Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(4): 140
DOI: 10.1055/s-0033-1362673
Journal Club
Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kortikosteroide 2 – Dexamethason bei Frühgeborenen reduziert das Hirnvolumen im jungen Erwachsenenalter

Further Information

Publication History

Publication Date:
20 August 2014 (online)

Hintergrund: Frühgeborene erhielten zur Prävention bzw. Therapie der Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) früher häufig Kortikosteroide in hoher Dosis. Insbesondere für Dexamethason sind jedoch ungünstige Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung der Kinder beschrieben. Experimentelle Untersuchungen deuten auf eine hohe Vulnerabilität des unreifen Gehirns für Kortikosteroide hin, und mittels Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich strukturelle zerebrale Veränderungen bei mit Kortikosteroiden behandelten, entwicklungsneurologisch auffälligen Frühgeborenen nachweisen. Cheong et al. untersuchen anhand einer Kohorte ehemaliger extrem unreifer Frühgeborener, ob nach postnataler Dexamethason-Gabe Volumenveränderungen zerebraler Strukturen in der Adoleszenz nachweisbar sind und ob eine Dosis-Wirkungs-Beziehung existiert.

Methoden: In die prospektive longitudinale Kohortenstudie wurden alle im Staat Victoria / Australien zwischen Januar 1991 und Dezember 1992 geborenen extrem unreifen Frühgeboren (< 28 SSW) eingeschlossen. Im Alter von 18 Jahren erhielten die Probanden im Rahmen einer Follow-up-Vorstellung eine zerebrale MRT. Mit Hilfe einer Bildbearbeitungs-Software (FreeSurfer ®) wurden anhand der T1-gewichteten MRT-Aufnahmen die Volumina verschiedener Hirnregionen berechnet und die Ergebnisse der Jugendlichen mit bzw. ohne postnatale Dexamethason-Applikation – auch hinsichtlich potentieller Einflussvariablen – verglichen. Mittels linearer Regression wurde die Beziehung zwischen der kumulativen Dexamethason-Gesamtdosis und den verschiedenen Hirnvolumina evaluiert.

Ergebnisse: MRT-Daten von 148 ehemaligen Frühgeborenen konnten ausgewertet werden. 55 Kinder (37 %) hatten postnatal Dexamethason erhalten. Die mittlere kumulative Dosis betrug 7,7 mg / kg. Die in der Neonatalperiode mit Dexamethason behandelten Frühgeborenen hatten im Alter von 18 Jahren ein geringeres Gesamt-Hirnvolumen (mittlere Differenz -3,6 %; 95 %-Konfidenzintervall [KI] -0,7 % bis -0,3 %); p = 0,04) sowie geringere Volumina der weißen Substanz, der Thalami und der Basalganglien (jeweils p < 0,05). Nach Adjustierung für Gestationsalter, Geschlecht, Small-for-gestational-age, BPD sowie Vorliegen einer schweren Hirnschädigung blieben alle Parameter außer dem Gesamt-Hirnvolumen signifikant. In allen Hirnarealen außer der medialen temporalen Region fanden sich Unterschiede im Volumen der weißen Substanz zwischen beiden Gruppen, die sich nach Adjustierung für o. g. Variablen jedoch abschwächten. Für ansteigende Dexamethason-Dosen fand sich ein schwacher Zusammenhang mit kleineren Volumina der gesamten Hirnsubstanz sowie der weißen Substanz (Regressionskoeffizient -7,7 bzw. -3,2; 95 %-KI -16,2–0,8 bzw. -6,6–0,2; p = 0,08 bzw. 0,06).

Fazit

In der australischen Untersuchung fand sich bei jungen Erwachsenen, die als sehr unreife Frühgeborene postnatal Dexamethason erhalten hatten, im Vergleich zu Kindern ohne Kortikosteroid-Medikation ein um etwa 3 % geringeres Hirnvolumen sowie geringere Volumina von weißer Substanz, Thalami und Basalganglien. Eine Verringerung der grauen Substanz oder des Kleinhirnvolumens konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die zerebrale Vulnerabilität für Kortikosteroide bis in die Adoleszenz persistiert. Die Autoren empfehlen, die zukünftige Forschung auf alternative Kortikosteroide wie z. B. Hydrocortison bzw. niedriger dosiertes Dexamethason zu konzentrieren.

Dr. Christian Weber, Künzell