA typing for HLA-DQ2 and HLA-DQ8

gluten-related disorders

glutensensitivity

1177

149

AG 2 „Klinisches Bild“

celiac disease

AND

symptoms

complications (kein MeSH-term)

clinical picture

autoimmune disease

co-morbidities

3610

172

AG 3 „Therapie“

celiac disease

AND

gluten free therapy

drug therapy

gluten free cereals

gluten free product

oats

vitamine deficiency

iron deficiency

prevention drug

adherence to diet

quality of life

endopeptidase

vaccine

1399

171

AG 4 „Pathologie“

seronegative celiac disease

(histological) response to gluten-free diet

critical value of intraepithelial lymphocytes

238

37

AG 5 „Refraktäre Zöliakie“

refractory sprue

refractory celiac disease

intestinal t-cell lymphoma

enteropathy-associated t-cell lymphoma

518

87

Eine systematische Evidenzbewertung der so gefundenen Literatur nach vorher festgelegten Regeln erfolgte nicht.


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b) Formulierung der Empfehlungen und strukturierte Konsensfindung

Die Arbeitsgruppenleiter wurden gebeten, einen Fragenkatalog möglichst klinisch orientierter Fragen zu erstellen. Die Fragen der einzelnen Arbeitsgruppen wurden in einen gemeinsamen Fragenkatalog überführt. Im Sinne eines Delphi-Verfahrens wurden alle an der Erstellung der Leitlinien Beteiligten gebeten, die Fragen aller Arbeitsgruppen zu beantworten. Pro Frage gab es 5 Antwortmöglichkeiten (ja, eher ja, unentschieden, eher nein, nein). Bei Zustimmung konnte, bei Ablehnung musste ein erläuternder Kommentar geschrieben werde. Die Rückmeldungen wurden zentral gesammelt und die Gesamtergebnisse der Abstimmung und die dazugehörenden Kommentare an die Arbeitsgruppen übermittelt. Das Ziel war es, strittige Punkte bei der Erstellung der Leitlinie zu identifizieren, um diese in den Arbeitsgruppen vor Beginn der Leitlinienkonferenz zu klären. Auf der Basis der Antworten des Delphi-Verfahrens und der Diskussion in den Arbeitsgruppen, erfolgte die Ausarbeitung der Empfehlungen durch die Arbeitsgruppenleiter.

Im Rahmen einer zweitägigen Leitlinienkonferenz wurden diese Empfehlungen zunächst im Sinne eines nominalen Gruppenprozesses innerhalb der Arbeitsgruppen diskutiert und überarbeitet. Zur Erleichterung der Arbeit wurden die Arbeitsgruppen 1 (Diagnostik) und 2 (klinisches Bild) und die Arbeitsgruppen 4 (Pathologie) und 5 (refraktäre Zöliakie) zusammengefasst. Die Arbeitsgruppe 3 (Therapie) diskutierte und überarbeitete die Empfehlungen alleine. Die Diskussionen wurden jeweils von einem unbeteiligten AG-Leiter der Leitliniengruppe oder von dem AWMF-Moderator geleitet, aber nicht inhaltlich beeinflusst. Innerhalb dieser 3 Gruppen wurden die Empfehlungsvorschläge vorgestellt, diskutiert, Änderungsvorschläge aufgenommen und dann vorabgestimmt.

In einer anschließenden Plenarsitzung wurden alle Empfehlungen durch den jeweiligen Arbeitsgruppenleiter vorgestellt und die Hintergründe der Empfehlungen erläutert. Nach Diskussion und ggf. Aufnahme von Änderungsvorschlägen, erfolgte anonym eine finale Abstimmung. Das Abstimmungsergebnis wurde digital protokolliert.

Die Konsensstärken sind in [Tab. M-4] dargestellt.

Tab. M-4

Konsensusstärke.

Konsensusstärke

starker Konsensus

Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer

Konsens

Zustimmung von > 75 – 95 % der Teilnehmer

mehrheitliche Zustimmung

Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer

kein Konsens

Zustimmung von weniger als 50 % der Teilnehmer

Nach der Leitlinienkonferenz wurden die einzelnen Empfehlungen von den Arbeitsgruppenleitern mit Kommentaren und Literaturverweisen versehen.

Bei allen Handlungsempfehlungen ist die Stärke der Empfehlung anhand der Formulierung ersichtlich. Die Formulierungen und Bedeutung der Empfehlungsstärken sind in [Tab. M-5] dargelegt. In allen Kommentaren wurden die Empfehlungen mit der jeweils zugrunde liegenden Literatur verknüpft. Evidenz- oder Empfehlungsgrade wurden in dieser S2k-Leitlinie nicht vergeben ([Tab. M-6]).

Tab. M-5

Empfehlungsstärken.

Empfehlungsstärke

Formulierung

starke Empfehlung

„soll“

Empfehlung

„sollte“

Empfehlung offen

„kann“

negative Empfehlungen werden entsprechend formuliert

Tab. M-6

Zeitplan der Leitlinie.

Zeitplan

bis Ende Juli 2012

Zusammenstellung der Gruppen: Auswahl, Anfragen, Zu-/Absagen (Gruppen und Teilnehmer siehe Punkt 3) und Anfrage bei den anderen unterstützenden Fachgesellschaften (siehe Punkt 2)

bis Dezember 2012

Entwurf der Statements UND der begleitenden Kommentare

bis Januar 2013

Sichtung und Kommentierung der Entwürfe über Online-Plattform (Delphi)

bis Mitte April 2013

Überarbeitung der Statements

26. und 27. April 2013

2-tägige Konsensuskonferenz in Berlin

bis November 2013

Erstellung aller Kommentare

bis Dezember 2013

Fertigstellung des Manuskriptes durch Einarbeitung der Literatur und Ergänzung des Methodenteils

bis Februar 2014

Begutachtung durch die beteiligten Fachgesellschaften

Bei der Erstellung des Manuskripts hat sich aufgrund einer potenziell besseren Lesbarkeit des Textes eine Umstellung der Arbeitsgruppen ergeben. Die AG 1 „Diagnostik“ und die AG 2 „Klinisches Bild“ wurden getauscht, sodass die Empfehlungen und Kommentare der AG 1 „Diagnostik“ als zweites Kapitel erscheinen.


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M-6 Externe Begutachtung und Verabschiedung

Die Leitlinie wurde allen beteiligten Fachgesellschaften zur Stellungnahme vorgelegt und von diesen verabschiedet. Die endgültige Verabschiedung erfolgte durch die AWMF.


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M-7 Verbreitung und Implementierung

Die Leitlinie wird auf der Homepage der DGVS (www.dgvs.de) und der AWMF (www.awmf.de) zum freien Download zur Verfügung gestellt. Die Langversion der Leitlinie wird in der „Zeitschrift für Gastroenterologie“ in deutscher Sprache publiziert. Zusätzlich soll eine Kompaktversion im „Deutschen Ärzteblatt“ in deutscher und englischer Sprache publiziert werden.


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M-8 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren

Die Gültigkeit der Leitlinie beträgt 5 Jahre. Eine Aktualisierung ist für Mai 2019 vorgesehen und wird über die DGVS Geschäftsstelle koordiniert werden. Eine Überarbeitung der Leitlinie bei veränderter Datenlage erfolgt gegebenenfalls auch früher.


#
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Kapitel 1: Klinisches Bild der Zöliakie einschließlich Begleiterkrankungen, und Spektrum der weizenabhängigen Erkrankungen (Weizenallergie und Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität) (Arbeitsgruppe 2)

Die klinischen Symptome der Zöliakie und der entsprechende Schweregrad des Krankheitsbildes können sehr unterschiedlich sein, was die Definition von typischen oder charakteristischen Symptomen, aus denen sich eine Verdachtsdiagnose ableitet, sehr erschwert. Aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder – in diesem Zusammenhang wird auch vom „Chamäleon der Gastroenterologie“ gesprochen – wird die Diagnose einer Zöliakie häufig (zu) spät oder gar nicht gestellt. Auch wird im klinischen Alltag und in der Literatur eine Vielzahl von verschiedenen Bezeichnungen für unterschiedliche Krankheitssituationen verwandet, die teilweise überlappend, teilweise auch widersprüchlich sind.

Empfehlung 1.1.: Formen der Zöliakie

Die Zöliakie umfasst potenzielle, subklinische, symptomatische, klassische und refraktäre Formen. Die Bezeichnung „einheimische Sprue“, aber auch die Differenzierung in „overte“, „silente“, „latente“, „atypische“, „asymptomatische“ oder „oligosymptomatische“ Formen sollte nicht mehr verwandet werden.

[starker Konsens, Empfehlung]

Vor diesem Hintergrund schlägt die Konsensuskonferenz auch unter besonderer Berücksichtigung aktueller Ergebnisse einer internationalen Arbeitsgruppe zur Definition der Zöliakie [17] vor, grundsätzlich nur noch zwischen der

  • potenziellen,

  • subklinischen,

  • symptomatischen,

  • klassischen und

  • refraktären

Form zu unterscheiden. Ältere Bezeichnungen wie „overte“ „silente“, „latente“, „atypische“, „asymptomatische“ oder „oligosymptomatische“ Formen sollten nicht mehr verwandet werden. Auch ist der immer noch verwandete Begriff der „einheimischen Sprue des Erwachsenen“ nicht mehr zu gebrauchen ([Tab. K-2]).

Tab. K-1

Nomenklatur Zöliakie.

Historische Bezeichnungen

Empfohlene Bezeichnung

typische Zöliakie

klassische Zöliakie

atypische Zöliakie

symptomatische Zöliakie

overte Zöliakie

subklinische Zöliakie

subklinische Zöliakie

asymptomatische Zöliakie

silente Zöliakie

refraktäre Zöliakie

refraktäre Zöliakie

latente Zölialie

potenzielle Zöliakie

potenzielle Zöliakie

Tab. K-2

OSLO-Klassifikation der Zöliakie.[1]

 

Malabsorptionssyndrom

unspezifische Symptome

Zöliakie spezif. AK

HLA

Marsh
2o. 3

tTG-AK

DQ2

 

 

DQ8

klassische

+

+/-

+

+

+

symptomatische

+

+

+

+

subklinische

+

+

+

refraktäre

(nur Erwachsene)

+

+/-

+

+

+

potenzielle

+

 +

1 Angelehnt an Ludvigsson et al. Gut 2013 [17].


Klassische und symptomatische Zöliakie

Unter der Bezeichnung „symptomatische Zöliakie“ werden sowohl Betroffene mit einer „klassischen“ oder „typischen“ Verlaufsform als auch Betroffene mit untypischen Symptomen, z. B. extraintestinalen Symptomen zusammengefasst. Die Bezeichnungen „klassische Zöliakie“ und „typische Verlaufsform“ sind als Synonyma zu verstehen. Die typische bzw. klassische Zöliakie als gluteninduzierte Enteropathie manifestiert sich mit den Krankheitszeichen der Malabsorption wie Gewichtsverlust, Steatorrhö und Eiweißmangelödemen. Die volle Ausprägung des Krankheitsbilds beim Kleinkind, welches immer noch mit der Zöliakie gleichgesetzt wird, umfasst ein aufgetriebenes Abdomen, voluminöse übelriechende dyspeptische Diarrhön, Muskelhypotrophie, Anorexie und eine Veränderung des Verhaltens. Als typische Hinweise im Kindesalter gelten zudem Eisenmangel, Wesensveränderungen, z. B. Weinerlichkeit, oder eine Wachstumsretardierung („klassische Zöliakie“) [18] [19] [20]. Die Symptome beginnen meist zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr.

Heute hat sich das Erscheinungsbild der Zöliakie jedoch so verändert, dass diese typische Form des Kleinkindes nicht mehr die ist, die am häufigsten beobachtet wird. Die meisten Betroffenen mit symptomatischer Zöliakie leiden unter abdominellen Beschwerden wie Dyspepsie, Flatulenz oder Wechsel der Stuhlgewohnheiten. Auch Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Depressionen oder eine Obstipation können Symptome sein. Gelegentlich sind aber auch laborchemische Veränderungen, z. B. eine (leichte) Transaminasenerhöhung oder eine Schilddrüsenfunktionsstörung die einzigen Indikatoren. Die Zahl der Personen, die aufgrund gastrointestinaler Symptome diagnostiziert werden, geht zurück, wohingegen die Zahl der beim Screening von Risikogruppen erkannten Fälle zunimmt [21] ([Tab. K-3]).

Tab. K-3

Zöliakie

Weizensensitivität

Zeitraum zwischen Glutenexposition und Symptomen

Wochen bis Jahre[1]

Stunden bis Tage

Pathogenese

angeborene und adaptive Immunantworten

wahrscheinlich angeborene Immunität gegen z. B. ATIs; Vermehrung der IEL möglich (nicht so stark wie bei klassischer Zöliakie)

HLA

HLA DQ2 / DQ8 in 99 %

nicht bekannt

Antikörper

tTG-Antikörper positiv

Gliadin-Antikörper (IgA oder IgG) möglich

Dünndarmhistologie (unter Normalkost)

MARSH 2 – 4

MARSH 0 – 1

Komplikationen

Komorbiditäten, langfristige Komplikationen (Lymphomrisiko)

noch unklar

1 Einzelne Zöliakiebetroffene können bereits nach Stunden auf Diätfehler mit Durchfall und Bauchschmerzen reagieren.


Die veraltete Bezeichnung der „atypische Zöliakie“ ergab sich zwangsläufig aus den durch den Begriff „klassische Zöliakie“ beschriebenen Symptomen. So wurden unter der Bezeichnung „atypische Zöliakie“ bei Betroffenen Symptome bzw. Konstellationen wie erhöhte Transaminasen, neurologisch-psychiatrische Veränderungen (z. B. Migräne, Epilepsie, Depression) oder Hautveränderungen einschließlich der Dermatitis herpetiformis Duhring beschrieben. Es wird stattdessen empfohlen den Begriff der symptomatischen Zöliakie zu verwenden. Manchmal sind diese Symptome sehr dezent, sodass der falsche Begriff der „asymptomatischen Zöliakie verwandet wird [22] [23] [24]. Unzweifelhaft hat sich das klinische Bild der Zöliakie in den letzten Dekaden verändert, sodass andere Symptome und moderate chronische Mangelzustände (z. B. Anämie, Osteopathie; [Tab. K-4]) dominieren. Von verschiedenen Experten wird deshalb auch empfohlen den Begriff „typische Zöliakie“ nicht mehr zu verwenden [25].

Tab. K-4

intestinale Symptome

Motilitätsstörungen, von der Diarrhoe bis hin zur Obstipation

Übelkeit und Erbrechen, Flatulenz, chronische Bauchschmerzen

aufgeblähtes Abdomen

extraintestinale Symptome

Gewichtsverlust

Wachstumsstörung beim Kind

Anämie

Osteomalazie/Osteoporose, Zahnschmelzveränderungen

periphere Neuropathie/Polyneuropathie

Tetanie/Muskelschwäche

Nachtblindheit

Hämatome

Ödeme

rezidivierende orale Aphten


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Subklinische Verlaufsform

Betroffene mit „asymptomatischer Zöliakie“, d. h. Betroffene mit zöliakiespezifischer Serologie und typischen Veränderungen in den Dünndarmbiopsien (mind. MARSH 2), weisen auch bei sorgfältiger Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung sowie orientierender Labordiagnostik keine Auffälligkeiten auf. Nach Einleitung einer glutenfreien Diät (GFD) sind in der Regel keine positiven Veränderungen zu beobachten. Von verschiedenen Gruppen wurde für diese Situation auch der Begriff „silente Zöliakie“ gebraucht; dieser erscheint entbehrlich und die Bezeichnung „subklinische Form“ ist zu bevorzugen. Personen mit asymptomatischer Zöliakie werden meist im Rahmen populationsbasierter Screeningprogramme, bei der Testung Verwandter ersten Grades oder bei gezielter Suche nach möglichen Ursachen von Komorbiditäten (siehe auch [Tab. K-5]) identifiziert.

Tab. K-5

Erkrankungen, bei denen eine Zöliakie ausgeschlossen werden sollte bzw. der Ausschluss bedacht werden sollte*

Autoimmunerkrankungen

Diabetes mellitus Typ 1 [45] [46]

Hashimoto-Thyreoiditis [47]

Autoimmunhepatitis, PBC [48]

Kollagenosen (Sjögren-Syndrom [49] [50]/systemischer Lupus erythematodes)

Addison-Syndrom [51]

neurologisch-psychiatrische Krankheiten

Migräne* [52] [53]

Epilepsie* [54]

Depression und Angststörungen* [55] [56]

Hauterkrankungen

Dermatitis herpetiformis Duhring [57]

Psoriasis* [58]

genetische Syndrome

Down-Syndrom/Trisomie 21 [59] [60]

Turner-Syndrom/Monosomie X* [61]

weitere Erkrankungen bzw. Symptome oder Symptomkomplexe

Asthma bronchiale [62]

Transaminasenerhöhungen [63] [64] [65]

selektiver IgA-Mangel [66] [67]

Osteopathie (Osteomalazie, Osteoporose) [68] [69]

mikroskopische Kolitis [70]

Reizdarmsyndrom [71] [72]

lymphoproliferative Erkrankungen* [73] [74] [75] [76]

Verschiedene Studien haben bei Personen mit „asymptomatischer Zöliakie“ eine verminderte Lebensqualität oder andere Minorsymptome, insbesondere extraintestinale Manifestationen (z. B. Fatigue-Syndrome) [26], nachgewiesen. Diese können sich nach Einleitung einer glutenfreien Diät bessern. Korrekterweise sollte deshalb in diesen Situationen die Bezeichnung „subklinische Zöliakie“ benutzt werden. Andere Studien zur Lebensqualität von Personen mit asymptomatischer Zöliakie weisen diese Einschränkungen nicht nach, was die Empfehlung zur Durchführung bzw. Akzeptanz einer glutenfreien Diät erschwert [27] [28] [29] [30] [31].

Wahrscheinlich entstehen die Widersprüche durch die Untersuchung verschiedener Patientenkollektive; von Patienten, die entweder gar keine Symptome und normale Laborwerte aufweisen („asymptomatische Zöliakie“) und Patienten, die nur bei sehr sorgfältiger Untersuchungen bzw. Erhebung spezieller Laborwerte krankhafte Veränderungen aufweisen oder nach Einleitung einer GFD eine subjektive Verbesserung ihrer Gesamtsituation verspüren („subklinische Zöliakie“). Typische Beispiele wären Personen mit Wohlbefinden, die lediglich leicht erhöhte Transaminasen aufweisen oder bei denen in einer Mineralsalzdichtebestimmung des Skeletts pathologische Werte auffallen.


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Refraktäre Zöliakie

Eine refraktäre Zöliakie liegt vor, wenn bei Nachweis einer neuen oder persistierenden Zottenatrophie, trotz strikter glutenfreier Diät über 12 Monate, intestinale oder extraintestinale Symptome persistieren oder wieder auftreten. Zur genauen Charakterisierung und Beschreibung des Krankheitsbilds wird auf den Abschnitt 5 „Refraktäre Zöliakie“ verwiesen.


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Latente Zöliakie

In der Literatur existieren teilweise kontroverse Diskussionen zur „latenten Zöliakie“. Von einigen Arbeitsgruppen wird als „latente Zöliakie“ die Konstellation mit positiver zöliakiespezifischer Serologie und aktuell normaler Dünndarmmukosa unter Normalkost, aber Nachweis einer pathologischen Dünndarmhistologie in der Vergangenheit verstanden. Andere verstehen hierunter eine nicht diagnostizierte Zöliakie oder ein Zöliakiepotenzial bei Personen mit anderen Autoimmunerkrankungen. Insgesamt erscheint die Bezeichnung nicht zielführend und sollte deshalb nicht mehr verwandet werden.


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Potenzielle Zöliakie

Die Bezeichnung „potenzielle Zöliakie“ sollte für Personen verwandet werden, die eine positive, zöliakiespezifische Antikörperkonstellation im Serum aufweisen, bei denen aber die histologische Beurteilung der Dünndarmmukosa einen unauffälligen Befund ergeben hat. Andere Arbeitsgruppen bezeichnen mit dem Begriff „Patienten mit potenzieller Zöliakie“ Personen, die eine positive Serologie haben und bei denen im Duodenum eine erhöhte Anzahl von intraepithelialen Lymphozyten (IEL) (MARSH 1) nachgewiesen werden kann [33] – einer histologischen Konstellation mit geringer Spezifität (siehe Kapitel Pathologie).

Einer aktuellen Untersuchung nach wiesen immerhin knapp 20 % aller Personen mit zöliakiespezifischer Serologie keine Veränderungen im Duodenum auf. Die potenzielle Zöliakie wäre somit eine relativ häufige klinische Konstellation [3]. Jedoch sind derartige Studien problematisch, da die Rate falsch negativer oder falsch positiver Serologien u. a. von der Art des eingesetzten Tests und der Wertung grenzwertiger Titer abhängt.


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Weizenallergie

Genauso wie die Zöliakie ist die Weizenallergie eine immunologische Reaktion gegen Weizenproteine; im Unterschied zur Zöliakie treten hier IgE-vermittelte und/oder T-Zell-vermittelte Reaktionen gegen verschiedene Weizenproteine, u. a. ω-5-Gliadin [35], γ-Gliadin, Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs), Thioredoxin oder Lipid-Transfer-Protein auf. Die Symptome der Weizenallergie können in Mund, Nase, Augen und Rachen (Schwellung, Jucken oder Kratzgefühl), der Haut (atopisches Ekzem, Urticaria), der Lunge (Atemnot, Asthma, Bäckerasthma) oder dem Gastrointestinaltrakt (Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Diarrhö) auftreten. Die gastrointestinalen Formen der Weizenallergie sind klinisch nicht eindeutig von einer Zöliakie zu unterscheiden. Eine Sonderform ist die eosinophile Ösophagitis, bei der auch Weizen ein Auslöser sein kann. Endoskopisch und histologisch findet sich bei Weizenallergie ähnlich wie bei anderen Nahrungsmittelallergien ein breites Spektrum, das von Normalbefunden, über eosinophile Infiltrate, einer Vermehrung der intraepithelianen Lymphozyten (MARSH 1), nodulärer Hyperplasie mit vermehrten Lymphfollikeln bis zu den eher seltenen Formen, vor allem im Kindesalter, mit Ulzerationen oder Zottenschaden reicht.


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Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität

Die Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität ist eine Intoleranz gegenüber Weizenbestandteilen. Das klinische Bild kann der Zöliakie ähnlich sein. Möglicherweise sind nicht das im Weizen enthaltene Gluten, sondern die mit glutenhaltigen Produkten assoziierten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs), die zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystem über Toll-like-4-Rezeptoren führen, ursächlich [35]. Möglicherweise besitzen aber auch sog. FODMAPs eine wichtige Bedeutung. Hier handelt es sich um nicht resorbierbare „Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und (and) Polyole“. Diese natürlicherweise in Nahrungsmitteln vorkommenden Kohlenhydrate könnten auch bei Personen mit Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität für die Beschwerden verantwortlich zu machen sein. In einer jüngst publizierten placebokontrollierten Cross-over-Belastungsstudie bei Personen, die auch Reizdarmkriterien erfüllten, konnte kein pathologischer Effekt für Gluten, wohl aber ein günstiger Effekt bei Reduktion der FODMAPs nachgewiesen werden [37].

Sicher ist, dass es sich bei diesem unscharf definierten Krankheitsbild nicht um eine allergische oder autoimmune Erkrankung handelt, bei der der Konsum von weizenhaltigen Produkten Symptome ähnlich jenen der Zöliakie verursachen kann. Zu den gastrointestinalen Symptomen zählen Blähungen, abdominelle Beschwerden, Schmerzen oder Durchfälle; es können aber auch zahlreiche extraintestinale Symptome einschließlich Kopfschmerzen und Migräne, Lethargie und Müdigkeit, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und Hyperaktivität, Muskelbeschwerden sowie Knochen- und Gelenksschmerzen auftreten [4] [38] [39]. Betroffene sollten eine glutenfreie Diät ähnlich wie Zöliakiebetroffene einhalten; aufgrund der wahrscheinlich zentralen Rolle der angeborenen Immunität gegen ATIs ist es jedoch plausibel, dass hier eine weniger strikte glutenfreie Diät möglich ist. Studien hierzu gibt es jedoch noch nicht ([Tab. K-3]).

Empfehlung 1.2.: Formen der Zöliakie

Es gibt kein klinisches Bild (z. B. Adipositas, Obstipation etc.), das per se eine Zöliakie ausschließt.

[starker Konsens]

Kommentar

Das klinische Bild der Zöliakie ist durch unterschiedliche mehr oder weniger stark ausgeprägte Symptome gekennzeichnet (siehe [Tab. K-4]).

Zum Teil sind Betroffene beschwerdefrei; d. h. es liegt eine subklinische Zöliakie vor. Vor diesem Hintergrund gibt es kein Leitsymptom oder keinen Symptomenkomplex, der dem behandelnden Arzt nahe legt, an eine Zöliakie zu denken. Vielmehr sind primär die differenzialdiagnostischen Überlegungen breit zu führen und somit relativ häufig eine Zöliakie auszuschließen (siehe dazu Kapitel 2, Diagnostik). Häufig wird mit einer Zöliakie ein Gewichtsverlust bzw. Untergewicht assoziiert. Systematische Studien belegen jedoch, dass bei Diagnosestellung 28 % übergewichtig und 11 % sogar adipös sein können [40]. D. h. Übergewicht schließt eine Zöliakie nicht aus. Bei Frauen mit Zöliakie ist häufiger eine Amenorrhö zu beobachten; bez. der Fertilität und der Abortrate gibt es kontroverse Befunde. So beschreiben Choi und Mitarbeiter eine verminderte Fertilität [42], während Tata und Mitarbeiter zwar ein höheres Alter der Mütter bei Geburten, aber insgesamt keine verminderte Fertilität oder erhöhte Abortrate nachweisen [42]. Insgesamt gibt es verschiedene Hinweise, dass bei schwangeren Frauen mit Normalkost ein höheres Gesundheitsrisiko besteht als bei Schwangeren, die eine GFD einhalten. Zu diesen Risiken gehören eine intrauterine Wachstumsretardierung, Untergewicht, Frühgeburtlichkeit und eine höhere Kaiserschnittrate [43]. Keine Risikoerhöhung liegt bei einer Zöliakie des Vaters vor [44].

Unabhängig davon gibt es Komorbiditäten, die gehäuft bei einer Zöliakie auftreten bzw. aufgrund derer Untersuchungen zum Nachweis oder Ausschluss einer Zöliakie durchgeführt bzw. erwogen werden sollen ([Tab. K-5]).

Kritisch angemerkt sei aber an dieser Stelle auch, dass die Summe der Häufigkeiten dieser Komorbiditäten bei konsequenter Umsetzung zum „Screenen“ großer Bevölkerungsgruppen führen würde. Dieses ist in der aktuellen Situation nicht umsetzbar, sodass eine intensivierte „Case-finding-strategy“ wie sie von Catassi et al. beschrieben wurde sinnvoll erscheint [77].

Unabhängig von dieser Einschränkung ist allgemein bekannt, dass bei klassischen Autoimmunerkrankungen wie dem Diabetes mellitus Typ 1, einer Autoimmunthyreoiditis [47] – oder Autoimmunhepatitis [48] das Risiko für eine begleitende Zöliakie signifikant erhöht ist (zur Übersicht siehe Denham 2013 [78]). Insbesondere ist die Assoziation zwischen der Zöliakie und Personen mit Typ-1-Diabetes-mellitus gut bekannt [45] [46]. In einer aktuellen Übersicht wird die Zöliakieprävalenz bei pädiatrischen und adulten Typ-1-Diabetikern zwischen 4,4 und 11 % angegeben [79]. Auch ist die Prävalenz von Kollagenosen [80] oder neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen (zur Übersicht siehe Cooke Brain 1966 [81]) einschließlich Depression und Angststörungen [55] bei Personen mit Zöliakie erhöht. Eine aktuelle Prävalenzstudie beschreibt für Zöliakiebetroffene ein 3,8-fach erhöhtes Risiko (95 % Vertrauensintervall: 1,8 – 8,1) an einer Migräne zu erkranken [53]. Eine weitere große epidemiologische Studie, unter Einbeziehung von fast 29 000 Zöliakiepatienten und 143 000 Kontrollen, beschreibt ein erhöhtes Risiko für die Manifestation einer Epilepsie (Risiko 1,4 [1] [7]) [54].

Auch bei einer Reihe von genetisch-determinierten Syndromen (Down-Syndrom, Turner-Syndrom) ist die Prävalenz der Zöliakie deutlich erhöht [59] [60] [61].

Erhöhte Transaminasen sind häufige klinische Befunde, die auch bei Zöliakiebetroffenen zu beobachten sind. Vor diesem Hintergrund sollte in der differenzialdiagnostischen Abklärung erhöhter Transaminasen eine Zöliakiediagnostik durchgeführt werden [63]. Nach Einleitung einer GFD kommt es häufig zu einer Normalisierung der Transaminasen [64]. Selten kann eine Zöliakie mit einer schweren, vital bedrohlichen Lebererkrankung einhergehen [65]. Der IgA-Mangel ist das häufigste Immundefektsyndrom in Deutschland und in der Gesamtbevölkerung mit einer Prävalenz von 1:400 bis 1:800 nachzuweisen. Bei Zöliakiebetroffenen ist der IgA-Mangel deutlich häufiger (ca. 2 – 3 %) [66] [67]; somit sind Personen mit nachgewiesenem IgA-Mangel auf das gleichzeitige Vorhandensein einer Zöliakie zu untersuchen (siehe dazu Kapitel 2, Diagnostik).

Wenn auch einzelne Untersuchungen für Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) kein erhöhtes Risiko für eine Zöliakie aufweisen [82], zeigt eine aktuelle Metaanalyse bei Personen mit RDS-Symptomen ein insgesamt etwa 4-fach erhöhtes Risiko für eine Zöliakie auf [71]. Auch weisen Zöliakiebetroffene vor Diagnosestellung ein signifikant höheres Risiko auf, die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ zu erhalten bzw. RDS-spezifische Untersuchungen zu erhalten [72]. Weiterhin ist ein Screening von RDS-Patienten auf Zöliakie unter Kosten-Nutzen-Aspekten sinnvoll [83]. Eine epidemiologische Studie weist bei Personen mit mikroskopischer Kolitis [70] in ca. 5 % der Fälle auf eine begleitende Zöliakie hin.

Verschiedene Studien beschreiben ein erhöhtes Risiko für lymphoproliferative Erkrankungen bei Personen mit Zöliakie [73] [74] [75] [76]. Dabei nimmt das Erkrankungsrisiko über die Zeit nach Diagnosestellung ab. Diese Abnahme ist wahrscheinlich auf die glutenfreie Diät zurückzuführen (siehe dazu auch Kapitel 5, refraktäre Zöliakie). Das Lymphomrisiko bleibt allerdings höher als in der Normalbevölkerung [84]; insbesondere bei Personen, bei denen eine Persistenz der Zottenatrophie nachgewiesen wird [25].

Zur Assoziation der Zöliakie mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) [85], kolorektalen Karzinomen [86], Fibromyalgiesyndrom [87] [88], nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus und dem metabolischem Syndrom [88] sind kontroverse Ergebnisse beschrieben worden.

Empfehlung 1.3.: Dermatitis herpetiformis Duhring

Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine Sonderform der Zöliakie, die sich an der Haut manifestiert. Betroffenen Personen soll eine gastroenterologische Mitbetreuung angeboten werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Dermatitis herpetiformis Duhring (auch Morbus Duhring) ist eine blasenbildende Autoimmundermatose mit subepidermaler Blasenbildung. Die Erkrankung bietet ein vielfältiges Bild mit herpesähnlich gruppierten Bläschen. Rötungen, Ekzeme und Quaddeln können weitere Veränderungen sein; die Patienten leiden häufig unter starkem brennendem Juckreiz. Meist ist die Haut an Ellbogen und Knie, aber auch die Kopfhaut, die Haut an der Stirn, an Schultern, am Gesäß und im oberen Brustbereich betroffen. Männer sind rund 1,5-mal häufiger betroffen als Frauen. Die Erkrankung tritt v. a. im mittleren Lebensalter auf. Ursächlich scheint die Ablagerung von Komplexen der epidermalen Transglutaminase (eTG) und gegen eTG gerichtetem IgA an der Basalmembran beteiligt zu sein, die zu einer Aktivierung von Komplementfaktoren und einer damit verbundenen Spalt- und Blasenbildung führt [89] [90]. Bei fast jedem Patienten mit einer Dermatitis herpetiformis Duhring liegt eine meist subklinische Zöliakie als Primärerkrankung zugrunde [57]. Zum Ausschluss einer Malabsorption bzw. anderer Mangelzustände und Komorbiditäten, soll betroffenen Personen eine gastroenterologische Mitbetreuung angeboten werden. Eine Ernährungsberatung mit dem Ziel einer glutenfreien Diät ist auch zur Behandlung der kutanen Primärläsionen sinnvoll.

Neben der Dermatitis herpetiformis Duhring ist bei Zöliakiebetroffenen vor und nach Diagnosestellung das Risiko für die Entwicklung einer Psoriasis um den Faktor 1,7 (95 % Vertrauensintervall: 1,54 – 1,92) erhöht [58].


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Kapitel 2: Diagnostik (Arbeitsgruppe 1)

Empfehlung 2.1.: Klinischer Verdacht

Bei klinischem Verdacht auf Zöliakie sollen primär die Gewebs-Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTG-IgA-Ak) oder die Endomysium-IgA-Antikörper (EmA-IgA-Ak), sowie das Gesamt-IgA im Serum untersucht werden. Es genügt in der Regel ein spezifischer Antikörpertest.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Bei der Verdachtsdiagnose einer Zöliakie sind primär serologische Untersuchungen indiziert. Ausreichend hohe Spezifität und Sensitivität bei der Diagnostik der Zöliakie besitzen die Gewebs-Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTG-IgA-Ak) (ELISA) und die Endomysium-IgA-Antikörper (EmA-IgA-Ak) (indirekte Immunfluoreszenz) [13] [91] [92]. Nach der jüngsten Übersicht von Giersiepen et al. liegen die Werte für die vielen auf dem Markt erhältlichen Tests für tTG-IgA-Ak zwischen 74 und 100 % (Sensitivität) und 78 und 100 % (Spezifität). Für die EmA-IgA-Ak liegt die Sensitivität zwischen 83 und 100 % und die Spezifität zwischen 95 und 100 % [91].

Die Endomysiumantikörper besitzen auch nach neueren Untersuchungen eine hohe Spezifität und Sensitivität. Es besteht eine Assoziation zwischen der Titerhöhe und dem Grad der Zottenatrophie [93]. In manchen Studien wurden die EmA-IgA-Ak als Bestätigungstest für die Fälle eingesetzt, die zuvor durch ein Screening mit positiven tTG-IgA-Ak entdeckt wurden [94]. Bei der Interpretation der Immunfluoreszenz ist jedoch eine ausreichende Erfahrung des Untersuchers notwendig. Daher sollte die Bestimmung der EmA-IgA-Ak nur durch Labore erfolgen, die diese Antikörper regelmäßig bestimmen und an Ringversuchen teilnehmen (siehe Empfehlung 2.5.). In den neuen europäischen Leitlinien werden die EmA-IgA-Ak als Referenzantikörper bezeichnet, vorausgesetzt, das Labor besitzt eine entsprechende Expertise [13].

Diese Empfehlung gilt für alle Altersgruppen. Bei Kindern unter 2 Jahren sollen primär die gleichen Antikörper (tTG-IgA-Ak, EmA-IgA-Ak) und das Gesamt-IgA bestimmt werden wie bei älteren Kindern bzw. Erwachsenen. Obwohl in vielen Leitlinien für Kinder unter 2 Jahren für die Antikörperbestimmungen gesonderte Empfehlungen ausgesprochen wurden, gab und gibt es dafür keine ausreichende Evidenz. Neuere Studien zeigen eine ähnlich gute Sensitivität und Spezifität für tTG-IgA-Antikörper und EmA-IgA-Antikörper für diese Altersgruppe wie bei älteren Kindern und Erwachsenen [95] [96].

Der vom Labor übermittelte Antikörperbefund sollte nicht nur die Bewertung positiv oder negativ, sondern die genaue Konzentration, das untersuchte Immunglobulin (IgA oder IgG), den Grenzwert und den Hersteller enthalten.

Eine Bestimmung des Gesamt-IgA ist zum Ausschluss eines IgA-Mangels notwendig, weil bei Vorliegen eines IgA-Mangels Endomysium- und Transglutaminase-IgA-Antikörper nicht nachweisbar sein können (siehe Empfehlung 2.3.).

Empfehlung 2.2.: IgG-dGP-Antikörper

Die Bestimmung von Antikörpern gegen deamidierte Gliadinpeptide (dGP) kann zurzeit für die Primärdiagnostik nicht empfohlen werden.

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Eine zusätzliche Bestimmung der Antikörper gegen deamidierte Gliadinpeptide (dGP) bringt gegenüber den EmA-IgA-Ak und den tTG-IgA-Ak keinen gesonderten Nutzen. Lediglich bei einem IgA-Mangel kann die Bestimmung von dGP-IgG-Antikörpern sinnvoll sein (siehe Empfehlung 2.3.). Die diagnostische Signifikanz der IgG-Antikörper gegen deamidierte Gliadinpeptide kann zurzeit nicht abschließend bewertet werden. Es gibt Studien, in denen sie eine sehr niedrige Spezifität aufweisen, auch wenn ihre Sensitivität und Spezifität besser ist als die der Antikörper gegen natives Gliadin. Letztere Antikörper sollten nicht mehr bestimmt werden (siehe Empfehlung 2.4.). Olen et al. beurteilten die kombinierte Bestimmung von tTG-IgA-Ak und dGP-IgG-Ak als nicht sinnvoll [9]. Sie untersuchten 537 Kinder (davon 278 mit Zöliakie) und ermittelten für die dGP-IgG-Ak eine Spezifität von 26 % und einem positiven prädiktiven Wert (PPV) von 51 %. Je nach getesteter Population, Selektion und Testvariante fanden sich in anderen Studien eine höhere Sensitivität (65 – 98 %) und Spezifität (50 – 100 %) [97] [98] [99] [100]. Sie erreichen aber nicht die Werte der tTG-IgA-Ak oder EMA-IgA-Ak [92]. Zudem hängen Sensitivität und Spezifität der dGP-IgG-Ak stark vom verwendeten Antigen ab und sind von Test zu Test unterschiedlich. Die Hersteller geben i. d. R. keine Peptidsequenz der verwendeten deamidierten Gliadinpeptide an. Für eine abschließende Beurteilung sind weitere Studien notwendig. Die dGP-IgA-Ak sind entbehrlich und sollen in keinem Fall bestimmt werden.

Empfehlung 2.3.: Diagnostik bei IgA-Mangel

Bei erniedrigtem Serum-Gesamt-IgA (unterhalb des Referenzbereichs des Labors bezogen auf das Alter) sollen zusätzlich IgG-Antikörper gegen Gewebs-Transglutaminase (tTG) oder IgG-Antikörper gegen deamidierte Gliadinpeptide (dGP) bestimmt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Bei der Diagnostik der Zöliakie soll stets ein IgA-Mangel ausgeschlossen werden, da in diesem Fall die tTG-IgA-Ak oder EmA-IgA-Ak trotz Vorliegens einer aktiven Zöliakie negativ ausfallen können. Der selektive IgA-Mangel hat in der Gesamtbevölkerung eine Häufigkeit von ca. 0,2 %, bei Personen mit Zöliakie dagegen von 2 – 3 % [100]. Es gibt keine eindeutigen Studien, inwieweit die IgG-Antikörper nur bei einem nicht nachweisbaren Serum-IgA (absoluter IgA-Mangel) oder auch dann bestimmt werden sollten, wenn das IgA erniedrigt, aber nachweisbar ist. Es scheint sinnvoll zu sein, die IgG-Antikörper bereits bei einem, gemessen an den Referenzwerten für das Alter, erniedrigten IgA zu bestimmen [101].

Empfehlung 2.4.: Nicht geeignete Testansätze

Die folgenden Tests sind zur Diagnostik der Zöliakie nicht geeignet und sollen nicht verwendet werden: Antikörper gegen natives Gliadin, Speichel- und Stuhltests.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Für die Diagnostik werden Blut-Schnelltests nicht empfohlen. Sofern sie durchgeführt worden sind, sollen sie durch die empfohlene serologische Diagnostik (Empfehlung 2.1.) bestätigt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Sensitivität und Spezifität der Antikörper gegen natives Gliadin für die Diagnostik der Zöliakie sind unzureichend [92]. Das gilt auch für Stuhlantikörpertests, die in einer repräsentativen Studie lediglich eine Sensitivität von 10 % erreichten [10]. Während die Schnelltests (Point-of-Care) für tTG-IgA-Ak deutlich besser abschneiden, sind diese Tests nicht quantitativ und haben eine geringere Sensitivität und Spezifität als die ELISAs. Schnelltests sind in keinem Fall ein Ersatz für quantitative serologische Tests oder für eine Biopsie. Die Testergebnisse werden darüber hinaus i. d. R. nicht fachgerecht unter Berücksichtigung der Klinik, des Alters und der Ernährung des Betroffenen beurteilt. In den Übersichtsarbeiten von Leffer et al. und Giersiepen et al. werden Schnelltests ausdrücklich nicht empfohlen [91] [92].

Empfehlung 2.5.: Qualitätssicherung

Zur Qualitätssicherung sollen Labore, die Antikörper bestimmen, an externen Qualitätskontrollen (Ringversuchen) teilnehmen.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Bestimmung zöliakiespezifischer Antikörper soll nur in Laboren erfolgen, die zur Sicherung der Qualität regelmäßig an Ringversuchen mit externen Qualitätskontrollen teilnehmen. Die Qualifikationsnachweise sollen einsehbar sein. Dies ist wichtig, da es auf dem Markt eine sehr große Zahl an Tests mit unterschiedlichen Antigenen und unterschiedlicher Qualität gibt (dies betrifft vor allem die tTG- und die dGP-Antikörper). Die Interpretation der Immunfluoreszenz bei der Bestimmung der EmA-IgA-Ak ist abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und von der Regelmäßigkeit, mit der diese Antikörper in dem entsprechenden Labor bestimmt werden. Die Forderung nach einer externen Qualitätskontrolle ist in diesem Fall besonders wichtig.

Empfehlung 2.6.

Die Diagnostik soll unter einer glutenhaltigen Ernährung erfolgen. Wenn die Person jedoch bereits eine glutenfreie Kost begonnen hat, soll eine Glutenbelastung erfolgen (siehe Empfehlungen 2.7. und 2.8.).

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 2.7.: Glutenbelastung

Die Antikörper sollen bei Kindern und Erwachsenen vor und unter einer Glutenbelastung bestimmt werden. Bei ausgeprägten Beschwerden soll zeitnah eine Biopsie erfolgen. Bei weniger ausgeprägten Beschwerden oder Beschwerdefreiheit sollen die Antikörper frühestens nach 4 spätestens nach 12 Wochen bestimmt werden.

Wenn diese Kontrolle keinen Antikörperanstieg ergibt, soll eine Normalkost empfohlen werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 2.8.: Glutenbelastung bei Kindern

Bei Kinder und Jugendlichen (bis 18 Jahre) sollen unter einer Glutenbelastung die Antikörper alle 6 Monate für 2 Jahre bestimmt werden. Wenn nach 2 Jahren die Antikörper negativ geblieben sind und Symptome fehlen, gilt die Glutenbelastung in der Regel als negativ.

Sicherheitshalber sollte nach 5 und 10 Jahren eine nochmalige Antikörperbestimmung erfolgen.

Bei Erwachsenen sollte keine systematische Nachbeobachtung erfolgen.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Zum Zeitpunkt der Antikörperuntersuchung muss eine ausreichende Glutenzufuhr sichergestellt sein, weil die Antikörper unter einer glutenfreien Diät bereits negativ geworden sein können. Der Zeitraum, in dem die Antikörper unter einer glutenfreien oder stark glutenreduzierten Diät negativ werden, ist sehr unterschiedlich, er kann Wochen aber auch viele Monate, in einigen Fällen sogar Jahre betragen und hängt von verschiedenen Faktoren ab (initiale Höhe der Antikörper, Grad der Zottenatrophie, genetische Disposition, Diätadhärenz, Sensitivität gegenüber Spuren von Gluten). Esch et al. untersuchten das Verhalten zöliakiespezifischer Antikörper bei Kindern und Jugendlichen mit serologisch und histologisch gesicherter Zöliakie. Sie fanden noch 2 Jahre nach Beginn einer glutenfreien Diät bei 12 % der untersuchten Kinder positive EmA- oder tTG-Antikörper [103]. Dringend abgeraten werden muss daher von einer versuchsweisen glutenfreien Kost vor einer Diagnostik. Ein weiterer wichtiger Grund für diese Empfehlung ist, dass auch bei einem klinischen Ansprechen auf eine glutenfreie Diät die Differenzierung einer Zöliakie von einer Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität (siehe Empfehlungen 2.22. und 2.23.) nicht mehr möglich ist.

Wenn Personen bereits eine glutenfreie Diät ohne vorherige Diagnostik begonnen haben, sollte eine Glutenbelastung erfolgen. Wenn die glutenfreie Diät nur kurz durchgeführt wurde (unter 4 Wochen), sind die zöliakiespezifischen Antikörper möglicherweise noch positiv. Negative Antikörper hingegen schließen in diesem Fall eine Zöliakie nicht aus. Eine Glutenbelastung kann auch auf Wunsch von Personen erfolgen, bei denen in der Vergangenheit die Diagnose Zöliakie gestellt wurde und Zweifel an dieser Diagnose bestehen. Auch hier sollte die Glutenbelastung in Absprache mit dem betreuenden Gastroenterologen bzw. Kindergastroenterologen erfolgen. Bei diesen Personen besteht auch die Indikation für eine HLA-Typisierung (siehe Empfehlung 2.14.). Bei Negativität für HLA-DQ2 und -DQ8 ist eine Zöliakie weitgehend ausgeschlossen. Die Betroffenen können eine glutenfreie Diät beenden. Antikörperbestimmungen sind in diesem Fall nicht notwendig.

Es gibt keine sicheren evidenzbasierten Daten für die Dauer der Glutenbelastung und die tägliche Menge an Gluten, die vor einer zuverlässigen Antikörpertestung konsumiert werden sollte, da die immunologische Reaktion auf Gluten bei Personen mit Zöliakie individuell sehr unterschiedlich sein kann. Die o. g. Empfehlungen sind daher ein Kompromiss, mit dem möglichst viele Betroffene erfasst werden können.

Lange Zeit wurde eine Glutenbelastung mit 15 g Gluten pro Tag (bei Kindern entsprechend adaptiert) über 8 – 12 Wochen bzw. bis zum Auftreten von Beschwerden vor einer Antikörperdiagnostik empfohlen. Mindestens 2 Mahlzeiten pro Tag sollten Gluten enthalten. Eine jüngste Studie an 20 erwachsenen Zöliakiebetroffenen in (serologischer) Remission konnte jedoch zeigen, dass mit deutlich weniger Gluten (3 Gramm pro Tag) bereits nach 4 Wochen 55 % der Betroffenen positive tTG-IgA-Antikörper entwickelt hatten [104].

Die durchschnittliche Nahrung eines Erwachsenen enthält 10 – 20 g Gluten pro Tag (in einigen Ländern bis zu 40 g). Der Glutengehalt einer Weizenbrotscheibe beträgt etwa 6 – 7 % des Gesamtgewichts. In 6 Scheiben Brot sind etwa 15 Gramm Gluten enthalten. Dieser Wert kann je nach Dicke der Scheibe schwanken.

Empfehlung 2.9.: Diagnostik bei Personen mit erhöhtem Risiko

Personen mit einem erhöhten Risiko (siehe Spezifizierung in [Tab. K-5]) für eine Zöliakie soll eine Antikörperbestimmung (siehe Empfehlung 2.1.) angeboten werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Personen mit einem erhöhten Risiko für eine Zöliakie sind insbesondere Verwandte 1. Grades eines Zöliakiebetroffenen (Risiko 10 – 15 %), Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 (Risiko bis zu 9 %) und Autoimmunthyreoiditis (Risiko bis zu 10 %) und Trisomie 21 [105] [106]. Bei negativen Autoantikörpern kann eine HLA-Typisierung zum Ausschluss einer Zöliakie angeboten werden (siehe Empfehlung 2.14.). Auch Verwandte 2. und höheren Grades haben ein etwas erhöhtes Risiko für eine Zöliakie. Bei entsprechenden Symptomen soll die Indikation für eine Diagnostik großzügig gestellt werden. Vor Durchführung einer Diagnostik sollen die Betroffenen über die Implikationen eines positiven, als auch eines negativen Testergebnisses aufgeklärt werden.

Empfehlung 2.10.

Bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 sollen bei Diagnosestellung des Diabetes und dann alle 1 – 2 Jahre bis zum 18. Lebensjahr die zöliakiespezifischen Antikörper untersucht werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 2.11.

Erwachsene mit Diabetes mellitus Typ 1 sollten mind. einmal serologisch auf Zöliakie untersucht werden, falls dies in Kindes- und Jugendalter nicht erfolgt ist.

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Die Prävalenz der Zöliakie bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 beträgt bis zu 9 % [107]. Die meisten dieser Betroffenen haben keine klassische Zöliakie, viele sind a- oder oligosymptomatisch. Es gibt widersprüchliche Studienergebnisse darüber, ob diese Personen von einer glutenfreien Diät bez. der Einstellung und der Folgen ihres Diabetes mellitus Typ 1 mittel- oder langfristig profitieren. Jüngste Studien legen allerdings nahe, dass sowohl die Insulineinstellung verbessert, wird als auch Spätfolgen wie Arteriosklerose oder Niereninsuffizienz mit einer strikt glutenfreien Diät gemildert werden [12] [108]. Eine Empfehlung muss auch die langfristigen Folgen einer unerkannten Zöliakie berücksichtigen. In jedem Fall ist das Vorgehen nach Erhalt des Antikörperbefundes individuell mit dem Betroffenen und ggf. mit den Eltern zu besprechen.

Es konnte gezeigt werden, dass eine glutenfreie Ernährung bei Kindern mit Zöliakie und Diabetes mellitus Typ 1 kurzfristig gastrointestinale Symptome und schwere Hypoglykämien reduzierte, während der Insulinbedarf signifikant anstieg [109].

In einer Fallkontrollstudie bei erwachsenen Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 wurden diejenigen mit neuentdeckter Zöliakie (Fälle) und diejenigen ohne Zöliakie (Kontrollen) verglichen. Bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 und bislang unentdeckter Zöliakie fanden sich ein höherer Wert für HbA1c (8,2 vs. 7,5 %, p = 0,05) und eine statistisch signifikant höhere Prävalenz mikrovaskulärer Veränderungen (Retinopathie, Nephropathie) als in der Kontrollgruppe [108].

Empfehlung 2.12.

Bei Personen mit erhöhtem Risiko für eine Zöliakie soll bei deutlich positiver Serologie (> 3-fach oberen Grenzwert) eine histologische Untersuchung der Dünndarmschleimhaut erfolgen, um die Diagnose zu sichern. Bei geringer erhöhten Antikörpertitern (< 3-fach oberer Grenzwert) und Symptomfreiheit sollte nach 3 – 6 Monaten zunächst eine serologische Kontrolle erfolgen.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Der Grund für diese Empfehlung ist, dass bei asymptomatischen Personen mit erhöhtem Risiko für eine Zöliakie, durch z. B. Virusinfektion, transient tTG-IgA-Ak getriggert werden können, ohne dass histologisch eine Zöliakie nachgewiesen werden kann. Bei einem Teil dieser Personen verschwinden diese Antikörper im Verlauf, ohne dass die Betroffenen eine Zöliakie entwickeln [110].

Sollten die Antikörperkonzentrationen wiederholt erhöht, aber unterhalb des 3-fachen oberen Grenzwerts liegen, kann eine Biopsie erwogen werden. Bei leicht positiven tTG-Antikörpern kann ggf. die zusätzliche Bestimmung der EmA-IgA-Antikörper sinnvoll sein.

Empfehlung 2.13.

Den erstgradigen Verwandten (Eltern, Kindern, Geschwistern) von Zöliakiebetroffenen soll eine Antikörperdiagnostik angeboten werden, auch wenn sie keine typischen Symptome haben. Bei Kindern und Jugendlichen kann diese Diagnostik alle 1 – 2 Jahre und soll beim Auftreten von mit Zöliakie assoziierten Symptomen (siehe [Tab. K-4]) wiederholt werden.

Bei Erwachsenen sollte diese Testung einmal erfolgen, weitere Male nur bei mit Zöliakie assoziierten Symptomen.

[Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Prävalenz der Zöliakie bei Verwandten 1. Grades beträgt zwischen 10 und 15 %. Rubio-Tapia et al. testeten 344 erstgradige Verwandte von Zöliakiebetroffenen und konnten bei 11 % von ihnen eine Zöliakie serologisch und histologisch nachweisen. Etwa die Hälfte dieser Personen hatte eine nach der veralteten Nomenklatur als asymptomatische Zöliakie zu bezeichnende Form [111]. Auch andere Studien ergaben ähnliche Ergebnisse. Viele der primär scheinbar asymptomatischen Personen erfahren nach Beginn einer glutenfreien Diät eine klinische Besserung (subklinische Zöliakie). Kinos et al. fanden bez. der Diätadhärenz, der klinischen Besserung und der Zufriedenheit mit der Diagnose keinen wesentlichen Unterschied zwischen pädiatrischen Zöliakiebetroffenen, die aufgrund von Symptomen oder die durch ein Screening diagnostiziert worden sind [112]. Aus diesem Grund wird die Empfehlung ausgesprochen, auch asymptomatische Verwandte 1. Grades zu testen. Die Empfehlung, bei Kindern auch bei initial negativer Serologie diese im Verlauf zu wiederholen, gründet sich auf Studien, die bei Verwandten eine Serokonversion bei wiederholten Testungen nachweisen konnten [105]. Die Serokonversionsrate dieser Risikogruppe scheint bei Kindern deutlich höher als bei erwachsenen Verwandten zu sein [113], weshalb auch altersabhängige Empfehlungen ausgesprochen wurden.

Empfehlung 2.14.

Eine HLA-Typisierung (Bestimmung von DQ2 bzw. DQ8) zum weitgehenden Ausschluss einer Zöliakie kann bei folgenden Personen empfohlen werden:

  • Personen/Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Zöliakie

  • Patienten mit diskrepanten Befunden

  • Patienten mit fraglicher Zöliakiediagnose, die längere Zeit (> 2 Monate) eine glutenfreie Diät eingehalten haben und bei denen eine Glutenbelastung erwogen wird.

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

25 – 35 % der Bevölkerung sind positiv für HLA-DQ2 oder -DQ8. Daher hat ein Nachweis von HLA-DQ2 oder -DQ8 nur einen niedrigen positiven Vorhersagewert. Eine Negativität für HLA-DQ2 und -DQ8 hingegen schließt eine Zöliakie weitgehend (zu etwa 95 – 100 %) aus. Die Bestimmung des HLA-Genotyps kann daher zum Ausschluss einer Zöliakie sinnvoll sein.

In Europa sind ca. 85 – 90 % der Zöliakiebetroffenen positiv für HLA-DQ2 und ca. 10 – 15 % für HLA-DQ8 [114]. 5 – 6 % der Betroffenen tragen nur ein „halbes“ HLA-Heterodimer, d. h. entweder eine Alpha- oder Beta-Kette des HLA-Heterodimers [114] [115]. In den beiden letztgenannten Studien gab es zudem nur wenige Betroffene (3 bzw. 0,4 %) bei denen weder HLA-DQ2, -DQ8 noch ein Allel für eine einzelne Alpha- oder Beta-Kette nachweisbar waren. Die neuen ESPGHAN-Leitlinien [13] empfehlen primär eine HLA-Typisierung bei Personen mit einem erhöhten Zöliakierisiko. Da aber ein hoher Prozentsatz der erstgradigen Verwandten positiv für die HLA-Risikoallele ist, limitiert dies den Prozentsatz von Personen, bei denen eine Zöliakie ausgeschlossen werden kann. In der Studie von Rubio-Tapia et al. waren z. B. 73 % der erstgradigen Verwandten von Zöliakiebetroffenen positiv für HLA-DQ2 [111]. Allerdings haben Personen mit erhöhtem Risiko für Zöliakie auch häufiger falsch-positive Ergebnisse bei der Messung von Antikörpern gegen tTG, sodass ein negativer Befund für HLA-DQ2 oder -DQ8 hier weitere Antikörperbestimmungen überflüssig machen kann [116]. Da die Interpretation der genetischen Befunde im Einzelfall schwierig sein kann, sollte die Beurteilung durch mit der Genetik der Zöliakie vertraute Gastroenterologen erfolgen.

Diskrepante Befunde ergeben sich vor allem bei sich widersprechenden serologischen und histologischen Ergebnissen.

Empfehlung 2.15.

Bei Kindern mit klinischen Symptomen und Zeichen der Malabsorption kann unter den folgenden Umständen der Verzicht auf eine Biopsie erwogen und die Diagnose Zöliakie ohne eine histologische Sicherung gestellt werden:

  • tTG-IgA-Ak Titer > 10-fachem des oberen Grenzwerk UND

  • positiver EmA-IgA-Ak aus einer zweiten unabhängigen Blutprobe UND

  • Nachweis von HLA-DQ2 oder -DQ8 UND

  • Verschwinden der Symptome unter einer glutenfreien Diät.

Die Entscheidung zum Verzicht auf eine Biopsie soll durch einen Kindergastroenterologen in Absprache mit den Sorgeberechtigten getroffen werden.

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Diese Empfehlung lehnt sich an die neuen ESPGHAN-Leitlinien an [13] und stützt sich auf Studien [117] [118] [119], die hohe Spezifitäten (> 95 %) für dieses Vorgehen beschreiben. Zu beachten bei dieser Empfehlung ist vor allem, dass sie nur für Kinder mit klinischen Zeichen einer Malabsorption bzw. Symptomen einer Malabsorption (d. h. Zeichen einer klassischen Zöliakie) gilt. Kurppa et al. haben diese Kriterien auch bei 3031 Personen (25 % unter 18 Jahren) mit einem erhöhten Zöliakierisiko, v. a. bei Verwandten 1. Grades, untersucht. Histologisch konnte eine Zöliakie bei 94 % (75/80) der Personen mit stark erhöhten tTG-IgA-Ak (> 100 U) und positiven EmA-IgA-Ak nachgewiesen werden [1209. Diese Personengruppe erfüllt allerdings nicht die klinischen Kriterien für eine klassische Zöliakie. Bei der Entscheidung zur Diagnose einer Zöliakie ohne Entnahme einer Biopsie, die stets durch einen Kindergastroenterologen gemeinsam mit den Sorgeberechtigten erfolgen sollte, muss berücksichtigt werden, dass die Diagnose eine lebenslange glutenfreie Diät mit allen damit verbundenen Einschränkungen notwendig macht.

Auch bei Erwachsenen gibt es Studien, die unter bestimmten Umständen einen Verzicht auf die Dünndarmbiopsie rechtfertigen [121] [122]. Die in einzelnen Studien erreichten sehr hohen positiven Vorhersagewerte wurden jedoch immer unter der Annahme sehr hoher Prävalenzen und damit für vorselektierte Personengruppen errechnet [123]. Überwiegend gilt daher die Empfehlung, bei Erwachsenen die Diagnose Zöliakie histologisch zu bestätigen [14].

Empfehlung 2.16.

Die Diagnose Zöliakie kann sicher gestellt werden bei:

  • positiver Serologie UND

  • positiver Histologie (d. h. MARSH 2 oder 3) UND

  • serologischer Besserung unter glutenfreier Diät.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Für die Diagnose einer Zöliakie gibt es keinen einzelnen beweisenden Test. Die Diagnose einer Zöliakie basiert auf Anamnese, der klinischen Untersuchung, der Antikörperbestimmung und der histologischen Untersuchung von Dünndarmbiopsien [13] [14] [124]. Dazu kommt ggf. eine HLA-Typisierung. Das Kriterium einer serologischen Besserung setzt voraus, dass die Betroffenen langfristig weiterbetreut und serologisch überwacht werden.

Bei fehlenden Symptomen (subklinischen Zöliakie) hängt die Sicherheit der Diagnose von der Eindeutigkeit der Serologie (Antikörpertiter > 3-fach über dem oberen Grenzwert) und der Histologie (MARSH 3) ab. Es kann eine subklinische Zöliakie bestehen, bei der erst nach Beginn einer GFD eine Besserung des Allgemeinbefindens bemerkt wird.

Negative zöliakiespezifische IgA-Antikörper bei einer IgA-kompetenten Person bzw. negative zöliakiespezifische IgG-Antikörper bei einer IgA-defizienten Person unter langfristiger glutenhaltiger Diät schließen hingegen eine Zöliakie zum Zeitpunkt der Untersuchung weitgehend aus. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich eine Zöliakie im Verlauf entwickeln kann.

Empfehlung 2.17.

Bei diskrepanten Befunden zwischen Serologie und Histologie soll die Validität der Diagnostik überprüft und die Diagnostik ggf. wiederholt oder erweitert werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Am häufigsten sind Diskrepanzen zwischen positiven Antikörpern und negativer Histologie (d. h. MARSH 0 oder 1, siehe AG 3). Ein mögliches Vorgehen besteht hier in der Untersuchung eines zusätzlichen Antikörpers, z. B. der EmA-IgA-Ak bei positiven tTG-IgA-Ak, aber negativer Histologie [94]. Bei negativer Histologie muss überprüft werden, ob die Biopsien entsprechend der Empfehlung 4.3. in ausreichender Anzahl und unter Einschluss des Bulbus duodeni entnommen worden sind. Ggf. muss die Histologie wiederholt oder ein Referenzpathologe konsultiert werden. Entsprechend Empfehlung 2.14. kann eine HLA-Typisierung sinnvoll sein. Bei positiven Autoantikörpern, negativer Histologie (MARSH 0 oder MARSH 1) und Positivität für HLA-DQ2 oder -DQ8 kann es sich in 10 – 15 % der Fälle um eine potenzielle Zöliakie handeln [14] [17]. Diese Personen sollen weiter überwacht werden, da sich im Verlauf eine Zottenatrophie entwickeln kann [125].

Empfehlung 2.18.

Bei der initialen Diagnostik können folgende weitere Laborwerte bestimmt werden: Blutbild, Vitamin B12, Folsäure, Ferritin, Transaminasen, Calcium, Nüchternglucose, Vitamin-D-Spiegel (25-OH-Cholecalciferol), alkalische Phosphatase, Zink, Thyreoidea-stimulierendes-Hormon (TSH).

Weitere Autoantikörper sollen nur bei einem klinischen Verdacht bestimmt werden.

[Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Personen mit unbehandelter Zöliakie haben gegenüber Personen ohne Zöliakie ein erhöhtes Risiko für einen Mangel an Mikronährstoffen (Vitaminen und Spurenelementen) und für eine Anämie. Es gibt viele Studien, die bei Diagnosestellung einer Zöliakie eine erhöhte Prävalenz für einen Mangel an Eisen, Folsäure, Vitamin-B12 und anderen Vitaminen und Spurenelementen gezeigt haben [125] [126]. Das erhöhte Risiko für eine Osteoporose ist wahrscheinlich v. a. die Folge eines Vitamin-D-Mangels. Die Prävalenz der Osteoporose steigt mit dem Alter und damit der Zeitdauer der Glutenbelastung an [128]. Ebenso korreliert das Ausmaß des Knochendichteschwunds mit dem Schweregrad der Zottenatrophie [129]. Es gibt für eine allgemein akzeptierte Empfehlung zur Untersuchung bestimmter Serumspiegel von Vitaminen und Spurenelementen bei Diagnosestellung einer Zöliakie und im Verlauf wenig Evidenz. Trotzdem scheint es sinnvoll zu sein, initial zusätzlich folgende Laborparameter zu bestimmen: Blutbild, Ferritin, Thyreoidea-stimulierendes-Hormon (TSH), Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin D (25-OH-Cholecalciferol). Bei Verdacht auf eine Osteoporose sollten weitere Parameter des Knochenstoffwechsels untersucht werden.

Eine Autoimmunthyreoiditis findet sich bei etwa 4 – 10 % der Personen mit einer Zöliakie. Eine initiale Bestimmung des TSH ist daher sinnvoll. Die Bestimmung schilddrüsenspezifischer Antikörper hingegen hat bei Kindern mit Zöliakie einen geringen PPV für die Entwicklung einer Autoimmunthyreoiditis [130]. Unter einer glutenfreien Diät scheint hier eine regelmäßige Evaluation auf eine Autoimmunthyreoditis nicht notwendig. In einer prospektiven Studie über 2 Jahre an 545 Kindern mit Zöliakie unter GFD und 622 Kontrollen zeigte sich kein Unterschied in der Prävalenz der Autoimmunthyreoiditis zwischen Zöliakiepatienten unter einer Diät und Kontrollen [131].

Die Entscheidung über die Untersuchung zusätzlicher Laborparameter muss der behandelnde Arzt unter Berücksichtigung der Anamnese, Klinik und des körperlichen Befundes individuell treffen.

Empfehlung 2.19.

Die Kapselendoskopie soll zur Primärdiagnostik nicht eingesetzt werden. Sie ist speziellen Fragestellungen vorbehalten.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Kapselendoskopie soll nicht zur Primärdiagnostik eingesetzt werden, da sie keine Entnahme von Biopsien ermöglicht. Bei speziellen Fragestellungen und bei Personen, bei denen aus medizinischen Gründen eine Endoskopie nicht möglich ist, kann sie jedoch sinnvoll sein [132] [133]. In einer Metaanalyse wurde eine Sensitivität von 89 % und eine Spezifität von 95 % für die Diagnose einer Zöliakie mittels Kapselendoskopie errechnet [134].

Empfehlung 2.20.

Eine Glutenbelastung zur Bestätigung der Diagnose einer Zöliakie ist i. d. R. nicht notwendig. Sie sollte unter folgenden Umständen durchgeführt werden:

  • Zweifel an der initialen Diagnose

  • negative zöliakiespezifische Antikörper oder untypische Konstellationen in der initialen Diagnostik

  • auf Wunsch des Betroffenen/der Sorgeberechtigten

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Die Empfehlung, auf eine routinemäßige Glutenbelastung zur Diagnosesicherung zu verzichten, betrifft ausdrücklich auch Kinder, bei denen die Diagnose Zöliakie vor Vollendung des 2. Lebensjahrs gestellt wurde [135]. Bei diesen war bislang eine bestätigende Glutenbelastung vor Beginn des Schulbesuchs empfohlen worden. Voraussetzung für den Verzicht ist aber, dass die Diagnose entsprechend den Kriterien dieser Leitlinie gestellt wurde. Unter den unter 2.20 aufgeführten Umständen sollte allerdings eine Glutenbelastung durchgeführt werden. Die Entscheidung für eine Glutenbelastung und deren ärztliche Begleitung sollte bei Kindern immer durch einen Kindergastroenterologen in Absprache mit den Sorgeberechtigten des Kindes erfolgen (Durchführung siehe Empfehlungen 2.7. und 2.8.).

Empfehlung 2.21.

Nach Ausschluss einer Zöliakie sollte bei Verdacht auf eine Weizenallergie folgende Diagnostik erfolgen:

  • Führen eines Beschwerdetagebuchts

  • Bestimmung von spezifischem IgE gegen Weizen

  • Haut-Prick-Test mit Weizen

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Weizen gehört zu den stark allergenen Nahrungsmitteln und löst von allen Getreidesorten am häufigsten eine Allergie aus. Kleinkinder, bei denen eine Weizenallergie diagnostiziert wird, entwickeln häufig im Schulalter eine Toleranz gegenüber Weizen [35]. Wenn allerdings hohe IgE-Antikörper gegen Weizen nachweisbar sind, kann die Weizenallergie persistieren. Positive spezifische IgE AK oder ein positiver Haut-Prick-Test auf Weizen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerden Folge einer Allergie sind, beweist für sich alleine aber nicht die Diagnose Weizenallergie. Umgekehrt schließen negative Tests nicht die Diagnose einer Weizenallergie aus. Die Weizenallergie ist von der Zöliakie streng zu unterscheiden. Eine Zöliakie sollte vor Beginn der Weizenelimination immer durch eine negative Zöliakieserologie ausgeschlossen worden sein. Der Goldstandard für die Diagnostik von Nahrungsmittelallergien ist die Besserung oder das Verschwinden der Beschwerden unter einer strikten Allergenkarenz und eine positive, doppelblinde, placebokontrollierte, orale Nahrungsmittelprovokation [136]. Bei anamnestisch eindeutig schwerer Sofort- oder lebensbedrohlicher Reaktion und positivem spezifischen IgE sollte auf eine orale Provokation verzichtet werden.

Empfehlung 2.22.

Bei einer weizenabhängigen Klinik und negativer Serologie (für zöliakiespezifische Antikörper), normaler Dünndarmhistologie, negativem spezifischem IgE (Weizen) und negativem Prick-Test (Weizen) kann nach sorgfältigem Ausschluss anderer Diagnosen der Verdacht auf eine Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität gestellt werden.

[Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Die Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität (im Folgenden kurz Weizensensitivität) ist bislang nur unzureichend definiert und umfasst alle klinischen, oft zöliakieähnlichen Beschwerden, die durch Weizen ausgelöst werden, ohne dass eine Zöliakie oder eine Weizenallergie vorliegen [17] [137]. Die Weizensensitivität ist eine wichtige Differenzialdiagnose zur Zöliakie. Alle Befunde deuten auf eine angeborene Immunität (Sofortreaktion insbesondere von myeloiden Entzündungszellen z. B. auf Zellwandbestandteile, DNA oder RNA von Bakterien oder Viren) hin. Es wurde bewusst der Begriff Weizensensitivität statt Glutensensitivität (im englischen Sprachraum auch non-coeliac gluten sensitivity, abgekürzt NCGS) gewählt, da nach jüngsten Befunden nicht das Gluten, sondern andere Bestandteile des Weizens und anderer glutenhaltiger Getreide, die Alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs), für die klinische Reaktion (angeborene Immunität) verantwortlich zu sein scheinen [36].

Es gibt noch keinen diagnostischen Test, der eine Weizensensitivität nachweist, weshalb der Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie notwendig sind. Die Weizensensitivität weist im Gegensatz zur Zöliakie keine relevante Assoziation mit bestimmten HLA-Typen auf. Aufgrund der Klinik können die Zöliakie und die Weizensensitivität nicht unterschieden werden [138]. Überlappungen bestehen auch zum Reizdarmsyndrom. Histologisch findet sich oft eine eosinophile Infiltration der Dünndarmmukosa, aber keine Zottenatrophie, weshalb auch Symptome der Malabsorption selten sind [138]. Die weizenabhängige Klinik soll durch ein Beschwerdetagebuch dokumentiert und ggf. durch eine Reexposition erneut provoziert werden. Die Unterscheidung der Weizensensitivität von der Zöliakie und der Weizenallergie ist wichtig, weil sich die Diätempfehlungen und die Prognose unterscheiden (dosisabhängige Klinik bei der Weizensensitivität). Bei ca. 20 % der Personen, bei denen eine Weizenelimination zu einer Besserung der Beschwerden führt, kann eine Unverträglichkeit gegen die sonst unschädlichen FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole), primär aus Hülsenfrüchten sowie bestimmten Obst-, Gemüse- und Getreidearten inkl. Weizen, vorliegen [37].

Empfehlung 2.23.

Bei Kindern und Jugendlichen sollte die Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität durch eine doppelblinde, placebokontrollierte Belastung bewiesen oder ausgeschlossen werden, um negative psychosoziale und nutritive Folgen einer strikt glutenfreien Diät zu vermeiden.

[starker Konsens, Empfehlung]*

* Bei der Abstimmung enthielten sich mehrere Nicht-Pädiater.

Kommentar

Die Diagnostik der Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität (im Folgenden kurz Weizensensitivität) sollte in Analogie zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien als Elimination und Provokation durchgeführt werden [136]. Gefordert sind 1. eine Besserung bzw. ein Verschwinden der Symptome unter Weizen-(Roggen-, Gerste-)Karenz und 2. ein reproduzierbares Auftreten der Symptome unter erneuter Belastung. Die Belastung kann zunächst offen oder „single-blind“ durchgeführt werden, wenn anamnestisch keine Hinweise auf eine schwere Sofortreaktion bzw. eine Weizenallergie bestehen. Verläuft die offene Provokation negativ, d. h. treten keine Symptome auf, dann kann eine Weizensensitivität ausgeschlossen werden. Treten Symptome auf, muss durch eine doppelblinde, placebokontrollierte, orale Weizenprovokation die Diagnose bestätigt werden. Die Provokation kann ambulant erfolgen; die Beschwerden sollen in einem Tagebuch dokumentiert werden. Bei der Weizensensitivität sind die Symptome meist innerhalb von Stunden zu erwarten, weshalb z. B. nach zwei Belastungstagen eine Wash-out-Phase von einigen Tagen folgen kann. Entscheidend ist die Blindung, so dürfen sich Aussehen und Geschmack von Verum und Placebo kaum unterscheiden. Dafür sollten Gebäck oder Brot in einer Diätküche zubereitet werden.


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Kapitel 3: Therapie (Arbeitsgruppe 3)

Empfehlung 3.1.

Indikationen für Diät

Symptomatische Personen (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) mit gesicherter Zöliakie sollen unabhängig von möglichen Begleiterkrankungen (z. B. Typ-1-Diabetes, Trisomie 21) mit einer glutenfreien Diät (GFD) behandelt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Therapieziele einer glutenfreien Diät (GFD) bei symptomatischen Personen mit Zöliakie sind die Besserung oder das Verschwinden gastrointestinaler und extraintestinaler Beschwerden bzw. Komplikationen, Risikoreduktion von Mikro- und Makronährstoffmangel mit ihren Folgen (z. B. Anämie, Osteopenie, Osteoporose, bei Kindern vermindertes Wachstum und verzögerte Pubertät) und von Langzeitkomplikationen (insbesondere Malignome) und Verbesserung der Lebensqualität. Die klinischen Symptome von Personen mit Zöliakie sind vielfältig und altersabhängig. Sie sind meistens Folge der Enteropathie (Zottenatrophie) mit Reduktion der resorptiven Oberfläche, Verminderung der Disaccharidaseaktivität, Inflammation und Störung der von der Darmschleimhaut sezernierten gastrointestinalen Hormone. Eine Normalisierung der Dünndarmarchitektur ist daher eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen von Symptomfreiheit und Risikoreduktion für Nährstoffdefizienz und Langzeitkomplikationen. Eine Normalisierung der intraepithelialen Inflammation wird dabei manchmal erst nach Jahren einer GFD oder überhaupt nicht erreicht [139]. Das Ausmaß der Zottenschädigung korreliert hoch signifikant mit gastrointestinalen Symptomen, psychischen Beschwerden, Hämoglobinwerten, Eisen- und Vitamin-B12-Status [140]. Besteht bei Kindern bereits eine Malnutrition, bessert oder normalisiert sich der Ernährungszustand unter einer GFD meist innerhalb weniger Wochen bis Monate [141]. Eine verminderte Wachstumsgeschwindigkeit normalisiert sich bereits in den ersten 6 Monaten nach Beginn der Diät, häufig ist ein Aufholwachstum mit vorübergehend erhöhter Wachstumsgeschwindigkeit zu verzeichnen [141]. Eine frühe Diagnose und striktes Einhalten der GFD sind wichtige Faktoren für die Endgröße [142]. So kann in Einzelfällen bei erst im späteren Kindes- oder Jugendalter diagnostizierter, aber schon länger bestehender Zöliakie, die genetisch zu erwartende Ziellänge nicht erreicht werden [143].

Empfehlung 3.2. Indikationen für Diät

Asymptomatische Kinder und Jugendliche mit gesicherter Zöliakie sollen unabhängig von möglichen Begleiterkrankungen (z. B. Typ-1-Diabetes, Trisomie 21) mit einer GFD behandelt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.3. Indikationen für Diät

Erwachsene mit gesicherter, aber subklinischer Zöliakie sollen unabhängig von möglichen Begleiterkrankungen (z. B. Typ-1-Diabetes, Schilddrüsenerkrankung) über die Möglichkeit einer GFD informiert werden. Die Vor- und Nachteile sollen mit dem Betroffenen diskutiert werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Subklinische Zöliakiebetroffene (zur Definition siehe dazu Kapitel 1) werden in der Regel durch Screening mittels serologischer Tests identifiziert. Sie gehören häufig einer Risikogruppe an, z. B. Diabetes mellitus Typ 1 oder Verwandte von Personen mit Zöliakie. Asymptomatische Kinder mit Typ-1-Diabetes sind vor Beginn einer GFD im Schnitt kleiner und haben im Vergleich zu gesunden Kontrollen ein erhöhtes Risiko für eine Osteopenie und erhöhte Parathormonwerte [144]. Sonst beschwerdefreie Kinder mit Kleinwuchs als einzigem Zeichen der Zöliakie weisen nach Einführung einer glutenfreien Diät eine verbesserte Wachstumsgeschwindigkeit auf [145]. Frauen mit Ulrich-Turner-Syndrom und subklinischer Zöliakie erreichen unter Wachstumshormontherapie eine geringere Endgröße im Vergleich zu Frauen mit Ulrich-Turner-Syndrom ohne positive Zöliakieserologie [146]. Die Auswirkungen auf die metabolische Kontrolle (HbA1c, Hypoglykämien, Insulinbedarf) einer GFD bei subklinischen Zöliakiebetroffenen mit Typ-1-Diabetes wurde in verschiedenen prospektiven pädiatrischen Fallkontrollstudien mit z. T. widersprüchlichen Ergebnissen untersucht. Zusammenfassend ergaben sich keine statistisch signifikanten Auswirkungen auf die drei untersuchten Parameter nach Einleitung der GFD im Vergleich zu den Kontrollen [145]. Langzeitdaten bez. kardiovaskulärer oder renaler Komplikationen liegen nicht vor. Zusammenfassend gibt es umfangreiche Daten, dass sich auch bei Fehlen von klinischen Symptomen eine unbehandelte Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen mit und ohne begleitende Erkrankung ungünstig auf Wachstum und Knochenqualität auswirken kann.

Die Vorteile einer GFD bei asymptomatischen Erwachsenen sind weniger ausführlich untersucht worden. Bei Schwangeren kann eine nicht erkannte bzw. nicht behandelte Zöliakie das Risiko für Frühgeburtlichkeit und untergewichtige Neugeborene („small for gestational age“) sowie für Aborte und Totgeburten erhöhen [147] [148]. Es gibt aber auch eine Arbeit, die keine vermehrte Abortrate ausweist [42]. Die Fertilität scheint nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern eingeschränkt zu sein [149]. Bei den zugrunde liegenden epidemiologischen oder Fallkontrollstudien wurde jedoch nicht immer streng zwischen Personen mit und ohne gastrointestinalen Symptomen unterschieden. Bisher gibt es wenige Daten von durch Screening diagnostizierten erwachsenen subklinischen Zöliakiebetroffenen zur Osteopenie/Osteoporose oder anderen Risiken einer nicht behandelten Zöliakie. Allerdings gibt es Hinweise dafür, dass bei subklinischen Personen mit Zottenatrophie eine erhöhte Gefahr für Osteoporose besteht, welche eine GFD rechtfertigt [150]. In jedem Fall müssen asymptomatische Erwachsene mit diagnostizierter Zöliakie über potenzielle negative Auswirkungen einer unbehandelten Zöliakie auf ihre Gesundheit aufgeklärt werden.

Empfehlung 3.4. Durchführung der Diät

Die glutenfreie Diät (GFD) soll bei gesicherter Diagnose Zöliakie lebenslang eingehalten werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.5. Durchführung der Diät

Hafer und daraus hergestellte Produkte ohne Kontamination mit glutenhaltigem Getreide sollen von einer GFD nicht ausgeschlossen werden, wenn unter dem Verzehr keine Beschwerden oder Symptome auftreten.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Solange keine Alternative zur GFD als wirksame und sichere Behandlung der Zöliakie besteht, soll eine GFD lebenslang und strikt eingehalten werden. Da die Erkrankung als lebenslang gilt, führt die Beendigung der GFD früher oder später zu einem Rezidiv. Bei den wenigen Fallberichten von sogenannter transienter Zöliakie wurde die initiale Diagnose oft zu einem Zeitpunkt gestellt, als eine Testung auf zöliakiespezifische Antikörper noch nicht möglich war [150] [151]. Auch ist unklar, ob die Toleranzentwicklung bei den wenigen beschriebenen Patienten anhaltend blieb.

Glutenhaltiges Getreide (d. h. Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste, Triticale, Khorasan-Weizen [Kamut®], Emmer, Einkorn) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse müssen nach der Allergenkennzeichnungspflicht (EU-Verordnung Nr. 1169/2011; Kennzeichnungspflicht für Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen) ausgezeichnet werden. Von der Allergenkennzeichnungspflicht ausgenommen sind: Glukosesirupe, einschließlich Dextrose und Maltodextrine auf Weizenbasis, Glukosesirupe auf Gerstenbasis und Getreide zur Herstellung von Destillaten oder Ethylalkohol für Spirituosen und andere alkoholische Getränke.

Folgende glutenfreien Getreide sind erlaubt: Hirse, Mais, Reis. Folgende glutenfreien Mehlpflanzen, die z. T. als „Pseudogetreide“ bezeichnet werden, sind erlaubt: Buchweizen, Quinoa, Maniok, Amaranth, Kartoffeln u. a.. Das Hauptrisiko bei dem Verzehr von glutenfreiem Getreide, von Mehlpflanzen und anderen Lebensmitteln ist eine Kontamination im Herstellungs-, Verarbeitungs- und Lagerungsprozess. In einer kanadischen Studie lag der Glutengehalt über dem zugelassenen Wert von 20 mg/kg (bis zu 7995 mg/kg) bei 9,5 % (61 von 649) der getesteten Lebensmittel, die nur von Natur aus glutenfreie Getreide oder Mehlpflanzen enthielten, aber nicht mit dem glutenfreien Siegel gekennzeichnet waren, und nur bei 3 von 269 (1 %) der als glutenfrei deklarierten Produkte [152].

Der Begriff „glutenfrei“ impliziert eine komplette Elimination von Gluten, was praktisch kaum möglich ist. Der international anerkannte Codex Alimentarius definiert „glutenfreie“ Nahrungsmittel, wenn der Glutengehalt unter 20 p. p. m. (mg/kg) liegt. Die noch tolerierte Glutenmenge pro Tag, die nach Dosisfindungsstudien nicht oder nur sehr selten zu Schleimhautschäden führt, liegt bei weniger als 10 mg pro Tag bei Erwachsenen, Beschwerdefreiheit vorausgesetzt [153] [154]. Einige wenige Personen scheinen jedoch bereits bei diesen geringen Tagesmengen Beschwerden zu entwickeln. Auf Nahrungsmittel umgesetzt entsprechen 10 mg etwa 10 Brotbröseln oder einem Drittel eines Croutons oder einem Teil einer Nudel. Für Kinder und Jugendliche wurden keine in Studien etablierten Grenzwerte festgelegt. Es gibt große interindividuelle Unterschiede in der Toleranz kleinster Glutenmengen. Persistieren trotz vermeintlich kompletter GFD die Beschwerden und die Mukosaläsionen, sollte eine erneute Diätberatung mit tatsächlich gut kontrollierter GFD frei von Lebensmitteln mit möglicher Kontamination mit Gluten versucht werden, ehe eine refraktäre Zöliakie diagnostiziert wird [155].

Haferflocken haben nutritive Vorteile durch ihren hohen Gehalt an Faserstoffen und B-Vitaminen, bei niedrigem glykämischen Index. In der Kleinkinderkost haben sie in Deutschland einen hohen Stellenwert. Haferflocken verbessern eine GFD geschmacklich, erhöhen das Sättigungsgefühl, die Variabilität der GFD und damit die Lebensqualität. Sortenreine Haferflocken ohne Glutenkontamination werden von der überwiegenden Mehrzahl von Zöliakiebetroffenen ohne nachteilige Auswirkungen auf die Dünndarmschleimhaut vertragen.

Die Toxizität von Hafer bzw. seinem Prolamin Avenin wurde in den letzten Jahren ausführlich in vivo und in vitro untersucht. Insgesamt ist der Prolamingehalt im Hafer deutlich geringer im Vergleich zum Weizen, Roggen und Gerste. Es wurden aber innerhalb der Aveninfraktion einzelne Epitope identifiziert, die von T-Lymphozyten weniger Zöliakiebetroffener erkannt wurden [156]. Ob diese mit einer vermehrten intestinalen Entzündung korrelieren können, ist unklar. Haferflocken haben jedoch ein hohes Risiko während des Herstellungsprozesses mit Gluten kontaminiert worden zu sein [157] [158]. Daher sollten nicht als glutenfrei gekennzeichnete Haferflocken und ihre Produkte weder von Erwachsenen noch von Kindern mit Zöliakie verzehrt werden. Inzwischen sind auch in Deutschland produzierte Haferflocken verfügbar, deren Glutengehalt unter 5 ppm liegt [159].

Verschiedene systematische Übersichtsarbeiten von randomisierten kontrollierten Studien und offene Kohortenstudien bei Kindern und Erwachsenen zur Verträglichkeit von Haferflocken bei Zöliakiebetroffenen liegen vor [160] [161] [162]. Anschließend wurden weitere Patientenstudien publiziert, die die Verträglichkeit von Hafer bei Zöliakie belegen [159] [163]. Nicht alle Studien wurden mit sortenreinen Haferflocken ohne Glutenkontamination durchgeführt.

Betroffene sind darauf hinzuweisen, dass eine klinische Unverträglichkeit von sortenreinen Haferflocken ohne Glutenkontamination nicht mit einer immunologischen Schädigung gleichzusetzen ist. Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und weichere Stühle sind oft transient und durch den erhöhten Fasergehalt zu erklären. Diätfehler müssen ausgeschlossen werden. Bei Wunsch nach weiterem Haferverzehr trotz Persistenz der Beschwerden sollten Dünndarmbiopsien durchgeführt werden. Kinder und Erwachsene mit Zöliakie, die Haferprodukte in ihrer Kost wünschen, sollten wie alle Betroffene mit Zöliakie regelmäßig überwacht werden. Routinemäßige Rebiopsien sind nach dem jetzigen Kenntnisstand bei Beschwerdefreiheit nicht notwendig.

Empfehlung 3.6. Durchführung der Diät

Eine laktosereduzierte Diät soll nur dann empfohlen werden, wenn Symptome nach Genuss von laktosehaltigen Nahrungsmitteln auftreten. Die enteropathieassoziierte Laktoseunverträglichkeit ist in der Regel transient.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Eine Zottenschädigung im Dünndarm führt in der Regel zu einer verminderten Aktivität der in den Mikrovilli lokalisierten Disaccharidasen. Die Laktaseaktvität ist im Vergleich zur Saccharase- und Isomaltaseaktivität störanfälliger. So kann bei unbehandelter Zöliakie und in den ersten Wochen bis Monaten nach Beginn der GFD eine dosisabhängige Laktoseunverträglichkeit auftreten, die ähnliche Symptome wie die Zöliakie verursachen kann (Blähungen, Durchfall). Eine vorübergehende Reduktion von Milchprodukten, oder ein Wechsel auf laktosefreie Produkte empfiehlt sich nur bei symptomatischen Personen. Joghurt und Hartkäse werden meistens vertragen. Falls die Laktoseunverträglichkeit bestehen bleibt, kann eine genetisch bedingte Laktasedefizienz (sog. adulte Form) vorliegen, die durch einen H2-Atemtest belegt oder durch einen genetischen Test ausgeschlossen werden kann [164] [165].

Empfehlung 3.7. Durchführung der Diät

Bei Malnutrition oder klinisch relevantem Mangel an Mikronährstoffen sollte eine adäquate Nährstoffzufuhr und/oder eine Substitution mit Vitaminen oder Spurenelementen durchgeführt werden.

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Erwachsene und Kinder mit unbehandelter Zöliakie weisen häufiger einen Mangel an Mikronährstoffen im Vergleich zu alters- und geschlechtsgleichen Personen ohne Zöliakie auf. Gut dokumentiert sind ein Mangel an Eisen, Folsäure, der Vitamine A, B12, B6 und D, Kupfer, Zink und Carnitin [166]. Am besten untersucht ist der Eisenmangel, der durch Malabsorption und okkulte Blutverluste entsteht. Zöliakiebetroffene mit Eisenmangelanämie haben einen höhergradigen Zottenschaden als Betroffene mit Durchfällen [167]. Bei bisher unbekannter oder nicht behandelter Zöliakie ist die Eisenmangelanämie typischerweise refraktär auf orale Eisengaben. Bei Eisenmangelanämie ist neben der strengen GFD in jedem Fall eine Eisensubstitution empfehlenswert, da eine alleinige GFD die Anämie erst nach 6 – 12 Monaten korrigiert [168]. Bisher liegen keine randomisierten kontrollierten Studien dazu vor, ob eine i. v. Eisengabe einer oralen Gabe überlegen ist, um z. B. das Zeitintervall bis zur Normalisierung der Schleimhaut oder anderer gestörter Funktionen wie Wachstum oder Immunfunktionen zu verkürzen.

Bis zu 75 % der Zöliakiebetroffenen weisen bei Diagnose eine Osteopenie oder Osteoporose, verminderte Vitamin D oder erhöhte Parathormonspiegel auf [169]. Das Ausmaß der Knochendichteverminderung bei Erstdiagnose korreliert mit dem Ausmaß des Zottenschadens [129]. Das Frakturrisiko von Zöliakiebetroffenen liegt ca. 40 % über dem alters- und geschlechtsgleicher gesunder Kontrollen [169]. Vitamin D und Calcium sollten bei verminderter Knochendichte oder pathologisch erhöhtem Parathormonspiegeln zusätzlich zur GFD substituiert werden. Dies gilt besonders bei verminderter Zufuhr von Milchprodukten (z. B. bei primärem oder sekundärem Laktasemangel) [170]. Unterstützend kann den Betroffenen ein Muskelaufbautraining empfohlen werden [171]. Trotz dieser Maßnahmen normalisiert sich die Knochendichte nicht bei allen Personen unter GFD [170]. Bezüglich weitergehender Informationen sei auf die AWMF S3-Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Erwachsenen“ des Dachverbands Osteologie (DVO) verwiesen [172].

Bei klinisch evidentem bzw. nachweislichem Mangel anderer Mikronährstoffe sollte großzügig oral supplementiert werden. Dies gilt besonders für Kinder mit Wachstumsverzögerung und Erwachsenen mit Untergewicht. Der Bedarf während des Aufholwachstums nach Beginn der GFD kann oft nicht durch eine normale Ernährung gedeckt werden, da die Resorption noch unvollständig ist. Wie auch bei anderen Medikamenten dürfen nur glutenfreie Arzneimittelzubereitungen zur Anwendung kommen (siehe Positivliste der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft).

Empfehlung 3.8. Durchführung der Diät

Eine Ernährungsberatung durch eine Ernährungsfachkraft soll zu Beginn einer GFD durchgeführt und kann im Verlauf wiederholt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.9.

Auf die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Selbsthilfegruppe soll hingewiesen werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.10.

Eine psychologische Beratung kann in bestimmten Situationen empfohlen werden.

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Eine ausführliche Ernährungsberatung des Betroffenen bzw. der Eltern oder des Lebenspartners durch eine mit der Zöliakie vertraute Ernährungsfachkraft sollte bei Diagnose und bei Bedarf im Verlauf erfolgen. Die GFD erfordert eine umfassende Beratung, insbesondere da Gluten sehr oft in Lebensmitteln versteckt und nicht sofort erkennbar ist. Ernährungsprotokolle von Kindern und Erwachsenen unter GFD und Messungen von Vitaminen und Spurenelementen wiesen häufig eine unzureichende Zufuhr bzw. einen Mangel an Mikronährstoffen auf [173] [174] [175] [176]. Praktische Hilfe bei Durchführung der GFD für Personen mit Zöliakie wird von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) in Stuttgart (Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V., Kupferstraße 36. 70 565 Stuttgart, Telefon 0711/ 459 981 – 0, FAX 0711/459 981 – 50, Email info@dzg-online.de, Internet: (www.dzg-online.de) sowie von der Österreichischen (www.zoeliakie.or.at) und Schweizerischen (www.zoeliakie.ch) Zöliakie-Gesellschaft gegeben. Auch Schulungen, Kochkurse und Treffen in Selbsthilfegruppen mit einem Erfahrungsaustausch von Betroffenen leisten einen wichtigen Beitrag dafür, dass Patienten umfassende Kenntnisse einer GFD erwerben und die Diät einhalten. Die Adhärenz zu einer GFD ist besonders bei jugendlichen Zöliakiebetroffenen nach Transition in die Erwachsenenmedizin unbefriedigend [177]. In einigen Fällen kann eine psychologische Unterstützung mit Schulungsprogrammen bei der Akzeptanz der GFD helfen [178].

Empfehlung 3.11. Monitoring unter der Diät

Personen mit Zöliakie unter GFD sollen regelmäßig ärztlich untersucht und der Ernährungsstatus erhoben werden. Die Untersuchung schließt eine Befragung zu Symptomen und zur Einhaltung der Diät, eine körperliche Untersuchung mit Erhebung des BMI und die Bestimmung von zöliakiespezifischen Antikörpern ein. Bei Kindern und Jugendlichen sollen zusätzlich Längenperzentile und die Pubertätsstadien bestimmt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.12. Monitoring unter der Diät

Eine zusätzliche Labordiagnostik kann individuell durchgeführt werden.

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Empfehlung 3.13. Monitoring unter der Diät

Bei klinischen Zeichen oder Symptomen, erhöhten zöliakiespezifischen Antikörpern oder diätassoziierter Malnutrition sollte die Diagnostik individuell erweitert werden und/oder eine erneute Ernährungsberatung erfolgen.

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Personen mit Zöliakie sollen in regelmäßigen Abständen bez. klinischer Symptome und des Ernährungsstatus ärztlich überwacht werden. Ferner sollten Zöliakiebetroffene auf Komorbiditäten (z. B. Schilddrüsenerkrankungen) oder mögliche Komplikationen untersucht werden. Die Adhärenz zur GFD muss erfragt werden. Bei Kindern sollen die Kontrolluntersuchungen bis zur Beendigung des Wachstums mindestens einmal pro Jahr stattfinden und eine Dokumentation der Gewichts-, Längen- und Pubertätsentwicklung einschließen. Auch bei Erwachsenen scheinen jährliche Kontrollen die Adhärenz zur Diät zu erhöhen. Eine Seropositivität war unter einem solchen Überwachungsprogramm nur bei 1 % der Betroffenen zu beobachten [179]. Allerdings gibt es keine klaren Daten zum Umfang des Monitorings, weshalb die Empfehlungen in verschiedenen Leitlinien variieren [180]. Bevor eine bessere Evidenz vorliegt, scheinen Kontrollen im Jahresabstand sinnvoll [14]. Erneute Biopsien oder eine Knochendichtemessung sind bei beschwerdefreien Betroffenen und normalisierten Laborparametern im Verlauf nicht notwendig. Eine Knochendichtemessung soll aber, unabhängig vom Alter, bei Fraktur mit inadäquatem Trauma in der Anamnese oder anderen Hinweisen auf eine Osteoporose (Knochenschmerzen, Hinweisen auf konventioneller Röntgenaufnahme) durchgeführt werden. Auch bei asymptomatischen Personen kann eine Kontrolle von Blutbild, Ferritin, TSH, evtl. Vitamin D sinnvoll sein.

Das Monitoring schließt Laborbestimmungen wie zöliakiespezifische Antikörper (bevorzugt tTG-IgA-Ak) zur Erfassung der Diätadhärenz ein. Sollten bei der initialen Diagnose EmA-IgA-Ak bestimmt worden sein, sind diese im Verlauf zu kontrollieren. Bei Verdacht auf Mangelzustände, sind Untersuchungen zum Blutbild, Eisenstatus, zu Parametern zur Erfassung einer Thyreoiditis und eines Vitamin-D-Mangels sinnvoll. Die bei Diagnosestellung pathologischen Laborwerte sollen im Verlauf auf eine Normalisierung hin überprüft werden. Abweichungen des Body-Mass-Index (BMI) über die 90. bzw. unter die 10. Perzentile und weiterhin positive tTg-Antikörper (bzw. EmA-IgA-Antikörper) sollten in jedem Alter Anlass für eine erneute Ernährungsberatung und/oder weiterführende Diagnostik sein.

Unter einer GFD sollten – in Abhängigkeit von der Ausgangskonzentration – die tTG-Antikörper im ELISA innerhalb von 6 Monaten deutlich (mehr als um den Faktor 2) abfallen und nach spätestens 2 Jahren im Normalbereich sein [128] [181]. Werden die Antikörper mit einem Radioimmunoassay (RIA) gemessen, ist länger mit positiven Ergebnissen zu rechnen [182]. Weiterhin positive Werte oder ein erneuter Anstieg weisen auf bewusste oder unbewusste Diätfehler hin. Negative tTG-Antikörper (bzw. EmA-IgA-Ak) sind dagegen keine Garantie für das Einhalten der Diät oder für eine ausgeheilte Schleimhaut. Daher ersetzt die Serologie nicht das Erfragen nach gelegentlichen oder regelmäßigen Diätfehlern. Die zusätzliche Bestimmung anderer zöliakiespezifischer Antikörper (dGP-Ak) liefert keine weiteren Informationen und ist in der Überwachung entbehrlich [13]. Bei anhaltenden oder wiederauftretenden Symptomen sollte, auch bei negativer Serologie, nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen eine erneute Endoskopie mit multiplen Biopsien aus der Pars descendens und dem Bulbus duodeni erwogen werden.

Empfehlung 3.14. Andere Therapieoptionen

Alternative Therapien anstelle der GFD zur Behandlung der Zöliakie sollen außerhalb klinischer Studien nicht durchgeführt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Momentan gibt es keine Alternative zur Einhaltung einer lebenslangen, glutenfreien Diät, obwohl neue Therapiemöglichkeiten von Zöliakiebetroffenen erwünscht sind. In einer Befragung in England waren bis zu 40 % der Betroffenen mit der Problematik der Einhaltung einer strikt glutenfreien Diät unzufrieden. Alle Befragten waren an neuen Therapieformen interessiert. Bei einer Befragung galt besonderes Interesse der Impfung gegen Zöliakie (42 %), gefolgt von Anti-Zonulin (35 %) und Peptidasen (23 %), während als letzte Option der genmanipulierte Weizen gewünscht wurde [183].

Der Einsatz von oralen Endopeptidasen, glutenbindenden Polymeren, tTG-Inhibitoren, HLA-DQ blockierenden Peptiden oder verschiedenen Biologica (z. B. Anti-IL-15 oder zonulinblockierendes Peptid,) sowie eine Impfung mit immunreaktiven Gliadinpeptiden wird aktuell in zahlreichen Forschungsansätzen, hauptsächlich in vitro, aber z. T. auch in ersten klinischen Studien getestet. In verschiedenen Übersichtsarbeiten werden Stand der Entwicklung, Vorteile und Risiken der Interventionsmöglichkeiten diskutiert [184] [185] [186]. Die neuen Therapieformen müssen sich bez. Effektivität und Sicherheit an einer GFD als Referenztherapie messen. Dieses Ziel wird besonders für Medikamente schwer erreichbar sein. Bestimmte Medikamente wie Peptidasen oder Polymere zur Glutenbindung werden eher ergänzend zur Diät eingesetzt werden, um z. B. bei Restaurantbesuchen nicht durch Glutenkontamination in der Zubereitung der Speisen geschädigt zu werden. Bei Drucklegung der Leitlinien war keine der o. g. Therapiemöglichkeiten zugelassen. Daher kann derzeit außer der GFD keine andere Therapie empfohlen werden.

Empfehlung 3.15. Prävention der Zöliakie

Medikamente zur Primärprävention einer Zöliakie sollen nicht empfohlen werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Empfehlung 3.16. Prävention der Zöliakie

Ernährung im Säuglingsalter: Gluten sollte in kleinen Mengen in die Beikost von Säuglingen eingeführt werden, jedoch nicht vor der 17. und nicht nach der 26. Woche. Es wird empfohlen, dass die Mutter in der Zeit der Gluteneinführung noch stillt.

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Die Zöliakie ist eine stark genetisch determinierte Erkrankung, die fast ausschließlich Personen mit den HLA-Risikogenen DQ2 und/oder DQ8 betrifft. In Deutschland sind das ca. 30 % der Allgemeinbevölkerung, von denen aber weniger als 5 % eine Zöliakie entwickeln. Die Zunahme der Inzidenz in den letzten Jahren weist auf Umweltfaktoren (z. B. Infektionen, Ernährung, psychosoziale Faktoren) als Risiko- oder Schutzfaktoren für die mit einer Zöliakie assoziierten Autoimmunität oder die Zöliakie selbst hin. Bis auf den Einfluss frühkindlicher Ernährung konnten bisher keine weiteren Faktoren identifiziert werden. Generell gilt, dass jede präventive Intervention sicher sein muss, wenn sie bei 95 % der genetisch prädisponierten Personen, die letztlich keine Zöliakie entwickeln, zur Anwendung kommt. Außerdem ist die Zöliakie eine i. d. R. gut und nebenwirkungsfrei behandelbare Erkrankung mit exzellenter Prognose. Damit verbieten sich z. B. Studien oder der Einsatz von immunsuppressiven oder anderen potenziell toxischen Medikamenten zu ihrer Prävention.

Epidemiologische Studien weisen auf den Einfluss der frühkindlichen Ernährung auf das Risiko einer Zöliakiemanifestation im Kindesalter hin, die in einer systematischen Übersichtsarbeit kürzlich zusammengefasst wurden [187]. Studien zum Einfluss des Stillens sind widersprüchlich. So ist unklar, ob Stillen zum Zeitpunkt der Gluteneinführung das Risiko für eine Zöliakie vermindern kann [188]. Eine sehr frühe (vor Beginn des 4. Lebensmonats) und eine späte (nach dem 7. Lebensmonat) Einführung von glutenhaltiger Beikost war mit einem erhöhten Risiko für eine Zöliakie assoziiert [189]. Große Glutenmengen bei Einführung scheinen ebenfalls eine Risikoerhöhung darzustellen [190]. Untersuchungen zweier Geburtskohorten von 1993 und 1997 aus Schweden bestätigen, dass es nach dem jetzigen Kenntnisstand empfehlenswert erscheint, Gluten ab dem 5. Monat und nicht später als dem 7. Monat in kleinen Mengen einzuführen [191]. Diese Hypothese wird zurzeit in einer von der EU geförderten randomisierten, doppelblinden Interventionsstudie bei Kindern überprüft, die den Risikogenotyp aufweisen und aus Familien stammen, bei denen mindestens ein Familienmitglied 1. Grades an Zöliakie erkrankt ist (www.preventcd.de) [192]. Mit den ersten Ergebnissen ist 2014 zu rechnen.

Empfehlung 3.17.

Bei Verdacht auf Weizenunverträglichkeit soll eine GFD zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken erst nach Ausschluss einer Zöliakie begonnen werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Zöliakie ist eine Erkrankung mit oder ohne Symptome, die nach klaren diagnostischen Kriterien sicher zu diagnostizieren oder auszuschließen ist [13]. Einer Unverträglichkeit von Gluten oder Weizen, die sich mit verschiedenen gastrointestinalen oder extraintestinalen Beschwerden oder einer eosinophilen Ösophagitis oder Gastroenteropathie manifestieren kann, kann eine IgE-vermittelte Weizenallergie (positives weizenspezifisches IgE im Serum oder positiver Haut-Prick-Test mit Weizen) zugrunde liegen [193] [194]. Nahrungsmittelallergien, denen nicht IgE-vermittelte immunologische z. T. zellvermittelte Mechanismen zugrunde liegen, sind für Weizen und anderen Nahrungsmittel wie Milch und Soja seit langem bekannt. Der sog. Atopiepatchtest könnte einen Platz in der Diagnostik haben, er ist jedoch nicht standardisiert [193]. Mangels Biomarkern kann die Diagnose einer IgE-negativen Weizenallergie nur durch Allergenelimination und doppelblinde Weizenbelastung nachgewiesen oder ausgeschlossen werden [136]. Personen mit Weizenallergie können eine Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten in Duodenalbiopsien (entsprechend MARSH 1) aufweisen.

Für die sogenannte Nichtzöliakie-Nichtweizenallergie-Weizensensitivität („non-coeliac gluten sensitivity“) sind weder die Pathomechanismen noch die diagnostischen Kriterien bisher klar definiert. Weizenproteine außerhalb der Glutenfraktion scheinen eine Rolle zu spielen [36]. Oft handelt es sich um eine Selbstdiagnose, d. h. die Betroffenen erfahren eine Besserung ihrer Beschwerden unter einer GFD. Eine doppelblinde Belastung wird von den Betroffenen häufig abgelehnt oder scheitert aus logistischen Gründen. Da die Diagnose einer Zöliakie unter einer GFD nicht mehr möglich sein kann (Verschwinden der zöliakiespezifischen Antikörper, Normalisierung der Schleimhaut), sollte vor Beginn einer GFD bei V. a. Weizensensitivität als Minimum an Diagnostik die Bestimmung von Gesamt-IgA und Anti-tTG-IgA AK durchgeführt werden. Wenn die Antikörper unter Normalkost negativ sind, ist eine Zöliakie unwahrscheinlich und Duodenalbiopsien sind vor Beginn der GFD nicht zwingend notwendig.


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Kapitel 4: Pathologie (Arbeitsgruppe 4)

Empfehlung 4.1.

Zur Primärdiagnostik der Zöliakie sollen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Dünndarmbiopsate untersucht werden, sofern nicht die in Empfehlung 2.15. genannte Befundkonstellation vorliegt.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Diagnose der Zöliakie setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:

  • Klinische Symptomatik

  • Serologische Befunde

  • Histologische Befunde

Die Ösophagogastroduodenoskopie mit Entnahme duodenaler Schleimhautbiopsien ist wesentlicher Bestandteil der Primärdiagnostik der Zöliakie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die histologische Untersuchung kann dabei primär die Verdachtsdiagnose stellen und die serologische Testung nach sich ziehen, den serologischen Verdacht auf eine Zöliakie bestätigen, oder auch zum Ausschluss bzw. Nachweis möglicher anderer Differenzialdiagnosen dienen [13] [195].

Nur unter bestimmten Umständen, die in Empfehlung 2.15. näher erläutert werden, kann ein Verzicht auf die histologische Sicherung der Diagnose durch duodenale Biopsien bei Kindern erwogen werden.

Die Evaluation der Biopsien soll nach den in Empfehlung 4.4. genannten Kriterien erfolgen. Für die optimale Beurteilbarkeit ist die orthograde Einbettung der Biopsate essenziell, da die Zotten-/Kryptenarchitektur sowie das Zotten-/Kryptenverhältnis nur bei orthograder Schnittrichtung beurteilt werden kann [13] [195] [196] [197] [198].

Empfehlung 4.2.

Eine erneute Entnahme von Dünndarmbiopsien und ihre histologische Beurteilung sollte zur Verlaufsdiagnostik einer Zöliakie dann durchgeführt werden, wenn trotz strikter GFD kein klinisches Ansprechen zu beobachten ist.

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Fehlendes oder unzureichendes klinisches Ansprechen auf empfohlene glutenfreie Diät wird bei bis zu 30 % der Personen mit diagnostizierter Zöliakie beobachtet [198] [199]. Wenn ein Diätfehler, die häufigste Ursache der Beschwerdepersistenz [198], ausgeschlossen ist und die Primärdiagnose der Zöliakie überprüft wurde, stellt die erneute Biopsieentnahme aus dem Dünndarm die entscheidende Methode zur Ursachenabklärung der Beschwerdepersistenz dar [200] [201] [202]. Der Nachweis einer regelhaften Zottenarchitektur in der Kontrollbiopsie weist auf die Möglichkeit alternativer und/oder additiver Erkrankungen als Ursache der Beschwerden (u. a. Laktoseintoleranz, Pankreasinsuffizienz, mikroskopische Kolitis, für eine Zusammenfassung siehe Rubio-Tapia AJG 2013 [14]) hin. Ein Fortbestehen der Zottenatrophie sollte Anlass zur Überprüfung der Primärdiagnose durch Ausschlussdiagnostik auf zöliakieunabhängige, zottendestruierende Erkrankungen (u. a. Lambliasis, autoimmune Enteropathie, kollagene Sprue) geben. Nach Abarbeitung dieses Algorithmus mit Überprüfung der Primärdiagnose und dem Ausschluss von Zweiterkrankungen ist die Diagnose einer refraktären Zöliakie in Erwägung zu ziehen (siehe Kapitel 5.) [200] [202].

Empfehlung 4.3.

Für die histologische Diagnostik der Zöliakie sollen mind. 6 Biopsien aus verschiedenen Abschnitten des Duodenums einschließlich Bulbus duodeni und mittlerem und distalem Duodenum (jeweils 2) entnommen werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Analyse multipler Biopsien aus verschiedenen Abschnitten des Duodenums ist für eine korrekte Diagnosestellung erforderlich, da die charakteristischen histologischen Veränderungen der Zöliakie (siehe Empfehlung 4.4.) sehr fleckförmig auftreten und in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden sein können [4] [13] [195]. Über die Verteilung der Läsionen gibt es kontroverse Beobachtungen [203] [204] [205]. Daher wird empfohlen, Biopsate aus dem mittleren und distalen Duodenum sowie aus dem Bulbus duodeni zu entnehmen. In Studien konnte festgestellt werden, dass die höchste Sensitivität bei einer Anzahl von mind. 4 – 6 Biopsien aus verschiedenen Abschnitten des Duodenums erreicht werden konnte [206] [207] [208].

Empfehlung 4.4.

Im Rahmen der histologischen Diagnostik soll die Zotten-/Kryptenarchitektur nach der Marsh-Oberhuber-Klassifikation und das entzündliche Infiltrat im Schleimhautstroma beurteilt werden. Die Zahl der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) soll in Bezug auf 100 Epithelien angegeben werden. Bei einem Schwellenwert von mehr als > 25 IEL pro 100 Enterozyten ist von einer erhöhten Zahl intraepithelialer Lymphozyten auszugehen. Zusätzlich soll die Zotten- und Kryptenarchitektur beurteilt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Charakteristische histologische Veränderungen der Zöliakie sind:

  • partielle oder totale Zottenatrophie,

  • Kryptenhyperplasie,

  • Veränderungen des Zotten-/Kryptenverhältnisses,

  • vermehrte Mitosen in den Krypten,

  • vermehrte intraepitheliale Lymphozyten (IEL),

  • vermehrte Mitosen in den intraepithelialen Lymphozyten und

  • ein vermehrtes Infiltrat aus Plasmazellen, Lymphozyten, eosinophilen und basophilen Granulozyten in der Lamina propria.

Dabei kann ein hoch variables Spektrum histologischer Veränderungen, von der normalen Zotten-/Kryptenarchitektur mit erhöhter IEL-Anzahl bis hin zur kompletten Zottenatrophie, vorhanden sein. Für die Beschreibung dieser Veränderungen sind verschiedene Klassifikationen etabliert [209] [210]. Die Marsh-Oberhuber-Klassifikation [209] hat sich in der Praxis bewährt (siehe [Tab. K-6]). Sie unterscheidet zwischen infiltrativen, hyperplastischen und atrophischen Läsionen.

Der histologische Bericht soll Aussagen zur Orientierung der Biopsien, zur Zottenarchitektur, dem Zotten-/Kryptenverhältnis, der Anzahl intraepithelialer Lymphozyten und zum entzündlichen Infiltrat der Lamina propria enthalten. Die Veränderungen sollen entsprechend der modifizierten Marsh-Oberhuber-Klassifikation graduiert werden.

Eine Anzahl von mehr als 25 IEL/100 Epithelien ist suggestiv für eine infiltrative Läsion [210] [211] [212] [213], insbesondere wenn die intraepitheliale Lymphozytendichte ein fehlendes Decrescendo zur Zottenspitze aufweist; der ursprüngliche Grenzwert von mehr als 40 IEL/100 Epithelien in der nicht modifizierten Marsh-Oberhuber-Klassifikation [209] erscheint zu hoch. Hierbei sei jedoch darauf hingewiesen, dass jedweder Grenzwert arbiträr ist und dass insbesondere eine erhöhte Anzahl intrapithelialer Lymphozyten, aber auch die anderen beschriebenen Veränderungen nicht pathognomonisch für eine Zöliakie sind. Als mögliche Differenzialdiagnosen (insbesondere bei infiltrativen Läsionen, MARSH 1) kommen u. a. in Betracht (Übersicht in Rubio-Tapia et al. AJG 2013 [14]):

  • virale Enteritiden

  • Kuhmilchallergie

  • Nahrungsmittelallergien,

  • Immundefizienzen

  • Giardiasis

  • bakterielle Überwucherung.

Daher sollten sämtliche genannten histologischen Veränderungen immer im Kontext der klinischen und serologischen Befunde interpretiert werden.

Immunhistologische Zusatzuntersuchungen (CD3, CD8) können in Grenzfällen hilfreich sein, um intraepitheliale Lymphozyten zu erkennen und in ihrer Verteilung zu beurteilen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich der Grenzwert von 25 IEL/100 Epithelien auf die Quantifizierung der IEL im HE-Schnitt bezieht.

Tab. K-6

Modifizierte Marsh-Oberhuber-Klassifikation mit modifiziertem Grenzwert für die Anzahl intraepithelialer Lymphozyten (IEL).

Typ 0

Typ 1

Typ 2

Typ 3a

Typ 3b

Typ 3c

IEL/100Epithelien

< 25

> 25

> 25

> 25

> 25

> 25

Krypten

normal

normal

Hyperplasie

Hyperplasie

Hyperplasie

Hyperplasie

Zotten

normal

normal

normal

geringe bis mäßige Atrophie

subtotale Atrophie

totale Atrophie

Empfehlung 4.5.

Bei Hinweisen auf das Vorliegen einer refraktären Zöliakie soll mithilfe immunhistologischer und molekularpathologischer Zusatzuntersuchungen an Dünndarmbiopsien zwischen einer refraktären Zöliakie Typ I und Typ II unterschieden werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die refraktäre Zöliakie ist eine seltene Erkrankung, die bei ca. 1 – 2 % aller Zöliakiebetroffenen auftritt [214] [215] [216], allerdings für 10 – 18 % der „therapie-resistenten“ Zöliakiefälle verantwortlich ist [198] [199]. Die Einteilung der refraktären Zöliakie in Typ I und Typ II erfolgt anhand der Charakterisierung der infiltrierenden T- Zellen [217] [218] [219], für die ergänzende immunhistologische und molekulare Analysen angewendet werden müssen. Während beim Typ I der refraktären Zöliakie im Allgemeinen keine T-Zell-Klonalität vorliegt und die gleichen Oberfächenantigene (CD3 / CD8) wie bei der unkomplizierten Zöliakie nachgewiesen werden, lässt sich beim Typ II der refraktären Zöliakie mithilfe der PCR gestützten T-Zell-Rezeptor-Analyse eine T-Zell-Klonalität sowie immunhistologisch ein Verlust der Oberflächenantigene (CD3 / CD8) in mehr als 50 % der intraepithelialen T-Zellen nachweisen [202] [219]. Immunhistologie und molekulare Pathologie ergänzen sich in ihrer Aussagekraft. T-Zellklonalität und aberranter Immunphänotyp weisen auf eine neoplastische Transformation der T-Lymphozyten hin, sind für sich allein genommen jedoch nicht spezifisch für die refraktäre Zöliakie und können auch – in der Regel transient – bei unkomplizierter Zöliakie unter Glutenbelastung beobachtet werden [220]. Die Kombination aus positivem Klonalitätsbefund und aberranter Antigenexpression hat hingegen eine hohe Spezifität und hohen prädiktiven Wert hinsichtlich der Entwicklung eines enteropathieassoziierten Lymphoms [220]. Es ist davon auszugehen, dass sich ein EATL aus einem aberranten T-Zell-Klon bei refraktärer Zöliakie Typ II entwickelt. Die Grenzen des Übergangs eines solchen T-Zell-Klons in ein beginnendes Lymphoma in situ werden kontrovers diskutiert, die EATL-Diagnose setzt aber weitere, allgemeine Tumorkriterien, vor allem das Vorliegen zytologischer Atypien voraus.


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Kapitel 5: Refraktäre Zöliakie, ulzerative Jejunitis und enteropathieassoziiertes T-Zelllymphom (EATL); (Arbeitsgruppe 5)

Die refraktäre Zöliakie (RCD) zählt mit einer kumulativen Inzidenz von ca. 1,5 % bei Personen mit einer Zöliakie zu den seltenen Erkrankungen [216]. Zumeist sind analog zur unkomplizierten Zöliakie Frauen betroffen [221]. Der Erkrankungsgipfel liegt bei ca. 50 Jahren, wobei auch ein Auftreten unter 30 Jahren beschrieben ist [221]. Verlässliche europäische oder deutsche Daten existieren hierzu nicht. In der Abklärung von Personen mit Symptomen einer RCD ergeben sich häufig andere Ursachen für die Zottenatrophie wie z. B. anhaltende Diätfehler, sodass nach diesen initial gezielt gesucht werden muss [198].

Ein initial nach Diagnose einer Zöliakie erhöhtes Malignomrisiko für diverse Karzinome scheint sich im Laufe der Beobachtungszeit und einer mutmaßlichen GFD dem der Normalbevölkerung anzupassen [25] [74]. Die Normalisierung des Malignomrisikos trifft nicht für Non-Hodgkin-Lymphome und hier vor allem nicht für das enteropathieassoziierte T-Zelllymphom (EATL) (3,5 – 15-fach erhöht) zu. Jedoch scheint auch hier eine Verbesserung der Schleimhautmorphologie und damit die Einhaltung einer GFD mit einer Reduktion des Lymphomrisikos einherzugehen [25] [74] [222]. Das initial von Holmes et al. beschriebene massiv erhöhte Risiko (bis zu 70-fach) konnte in den großen populationsbasierten Studien nicht nachvollzogen werden [74] [223].

Empfehlung 5.1.

Bei Auftreten bzw. Wiederauftreten folgender Symptome sollte an das Vorliegen einer Komplikation einer Zöliakie (refraktäre Zöliakie [RCD], enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom [EATL], ulzerative Jejunitis [UJ], Adenokarzinom des Dünndarms) gedacht werden:

  • persistierende oder wiederaufgetretene Diarrhö (länger als 4 Wochen anhaltend)

  • unklarer Gewichtsverlust

  • unklare Temperaturerhöhungen

  • Leistungsminderung, Müdigkeit

  • ungeklärter Nachtschweiß

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Eine refraktäre Zöliakie (RCD) kann sich primär im Rahmen der Erstdiagnose einer Zöliakie manifestieren oder nach einer Periode initialer Besserung der diagnostizierten Zöliakie unter einer glutenfreien Diät [201].

Die Symptome, die auf eine Komplikation einer Zöliakie (refraktäre Zöliakie [RCD], enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom (EATL), ulzerative Jejunitis (UJ), Adenokarzinom des Dünndarms) hinweisen können, sind unspezifisch und können z. B. auch im Rahmen von Diätfehlern auftreten [198] [224]. Letztere sind in jedem Fall mittels einer Diätberatung durch eine geschulte Diätassistentin auszuschließen [202]. Weitere Symptome wie eine Anämie, ein Wechsel der Stuhlgewohnheiten (Diarrhö, Obstipation oder im Wechsel), abdominelle Schmerzen oder Vitaminmangelzustände können ebenfalls im Rahmen einer Komplikation auftreten, sind jedoch noch weniger spezifisch.

Das parallele Auftreten von mehr als einem Symptom erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Komplikation der Zöliakie.

EATLs können sich auch ohne weitere Symptomatik durch ein akutes Abdomen oder eine gastrointestinale Blutung manifestieren [225].

Empfehlung 5.2.

Folgende Befundkonstellation sollte bei der Diagnose einer refraktären Zöliakie vorliegen:

  • initial unter Normalkost erhöhte Gewebs-Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTG-IgA-Ak) oder Endomysium-IgA-Antikörper (EmA-IgA-Ak) Titer

  • im Verlauf unter glutenfreier Diät Normalisierung der tTG-IgA Ak bzw. EmA-IgA-Ak

  • konsequente glutenfreie Diät durch suffiziente Diätberatung bestätigt (Diätassistent)

  • persistierende oder erneut aufgetretene Zottenatrophie > 12 Monate trotz strikter glutenfreier Diät und parallel klinische Symptome

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Zur Abgrenzung einer RCD von anderen nicht mit der Zöliakie assoziierten Enteropathiesyndromen, sollten bei der Primärdiagnose der Zöliakie die in Empfehlung 2.16. dargelegten Diagnosekriterien vorgelegen haben. Diese Angaben können bei bereits lange zurückliegender Diagnose oder initial nicht lege artis durchgeführter Diagnostik fehlen. Dann ist die RCD als Komplikation einer zugrunde liegenden Zöliakie nicht zu beweisen. Dies ist insbesondere bei initial fehlenden tTG-IgA-Ak der Fall. Eine Testung auf HLA-DQ2 und HLA-DQ8 kann eine zugrunde liegende Zöliakie nicht ausschließen, sondern nur unwahrscheinlich machen (hoher NPV). Zu Definitionszwecken einigte man sich auf eine Dauer von 12 Monaten, die eine RCD nach Ausschluss von wissentlichen Diätfehlern vorliegen muss, um als gesichert zu gelten [201]. Im Einzelfall kann jedoch auch bei kürzer persistierender Zottenatrophie und schwerwiegenden Symptomen mit der Notwendigkeit einer klinischen Intervention von einer RCD ausgegangen und eine Therapie nach entsprechender Diagnostik eingeleitet werden [226]. Sollten klassische zöliakiedefinierende Kriterien wie tTG-Ak oder eine histologische oder klinische Besserung unter einer glutenfreien Diät fehlen, ist die Abgrenzung einer RCD zu nicht zöliakieassoziierten Enteropathiesyndromen schwierig. Eine diagnostische Hilfestellung zur Abgrenzung zu nicht zöliakieassoziierten Enteropathiesyndromen kann der Nachweis einer Klonalität im Rahmen einer Klonalitätsanalyse des T-Zellrezeptor-Gens geben, da die Präsenz einer Klonalität aus Duodenalbiopsien eine hohe Spezifität für eine RCD Typ II aufweist [227] [228]. Eine Klonalität des T-Zellrezeptor-Gens wird bei Enteropathiesyndromen ohne vorliegende Zöliakie nicht beschrieben, ist jedoch nicht prinzipiell ausgeschlossen [227]. Ebenso findet sich ein Antigenverlust von CD8 kaum bei Enteropathiesyndromen ohne zugrunde liegender Zöliakie [227].

Häufigste Fehldiagnosen zur RCD Typ I stellen in den Arbeiten von Abdulkarim et al. und Leffler et al. unbeabsichtigte Diätfehler dar. Daher sind Diätfehler in jedem Fall auch mittels einer Diätberatung durch eine geschulte Diätassistentin auszuschließen [198] [199].

Empfehlung 5.3.

Folgende Laborparameter sollen bei (V. a.) RCD bestimmt werden:

A) Ferritin

B) Differenzialblutbild

C) Laktatdehydrogenase (LDH)

D) Beta-2-Mikroglobulin

E) Albumin

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Im Rahmen der Diagnostik einer RCD müssen zum einen Komplikationen, die im Rahmen einer Malabsorption auftreten können, zum anderen eine ulzerative Jejunitis oder ein enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom weitestgehend ausgeschlossen werden. Im Rahmen der Malabsorptionsdiagnostik sollten primär zum Ausschluss eines latenten Eisenmangels bzw. einer Knochenmarksinfiltration durch ein EATL-Ferritin und ein Differenzialblutbild bestimmt werden. In der weitergehenden Diagnostik können Parameter wie sie auch bei der Primärdiagnostik der Zöliakie empfohlen werden, z. B. Vitamin B12, Zink, INR und Vitamin D (25-Hydroxy-Cholecalciferol) (siehe Empfehlung 2.18.), untersucht werden.

Die Differenzialdiagnostik zu einem sich entwickelnden Lymphom bzw. Diätfehlern bei unkomplizierter Zöliakie umfasst die Bestimmung von Proliferationsmarkern (LDH, Beta-2-Mikroglobulin) wie sie auch zur Lymphomdiagnostik empfohlen werden. Zwar existieren keine Studien über einen direkten Vergleich von LDH und Beta-2-Mikroglobulin zur Diskriminierung von RCD I, RCD II und einem EATL, jedoch sind beide Parameter Bestandteil verschiedener Scores zu Prognoseabschätzung und Therapieplanung bei Non-Hodgkin-Lymphomen (LDH: z. B. im internationalen Prognoseindex [IPI]) [229] [230]. Albumin kann als Verlaufsparameter für den Ernährungszustand bestimmt werden und scheint einen prognostischen Wert bei Entwicklung eines EATL aufzuweisen [230].

Empfehlung 5.4.

Folgende Untersuchungen sollen initial bei dem klinischen Verdacht auf das Vorliegen einer refraktären Zöliakie durchgeführt werden:

  • tiefe Duodenalbiopsien inkl. Immunhistologie (CD8, T-Zellrezeptor-β) und Molekularpathologie (T-Zellrezeptor-Klonalitätsanalyse)

  • Schnittbildgebung (Frage: Lymphknotenvergrößerung), ggf. Dünndarmendoskopie (Frage: Ulzerationen)

  • Koloskopie (inkl. Biopsien aus dem terminalen Ileum)

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Diagnose einer RCD basiert primär auf dem Vorliegen einer Dünndarmzottenabflachung (MARSH 3). Das alleinige Vorliegen einer MARSH-1 oder MARSH-2-Veränderung reicht zur Diagnose nicht aus, da v. a. MARSH-1-Befunde bei Personen ohne Beschwerden in bis zu 24 % der Fälle nach 2 Jahren glutenfreier Diät vorkommen [231]. Spätestens bei der Rebiopsie zur Evaluation nach Diätberatung sollte eine Immunhistologie mit Färbung von CD8 und T-Zellrezeptor-β erfolgen. Eine Differenzierung zwischen einer RCD I und RCD II basiert auf Immunhistologie bzw. FACS-Analyse isolierter duodenaler intraepithelialer Lymphozyten (IELs) und dem Nachweis einer Population klonaler IELs (Klonalitätsanalyse des T-Zellrezeptor-Gens aus Duodenalbiopsien) [215] [227] [227]. Ob die FACS-Analyse isolierter duodenaler IELs zu einer signifikant besseren Diskriminierung zwischen RCD I und RCD II führt, ist umstritten. Ein direkter Vergleich wurde bisher nicht geführt. Aktuell wird eine RCD II definiert durch das Vorliegen von mehr als 20 % sog. aberranter IELs (u. a. CD3 und CD8-negativ) in der FACS-Analyse und dem parallelen Nachweis einer T-Zellrezeptor-Klonalität [232]. Alternativ zur FACS-Analyse kann die Diagnose auf Basis einer immunhistologischen Vermehrung CD3- und CD8-negativer IELs auf mehr als 50 % etabliert werden [227]. Die vermutlich bessere Diagnostik der FACS-Analyse könnte u. a. darauf beruhen, dass der Nachweis einer intrazytoplasmatischen Lokalisation des CD3-Markers bei der RCD II immunhistologisch nicht immer eindeutig gelingt [232].

Zur kompletten Ausbreitungsdiagnostik gehören eine Koloskopie mit Intubation des terminalen Ileums und Stufenbiopsien zur weiteren Differenzialdiagnostik. In Einzelfällen können Ulzerationen, die bei RCD II eine ulzerative Jejunitis definieren, lediglich in der Koloskopie mit Ileoskopie nachgewiesen werden [233].

Eine Schnittbildgebung, bevorzugt eine Dünndarm-MRT, kann neben einer Abschätzung der Dünndarmwandschichtung vergrößerte abdominelle Lymphknoten, eine Milzatrophie oder andere extraintestinale Pathologien nachweisen. Diese sind häufiger mit einer RCD II oder einem EATL assoziiert als mit einer RCD I oder der unkomplizierten Zöliakie [234]. Im Falle der Detektion einer der genannten Befunde sollte eine weitere intensivierte endoskopische Abklärung mit dem Ziel der Materialgewinnung erfolgen, da sich hier Manifestationen eines EATL oder einer UJ ergeben können [233] [235].

Eine Prognoseabschätzung sollte aufgrund der o. g. Befunde durchgeführt werden. Negative prognostische Faktoren sind die Diagnose einer RCD II, der Nachweis von Dünndarmulzerationen (dann definitionsgemäß ulzerative Jejunitis) und das Ausmaß der Ausbreitung der aberranten IELs [217] [232].

Empfehlung 5.5.

Bei refraktärer Zöliakie Typ II soll folgende spezifische Diagnostik durchgeführt werden:

  • Enteroskopie (Ballonenteroskopie) und Entnahme von Stufenbiopsien

  • Videokapselendoskopie

  • bei vergrößerten abdominellen Lymphknoten, Entnahme bzw. Probebiopsie der vergrößerten Lymphknoten

  • ggf. bei unklarem Befund Laparotomie/Laparoskopie/intraop. Enteroskopie

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Bei Nachweis einer RCD II sollte eine Dünndarmbildgebung zur Abgrenzung einer ulzerativen Jejunitis durchgeführt werden, da die ulzerative Jejunitis eine schlechtere Prognose aufweist als eine RCD II [217]. Hierzu bieten sich Kapselendoskopie oder Enteroskopie an. Die Enteroskopie weist den Vorteil einer möglichen histologischen Sicherung auf, die Kapselendoskopie gewährt jedoch eine umfassendere Einsicht [233] [236] [237]. Die Kapselendoskopie erbringt bei klarer RCD I keine oder nur eine sehr geringe Rate an neuen Erkenntnissen, die zu einer Therapieänderung führen [233] [238]. Da die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Acetylsalicylsäure (ASS) eine ulzerative Jejunitis vortäuschen kann, müssen diese ca. 4 Wochen vor der Durchführung der Kapselendoskopie abgesetzt werden [238]. Kapselendoskopie und radiologische Schnittbildgebung ergänzen sich, da durch eine zuerst durchgeführte Schnittbildgebung evtl. Stenosen, die eine Kontraindikation zur Anwendung der Kapselendoskopie darstellen, detektiert werden können [233] [239]. In Einzelfällen können eine Laparotomie zur Durchführung einer intraoperativen Intestinoskopie bzw. eine Laparoskopie mit Entnahme von vergrößerten Lymphknoten oder deren Biopsie notwendig werden [233]. Der alleinige Nachweis vergrößerter abdomineller Lymphknoten hat eine geringe diagnostische Wertigkeit, da dies sowohl bei der unbehandelten Zöliakie, der RCD I wie RCD II vorkommen kann [233] [240].

Zur 18-FDG-PET gibt es bisher lediglich die Studie eines einzelnen Zentrums, die eine etwas höhere Sensitivität zur Detektion eines EATL im Vergleich zur konventionellen Computertomografie zeigte [241].

Empfehlung 5.6.

Bei vorliegender therapiebedürftiger Symptomatik bei RCD I können folgende Therapeutika zum Einsatz kommen:

  • Budesonid

  • Azathioprin

  • oligopeptidbasierte Sonden-/Trinknahrung

  • Calcineurininhibitor

  • Anti-TNF-alpha-Antikörper

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

In Abhängigkeit von der Symptomatik und der Diagnose (RCD I versus RCD II) erfolgt die Therapie stufenweise. Prinzipiell sollte immer neben einer evtl. immunsuppressiven Therapie (RCD I) oder antineoplastischen Therapie (RCD II) die Verbesserung der Ernährungssituation angegangen werden. Hierzu können orale (ggf. auch über Anlage einer Ernährungssonde) oder parenterale Formen der Zusatzernährung zum Einsatz kommen. Bei der RCD I scheint eine Oligopeptiddiät einen eigenständigen therapeutischen Wert für die Verbesserung der Grunderkrankung zu haben [242]. Zwei retrospektive Arbeiten belegen den Wert einer Budesonidgabe bei beiden RCD-Entitäten [243] [244]. Gerade auch bei älteren oder multimorbiden Personen mit einer RCD II, die sich nicht für eine intensivere antineoplastische Therapie qualifizieren, scheint Budesonid eine wirksame und relativ nebenwirkungsarme Alternative darzustellen. Entocort® hat hier die bessere Bioverfügbarkeit im oberen Dünndarm im Vergleich zu anderen Budesonidpräparaten [19].

Zur Therapie der RCD I kommen primär Azathioprin bzw. Thioguanin zum Einsatz [245] [246]. Sie können auch mit lokal wirksamen oder systemischen Steroiden kombiniert werden. Eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin sollte hingegen bei der RCD II in keinem Fall begonnen werden. In einer der wenigen prospektiven Studien unter Azathioprin kam es bei RCD II zu einem raschen Progress zu einem EATL [245]. In Rezidivfällen bei RCD I oder bei primärer Unwirksamkeit von Azathioprin/Thioguanin gibt es neben einer prospektiven Studie zu Cyclosporin nur Einzelbeschreibungen zu Tacrolimus und Infliximab [247] [248]. Lediglich eine retrospektive Einzelfallsammlung zeigte in ca. 50 % der Patienten mit einer RCD I unter Mesalazin ein klinisches und histologisches Ansprechen. In der Studie erhielten allerdings mehr als die Hälfte der Personen parallel Budesonid, sodass eine Aussage zur alleinigen Effektivität von Mesalazin bisher nicht gegeben werden kann [249].

Empfehlung 5.7.

Personen mit nachgewiesener refraktärer Zöliakie (sowohl Typ I und II) sollen bei einem dafür ausgewiesenen Experten in einem dafür ausgewiesenen Zentrum vorgestellt werden.

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Da die refraktäre Zöliakie eine seltene Erkrankung darstellt, die Abgrenzung zu Diätfehlern schwierig ist und sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine Herausforderung darstellt, empfiehlt sich eine Vorstellung der Betroffenen in einem hierfür ausgewiesenen Zentrum. Kontaktadressen können hierfür z. B. über die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) erfragt werden.

Empfehlung 5.8.

Bei vorliegender therapiebedürftiger Symptomatik bei RCD II können folgende Therapeutika zum Einsatz kommen:

A) Budesonid

B) Cladribin

C) Chemotherapie nach CHOP-Schema

D) autologe Stammzelltransplantation (SCT) nach Chemotherapie

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Auch bei der RCD II sollte in Abhängigkeit von Alter und Multimorbidität vorgegangen werden. Bei wenig symptomatischen Personen und stabiler Erkrankung unter histologischen und bildgebenden Kontrollen kann die Therapie initial auf eine Ernährungstherapie und Budesonidtherapie beschränkt werden (siehe Empfehlung 5.6.). Eine darüber hinausgehende immunsuppressive Therapie sollte bei der RCD II in keinem Fall begonnen werden. Im Gegensatz zur RCD I scheint bei der RCD II eine frühere Therapieintensivierung („step-up“) notwendig, wobei hierzu keine vergleichenden Daten existieren. Letztlich sollte eine Mangelernährung aufgrund einer fortschreitenden Malabsorption und Entwicklung eines EATL nicht abgewartet werden. Ziel der Therapie bei der RCD II ist es, mittels antiproliferativer Medikamente bei möglichst geringer Nebenwirkung die Zahl der aberranten T-Zellen zu reduzieren bzw. diese zu eliminieren. Zu Cladribin existieren zwei Studien aus derselben Arbeitsgruppe, die eine gute Effektivität bei relativ geringer Nebenwirkungsrate belegen [250] [251]. Gerade bei Personen mit einem BMI kleiner als 18,5 kg/m2, die sich für eine autologe SCT nicht eignen, kann die Therapie mit Cladribin eine wirksame Alternative darstellen [252]. Alternative Therapiestrategien, zu denen nur Einzelfallberichte existieren, gibt es zu Alemtuzumab [253] [254]. Betroffene jünger als 65 Jahre mit einer schweren Zottenatrophie und ausgeprägter Infiltration der Dünndarmschleimhaut durch aberrante T-Zellen, sowie Personen, die auf eine Cladribin-Therapie nicht angesprochen haben oder rezidivieren, können von einer autologen SCT profitieren [255]. Leider führt auch diese intensive Therapie nur zu einem 4-Jahres-Überleben von ca. 66 % [255]. Einzelfallbeschreibungen existieren zu dem CHOP-Schema. Diese sollte nur Personen, die auf eine Cladribin-Therapie nicht angesprochen haben und die für eine autologe SCT nicht infrage kommen, angeboten werden [256].

Empfehlung 5.9.

Folgende Befunde sollten zur Diagnose einer ulzerativen Jejunitis (UJ) vorliegen:

A) nachgewiesene Dünndarmulzerationen

B) immunhistochemisch Antigenverlust/ Klonalität aus Dünndarmbiopsien

C) Pathologie: Einholung einer Zweitmeinung

[starker Konsens, Empfehlung]

Kommentar

Die Diagnose einer ulzerativen Jejunitis (UJ) bedeutet für die Betroffenen eine im Vergleich zur RCD II schlechtere Prognose mit höherem Risiko, ein EATL zu entwickeln [217]. Definitionsgemäß findet sich dieselbe Histologie wie bei einer RCD II (Zottenatrophie, Antigenverlust von CD8, intrazytoplasmatisch CD3), sowie eine klonale Population der intraepithelialen Lymphozyten. Im Unterschied zur RCD II zeigen sich jedoch, gelegentlich verstreut über den gesamten Dünndarm, Ulzerationen. Ein EATL muss sorgfältig mittels Koloskopie (mit Intubation des terminalen Ileum zum Ausschluss eines umschriebenen Tumors mit entsprechender Histologie im Sinne eines EATL), Dünndarm-MRT und Kapselendoskopie ausgeschlossen werden. Des Weiteren dürfen zur Diagnosestellung keine NSAR eingenommen worden sein, da sonst die Diagnose einer UJ falsch gestellt werden kann [238]. Als Mindestabstand zwischen der Einnahme von NSAR und einer Endoskopie scheinen 4 Wochen ausreichend. Aufgrund der Seltenheit der UJ wird die Einholung einer Zweitmeinung zur Pathologie bei einem ausgewiesenen Experten empfohlen. Bei entsprechender Expertise einer Abteilung kann eine Zweitmeinung auch innerhalb desselben Instituts eingeholt werden.

Empfehlung 5.10.

Folgende Therapien können bei UJ zum Einsatz kommen:

A) Budesonid

B) Ernährungstherapie

B) Cladribin

D) Chemotherapie nach CHOP-Schema

E) autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosistherapie

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Prinzipiell kommen bei der UJ dieselben Therapieprinzipien zum Einsatz wie bei der RCD II (siehe Empfehlung 5.8.). Eine intensive Diagnostik inkl. einer Enteroskopie mit Stufenbiopsien zum Ausschluss eines manifesten EATL sollte der Therapie vorausgehen. Ähnlich der RCD II kann die Therapie wenig symptomatischer UJ-Patienten initial auf eine Ernährungs- bzw. eine Budesonidtherapie beschränkt bleiben.

Empfehlung 5.11.

Folgende Untersuchungen sollen zur Primärdiagnose eines EATL durchgeführt werden:

A) histologische Beurteilung zum Nachweis eines hochmalignen T-Zelllymphoms

B) Schnittbildgebung (CT, MRT)

C) Endoskopie (Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), Ileokoloskopie, Dünndarmendoskopie)

D) Knochenmarkpunktion

[starker Konsens, starke Empfehlung]

Kommentar

Die Diagnose eines EATL wird histologisch unter Berücksichtigung einer vorbestehenden Zöliakie gestellt. In Abgrenzung hierzu wurde bereits 1998 durch Chott et al. erstmals eine Variante des EATL beschrieben, welche keine Assoziation mit einer Zöliakie aufweist und morphologisch durch eher kleine bis mittelgroße Lymphomzellen charakterisiert ist [257]. Diese Entdeckung wurde erst 2008 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen und EATL Typ II benannt (WHO 2008). Weitere Arbeiten v. a. aus Asien konnten diese Entität näher charakterisieren und abgrenzen, wobei auch hier die Assoziation mit einer Zöliakie fehlte [258]. Blastäre Zellen mit hoher Wachstumsfraktion finden sich beim EATL Typ II nicht. Die mit Zöliakie assoziierten EATL sind in der Regel CD3 +, CD5-, CD7 +, CD8-/+, CD4-, CD103 +, T-Zellrezeptor ß+/- und weisen damit das gleiche Immunprofil wie die aberranten IELs bei RCD II auf. EATL Typ II sind dagegen zumeist CD3 +, CD4-, CD8 +, CD56 + und T-Zellrezeptor ß+ (WHO 2008). Bei Verdacht auf ein EATL sollte eine Mitbeurteilung durch eine Referenzpathologie erfolgen. Da die Lymphomzellen schon frühzeitig in die Haut und Meningen disseminieren können, sollten je nach klinischer Indikation entsprechende Proben zur histopathologischen und evtl. molekularpathologischen Aufarbeitung gewonnen werden [20].

Bei entsprechendem Verdacht bzw. bereits gestellter Diagnose eines EATL steht ein Staging mit Schnittbildgebung, ÖGD und Koloskopie mit Biopsien aus dem Duodenum und möglichst terminalem Ileum an. In einer prospektiven Untersuchung an Personen mit einem manifesten histologisch bewiesenem EATL konnte eine PET-Computertomografie in 8/8 Patienten Abnormitäten aufdecken, eine konventionelle Computertomografie in immerhin 7/8 Fällen [241].

Eine Knochenmarkbiopsie soll in jedem Fall durchgeführt werden. Eine Knochenmarksinfiltration, die in immerhin ca. 20 % der Fälle vorkommt, kann bei einem umschriebenen intestinalen Befund das therapeutische Vorgehen beeinflussen [230] [259].

Empfehlung 5.12.

Folgende Therapien können beim EATL zum Einsatz kommen:

A) Budesonid

B) Ernährungstherapie

C) primäre Resektion eines umschriebenen Tumors

D) Chemotherapie nach CHOP-Schema

E) autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosischemotherapie

[starker Konsens, Empfehlung offen]

Kommentar

Ähnlich zum therapeutischen Prozedere bei RCD II und UJ ist bei EATL die Therapie entsprechend der Klinik und dem Allgemeinzustand des Betroffenen anzupassen, sodass in manchen Fällen auch alleine Budesonid und eine Optimierung der Ernährungssituation eingesetzt werden können (siehe Empfehlung 5.6. und 5.8.).

Bei drohenden Komplikationen wie Perforation oder Blutung erfolgt die primäre Resektion eines umschriebenen Tumors [225] [230]. Kann eine Resektion durchgeführt werden, trägt dieses Vorgehen laut einer multivariaten retrospektiven Analyse zu einer verbesserten Prognose bei [230].

Eine systemische Chemotherapie nach dem CHOP-Schema oder analogen Protokollen ist die am häufigsten eingesetzte Therapie, wobei lediglich eine prospektive Studie diese Fragestellung einarmig untersuchte [225]. Hier wurde ein mittleres Überleben von 28 Monaten erreicht.

Zur autologen SCT nach Hochdosistherapie wurden in den letzten Jahren widersprüchliche Daten publiziert. Eine Gruppe um Lennart publizierte ein 5-Jahres-Gesamtüberleben von 60 % unter einer autologen SCT nach Ifosfamid und MTX, während die Amsterdamer Gruppe um Mulder et al. mit einer Hochdosistherapie unterschiedlicher Regime lediglich bei einem von vier Patienten eine Langzeitremission erzielen konnte [259]. Zu einer evtl. notwendigen Zweitlinientherapie existiert bisher lediglich eine kleine Fallserie von Raderer et al. mit sechs Patienten. Regime, die zu einer Remission führten, waren Kombinationen mit Fludarabin/Cyclophosphamid und Ifosfamid/Carboplatin/Etoposid [260].

Zusammenfassend sollte in Abhängigkeit des Eastern Cooperative Oncology Group Performance Status (ECOG) bei EATL ein Stufenschema zum Einsatz kommen. Dieses umfasst eine autologe SCT bei Personen, die sich dazu qualifizieren und CHOP ohne Stammzelltherapie bei älteren bzw. Patienten mit schlechterem ECOG.

Aufgrund dieser begrenzten Datenlage sollten Personen mit einem EATL möglichst in laufende Studien eingebracht werden (http://www.lymphome.de). Hier wird zum Erstellungszeitpunkt des Manuskriptes u. a. eine allogene SCT geprüft. Daten hierzu existieren nur bei Patienten mit nodalen T-Zelllymphomen [261].

Interessenkonflikte

AG

Funktion

Anrede

Titel

Name

Welche Konflikte?

mit wem?

Diagnostik

AG-Leiter

Herrn

Dr. med.

Laaß

Honorare

Phodia, Nutricia

Finanzielle Zuwendungen

Nifor

Mitgliedschaft

DGVS, DGKJ, GPGE

Diagnostik

AG-Leiter

Herrn

Prof. Dr. Dr.

Schuppan

Berater- und Gutachtertätigkeit

Abbott, Aegerion, Boehringer-Ingelheim, Conatus, Echosense,

Eli Lilly, Furui, Gilead, Pfizer, Sanofi-Aventis, Silence Therapeutics, Stomedix, Takeda

Honorare

Boehringer-Ingelheim, Falk, Furui, Ganzimmun, Sanofi-Aventis, Schär

Finanzielle Zuwendungen

Boehringer-Ingelheim

Eigentümerinteresse

Eurospital

klinisches Bild

AG-Leiter

Frau

Prof. Dr. med.

Roeb

Honorare

GILEAD, BMS, MERZ, Falk

klinisches Bild

AG-Leiter

Herrn

Prof. Dr. med.

Stallmach

Berater- und Gutachtertätigkeit

MSD, AbbVie, Astellas

Honorare

MSD, AbbVie, Falk Foundation, Astellas, Bayer

Finanzielle Zuwendungen

Pentax, Abbott

Mitgliedschaft

DGVS

Pathologie

AG-Leiter

Frau

PD Dr. med.

Aust

Honorare

Pfizer, Dr. Falk Foundation

Mitgliedschaft

Deutsche Gesellschaft für Pathologie, Deutsche Krebsgesellschaft

Pathologie

AG-Leiter

Herrn

Prof. Dr. med.

Gaßler

Honorare

Referent bei START 6, Referent 19. interd. Workshop G-I-Tumore

Finanzielle Zuwendungen

DFG, Krebshilfe

Eigentümerinteresse

Patient zur Verwendung der ACSL5

Mitgliedschaft

Mandatsträger DGP

refraktäre Zöliakie

AG-Leiter

Herrn

PD Dr. med.

Daum

Berater- und Gutachtertätigkeit

Shire

Finanzielle Zuwendungen

Fa. Schar

Mitgliedschaft

wissenschaftl. Beirat DZG

refraktäre Zöliakie

AG-Leiter

Herrn

Prof. Dr. med.

Fischbach

Berater- und Gutachtertätigkeit

Fresenius Biotech, Norgine, Pfizer

Honorare

Abbott, Aptalis, Falk, Merck Serono, Morgine, Novartis, Nycomed, Phizer, Roche, Sanofi-Aventis, Shire

Mitgliedschaft

DGVS

Therapie

AG-Leiter

Herrn

Prof. Dr. med.

Bischoff

Berater- und Gutachtertätigkeit

Danone, Coridien

Honorare

?

Finanzielle Zuwendungen

IBIS

Geschäftsanteile

Aktien (< 1QQ.QQQ EUR)

Mitgliedschaft

DGEM, DGVS, DGMIN, ESPEN, EMCBM

Therapie

AG-Leiter

Frau

Prof. Dr. med.

Koletzko

Berater- und Gutachtertätigkeit

Abbott, Danone, Janssen, Merck, MSD

Honorare

Abbott, Danone, Eruoimmuns, Hipp, Immundiagnostik, Menarinie, MSD, Schär, Nestle, ThermoFischer

Finanzielle Zuwendungen

Mead Johnson Euroimmun, Eurospital Immundiagnostik, Schär, Nestle, ThermoFischer, Inova, R-Biopharm

Mitgliedschaft

Council-Member der ESPGHAN, Vertreter im Scientific Com der UEG der ESPFHAN

Diagnostik

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Allgayer

keine

Diagnostik

AG-Mitglied

Frau

Dr. med.

Baas

Honorare

Nestle

Persönl. Beziehungen

Ehemann, Dr. Baas Vorstandsvors. Techniker Krankenkasse

Mitgliedschaft

DGEM

Diagnostik

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Mothes

Eigentümerinteresse

Erfinder im Patent "Peptide u. Verf. zur Diagnostik von Zöliakie und Dermatitis"

Diagnostik

AG-Mitglied

Frau

Schäfer

keine

Diagnostik

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Zimmer

keine

klinisches Bild

AG-Mitglied

Frau

Eiswirth

Mitgliedschaft

Sprecherin Jugendausschuss DZG

klinisches Bild

AG-Mitglied

Herrn

PD Dr. med.

Häuser

Polit., akadem. Wissen. Persönl.

Dozent bzw. Lehrtheurapeut

klinisches Bild

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Holtmeier

Berater- und Gutachtertätigkeit

Schär GmbH

Honorare

Schär GmbH

Mitgliedschaft

wissenschaftl. Beirat DZG

klinisches Bild

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Keller

Honorare

Abbott, Danone, Falk, Essex, Hipp, Hestle, P....

Finanzielle Zuwendungen

Infektophern, Euromisum

Mitgliedschaft

DPGE, ESRGHAN, DGVS, DGKJ, BVKJ

klinisches Bild

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Lembcke

Persönl. Beziehungen

Bruder (Geschäftsführer EVER Pharma Jena GmbH)

Mitgliedschaft

DGVS, DEGUM

klinisches Bild

AG-Mitglied

Frau

Dr. med.

Mecke

keine

Pathologie

AG-Mitglied

Frau

Beisel

keine

Pathologie

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Bläker

Honorare

Astra Zeneca

Finanzielle Zuwendungen

Astra Zeneca

Pathologie

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Fend

Finanzielle Zuwendungen

Mausmodelle

Mitgliedschaft

BV Pathologie

Pathologie

AG-Mitglied

Frau

Mlosh

keine

Pathologie

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. Dr. med.

Stein

Berater- und Gutachtertätigkeit

Abbott, Dr. Schär, Immundiagnostik, MSD, Pharmocosmos, Shire, Takeda, Vifor

Honorare

Abbott, Dr. Schär, Immundiagnostik, MSD, Ferring, Pharmocosmos, Shire, Takeda, Vifor

Finanzielle Zuwendungen

Dr. Schär, Immundiagnostik

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Herrn

Dr. med.

Felber

Mitgliedschaft

DGVS, DEGUM

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Herrn

Fessler

Mitgliedschaft

DZG, gewählt. Mitglied im Mitgliederausschuss DZG

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Germer

keine

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Frau

Oelhoff

Mitgliedschaft

Selbsthilfe-Vertrtung DZG

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Herrn

Prof. Dr. med.

Schäfer

keine

refraktäre Zöliakie

AG-Mitglied

Herrn

Dr. med.

Schumann

Berater- und Gutachtertätigkeit

Dr. Schär

Honorare

Dr. Schär

Mitgliedschaft

DGVS, DGIM

Therapie

AG-Mitglied

Frau

Brandstätter

Mitgliedschaft

Deutsche Zöliakiegesellschaft, Ehrenamtl. DZG-Zöliakieberaterin und Kontaktperson von Betroffenen

Therapie

AG-Mitglied

Frau

PD Dr. rer. nat.

Dieterich

keine

Therapie

AG-Mitglied

Herrn

Kühnau

Mitgliedschaft

Vorsitzender der DZG (Ehrenamt)

Polit., akadem. Wissen. Persönl.

persönliches Interesse, Zöliakiebetroffener

Therapie

AG-Mitglied

Herrn

PD Dr. med.

von Schönfeld

Besitz von

Aktien Mayer und BASF, Fonds DWS

Mitgliedschaft

DGVS, BDI

Frau

PD Dr. med.

Lynen Jansen

Mitgliedschaft

DGVS


#
#

* Gleichberechtigte durch die DGVS mandatierte Koordinatoren der Leitlinie.



Korrespondenzadresse

Dr. Jörg Felber
Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erlanger Allee 101
07740 Jena
Germany