Etwa 20–27 % aller Erwachsenen weltweit sind von einem chronischen Pruritus betroffen.
In aller Regel hat die Erkrankung einen negativen Effekt auf die Lebensqualität und
kann zu emotionalen oder psychosomatischen Störungen führen.S. Ständer et al. haben
unter Berücksichtigung verschiedener Krankheitsparameter geschlechtsspezifische Unterschiede
bei Patienten mit chronischem Pruritus identifiziert.
British Journal of Dermatology 2013; 168; 1273–1280
Die retrospektive Studie aus Deutschland schloss 1037 Patienten mit chronischem Pruritus
für eine Dauer von > 6 Wochen ein. 54,8 % der Teilnehmer waren weiblich. Die Autoren
erstellten eine Datenbank, die demografische Daten, Pruritus-Charakteristika (Lokalisation,
Krankheitsverlauf, Intensität, Qualität) sowie Informationen zu Komorbiditäten und
Komedikationen enthielt. In die Analyse ging ebenfalls die Lebensqualität der Studienteilnehmer
ein, die mithilfe des "Dermatology Life Quality Index" (DLQI) erfasst wurde. Auf Basis
dieser Daten erfolgte die Identifizierung geschlechtsspezifischer Unterschiede.
Bei Männern die Komorbiditäten, bei Frauen die Psyche
Die männlichen Studienteilnehmer waren statistisch signifikant älter als die weiblichen:
Das Durchschnittsalter bei der 1. Visite lag bei 61,7 ± 15,7 vs. 58,6 ± 16,1 Jahre;
p < 0,001. Zudem wiesen die Männer gegenüber den Frauen statistisch signifikant häufiger
kardiovaskuläre (p < 0,001) und urogenitale Komorbiditäten auf (p < 0,0001), eine
höhere Zahl an Komedikationen (p = 0,041) sowie mehr dermatologische und systemische
Erkrankungen, die einen chronischen Pruritus zur Folge hatten. Bei Frauen hingegen
lagen dem Pruritus häufiger neuropathische und psychosomatische Erkrankungen zugrunde,
und sie zeigten deutlich häufiger eine Krankheitsverschlechterung aufgrund emotionaler
(p = 0,002) und psychosomatischer Faktoren (p = 0,046). Weibliche Studienteilnehmer
berichteten öfter als männliche Studienteilnehmer von einem lokal begrenzten Jucken,
das anfallartig auftrat und als stechend, warm oder schmerzhaft empfunden wurde (p
< 0,05). Frauen waren zudem durch häufigere chronische Kratzläsionen sowie Prurigo
nodularis gekennzeichnet (p = 0,001). Im Gegensatz dazu zeigten Männer deutlich öfter
einen chronischen Pruritus auf nicht entzündeten Hautpartien (p = 0,004). Chronisches
Jucken trat bei Männern im Vergleich zu Frauen statistisch signifikant häufiger am
Rumpf und an den Beinen auf, hinsichtlich des Kopfes, des Halses, der Arme sowie der
Anogenitalregion waren keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellbar.
Frauen erreichten höhere Werte auf der visuellen Analogskala (p = 0,031) und empfanden
einen größeren Einfluss auf die Lebensqualität als Männer (p = 0,033).
Die Autoren identifizierten eine Reihe von geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich
der klinischen Präsentation des chronischen Pruritus, der zugrunde liegenden Erkrankungen
sowie der Lebensqualität. Nach Meinung der Autoren müssen diese Unterschiede bei der
Behandlung von Patienten mit chronischem Pruritus berücksichtigt werden. Zukünftige
Forschungen sollten sich auf die Entwicklung einer geschlechtsspezifischen Diagnostik
und Therapie konzentrieren.