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DOI: 10.1055/s-0033-1363425
Briefe an die Redaktion
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
29 November 2013 (online)
Zu den Leserbriefen zum Artikel „Traumberuf zu Albtraumlöhnen“ , physiopraxis 4/13
Demos selbst organisieren
Mit großem Interesse habe ich die Reaktionen auf den Artikel „Traumberuf zu Albtraumlöhnen“ gelesen. Ich bin der Meinung, man sollte bodenständig bleiben. Sicher ist unser Beruf nicht optimal entlohnt, aber Forderungen nach einem Stundenlohn von 75 Euro sind fern jeglicher Realität, vor allem im Osten Deutschlands. Bei einer 30-Stunden-Woche erreiche ich hier einen Umsatz von 9.000 Euro im Monat, und das nur durch meine Arbeitskraft. Abzüglich Miete (circa 1.000 Euro) und Versicherung (circa 500 Euro) bleiben monatlich 7.500 Euro, die natürlich noch versteuert werden müssen. Sicher würde sich jeder Arzt über diesen Umsatz freuen. Der Unterschied ist, dass in einer Physiotherapiepraxis jeder angestellte Physiotherapeut den Gewinn in gewisser Weise multipliziert. Welchem Normalsterblichen will man einen so hohen Stundenlohn denn verkaufen?
Auch die Kritik an den Verbänden sollte zweiseitig betrachtet werden:
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> Wir haben zu viele Berufsverbände. Ein Verband würde vollkommen ausreichen. Dann gäbe es ein Ziel und alle würden am selben Strick ziehen.
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> Die Verbände führen für uns Verhandlungen mit den Kassen. Ohne Verbände würde es hier gar keine Bewegung geben.
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> Dass scheinbar innerhalb der Verbände mehr Wert auf Einnahmen durch Fortbildungen gelegt wird, ist ein Kritikpunkt, den ich unterstütze, doch obliegt es jedem selbst, eine Fortbildung bei einem unabhängigen Anbieter zu machen. Da aber die Verbände hier ein breites Spektrum anbieten, scheint das Interesse, Fortbildungen bei Verbänden zu machen, doch recht groß zu sein.
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> Wir sind 136.000 Physios. Doch nur etwa 20.000 haben es bei der, zugegeben nicht gerade umwerfenden, Aktion der Verbände „Wir verdienen mehr, als wir verdienen!“ hinbekommen, zu unterschreiben.
Verbände hin oder her, wenn so viel Motivation, wie hier in einige Leserbriefe gesteckt wird, zu solchen Aktionen führen würde, wenn man das Organisieren von Demos mal selbst in die Hand nehmen würde und nicht den Verbänphysiopraxis den in die Schuhe schieben würde, dann würde man vielleicht die politische Aufmerksamkeit erregen, die es benötigt, um Ausbildung und Bezahlung zu ändern.
Chris Franke,
Physiotherapeut aus Crimmitschau im Landkreis Zwickau
Zum Artikel „Von der Provokation zur Befreiung“ , physiopraxis 9/13
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Andere Sichtweise in manchen Punkten
Sehr geehrter Herr Wiemer,
vielen Dank für Ihren informativen Artikel zum Thema benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel. Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich ein paar Anmerkungen machen: Sie geben korrekterweise die Einfachheit der Identifizierung (und deren darauffolgende effektive Behandlung) an. Ich stimme Ihnen so weit zu, bitte aber zu berücksichtigen, dass sich in keinem Fall Hinweise für ein zentrales Geschehen zeigen dürfen. Sobald sich „Unstimmigkeiten“ in der Anamnese oder Anzeichen für Hirnstamm- oder Kleinhirnstörungen ergeben, sollte sofort eine ärztliche Diagnosestellung erfolgen.
Sie schreiben weiterhin in Ihrem Artikel, dass man von einem falschen Pathomechanismus ausgeht und dadurch veraltete Maßnahmen in Form des Brandt-Daroff-Manövers an die Patienten aushändigt. Dazu möchte ich sagen, dass der benigne periphere paroxysmale Lagerungsschwindel (BPPV) in verschiedenen Varianten auftreten kann. Wie Ihrem Artikel zu entnehmen ist, kommt es korrekterweise häufiger zu einer Kanalolithiasis bei Patienten, in diesem Fall zu einer Kanalolithiasis des hinteren Bogenganges (in circa 85 Prozent). Zusätzlich kann es aber auch in circa 10 Prozent der Fälle zu einer Kanalolithiasis des horizontalen Bogenganges kommen und in seltenen Fällen zu einer Kupulolithiasis des horizontalen Bogenganges. In diesem speziellen Fall ist eine Anwendung des Brandt-Daroff- Manövers notwendig, um die Partikel, die sich an der Kupula angesetzt haben, zu lösen und die Kupulolithiasis in eine Kanalolithiasis umzuwandeln und anschließend das Befreiungsmanöver für den horizontalen Bogengang durchzuführen.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass ein gutartiger Lagerungsschwindel natürlich auch auf der linken Seite erfolgen kann. Wie bereits oben erwähnt, kann der BPPV in verschiedenen Ausführungen auftreten, und ich stimme mit Ihnen überein, dass das rechte Vestibularorgan öfter betroffen ist (laut Studienlage 1,4-mal häufiger). Was aber nicht zur Folge hat, dass die linke Seite nie betroffen ist. In diesem Fall sollte erwähnt werden, dass die angegebenen Befreiungsmanöver (nach Sémont oder Epley) entsprechend angepasst werden sollten.
Sie sprechen außerdem in Ihrem Artikel immer von vier Minuten, die der Patient unverändert nach der Lagerung liegenbleiben soll, da sonst die Otolithen wieder in den Bogengang zurückfallen können. Für mich ist diese Zeitangabe neu, gibt es hierfür Neuerungen, neue Studien oder Literatur? Wir hier in München gehen von einer Dauer von ein bis zwei Minuten aus und erzielen mit dieser Zeitangabe sehr gute Erfolge.
Ein letzter Punkt, in dem ich nicht mit Ihnen übereinstimme, sind die Verhaltensregeln, die Sie Ihren Patienten mitgeben. Es ist in keinem Fall erforderlich, den Patienten eine „Halskrause“ zu verpassen. Dieses würde die Entwicklung eines phobischen Schwindels deutlich erhöhen und eine unerwünschte „Vermeidungshaltung“ begünstigen.
Mit freundlichen Grüßen Silvy Kellerer,
Physiotherapeutin, Deutsches Zentrum für Schwindel und Gleichgewichtsstörungen,
LMU München


Anmerkung des Autors
Sehr geehrte Frau Kellerer,
ich möchte darauf hinweisen, dass ich mich aufgrund der begrenzten Seitenzahl ausschließlich auf die Kanalolithiasis des hinteren vertikalen Bogengangs beschränkt habe. Der Einfachheit halber wurde hier lediglich das Beispiel für die rechte Seite durchgespielt. Natürlich kann auch die linke Seite betroffen sein. Nun zu den weiteren Punkten Ihrer Kritik:
Ich habe sehr exakte Angaben bezüglich Anamnese und klinischer Untersuchung gemacht. Sind ausschließlich diese Punkte positiv, so kann man sogar einen zentralen Schwindel ausschließen. Es besteht also keinerlei Gefahr, eine „Red Flag“ zu übersehen. Auch eine Abgrenzung der von Ihnen genannten Kanalolithiasis und Kupulolithiasis des horizontalen Bogengangs ist durch die beschriebenen Provokationstests leicht möglich (Nystagmus-Richtung und Nystagmus-Dauer). Mal ganz abgesehen davon, dass der Patient mit einem Rezept (SO 3) vom Arzt zu uns kommt.
Das Brandt-Daroff-Manöver ist definitiv nicht zur Behandlung einer Kanalolithiasis geeignet. Selbst bei Vorliegen einer Kupulolithiasis reichen die einfachen Positionswechsel nicht aus, um die an der Kupula anhaftenden Steinchen zu lösen. Der Patient muss zusätzlich in jeder Position heftig den Kopf hin und her schütteln (circa 10-mal).
Die von Ihnen monierten vier Minuten nach der Lagerung nehme ich mir lediglich Zeit, dem Patienten in Ruhe zu erklären, was da gerade passiert ist (es gibt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse!). Sie werden mir recht geben, dass man dem Patienten diese Phase durchaus zugestehen kann. Abgesehen davon können in dieser Position die Steinchen wirklich nicht zurückfallen.
Ihre Sorge bezüglich der restriktiven Verhaltensregeln innerhalb der nächsten 24 Stunden kann ich nicht nachvollziehen. Wenn etwas zur Entwicklung eines phobischen Schwindels bzw. eines Vermeidungsverhaltens beiträgt, dann das, was die Patienten bis zum Tag der Lagerung durchgemacht haben. Dass Sémont seine Patienten mit der Auflage, drei Tage nur im Sitz schlafen zu dürfen, nach Hause schickte, finde ich allerdings auch übertrieben.
Mit freundlichen Grüßen Matthias Wiemer
Das Leserforum ist Ihre Seite für fachlichen Austausch. Meinungen, Kommentare und Anregungen sind willkommen! Wir behalten uns vor, die Briefe zu kürzen. Die Texte spiegeln die Meinung des Verfassers wider und nicht die der Redaktion. Leserbriefe an:
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Redaktion physiopraxis
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E-Mail:
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