Einen umfassenden Überblick über therapeutische Ansätze rund um die Transplantationsmedizin
gab ein Symposium im Rahmen der 22. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft
vom 24.–26.10.2013 in Frankfurt. PD Nils Heyne, Tübingen, betonte, dass der interdisziplinäre
Ansatz immer mehr in den Fokus rücke, da nur so eine optimale Patientenversorgung
und ein Langzeitüberleben des Transplantats sichergestellt werden könne.
Langzeitergebnisse einer deutschen Studie zum frühen Einsatz von Sirolimus nach Nierentransplantation
In der SMART[
1
]-Studie [
1
] wurde untersucht, ob eine schon im Rahmen der frühen, noch als klinisch zu bezeichnende
Phase (Tag 10–24) eingeleitete sirolimusbasierte Immunsuppression das Langzeitergebnis
positiv beeinflussen kann. In der Langzeitbetrachtung über 3 Jahre bestätigte sich
der schon zum Monat 12 nachweisbare positive Einfluss von Sirolimus auf die Nierenfunktion.
Dieses Ergebnis war trotz vermehrter, durch das typische Nebenwirkungsprofil verursachter
früher Therapieabbrüche in der Sirolimusgruppe, in der ITT-Population signifikant
(Abb. [
1
]). Kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bestand in Bezug auf die Abstoßungsrate
sowie das Patienten- und Transplantatüberleben.
Trotz der geringen Fallzahl war der Unterschied hinsichtlich des Auftretens von Tumoren
signifikant zugunsten der Sirolimustherapie. Bei der Analyse, welche Patienten besonders
von diesem Therapiekonzept profitieren, zeigte sich ein Vorteil für Patienten mit
guter Nierenfunktion, mit Organen jüngerer Spender und hohem Risiko für CMV-Infektionen.
"Eine sorgfältige Selektion und Überzeugung der Patienten ist eine zentrale Herausforderung
und ein kritischer Faktor für den Erfolg einer sirolimusbasierten Therapie" resümierte
PD Manfred Stangl, München.
Abb. 1 Langzeitbetrachtung über 3 Jahre: Der schon zum Monat 12 nachweisbare positive Einfluss
von Sirolimus (SRL) gegenüber CsA auf die Nierenfunktion bestätigte sich.
nach [
1
]
Sirolimus leistet einen wirksamen Beitrag zur Hauttumorprophylaxe nach Transplantation
Die Unterdrückung des Immunsystems bei nierentransplantierten Patienten ist generell
mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Malignomen verbunden. "Bei Transplantationspatienten
ist das Risiko um bis zu 250-mal größer, Plattenepithelkarzinome der Haut zu bekommen",
erklärte Prof. Ralf Gutzmer, Hannover. Anhand von Fallbeispielen zeigte Gutzmer, dass
unter Immunsuppression schon junge Patienten Hauttumoren entwickeln können, welche
oftmals ein ungewöhnliches klinisches Bild zeigen und auffällig aggressiv verlaufen.
Er zeigte Daten aus der eigenen Forschung, die eine Proliferationsblockade durch Sirolimus
in vitro sowohl von normalen humanen Keratinozyten, als auch von Plattenepithelkarzinom-Zelllinien
zeigen. Ausführlich ging er auf die inzwischen umfangreiche Studienlage zur Sekundärprophylaxe
von nicht melanozytärem Hautkrebs (NMSC) durch eine sirolimusbasierte Immunsuppression
ein [
2
]. Die Daten zeigen übereinstimmend, dass der Einsatz von Sirolimus umso effektiver
ist, je weniger die Patienten mit Hauttumoren vorbelastet sind (Abb. [
2
]) [
3
]. "Ein Einsatz sollte bei entsprechendem Risikoprofil daher möglichst früh nach Transplantation
erfolgen" sagte Gutzmer, verwies aber auch auf die Nebenwirkungen unter Sirolimus,
die zu hohen Abbruchraten in den Studien führten.
Abb. 2 Der Einsatz von Sirolimus ist umso effektiver, je weniger die Patienten mit Hauttumoren
vorbelastet sind.
nach [
3
]
De-novo-Amyloidose nach Domino-LTx – Märchen oder Wirklichkeit?
Die familiäre Transthyretin-Amyloidpolyneuropathie (TTR-FAP) ist eine seltene, tödlich
verlaufende Erbkrankheit, die eine Indikation zur Lebertransplantation darstellt.
Ausgelöst wird die Erkrankung durch eine Mutation im Plasmatransportprotein Transthyretin
(TTR), die zu einer Destabilisierung und Fehlfaltung des Proteins mit anschließender
Ablagerung als Amyloidfibrillen führt. Das klinische Bild ist geprägt von einer aufsteigenden
sensomotorischen Polyneuropathie und einer autonomen Symptomatik mit Wechsel zwischen
Diarrhö und Obstipation, orthostatischer Hypotension, erektiler Dysfunktion und Gewichtsverlust
bis hin zu Kachexie. Unbehandelt führt die TTR-FAP nach durchschnittlich 10 Jahren
zum Tod. Da das defekte TTR-Protein zu 95 % in der Leber gebildet wird, stellt die
Lebertransplantation eine im Ansatz kurative Therapieoption für Patienten mit TTR-FAP
dar. Bis auf die Produktion des veränderten TTR-Proteins ist die Leber von TTR-FAP-Patienten
jedoch völlig intakt und gesund. Dies bildet die Grundlage für das Konzept der Domino-Lebertransplantation
(DLTx), bei der TTR-FAP-Patienten eine Spenderleber eines Hirntoten erhalten und ihre
Leber an einen Dritten weitergeben.
PD Ana Paula Barreiros, Regensburg, führte in Ihrem Vortrag eindrucksvoll aus, dass
die Selektion der Patienten für eine TTR-FAP-Leber gut durchdacht sein sollte. Die
ursprüngliche Annahme, dass Empfänger einer Dominoleber ebenso wie TTR-FAP-Patienten
erst nach 20–30 Jahren Symptome einer TTR-FAP entwickeln, kann nach Sichtung der aktuellen
Daten und eigenen Erfahrungen [
4
] nicht mehr gehalten werden. Seit der erstmaligen Anwendung der Methode 1995 mehren
sich in den letzten Jahren die Berichte zu De-novo-Amyloidosen bei Empfängern von
TTR-FAP-Lebern bereits 7–10 Jahre nach Transplantation. Trotz der Vorteile des Dominoverfahrens,
wie die Erweiterung des Spenderpools und die bessere Chance von Patienten mit dringender
Indikation auf eine Transplantation, sind die Transplantatempfänger sorgfältig aus-zuwählen
und umfassend aufzuklären. Ein Nachsorgeprogramm zur Detektion einer De-novo-Amyloidose
sollte unbedingt ein Bestandteil der Routine für Patienten nach DLTx werden.
Infektionsrisiko und Immunsuppression – wie sieht eine effektive Prophylaxe aus?
Prof. Oliver Witzke, Essen, wies zuerst auf die Relevanz der Nierenfunktion als kritischen
Faktor für die Häufigkeit von Infektionen und insbesondere auf die Mortalitätsraten
von Pneumonien bei Patienten mit Nierenerkrankungen hin. Witzke betonte weiterhin
die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen bei diesem Patientengut. Basierend auf
einer Hochrechnung aus dem CAPNETZ (Community-Acquired-Pneumonia-Netz) sind die beiden
häufigsten Erreger bei ambulant erworbener Pneumonie Influenza-A-Viren und Streptococcus
pneumoniae. Wenn auch die saisonale Grippeschutzimpfung etabliert sei, so mangele
es doch an der Umsetzung weiterer Schutzimpfungen. Er verwies auf die Empfehlungen
der KDIGO-Gruppe (KDIGO: Kidney Disease: Improving Global Outcomes) sowie auf die
Empfehlung aus dem Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI), in
denen Nierenpa-tienten und Patienten unter Immunsuppression als Risikopatienten eingestuft
werden.
Nach neuen Erkenntnissen bzgl. des 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoffs (PCV-13)
lassen sich entgegen bestehender Meinungen eine vergleichbare Immunogenität von PCV-13
bei Patienten mit renaler Grunderkrankung im Vergleich zu Immunkompetenten ableiten
[5]. Bei der Impfung von Transplantierten wäre daher ein Schema, wie es schon von
der DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatoonkologie) in ihrer Leitlinie zur Prävention
von Infektionen und Thrombosen nach Splenektomie oder funktioneller Asplenie vorgestellt
wurde (Tab. [
1
]) [
6
], empfehlenswert. Bei diesem Schema wird primär PCV-13 eingesetzt, gefolgt von Auffrischungsimpfungen
entweder erneut mit PCV-13 oder mit PSV-23. Um in den relevanten Risikogruppen eine
effektive Prävention von Infektionen zu erreichen, forderte Witzke entsprechende Aufklärungskampagnen.
Tab. 1 Impfung von Transplantierten: Schema nach der DGHO-Leitlinie zur Prävention von Infektionen
und Thrombosen nach Splenektomie oder funktioneller Asplenie.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Pfizer Pharma GmbH, Berlin.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Der Prophylaxe verpflichtet – Therapeutische
Ansätze rund um die Transplantationsmedizin", 25.10.2013, veranstaltet von der Pfizer
Pharma GmbH, Berlin, auf der 22. Jahrestagung der DTG 2013, Frankfurt.
Die Autorin ist freie Journalistin.