Aktuelle Dermatologie 2014; 40(05): 184-186
DOI: 10.1055/s-0034-1365508
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lymphknotenmetastase oder verschlepptes Pigment? – Malignes Melanom innerhalb einer Schmucktätowierung

Lymph Node Metastasis or Shifted Pigment? – Malignant Melanoma in a Tattoo
C. Siorokos
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, HELIOS St. Elisabeth Klinik, Oberhausen
,
J. Kirschke
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, HELIOS St. Elisabeth Klinik, Oberhausen
,
J. Hyun
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, HELIOS St. Elisabeth Klinik, Oberhausen
,
C. Tigges
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, HELIOS St. Elisabeth Klinik, Oberhausen
,
A. Kreuter
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, HELIOS St. Elisabeth Klinik, Oberhausen
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Alexander Kreuter
Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
HELIOS St. Elisabeth Klinik
Josefstr. 3
46045 Oberhausen

Publication History

Publication Date:
12 May 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Die im Rahmen von Tätowierungen in die Haut eingebrachten mineralischen Pigmente werden über das Lymphsystem in lokoregionäre Lymphknoten transportiert und können zu einer dauerhaften Pigmentierung des drainierenden Lymphknotens führen. Wir berichten über einen 41-jährigen Patienten mit einem seit mehreren Jahren bestehenden Naevus auf dem linken Schulterblatt im Bereich einer großflächigen Tätowierung. Vor einem Jahr sei es zum Auftreten eines knotigen Anteils innerhalb des Naevus mit schneller Größenprogedienz gekommen. Die Primärexzision ergab den Befund eines nodulären malignen Melanoms mit einer Tumordicke von 3,7 mm. In der anschließend erfolgten Sentinel-Lymphknoten-Biopsie der linken Axilla zeigte sich eine ausgeprägte schwärzliche Pigmentierung im Lymphknoten, die sich in der histologischen Aufarbeitung sowohl als Mikrometastasierung als auch als Ansammlung von mineralischem Tattoo-Pigment herausstellte. Dieser Fall verdeutlicht die Wichtigkeit präziser klinischer Angaben für den Histopathologen. So kann verhindert werden, dass bei fehlender Information Tattoo-Pigment im Lymphknoten als Mikrometastasierung fehlinterpretiert wird und eine unnötige Lymphadenektomie erfolgt.


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Abstract

Mineral tattoo pigments might be transported through the lymphatic system into locoregional lymph nodes and can lead to permanent pigmentation of the affected lymph nodes. We report the case of a 41-year-old patient with a nevus located on the left shoulder in the area of a large tattoo. Primary excision showed a nodular malignant melanoma with a Breslow thickness of 3.7 mm. Sentinel lymph node biopsy of the left axilla revealed both black tattoo-pigmentation as well as micro-metastasis of the melanoma. The present case report underlines the importance of pricise clinical information for the histopathologist. Such information might finally help to prevent misinterpretation of tattoo-pigmentation as micro-metastasis and to prevent unnecessary lymphadenectomy.


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Fallbericht

Anamnese und Hautbefund

Wir berichten über einen 41-jährigen Patienten mit einem seit mehreren Jahren bestehenden Naevus auf dem linken Schulterblatt im Bereich einer großflächigen Schmucktätowierung. Vor einem Jahr sei es zum Auftreten eines knotigen Anteils auf dem Boden des vorbestehenden Muttermals mit rascher Größenprogredienz gekommen ([Abb. 1]). Bisher habe die Hautveränderung weder geblutet noch Schmerzen verursacht. Eine B-Symptomatik war anamnestisch nicht eruierbar. Der Patient gab eine vermehrte UV-Exposition in der Vergangenheit an, sowohl beruflich als Dachdecker als auch privat in der Freizeit. Ein Hautkrebs-Screening sei bis zur Vorstellung in unserer Klinik noch nicht durchgeführt worden.

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Abb. 1 Klinisches Bild bei Erstvorstellung. Es zeigt sich ein sekundär entstandener, knotiger Anteil auf dem Boden eines anamnestisch seit Jahren bestehenden Pigmentmals innerhalb einer Schmucktätowierung des linken Schulterblattes.

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Diagnostik und Therapie

Die sofortige, ambulant durchgeführte Primärexzision ergab den Befund eines nodulären malignen Melanoms auf dem Boden eines exophytischen, papillomatösen, korialen Naevus mit einer Tumordicke von 3,7 mm nach Breslow. Im Anschluss erfolgten stationär sowohl eine Nachexzision mit zwei Zentimeter Sicherheitsabstand sowie die Exzision des Sentinel-Lymphknotens in der linken Axilla in Vollnarkose. Intraoperativ imponierte der detektierte Sentinel-Lymphknoten makroskopisch bereits durch eine ausgeprägte schwärzliche Pigmentierung. In der histopathologischen Aufarbeitung des Sentinel-Lymphknotens konnte dann sowohl in der Routinefärbung (Haematoxylin- und Eosin) als auch in der Melan-A-Spezialfärbung das bereits klinisch sichtbare Tattoo-Pigment nachgewiesen werden ([Abb. 2 – 4]). In der Melan-A-Spezialfärbung zeigte sich jedoch zusätzlich eine subkapsulär lokalisierte Metastasierung ([Abb. 5]). In der angeschlossenen komplettierenden axillären Lymphadenektomie der linken Axilla zeigten sich erfreulicherweise keine weiteren Metastasen, in allen untersuchten Lymphknoten konnte jedoch erneut reichlich schwärzliches Tattoo-Pigment nachgewiesen werden. Bei ansonsten mittels Computertomografie nachgewiesener Tumorfreiheit entschlossen wir uns zur Initiierung einer adjuvanten Immuntherapie mit niedrigdosiertem Interferon für einen Zeitraum von 18 Monaten.

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Abb. 2 Histopathologischer Befund des im Rahmen der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie entfernten Lymphknotens aus der linken Achselhöhle (Übersichtsaufnahme, Haematoxylin- und Eosin-Färbung).
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Abb. 3 Nahaufnahme von Tattoo-Pigment innerhalb des Lymphknotens (Detailaufnahme, Haematoxylin- und Eosin-Färbung).
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Abb. 4 Immunhistochemische Färbung mit Melan A. Auch hierbei zeigt sich ebenso deutlich das im Lymphknoten nachweisbare Tattoo-Pigment (Detailaufnahme, Melan-A-Spezialfärbung).
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Abb. 5 Immunhistochemische Färbung mit Melan A. Hierbei zeigen sich subkapsulär deutlich positiv markierte Tumorzellen des malignen Melanoms (Detailaufnahme, Melan-A-Spezialfärbung).

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Diskussion

Tätowierungen und Piercings erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der Bevölkerung. Obwohl es bei etwa 2 % aller frisch tätowierten Menschen zu Komplikationen wie Infektionen oder allergischen und granulomatösen Reaktionen kommt, bleibt in der jüngeren Bevölkerung der Trend zur Tätowierung unverändert bestehen [1]. Derzeitig besitzen bis zu 36 % aller in den USA lebenden Menschen zwischen 18 und 29 Jahren mindestens eine Tätowierung [2]. Trotz der Häufigkeit von Schmucktätowierungen in der Gesellschaft und der in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich steigenden Inzidenzen des malignen Melanoms wurden bisher nur einige wenige Fälle von Melanomen innerhalb von Tätowierungen berichtet [3]. Vermutlich besteht hierbei jedoch kein direkter pathogenetischer Zusammenhang zwischen Tätowierung und Melanomentstehung, sodass es sich eher um koinzidenzielle Ereignisse handelt. Die Größe der bei Schmucktätowierungen verwendeten Farbstoffpigmente variiert zwischen 2 und 400 Nanometer, wobei sie durchschnittlich bei etwa 40 Nanometer liegt [4]. Initial ist der in die Haut eingebrachte Tätowierfarbstoff in großen Phagosomen im Zytoplasma von Keratinozyten, Fibroblasten, Makrophagen und Mastzellen nachweisbar. Nach einiger Zeit wird das Farbstoffpigment jedoch auch über das Lymphsystem in die lokoregionären Lymphknoten abtransportiert und kann dort zu einer permanenten Pigmentierung des Lymphknotens führen [5] [6] [7] [8] [9]. Diese dauerhafte Lymphknotenpigmentierung bleibt auch erhalten, wenn die verursachende Tätowierung durch chirurgische Exzision, Lasertherapie oder Dermabrasion entfernt wurde. Eine makroskopische Unterscheidung zwischen Tattoo-Pigment und Lymphknotenmetastasierung ist, wie in diesem Fall verdeutlicht, nicht möglich. Nur die sorgfältige histopathologische Aufarbeitung unter Einsatz der in der Melanomdiagnostik routinemäßig verwendeten immunhistochemischen Marker (z. B. S100 und Melan A) ermöglicht die sichere Differenzierung zwischen Tumorzellen und Tattoo-Pigment.


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Fazit

Der hier präsentierte Fall verdeutlicht die Wichtigkeit präziser klinischer Angaben für den Histopathologen. Bei Patienten mit malignem Melanom, die für eine Sentinel-Lymphknoten-Biopsie vorgesehen sind, müssen vorhandene oder entfernte Tätowierungen im Abflussgebiet dokumentiert werden, da es zu einer Verschleppung von Pigment in den drainierenden Lymphknoten kommen kann. So kann verhindert werden, dass bei fehlender Information Tattoo-Pigment im Lymphknoten als Mikrometastasierung fehlinterpretiert wird und eine unnötige Lymphadenektomie erfolgt.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagungen

Wir danken Herrn Dr. Frank Oellig, Institut für Pathologie, für die Aufarbeitung der histopathologischen Präparate.

  • Literatur

  • 1 Kazandjiieva J, Tsankow N. Tattoos: dermatological complications. Clin Dermatol 2007; 25: 375-382
  • 2 Pohl L, Kaiser K, Raulin C. Pitfalls and recommendations in cases of laser removal of decorative tattoos with pigmented lesions: case report and review of the literature. JAMA Dermatol 2013; 149: 1087-1089
  • 3 Nolan KA, Kling M, Birge M et al. Melanoma arising in a tattoo: case report and review of the literature. Cutis 2013; 92: 227-230
  • 4 Jack CM, Adwani A, Krishnan H. Tattoo pigment in an axillary lymph node simulating metastatic malignant melanoma. Int Semin Surg Oncol 2005; 2: 28
  • 5 Anderson LL, Cardone JS, McCollough ML et al. Tattoo pigment mimicking metastatic malignant melanoma. Dermatol Surg 1996; 22: 92-94
  • 6 Kluger N, Koljonen V. The surgeon, the tattoo and the black lymph node. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2013; 66: 561-562
  • 7 Yang AS, Creagh TA. Black sentinel lymph node and scary stickers. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2013; 66: 558-560
  • 8 Rozen S, Nahabedian MY. Melanoma and decorative tattoos: is a black sentinel lymph node unequivocally metastatic?. Plast Reconstr Surg 2004; 113: 1304-1307
  • 9 Kürle S, Schulte KW, Homey B. Accumulation of tattoo pigment in sentinel lymph nodes. Hautarzt 2009; 60: 781-783

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Alexander Kreuter
Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
HELIOS St. Elisabeth Klinik
Josefstr. 3
46045 Oberhausen

  • Literatur

  • 1 Kazandjiieva J, Tsankow N. Tattoos: dermatological complications. Clin Dermatol 2007; 25: 375-382
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  • 7 Yang AS, Creagh TA. Black sentinel lymph node and scary stickers. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2013; 66: 558-560
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  • 9 Kürle S, Schulte KW, Homey B. Accumulation of tattoo pigment in sentinel lymph nodes. Hautarzt 2009; 60: 781-783

Zoom Image
Abb. 1 Klinisches Bild bei Erstvorstellung. Es zeigt sich ein sekundär entstandener, knotiger Anteil auf dem Boden eines anamnestisch seit Jahren bestehenden Pigmentmals innerhalb einer Schmucktätowierung des linken Schulterblattes.
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Abb. 2 Histopathologischer Befund des im Rahmen der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie entfernten Lymphknotens aus der linken Achselhöhle (Übersichtsaufnahme, Haematoxylin- und Eosin-Färbung).
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Abb. 3 Nahaufnahme von Tattoo-Pigment innerhalb des Lymphknotens (Detailaufnahme, Haematoxylin- und Eosin-Färbung).
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Abb. 4 Immunhistochemische Färbung mit Melan A. Auch hierbei zeigt sich ebenso deutlich das im Lymphknoten nachweisbare Tattoo-Pigment (Detailaufnahme, Melan-A-Spezialfärbung).
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Abb. 5 Immunhistochemische Färbung mit Melan A. Hierbei zeigen sich subkapsulär deutlich positiv markierte Tumorzellen des malignen Melanoms (Detailaufnahme, Melan-A-Spezialfärbung).