Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(4): 137
DOI: 10.1055/s-0033-1362668
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Geburtshilfe
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Medikamenteneffekte – Fetale Herzfehler durch Antidepressiva in der Schwangerschaft?

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Publication Date:
20 August 2014 (online)

Hintergrund: Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) sind die in der Schwangerschaft am häufigsten verordneten Antidepressiva (AD). Bereits 2005 gab es Hinweise auf eine erhöhte Rate kongenitaler fetaler Herzfehlbildungen bei SSRI-Exposition in der Frühschwangerschaft. Die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen deuten darauf hin, dass Paroxetin das Risiko für Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstrakts erhöht und Sertralin mit Ventrikelseptumdefekten assoziiert ist. Huybrechts et al. untersuchen das kardiale Fehlbildungsrisiko nach Anwendung verschiedener AD im ersten Trimenon.

Methoden: Für die populationsbasierte Kohortenstudie wurden im Zeitraum von 2000–2007 mit Hilfe einer großen nationalen US-Datenbank (Medicaid Analytic eXtract) umfangreiche demographische und medizinische Daten von 949 504 im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge betreuten Schwangeren und ihren lebend geborenen Kindern erhoben. Das kardiale Fehlbildungsrisiko (jegliche kardiale Malformation, Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstrakts, Ventrikelseptumdefekt, andere kardiale Anomalien) von Kindern mit bzw. ohne AD-Exposition im ersten Trimenon wurde verglichen. Die Auswertung erfolgte als nicht adjustierte Analyse sowie unter Berücksichtigung potentieller Confounder.

Ergebnisse: Es wurden 64 389 Schwangere (6,8 %) mit AD-Einnahme im ersten Trimenon identifiziert (4,9 % SSRI; 0,6 % trizyklische AD; 0,7 % Serotonin-Norepinephrin-Reuptake-Inhibitoren [SNRI]; 0,9 % Bupropion; 0,7 % andere AD). Unter den SSRI wurden am häufigsten Sertralin, Paroxetin und Fluoxetin angewendet. Bei 6403 Kindern von Müttern ohne (72,3 pro 10 000 Kinder) und bei 580 Kindern von Müttern mit AD-Einnahme (90,1 pro 10 000) wurden kardiale Malformationen diagnostiziert. Das erhöhte nicht adjustierte Risiko bei den exponierten Kindern wurde in allen Fehlbildungs-Gruppen beobachtet. Diese Assoziation schwächte sich durch zunehmende Adjustierung hinsichtlich potentieller Einflussvariablen ab. Das relative Risiko für jegliche kardiale Malformation unter SSRI-Einnahme betrug in der nicht adjustierten Analyse 1,25 (95 % CI 1,13-1,38), in der auf die Schwangeren mit Depression beschränkten Analyse 1,12 (95 % CI 1,00-1,26) und in der vollständig adjustierten Propensity-Score-Analyse 1,06 (95 % CI 0,93-1,22). Es konnten weder eine signifikante Assoziation zwischen Paroxetin und Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstrakts (1,07; 95 % CI 0,59-1,93) noch zwischen Sertralin und Ventrikelseptumdefekten (1,04; 95 % CI 0,76-1,41) nachgewiesen werden. Auch Alter und Rassezugehörigkeit, AD-Dosis sowie medikamentöse Mono- oder Polytherapie hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

Fazit

Die Studienergebnisse können den vermuteten Zusammenhang zwischen maternaler AD-Einnahme im ersten Schwangerschaftsdrittel und einer Zunahme des Risikos für kindliche Herzfehler nicht bestätigen. Insbesondere konnte kein spezifisches Malformations-Risiko für Paroxetin und Sertralin nachgewiesen werden. Einen limitierenden Faktor der Studie stellt der Einschluss von ausschließlich lebend geborenen Kindern dar, da auf diese Weise durch schwere kardiale Anomalien verursachte Fehl- oder Totgeburten sowie Schwangerschaftsabbrüche der Analyse entgehen.

Dr. Christian Weber, Künzell