Schlüsselwörter
Azetabulumfraktur - Flügelplatte - optisches Messsystem - Stoppa-Zugang - Beckeneinbeinstand
Key words
acetabular fracture - wing plate - optoelectronic 3D camera measuring system - Stoppa approach - one-leg stand pelvic model
Einleitung
Azetabulumfrakturen sind selten [1], können aber bei der Versorgung eine
Herausforderung für den Operateur darstellen [1], [2].
Typischerweise resultieren Azetabulumfrakturen als Folge eines Hochrasanztraumas. Hierbei kommt es häufig
zu einer Verletzung der hinteren Wand und/oder des hinteren Pfeilers [3],
gefolgt von T-Frakturen [4]. In den letzten Jahren deutlich zunehmend sind
jedoch Azetabulumfrakturen infolge von Niedrigenergietraumata bei älteren Patienten mit osteoporotischer
Knochenstruktur. Hier entsteht die Fraktur durch die Protrusion des Hüftkopfs. Die Frakturen weisen
neben einer ventralen Hauptkomponente zumeist auch eine Medialisierung der quadrilateralen Fläche, z. T.
mit Imprimat des Pfannendachfragments (Gull Sign) [5], [6], [7], auf. Typische Frakturformen sind hierbei die Fraktur des
vorderen Pfeilers mit hinterer Hemiquerfraktur sowie die Zweipfeilerfraktur [8].
Bei multifragmentären osteoporotischen Frakturen ist es oft schwierig, durch die flächige Abstützung mit
den bewährten schmalen Plattensystemen den sekundären Korrekturverlust zu verhindern, weshalb in der
Vergangenheit von einigen Autoren auch eine aufwendige Implantation einer Hüfttotalendoprothese mit
Abstützring oder sogar die konservative Behandlung erwogen wurde [5], [9]. Jedoch sind die Standzeiten von Hüftendoprothesen direkt nach
Azetabulumfrakturen kürzer als nach primären Hüftendoprothesen [10], [11] und Revisionsoperationen nach schon primär eingebrachten Abstützringen
aufwendiger [11]. Vor dem Hintergrund steigender Zahlen osteoporotischer
Azetabulumfrakturen bei Menschen mit einem hohen körperlichen Aktivitätsanspruch steigt auch das
Bestreben, durch eine anatomische Osteosynthese nach Azetabulumfraktur einen festen Knochenstock zu
rekonstruieren, der ein gutes funktionelles Ergebnis ermöglicht oder bei Ausbildung einer
posttraumatischen Arthrose einen begrenzt invasiven Oberflächenersatz an der Hüfte gestattet. Die
funktionellen Ergebnisse konservativ behandelter, zentral luxierter Azetabulumfrakturen sind nicht
zufriedenstellend und häufig mit sekundären Komplikationen behaftet [11].
Aus dieser Situation heraus entstand der Anspruch, ein Implantat zu entwickeln, das eine flächige
Reposition und Abstützung zentral dislozierter, multifragmentärer Azetabulumfrakturen gestattet und über
wenig invasive Zugangswege auch bei älteren Patienten eine anatomische Rekonstruktion ermöglichen
soll.
Die klassische Osteosynthese erfolgt über einen ilioinguinalen Zugang mit Fixation einer langen Platte
entlang der Beckeneingangsebene ([Abb. 1]) [12].
Die Stabilität wird über lange Schrauben vom vorderen in den hinteren Pfeiler entlang der
quadrilateralen Fläche erreicht. Diese Schrauben können dabei eine Länge von 80 bis 90 mm haben,
teilweise sogar über 100 mm.
Abb. 1 Beckenmodell mit typischer Lage der 3,5-mm-J-Platte links, Position der von medial
eingebrachten Platte am Modell; Beispiel einer 86-jährigen Patientin, mit typischer Osteosynthese
über einen Stoppa-Zugang versorgt.
In den letzten Jahren hat sich bei diesen zentralen, mehrfragmentären Frakturkomponenten auch der
modifizierte Stoppa-Zugang bewährt. Hierüber kann auch eine vorkonturierte Platte von innen angebracht
werden [13], die der Medialisierung entgegenwirkt ([Abb. 1]). Die zumeist eingebrachte Kleinfragmentplatte hat jedoch nur eine geringe
Auflagefläche und kann insbesondere bei mehrfragmentären Frakturen nur ein teilweise ungenügendes
Widerlager bieten [5].
Die Anforderungen an die Entwicklung einer neuen Platte bestehen in:
-
vergleichbarer Stabilität der Osteosynthese gegenüber aktuellen Verfahren,
-
flächiger Abstützung der quadrilateralen Fläche,
-
einfacher Applikation und
-
der Möglichkeit zusätzlicher Schraubeneinbringung über das 1. Fenster zur Fixierung des hinteren
Pfeilers gegen den vorderen Pfeiler.
Als Resultat wurde eine „Azetabulum-Flügelplatte (acetabula wing plate)“ entwickelt ([Abb. 2]).
Abb. 2 Die neue Azetabulum-Flügelplatte links, Beckenmodell mit einliegender „Flügelplatte“
rechts.
Material und Methoden
Verwendet wurden 8 handelsübliche Kunststoffmodelle der Firma Synbone® (Malans, Schweiz) mit bereits
eingebrachter Fraktur des vorderen Pfeilers, hoch auslaufend, und Beteiligung der quadrilateralen Fläche
[14]. Nachempfunden wurde der Einbeinstand. Hierfür wurde ein
Beckenmodell in einer Prüfmaschine justiert, sodass eine zentrale Krafteinleitung über das Os sacrum und
die rechte „Hüfte“ möglich war. Als Widerlager wurde eine an der Bodenplatte fixierte Duokopfprothese
verwendet [15].
Für die kontrollierte Krafteinleitung wurde das Beckenmodell auf der frakturierten Seite auf einer
Duokopfprothese gelagert und die Belastung über einen Sockel aus Hartschaum im Sinne eines
LWK-V-Ersatzes in das Os sacrum eingeleitet. Durch eine Simulation des dorsalen Bandapparats mit
standardisiert gespannten Kabelbindern wurde die Kraft auf die belastete Beckenschaufel übertragen.
Analog wurde die Symphyse durch standardisiert eingebrachte Bänder verstärkt. Zur Stabilisierung des
Beckenmodells in der Horizontalen bei Krafteinleitung über die Wirbelsäule diente eine ebenfalls
standardisiert eingebrachte Simulation der Glutealmuskulatur, die durch vorgedehnte Seile mit einer
Reißkraft von über 500Nm den Zug von der Beckenschaufel auf einen dem Trochanter major entsprechenden
Ansatzpunkt überträgt.
Durch eine in der sagittalen Ebene variable Winkeleinstellung der Krafteinleitung in LWK V und durch die
Verwendung einer in a.–p. Richtung angeordneten Walze zur Krafteinleitung in die Deckplatte von LWK V
konnte auf zusätzliche abstützende oder balancierende Maßnahmen verzichtet werden ([Abb. 3]) [16], [17], wie sie durch
andere Autoren für Beckeneinbeinstandmodelle in der Literatur angegeben worden sind [17], dabei jedoch kein natürliches Pendant im Menschen haben.
Abb. 3 Beckenmodell bereit für Messzyklus mit der neuen Flügelplatte.
Vor Beginn der Messzyklen wurde bei jedem Beckenmodell der Winkel in LWK V im Scharnier über 2 Schrauben
feinjustiert, sodass bei axialer Belastung von oben das Becken in der Sagittalebene nach links
ausweichen und nach der Kraftreduktion selbstständig wieder in die Ausgangslage zurückgleiten konnte
([Abb. 3]).
Mit einer Materialprüfmaschine (Zwick GmbH & Co. KG, Ulm, Modell zwicki-Line®) wurde eine
trizyklische Messung mit jeweils steigenden Belastungsstufen von 50, 100, 150, 200 und 250 N
durchgeführt. Zwischen den einzelnen Messzyklen wurde das System wieder in die Ausgangsposition
zurückgefahren und überprüft, ob es zu einer plastischen Verformung gekommen war. Da es im Rahmen eines
Vorversuchs bei 320 bzw. 330 N zu einem Schraubenausbruch gekommen war ([Abb. 13]), wurde für die Messreihe die Belastung bis 250 N gemessen (s. u.). Die Reihenfolge
der Versuchsdurchführung der Osteosyntheseverfahren erfolgte randomisiert ([Tab. 1]).
Abb. 4 Versuchsanordnung: Bild links: die Prüfmaschine mit eingespanntem Beckenmodell und
optischem Messsystem; Bild in der Mitte: Röntgenbild des Beckenmodells mit angebrachter
Flügelplatte; Bild rechts: Röntgenbild des Beckenmodells mit angebrachter J-Platte.
Abb. 5 Definition der Messpunkte für die Abstandsmessung.
Abb. 6 Erklärung der Auswertung – Punktabstand.
Abb. 7 Exemplarisches Datenblatt der Abstandsanalyse in mm.
Abb. 8 Darstellung der einzelnen Ebenen für die Messung der Fragmentverkippung. Rot: „vorderer
Pfeiler“; blau: „hinterer Pfeiler“; grün: „quadrilaterale Fläche“.
Abb. 9 Winkeldefinitionen anhand eines Koordinatensystems.
Abb. 10 Farbige Darstellung der Relativbewegung in mm.
Abb. 11 Exemplarisches Datenblatt der Winkelanalyse.
Abb. 12 Plattenausbruch in einer Vorversuchsreihe, beide bei der herkömmlichen
Plattenosteosynthese: links: Schraubendislokation bei 330 N, rechts: Bruch im Bereich des vorderen
Pfeilers bei 320 N.
Abb. 13 Postoperative Verlaufskontrolle des 86-jährigen Patienten 6 Tage nach operativer
Versorgung mit der neuen Azetabulum-Flügelplatte (Beckenübersicht, Ala-, Obturator-Aufnahme).
Tab. 1 Randomisierte Reihenfolge der Versuchsdurchführung.
Platte
|
Position
|
Becken LP
|
2
|
1
|
2
|
1
|
1
|
2
|
2
|
1
|
Flügel
|
1
|
2
|
1
|
2
|
2
|
1
|
1
|
2
|
Im Messbereich des optischen Messsystems wurden multiple optische Messpunkte über das gesamte
Beckenmodell verteilt. Die Marker wurden mit einem optischen Messsystem (PONTOS® der Firma GOM®,
Braunschweig) erfasst und deren Bewegung 3-dimensional festgehalten ([Abb. 10]) [18]. Die Auswertung erfolgte im Anschluss anhand der
Positionsveränderung der Marker zueinander und im Raum. Für die Auswertung wurden die 3 Fragmente des
Modells als „hinterer Pfeiler“, „vorderer Pfeiler“ und „quadrilaterale Fläche“ bezeichnet.
Als Osteosynthese wurde die von uns in Zusammenarbeit mit der Firma DePuy Synthes® (Zuchwil, Schweiz)
entwickelte Flügelplatte ([Abb. 2]) gegen eine
14-Loch-3,5-mm-Becken-Low-Profile-Platte (LP, Stahl; DePuy Synthes) als Standardosteosynthese ([Abb. 1]) verglichen, wobei bei beiden Osteosynthesen der hohe Anteil des
vorderen Pfeilers zusätzlich mit einer 4-Loch-Stahl-LP-Platte gegen den hinteren Pfeiler stabilisiert
wurde ([Abb. 4]).
Ergebnisse
Ausgewertet wurde zum einen die Abstandsänderung an 2 Stellen der Fraktur ([Abb. 5]), zum anderen die Rotation der einzelnen Fragmente bez. ihrer Raumposition ([Abb. 8]). Unterschieden wurde hier der Nick-, Gier- und Rollwinkel. Der
Nickwinkel entspricht einer Rotation in der Frontalebene, der Gierwinkel in der Axialebene und der
Rollwinkel in der Sagittalebene ([Abb. 9]). Beide Messreihen waren
hinsichtlich der Frakturbewegung und der Fragmentverkippung insgesamt sehr ähnlich. Bei der
Versuchsreihe mit der Flügelplatte konnte eine tendenziell höhere Stabilität ohne statistische
Signifikanz gefunden werden. Nach statistischer Analyse der gewonnenen Daten über einen t-Test zeigte
sich, dass eine Erhöhung der Anzahl untersuchter Beckenmodelle bis zur Erzielung signifikanter
Ergebnisse bei einer Power von 90 % mit dem vorliegenden Studienbudget nicht umsetzbar war.
In allen Fällen konnte unter Belastung ein sehr gutes Repositionsergebnis gehalten werden.
Die Auswertung im Einzelnen
Abstandmessung
Bei der Auswertung der Frakturspaltbewegung fanden sich geringe Unterschiede in beiden Gruppen.
Die plattenferne Fragmentbewegung bei der neuen Flügelplatte war an der lateralen Messstelle bei
7 von 8 Fällen geringer als bei der herkömmlichen Plattenosteosynthese ([Abb. 6]). Im Durchschnitt wurde eine Frakturspaltbewegung bei der „alten Platte“ von
0,25 mm in X-Richtung, 0,53 mm in Y-Richtung und 0,55 mm in Z-Richtung, bei der neuen
Flügelplatte von 0,35 mm in X-Richtung, 0,54 mm in Y-Richtung und 0,54 mm in Z-Richtung gemessen
([Abb. 7]).
Verkippung der Fragmente
Die Flügelplatte hat bei 7 von 8 Messzyklen eine geringere Verkippung der Fragmente „vorderer
Pfeiler“ zu „hinterer Pfeiler“ ([Abb. 11]) im Nickwinkel als die
herkömmliche Platte gezeigt. Mithilfe der Azetabulum-Flügelplatte konnte das quadrilaterale
Fragment besser stabilisiert werden. Durchschnittlich wurde die Verkippung der quadrilateralen
Fläche zum vorderen Pfeiler von 0,97° mit der herkömmlichen Platte auf 0,72° mit der
Flügelplatte reduziert. Die Verkippung bez. des hinteren Pfeilers konnte von 1,08° auf 0,78°
verbessert werden. Die Winkel zwischen dem vorderen und dem hinteren Pfeilerfragment waren mit
0,42° bei der Flügelplatte und 0,47° bei der J-Platte sehr ähnlich.
Bei der Messmethode mit der herkömmlichen Platte kam es im Vorversuch 2-mal (320 N und 330 N) zu
einem Plattenausbruch ([Abb. 12]). Beide Modelle konnten für die
Versuchsdurchführung mit der Flügelplatte weiterverwendet und sogar bis 350 N belastet werden.
Als Konsequenz wurde bei der Versuchsreihe auf eine Belastung über 250 N verzichtet.
Diskussion
Die Applikation der neuen, vorkonturierten Platte war in allen Fällen einfach möglich mit hoher
Passgenauigkeit zum Beckenmodell. Die biomechanische Versuchsreihe hat gezeigt, dass die neu entwickelte
anatomische Azetabulum-Flügelplatte vergleichbar gute mechanische Ergebnisse wie die bewährte
Plattenosteosynthese liefert. Tendenziell fand sich bei der Flügelplatte eine höhere Stabilität, jedoch
ohne statistische Signifikanz. Die Frakturspaltbewegungen waren für beide Osteosyntheseverfahren
vergleichbar gering. Die Auswertung der Fragmentverkippung zeigte mit der Flügelplatte eine konstant
geringere Torquierung zwischen dem vorderen und hinteren Pfeilerfragment. Besonders eindrücklich war die
veränderte Stabilität bei der Fixierung der quadrilateralen Fläche. Zu berücksichtigen ist dabei, dass
die Versuche an einem normalen Knochenmodell durchgeführt wurden. Bei einem osteoporotischen
Knochenmodell wären wohl eher deutlichere Unterschiede zu erwarten.
Die axiale Krafteinleitung bis 250 N über das Os sacrum spiegelt nicht die Hüftanpresskräfte im
Azetabulum wider, die in dem verfügbaren Setup nicht gemessen werden konnten. Andere Autoren nehmen bei
vergleichbarem Setup die Belastung im Einbeinstand [21] mit 800 N
entsprechend einer Vollbelastung an [14]. Im hier verwendeten Setup konnte
nach Vorversuchen wegen bauartbedingt zunehmender Dislokation der SI-Fugen eine solche Belastung nicht
durchgeführt werden.
Die Fixierung der quadrilateralen Fläche wird häufig als schwierig beschrieben und von einigen Autoren,
neben der Verletzung des Domfragments, als einer der entscheidenden prognostischen Faktoren für das
Langzeitergebnis gesehen. In einer Cochrane-Analyse in der Zeitschrift Injury 2013 wurden alle
englischsprachigen Publikationen, die sich mit der Problematik dieser speziellen anatomischen Region
beschäftigen, analysiert und ausgewertet [5]. Verglichen wurden die
konservative Therapie gegen die operative sowie die einzelnen OP-Methoden. Insgesamt wurden 1573 Studien
beurteilt. Daraus konnten 16 inkludiert werden. Die Studie analysierte Veröffentlichungen zwischen 1956
und 2012.
Als Quintessenz der Studie sahen die Autoren, dass bis in die 60er-Jahre hauptsächlich eine konservative
Behandlung propagiert wurde, die jedoch einer langen Zeit der Teilbelastung und teilweise auch Bettruhe
mit angelegtem Extensionsgestell bedurfte [5]. Da die Verletzung der
quadrilateralen Fläche jedoch vermehrt bei älteren Patienten auftritt, ist diese Therapie heute nicht
mehr anzustreben. Die Risiken der Begleitproblematik wie Thrombosen, Herz-Kreislauf-Versagen oder
Pneumonie sind zu groß [22], [23].
In der jüngeren Literatur wird laut der Analyse vermehrt die operative Therapie angeraten, jedoch wird
die Fixierung der quadrilateralen Fläche oftmals als großes Problem beschrieben. Einige Autoren
betrachten die unzureichende Reposition als Problem der richtigen Zugangswahl, für andere Autoren liegt
das Problem in der stabilen Abstützung dieser anatomischen Struktur [5].
Laflamme et al. [24] konnten über einen modifizierten Stoppa-Zugang in 52,4 %
eine anatomische Reposition mit sehr guten Ergebnissen zeigen. Jedoch kam es bei 4 Fällen zu einem
sekundären Korrekturverlust und dadurch zu einem raschen Fortschreiten der Arthrose. Chen et al. 2001
[25] und Farid 2010 [26] beschreiben die
zusätzliche Absicherung mit einer Draht- bzw. Kabel-Cerclage zur besseren Abstützung. Die Autoren sehen
die Einbringung als weitgehend sicher und unkompliziert an. Aktuell am weitesten verbreitet dürfte wohl
die Abstützung mittels sog. Spring Plate sein. Tscherne und Pohlemann empfehlen in ihrem Buch über die
Beckenchirurgie zur besseren Abstützung hierfür bereits 1998 die Verwendung der breiteren H-Platte.
Unabhängig von anderen OP-Methoden wird durch den Einsatz der 3-D-Bildwandler im OP das
Repositionsergebnis dank der intraoperativen CT-ähnlichen Kontrolle deutlich verbessert [27]. Erkenntnisse über eine tatsächliche Verbesserung der Langzeitergebnisse
nach einer Azetabulumverletzung liegen jedoch in der Literatur noch nicht vor.
Medizinischer Einsatz und Ausblick
Medizinischer Einsatz und Ausblick
Die Testreihe erbrachte eine zumindest zur aktuellen Plattenosteosynthese vergleichbare stabile
Osteosynthese. Die neue Flügelplatte stabilisiert hierbei gleichzeitig die quadrilaterale Fläche. Die
Applikation erfolgt weichteilschonend über den modifizierten Stoppa-Zugang alleine oder in Kombination
mit dem 1. Fenster nach Letournel [28], [29], [30], denkbar wäre auch die Verwendung des Pararectus-Zugangs
[31], wie er von Keel et al. beschrieben wurde. Damit konnten die
ursprünglichen Ziele der Entwicklung erfüllt werden.
Wir haben bei 8 Patienten diese Platte bereits angewandt. Die Platzierung war über den Stoppa-Zugang in
Kombination mit dem 1. Fenster in allen Fällen sicher möglich. Wir konnten in allen Fällen ein
patientenspezifisches Implantat nach dem Vorbild der Flügelplatte gestalten und darüber eine gute
Reposition erreichen ([Abb. 13]). Im 3-Monats-Follow-up konnte kein
sekundärer Repositionsverlust beobachtet werden. Eine prospektive Studie mit größerer Fallzahl ist
notwendig, um die klassische Anwendbarkeit besser zu beurteilen.
Fazit
Der erste klinische Einsatz der patientenspezifischen anatomischen Azetabulum-Flügelplatte konnte neben
der biomechanischen Stabilität das gute Handling zur Reposition mehrfragmentärer Frakturen der
quadrilateralen Fläche mit zentraler Dislokation bestätigen, auch wenn das biomechanische Setup nicht
die klinische Belastungssituation bei alten Menschen mit oft fehlender Fähigkeit zur Teilbelastung
wiedergeben kann. Für die Serienreife dieser Platte müssen jedoch noch kleinere Anpassungen vorgenommen
werden, um den variablen anatomischen Gegebenheiten gerecht zu werden.
Wir sehen bei der Flügelplatte das vordringliche Einsatzgebiet bei Frakturen mit zentraler Luxation vor
allem bei älteren osteoporotischen Menschen, da hier die herkömmlichen Verfahren keine ausreichende
Abstützung der quadrilateralen Fläche zugelassen haben. Bei steigender Patientenzahl mit
osteoporotischen Azetabulumfrakturen und hohem körperlichen Anspruch steigt der Bedarf an ein solches
Implantat.