Dialyse aktuell 2013; 17(10): 566-567
DOI: 10.1055/s-0033-1363868
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lipoprotein(a) – Warum eine frühe Diagnostik so wichtig sein kann

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Publikationsdatum:
20. Januar 2014 (online)

 
 

    Die folgende Kasuistik, die Dr. Andreas Raffelsiefer vom Dialysezentrum Warendorf vorstellt, verdeutlicht, dass eine frühzeitige Lp(a)-Diagnostik (Lp(a): Lipoprotein(a)) der beschriebenen Patientin viele Komplikationen erspart hätte.

    Anamnese

    Die Patientin stellte sich erstmalig am 29.04.2010 bezüglich der Abklärung einer Hämaturie und leicht erhöhter Nierenwerte bei einer endogenen Kreatininclearance von 50 ml/min in unserem nephrologischen Zentrum vor. Eine auffällige Familienanamnese bestand nicht, insbesondere keine frühzeitigen vasosklerotischen Veränderungen im Sinne von Herzinfarkt und Schlaganfall in der Verwandtschaft und bei den Eltern. Auffällig war bereits beim ersten Kontakt, dass anamnestisch mehrere Herzinfarkte vorlagen:

    • Vorderwandinfarkt 03/1992 (41. Lebensjahr)

    • Hinterwandinfarkt 05/2003 (52. Lebensjahr) mit PTCA der rechten Koronararterie des Ramus circumflexus und des R. interventricularis anterior

    Weitere Aspekte der Vorgeschichte waren eine arterielle Hypertonie, mit folgenden Medikamenten mäßiggradig eingestellt:

    • Dilzem 120 mg 2-mal 1 Tablette pro Tag

    • Olmesartan 10 mg einmal pro Tag

    • Torasemid 10 mg morgens

    Daneben bestand ein Struma uninodosa mit latenter Hypothyreose, Zustand nach Ulcus ventriculi und Zustand nach Totalendoprothese links nach Oberschenkelhalsbruch.


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    Diagnostik

    Bei der ersten ambulanten Vorstellung lagen keine Urämiesymptome im Sinne von Abgeschlagenheit und Müdigkeit oder Hautjucken vor. Es gab keine Zeichen einer zerebralen Minderdurchblutung wie Schwindel. Ebenso war die Patientin in der Lage, längere Strecken zu gehen sowie Fahrrad zu fahren. Der Haushalt wurde von ihr gemeistert, zuzüglich der Versorgung ihres querschnittgelähmten Sohnes. Drogenkonsum, Nikotin- oder Alkoholabusus bestanden nicht. Die klinische Untersuchung zeigte einen Blutdruck auf der rechten Seite von RR 180/90 mmHg, bei Kontrolle 150/90 mmHg, links 135/85 mmHg, an der Arteria tibialis posterior rechts auch 120 mmHg Verschlussdruck.

    Die weitere körperliche Untersuchung zeigte noch Clubbing/Trommelschlegelfinger und kalte Finger an beiden Armen, die livide verfärbt waren. Die Körpergröße war 163 cm bei einem Gewicht von 53 kg (BMI 19,95 kg/m2). Laboruntersuchungen im April 2010 zeigten folgende Ergebnisse:

    • normochrome Anämie mit einem Hb von 11,9 g/dl, möglicherweise renal bedingt

    • Kreatinin 1,17 mg/dl entsprechend einer endogenen Kreatininclearance von 50 ml/min, Stadium 3

    • Kalzium 2,65 mmol/l

    • Harnstoff 42 mg/dl

    • Ferritin 32 ng/ml

    • Urinsediment Proteinurie, dysmorphe Erythrozyten fraglich,

    • ausgeglichene übrige Elektrolyte

    • Cholesterin 178 mg/dl

    • Triglyzeride 80 mg/dl

    • HDL 54 mg/dl

    • LDL 108 mg/dl unter Simvastatin 40

    • Lp(a) 172 mg/dl

    • Blutzucker im Normbereich

    • Gesamteiweiß 7,3 g/dl

    • Albumin 3,2 g/dl

    • ANA, Anti-DNS, c-ANCA und p-ANCA negativ

    • Proteinurie 2,3 g/24 h,

    • Homocystein 20 μmol/l (Norm 14)

    • Fibrinogen 636 mg/dl (Norm 400)

    • Paraproteinämie vom Typ IgG-Kappa

    Abdomensonografisch konnten normal große Nieren (11 cm beidseitig) und kleinere Nierenzysten (glatt berandet) nachgewiesen werden. Die Aorta zeigte keine Verkalkungen.

    Die vom Hausarzt gestellte Frage war die Abklärung der Niereninsuffizienz bei Proteinurie und Hämaturie. Nebenbefundlich ergab sich ein weiteres Aufgabenfeld durch den Nachweis einer kombinierten Fettstoffwechselstörung bei Hypercholesterinämie und zusätzlich den Nachweis eines erhöhten Lp(a)-Wertes.

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    Abb. 1 Dr. Andreas Raffelsiefer, Warendorf, und seine Patientin.

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    Therapie

    Bei stabilen Nierenretentionsparametern wurde zunächst auf eine weitere Therapie bezüglich der Nephropathie verzichtet. Der RAAS-Hemmer wurde weiter verschrieben. Im Vordergrund der Krankheitssituation der Patientin stand nun die Fettstoffwechselstörung – insbesondere mit Erhöhung des Lp(a). Im Rahmen der Voruntersuchung wurde eine Karotis-Duplex-Untersuchung durchgeführt, die eine Intimaverdickung von über 2,2 mm an der rechten Bifurkation und eine Verkalkung der A. carotis externa rechts mit einer Stenose von 30 % und einer Stenose der A. vertebralis von 70 % rechtsseitig aufwies.

    Es wurde zunächst eine Therapie mit Tredaptive® 1000 mg in steigender Dosierung von 1 g auf 2 g zur Nacht durchgeführt. Als typische Nebenwirkung traten Hitzewallungen auf, die aber von der Patientin toleriert wurden. Im Rahmen dieser Medikation war ein Absinken der Lp(a)-Werte von 170 auf 110 mg/dl zu erzielen. Um den LDL-Wert noch zu optimieren, wurde bei der Patientin Inegy 10/80 eingesetzt. Hier kam es zu Hautjucken und Effloreszenzen, was zum Absetzen der Medikation und Meldung als unerwünschte Nebenwirkung führte.

    Ausgehend von der Synopsis der koronaren Herzerkrankung, der Karotisveränderungen sowie der Stenosierung der A. vertebralis rechts wurde ein Antrag auf Kostenübernahme für eine Lipidapherese gestellt. Dieser Antrag wurde zunächst wegen des Vorliegens einer diskreten Hypothyreose mit TSH von 5,2 (Grenze 4,2) bei peripherer euthyreoter Stoffwechsellage von T3- und T4-Werten (T3 0,28, Norm: 2,0–4,4; T4 1,34, Norm: 0,93–1,7) abgelehnt. Des Weiteren war für die Kommission kein Progress der Vasosklerose seit PTCA im Mai 2003 festzustellen.

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    Einige Monate später klagte die Patientin über Schwindelattacken, insbesondere bei einer Beanspruchung des linken Armes. Erneut wurde der Blutdruck am rechten und linken Arm gemessen. Hier zeigte sich eine deutliche Zunahme der Differenz – wie andeutungsweise schon beim ersten Kontakt im April 2010: rechts RR 150/80 mmHg, links 110/60 mmHg, kein Strömungsgeräusch über der linken Clavicula, rechtsseitig Stenosegeräusch im Bereich der rechten A. vertebralis.

    Duplexsonografisch war ein Aliasing an der linken Bifurkation neu festzustellen, Verkalkung der linken A. vertebralis, Flussumkehr und Pendelfluss über der A. vertebralis links, insbesondere unter Belastung, Flussumkehr über der A. supratrochlearis links, verstärkt insbesondere unter Belastung. Dies wurde von fachneurologischer Seite bestätigt. Das MRT der oberen Apparatur und Halsgefäße bestätigte eine hochgradige Subclaviastenose mit dem klinischen Bild eines Subclavian-Steal-Syndroms.

    Mit den Kardiologen des Josephs-Hospitals Warendorf wurde eine Stentimplantation besprochen und im November 2011 durchgeführt. Der Stent ließ sich problemlos platzieren. Die Blutdrucksituation auf der linken Seite verbesserte sich. Während des Eingriffes an der linken A. subclavia kam es zu pectanginösen Beschwerden – zu einem troponinpositiven akuten Koronarsyndrom bei Dreigefäßerkrankung mit einer 95-prozentigen RCX-Stenose, einer 50–80-prozentigen LAD-Stenose und einer 50-prozentigen rechtskoronaren Stenose. Der Ramus circumflexus wurde in einem Notfallverfahren mit einem DES-Stent ohne Reststenose versorgt. Während des kardiologischen Eingriffes kam es zu einer rechtsseitigen Embolie (DD-Verschluss) der rechten A. femoralis, die operativ versorgt werden musste.

    Im Anschluss war die Patientin bezüglich der kardialen Situation beschwerdefrei. Die Leistenwunde verheilte langsam. Die Schwindelsymptomatik war rückläufig. Erneut wurde ein Antrag für die Lipidapherese gestellt. Die Schilddrüsen-Labor-Parameter waren unter Substitution mit 75 μg L-Thyroxin im Normbereich, ein Progress der koronaren Herzerkankung war durch die oben genannten Ereignisse während des Eingriffes an der Subclavia begründet.

    Diesem Antrag wurde stattgegeben. Die Patientin erhielt ab dem 01.06.2012 die Erlaubnis, wöchentlich eine Apherese-behandlung bei uns in der nephrologischen Praxis Warendorf durchführen zu lassen. Eine Reduktion der Lp(a)-Werte um über 60 % pro wöchentliche Sitzung kann damit realisiert werden. Benutzt wurde das DALI-Verfahren der Firma Fresenius. Vor der Einreichung des Antrages war eine erneute Doppleruntersuchung der Beingefäße erfolgt. Klinisch war nun auch eine Einschränkung der Gehstrecke insbesondere des linken Beines von unter 200 Metern diagnostiziert worden.


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    Fazit

    Zusammenfassend steht diese Kasuistik für einen raschen Progress der Vasosklerose der verschiedenen Gefäßprovinzen bei entsprechendem genetischem Defekt. Eine frühzeitige Diagnostik bezüglich des Lp(a) hätte der Patientin, die bereits mit dem 40. Lebensjahr einen Myokardinfarkt erlitten hat, vermutlich viele Beschwerden und Komplikationen erspart. Erfreulich ist die kardiale Rekompensation und das Ausbleiben von pectanginösen Beschwerden, die die Patientin über Jahre bedroht haben. Trotz der Vorschädigung des Gefäßsystems ist noch von einer befriedigenden Lebensqualität und auch einer verbesserten Lebenserwartung auszugehen.

    Dr. Andreas Raffelsiefer, Warendorf

    Der Beitrag, auf dem dieser Artikel basiert, ist zuerst in Kardio Guide 4/2013 (Biermann Medizin) erschienen.

    Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
    Der Autor ist ärztlicher Leiter im Dialysezentrum Warendorf.


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    Abb. 1 Dr. Andreas Raffelsiefer, Warendorf, und seine Patientin.
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