Pneumologie 2014; 68(01): 11
DOI: 10.1055/s-0033-1364072
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Epidemiologie – Tuberkulose als Indikator für die Besiedlung der Erde

Contributor(s):
Horst Gross
Comas I et al.
Nat Genet 2013;
45: 1176-1182
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 January 2014 (online)

 

Die Tuberkulose (TB) stammt aus Afrika und verbreitete sich vor rund 43 000 Jahren über die ganze Welt – das hat die rekonstruierende Genanalyse aller gegenwärtig bekannten Tuberkulosestämme gezeigt. Die Analyse von I. Comas et al.ist dabei nicht nur medizinisch von Relevanz: Für Historiker werden frühgeschichtliche Migrationsströmungen erkennbar, da diese die Genvariationen beeinflussten.
Nat Genet 2013; 45: 1176–1182

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Über die Migrationswege der Menschen gelangten auch tödlich verlaufende Infektionskrankheiten in die entlegensten Winkel der Erde. (Bild: © senoldo/www.Fotolia.com)

Die Tuberkulose (M. tuberculosis complex: MTBC) kommt in dieser Form nur bei Menschen vor. Sie gilt als eine der ältesten humanen Infektionskrankheiten. Mit der modernen Genanalyse ist es möglich, das Genom der Ursprungsstämme zu rekonstruieren. Aus der Diversifizierung der heutigen Stämme und unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit, mit der genetische Veränderungen auftreten, sind solche historischen Rekonstruktionen möglich. Deshalb ist die Geschichte der TB auch ein Abbild der frühgeschichtlichen Migrationsbewegungen. Selbst prähistorische Phasen der Bevölkerungsverdichtung sind so indirekt nachweisbar.

Der Urstamm der Tuberkulose

Das internationale Forscherkonsortium um I. Comas analysierte in seiner genetischen Studie alle 259 weltweit verbreiteten Tuberkulosestämme. Rund 34 000 genetische Variationen wurden dabei erfasst. Deren Analyse zeigt, dass der Urstamm der TB etwa 73 000 Jahre alt sein muss. Der Ursprung der Krankheit liegt in Afrika.

Bereits vor 63 000 Jahren kam es zu ersten Wanderungsbewegungen, die die Tuberkulose bis zum Indischen Ozean trugen. Massive Migrationsbewegungen führten die Tuberkulose vor 46 000 Jahren nach Europa und Asien. Wie die Analyse der Gendrift weiter zeigt, hat die Erdbevölkerung vor etwa 10 000 Jahren sprunghaft zugenommen und sich verdichtet. Diese Phase wird in der Literatur auch als Jungsteinzeit oder neolithische Revolution bezeichnet. Unter diesen Bedingungen hat sich die TB als weltweite Erkrankung endgültig etabliert.

Fazit

Genetische Rückschlüsse auf die ursprünglichen Stämme der Tuberkulose bestätigen die Vermutung, dass der Ursprung der Menschheit in Afrika liegt. Die Genmuster der Tuberkulosestämme korrespondieren mit den vorgeschichtlichen Migrationswellen der Menschheit. Dies wird als zusätzlicher wissenschaftlicher Beweis dafür gewertet, dass vor rund 10 000 Jahren ein entwicklungsgeschichtlicher Sprung mit hoher Bevölkerungsverdichtung stattgefunden hat, der die Basis unserer heutigen Zivilisation bildet.


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Über die Migrationswege der Menschen gelangten auch tödlich verlaufende Infektionskrankheiten in die entlegensten Winkel der Erde. (Bild: © senoldo/www.Fotolia.com)