Pathophysiologie der chronisch respiratorischen Insuffizienz
Pathophysiologie der chronisch respiratorischen Insuffizienz
Das respiratorische Kontrollsystem dient zur Aufrechterhaltung der Säure-/Basenhomöostase,
der Blutgase sowie der Steuerung der rhythmischen Kontraktion und Tonisierung der
an der Atmung beteiligten Muskulatur. Dies muss in Anpassung an die spezifischen Leistungsanforderungen
des Organismus geschehen. Die Kenngröße einer respiratorischen Insuffizienz ist das
Verhalten der arteriellen Blutgase, wobei die Hypoxämie als respiratorische Partialinsuffizienz
Ausdruck einer Oxygenierungsstörung und die Hyperkapnie als respiratorische Globalinsuffizienz
Ausdruck einer ventilatorischen Störung sind. Bronchopulmonale Erkrankungen können
langfristig zu einer Störung von Gasaustausch und Atemmechanik und damit zu einer
chronisch respiratorischen Insuffizienz führen [1]. Pathogenetisch kann eine Hypoxämie durch eine Reduzierung der Gasaustauschfläche,
eine Störung der alveolo-kapillären Diffusion sowie eine Perfusionsstörung oder eine
Kombination dieser Mechanismen bedingt sein. Die respiratorische Partialinsuffizienz
stellt meist den Beginn einer unzureichenden Sauerstoffversorgung des Organismus dar.
Dabei können vor allem bei Patienten mit fibrosierenden Lungenerkrankungen Normalwerte
in Ruhe einen gravierenden Sauerstoffmangel bei körperlicher Belastung maskieren.
Zu beachten ist, dass ein Sauerstoffmangel, insbesondere wenn er sich langsam entwickelt,
für den Betroffenen subjektiv oft kaum oder nicht spürbar ist. Somit kommt der exakten
Anamnese mit Blick auf reduzierte Belastungsintensitäten und eingeschränkten Mobilitätsradius
große Bedeutung zu. Durch schrittweise Anpassung der Alltagsaktivitäten an die eigenen
reduzierten Kapazitäten kann eine solche Entwicklung bis hin zu bedenklichen, nicht
realisierten Limitationen der Oxygenierung führen.
Bei einer respiratorischen Globalinsuffizienz, der Kombination von Hypoxämie und Hyperkapnie,
sind Faktoren wie das Vorliegen einer Funktionsstörung der Atemmuskulatur, Muskeldystrophien,
thorakorestriktive Erkrankungen mit Beeinflussung der Atemmechanik, eine Reduktion
des Atemantriebs sowie primäre oder sekundäre Hypoventilationssyndrome ursächlich
von Bedeutung. Das Verhältnis von Belastung und Leistungsfähigkeit des respiratorischen
Systems ist bei diesen Erkrankungen zu Ungunsten einer erhöhten Last verschoben. Die
Überbeanspruchung bzw. Ermüdung der Atemmuskulatur bei hyperkapnischer respiratorischer
Insuffizienz ist pathophysiologisch bedeutsam [1]. Eine vermehrte und dauerhafte Beanspruchung der Atemmuskulatur kann zu einer zunehmenden
Erschöpfung der Muskelkraft bei erhöhtem Energieverbrauch führen. Anpassungsbedingt
stellt der Organismus eine Schonatmung ein, die mit einer Erhöhung des pCO2 einhergeht.
Bei einem Teil der Patienten mit einer chronisch respiratorischen Insuffizienz kommt
es erstmals während des Schlafes zur Manifestation von Hypoxämie und Hyperkapnie [2]
[3]. Schreitet die Erkrankung voran, sind die Blutgasalterationen in Form einer Globalinsuffizienz
auch am Tage zu objektivieren. Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz am
Tage weisen insbesondere im REM-Schlaf Hypoxie- und Hyperkapniephasen auf [3]. Vor allem bei Patienten mit schwergradiger COPD und Lungenemphysem kommt es im
REM-Schlaf zum Auftreten von langstreckigen Hypoventilationsphasen und ausgeprägten
Blutgasveränderungen. Pathophysiologisch erklärt sich die Hypoventilation durch eine
Zunahme der Atemarbeit bei REM-assoziiertem Ausfall der inspiratorischen Atemhilfsmuskulatur
und veränderter Chemorezeptorsensitivität. Die respiratorische Globalinsuffizienz
ist in der Regel den weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien vorbehalten. Hier gilt
es, den Nutzen einer LTOT subtil zu evaluieren bzw. in seltenen Fällen eine mögliche
Gefährdung durch unkritische Sauerstoffgaben auszuschließen.
Die therapeutischen Optionen der chronisch respiratorischen Insuffizienz müssen notwendigerweise
den pathophysiologischen Mechanismen Rechnung tragen. Dies bedeutet, dass neben der
medikamentösen Therapie Maßnahmen zur Anwendung kommen müssen, die zur „Entlastung“
und „Erholung“ der Atemmuskulatur, zur Korrektur der Hypoxämie und zur Vermeidung
schlafassoziierter Hypoventilationen beitragen.
In den letzten Jahren hat sich die Behandlungsstrategie der chronischen Lungenerkrankungen
– insbesondere der COPD – dahingehend verändert, dass neben dem medikamentösen Ansatz
vor allem der Bewegungstherapie eine grundlegende Bedeutung zugemessen wird [4]
[5]. Ambulante und stationäre Rehabilitation und Lungensport sind mittlerweile etablierte
Therapiekonzepte für Patienten mit mittelgradiger und auch schwerer COPD. Das Risiko
der Hospitalisierung sowie der Mortalität ist bei körperlich aktiven Patienten mit
COPD signifikant geringer. Die Effekte der Sport- und Bewegungstherapie können jedoch,
insbesondere bei Patienten mit schwergradigerer Erkrankung, nur dann aufrechterhalten
werden, wenn ein regelmäßiges und der Erkrankung angepasstes körperliches Trainingsprogramm
beibehalten wird. Das bedeutet zwangsläufig, dass bei den Patienten auch eine ausreichende
Oxygenierung unter Belastung gewährleistet sein muss, die die Mobilität erhöht.
Die Trainingstherapie sollte dauerhaft zu einer gesteigerten körperlichen Aktivität
im Alltag führen, was zumeist eine grundlegende Bewusstseinsänderung beim Patienten
voraussetzt. Um häuslich aktiv und mobil zu sein und auch zu bleiben, ist eine mobile,
den Alltagsbedingungen angepasste Sauerstoffversorgung notwendig.
Die Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT)
Die Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT)
Basis der nichtmedikamentösen Therapie bei chronisch respiratorischer Insuffizienz
mit relevanter Hypoxämie (PaO2 in Ruhe ≤ 55 mmHg) stellt die Langzeitapplikation von Sauerstoff dar. Die Korrektur
der Hypoxämie durch Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration dient der
Sicherstellung der zellulären Organfunktion. Dabei müssen jedoch weitere Faktoren
wie eine ausreichende Hämoglobinkonzentration und eine ausreichende kardiale Pumpleistung
berücksichtigt werden. Ziel der Sauerstofftherapie sollte es sein, einen PaO2 > 60 mmHg (7,98 kPa) oder eine Sauerstoffsättigung von > 90 % sicherzustellen. Eine
verbesserte Überlebensrate von Patienten mit COPD durch eine kontinuierliche Sauerstoffgabe
wurde sowohl in der Medical Research Council, MRC-Studie [6] als auch in der Nocturnal Oxygen Therapy Trial, NOTT-Studie [7] nachgewiesen. Hinsichtlich der zugrundeliegenden Mechanismen wurde eine Verbesserung
der pulmonalen Hämodynamik mit einer Verhinderung eines weiteren Anstiegs des pulmonalarteriellen
Drucks (PAP) bzw. einer Abnahme des PAP beschrieben [8]
[9].
Studien zur Beurteilung des Effektes einer Langzeit-Sauerstoff-Therapie haben zeigen
können, dass die Verlängerung der Lebenserwartung von Patienten mit chronisch respiratorischer
Insuffizienz eindeutig positiv mit der Hyperkapnie und nicht mit der Ausprägung der
Hypoxämie zu Beginn der Therapie bzw. deren Korrektur korreliert. Als diesen Ergebnissen
zugrundeliegende pathophysiologische Rationale ist anzunehmen, dass die Sauerstoffapplikation
zu einer Reduzierung des Atemminutenvolumens, sprich zu einer Hypoventilation mit
geringer, konsekutiver Hyperkapnie, führt. Die Hypoventilation wird somit als therapeutischer
Benefit interpretiert, zumal sie zu einer Entlastung der Atemmuskulatur und zu einer
Regenerierung der Energiespeicher führt. Dieser Mechanismus kann auch als permissive
Hyperkapnie bezeichnet werden.
In einer Studie bei COPD-Patienten mit schwerer Hypoxämie (PaO2 < 55 mmHg), bei denen eine Langzeit-Sauerstoff-Therapie eingeleitet wurde, zeigte
sich eine schlechtere Prognose bei denjenigen Patienten, die eher dem „emphysematösen“
Typus entsprachen [10]. Eine verbesserte Prognose hingegen fand sich bei Patienten mit „bronchitischem“
Typus und mäßiger Hyperkapnie. Vergleichbare Ergebnisse mit inverser Relation zwischen
Mortalität und PaCO2 bei Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis ergab die Analyse des französischen
ANTADIR-Registers [11]. In den Jahren 2014 und 2015 ist mit den Ergebnissen zweier großer Multizenterstudien
zu rechnen, die sich mit dem Einfluss der LTOT auf die Prognose von Patienten mit
COPD sowie Hypoxämie in Ruhe oder Belastung auseinandersetzen. Wahrscheinlich haben
vor allem diejenigen Patienten einen prognostischen Zugewinn, bei denen die Langzeit-Sauerstoff-Therapie
eine mäßige Hypoventilation mit Abnahme der Atemarbeit und Entlastung der Atemmuskulatur
induziert. Es spricht einiges dafür, dass bestimmte Subgruppen der Patienten mit COPD
von einer Langzeit-Sauerstoff-Therapie in besonderem Maße profitieren. Positive Effekte
der Sauerstoffapplikation umfassen zudem eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit
und des neuropsychologischen Status. Eine leichtgradige respiratorische Globalinsuffizienz
bzw. ein moderater Anstieg des PaCO2 unter Sauerstoffapplikation stellen, entgegen der früheren Lehrmeinung, sicher keine
Kontraindikation für eine Langzeit-Sauerstoff-Therapie dar. Eine LTOT ist auch dann
durchführbar, wenn die Patienten unter Sauerstoffgabe eine stabile chronische hyperkapnische
Insuffizienz aufweisen. Bei einer ausgeprägteren CO2-Retention sollte zur Entlastung der Atemmuskulatur eine intermittierende Selbstbeatmungstherapie
in Erwägung gezogen werden.
Entscheidungskriterien zur LTOT
Entscheidungskriterien zur LTOT
Sauerstoff ist nach deutschem Gesetz ein Medikament und als solches nur vom Arzt zu
verordnen. Anpassungen der O2-Therapie dürfen somit ebenfalls nur durch einen Arzt erfolgen, zumal unkritische
Applikationen von Sauerstoff den Patienten akut gefährden können.
Die Kriterien der verschiedenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften
zur Einleitung der Langzeit-Sauerstoff-Therapie sind weitgehend einheitlich [12]
[13]. Wenngleich die Prognoseverbesserung durch die LTOT hauptsächlich bei Patienten
mit COPD und chronischer Hypoxämie nachgewiesen wurde, so besteht Konsens darüber,
dass diese Therapie bei allen Patienten mit Hypoxämie unabhängig von deren Genese
durchgeführt werden sollte. Wesentlich ist, dass die Indikationsstellung in einer
stabilen Phase der Grunderkrankung unter optimaler medikamentöser Therapie erfolgt.
Erst wenn der Patient vier Wochen lang ausreichend medikamentös therapiert worden
ist und keine Verbesserung der Blutgaswerte eintritt, sollte eine LTOT eingeleitet
werden. Die Blutgase sollten mittels arterieller oder kapillärer Blutgasanalyse dokumentiert
und die erforderlichen O2-Flussraten durch eine entsprechende Testung ermittelt werden. Darüber hinaus sollte
bei mobilen Patienten eine Überprüfung der Blutgase unter körperlicher Belastung erfolgen.
Falls möglich sollte auch die notwendige O2-Flussrate für die Nacht eruiert werden. Ziel ist die Sicherstellung eines stabilen
PaO2 > 60 mmHg. Die minimale Sauerstoffapplikationsdauer sollte unter Einschluss der Schlafzeit
16 Stunden nicht unterschreiten, da ein prognostischer Effekt von der täglichen Therapiedauer
abhängt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass innerhalb dieses anzustrebenden Zeitraums
die Phasen des größten Sauerstoffbedarfs, nämlich der körperlichen Aktivität, eingeschlossen
sind. Dies wird im klinischen Alltag oft missverstanden, indem die Nachtruhe und Zeiten
von Inaktivität zu 16 Stunden aufaddiert werden.
Für die ausschließliche Therapie nächtlicher Hypoxämien mit Sauerstoff bei Patienten
mit einem PaO2 ≥ 55 mmHg am Tage ohne Zeichen der Rechtsherzbelastung bzw. Polyglobulie gibt es
hinsichtlich der Mortalitätsabnahme zwar keine Evidenz, dennoch wird diese in den
deutschen Leitlinien [12] empfohlen, wobei auf eine Senkung des mittleren pulmonal-arteriellen Drucks um 3,7 mmHg
hingewiesen wird. Eine nächtliche Sauerstofftherapie hatte bei 76 COPD-Patienten mit
mäßiger Hypoxämie am Tage (PaO2 56 – 69 mmHg) und nächtlichen Desaturationen im randomisierten Vergleich über einen
Zeitraum von 3 Jahren jedoch keinen Einfluss auf die pulmonale Hämodynamik oder die
Prognose [14].
Die ärztliche Verordnung der Langzeit-Sauerstoff-Therapie sollte neben den Blutgasbefunden
in Ruhe und unter Belastung (mit/ohne Sparventil) die genauen Angaben der O2-Flussrate in l/min sowie die Bezeichnung des Sauerstoffsystems enthalten. In der
Regel wird bei mobilen Patienten ein Flüssigsauerstoffapplikationssystem mit mobilem
Zusatzteil oder ein mobiler Konzentrator zum Einsatz kommen. Die Verwendung sog. Spar-
oder Demandsysteme mit inspiratorisch getriggerter O2-Freisetzung erlaubt die Einsparung von O2. Die Applikation von Sauerstoff erfolgt in der Regel über Nasensonden. Eine weitere
Möglichkeit besteht in der transtrachealen Applikationsweise des Sauerstoffs (Scoop-Katheter),
die ebenfalls eine Minderung des O2-Verbrauchs ermöglicht [15]. Bei Patienten, die hohe Flussraten für eine ausreichende Substitution benötigen,
kann auch eine größerlumige Sauerstoffbrille, z. B. Oxymizer Pendant®, sehr hilfreich sein [16].
Generell ist selbstverständlich die Kooperationsfähigkeit des Patienten Voraussetzung
für eine erfolgreiche Durchführung der LTOT. Verlaufskontrollen der Blutgasanalyse
zur eventuellen Anpassung der LTOT sowie eine Schulung der Patienten werden als dringend
notwendig erachtet [17]. Ob Patienten, die weiter rauchen, von der Therapie ausgeschlossen werden sollten,
ist immer wieder Gegenstand der Diskussion. Zweifellos stellt sich hier die Sinnfrage,
juristisch existiert eine Grauzone. In jedem Fall ist es ratsam, sich von rauchenden
LTOT-Patienten die durchgeführte Information hinsichtlich der Risiken einer Explosionsgefahr
bei gleichzeitiger Anwendung von Rauchen und LTOT gegenzeichnen zu lassen.
Entsprechend der Leitlinien ist der Einsatz einer Langzeit-Sauerstoff-Therapie bei
einem oder mehreren der folgenden Kriterien indiziert:
-
Ruhe-PaO2 < 55 mmHg mit und ohne Hyperkapnie (mindestens 3 mal in 4 Wochen)
-
Ruhe-PaO2-Werte zwischen 55 und 59 mmHg bei Nachweis einer pulmonal-arteriellen Hypertonie,
peripheren Ödemen als Hinweis auf eine Rechtsherzinsuffizienz oder eine Polyglobulie
-
Abfall des PaO2 auf weniger als 55 mmHg bei körperlichen Belastungen, die Aktivitäten des täglichen
Lebens entsprechen
-
Hypoxämie während des Schlafs
-
Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit unter LTOT
Welches Gerät für welchen Patienten?
Welches Gerät für welchen Patienten?
Immobile Patienten
Immobile Patienten sind mit einem stationären Sauerstoffkonzentrator grundsätzlich
gut versorgt. Die Geräte sind sehr schwer und ausschließlich für den Heimgebrauch
geeignet. Der Aktionsradius des Patienten ist vom Konzentrator sowie der jeweiligen
Schlauchlänge abhängig.
Alltagsmobile Patienten
Mobile Patienten, die mehrere Stunden am Tage unterwegs sind, benötigen entweder eine
Funktionseinheit aus einem stationären Flüssigsauerstofftank sowie einem mobilen tragbaren
System oder einen mobilen Konzentrator [17]
[18]
[19]. Die neu auf dem Markt befindlichen Minikonzentratoren weisen den entscheidenden
Vorteil auf, dass sie den Patienten unabhängig von der Versorgung mit Flüssigsauerstoff
machen und überall betrieben werden können, wo Strom verfügbar ist. Dies schließt
bei vielen Systemen auch den Betrieb im PKW ein. Mobile Konzentratoren haben jedoch
auch Nachteile: Fast alle mobilen Konzentratoren sind mit einem Demandsystem ausgestattet,
nur wenige Systeme gewährleisten wahlweise auch einen Dauerfluss von Sauerstoff [18]. LeBlanc sowie Chatburn u. Mitarb. konnten anhand eines Vergleichs mobiler Sauerstoffkonzentratoren
zeigen, dass aufgrund unterschiedlicher technischer Spezifikationen (Bolusvolumen,
Triggerschwelle etc.) nicht ohne Weiteres von einer vergleichbaren Oxygenierung der
Patienten ausgegangen werden kann [20]
[21]. Mobile Konzentratoren sind in der Regel nicht geeignet für Patienten, die einen
Flow von > 4 l/min benötigen. Ein Nachteil der Minikonzentratoren ist zudem deren
Lautstärke sowie die geringe Akkuleistung.
Spar- oder Demandsysteme – ein wenig beachtetes Problem!
Spar- oder Demandsysteme – ein wenig beachtetes Problem!
Sparsysteme verfügen über ein Ventil, das sich nur bei der Inspiration öffnet und
entsprechend den Vorgaben – Inspirationszeit, Triggerschwelle, Bolusgröße – eine bestimmte
Menge an Sauerstoff abgibt. Bei der Ausatmung verschließt sich das Ventil. Sparventile
sind prinzipiell sinnvoll, können aber bei sauerstoffbedürftigen Patienten auch zu
einer Gefährdung führen. Die „Demandfähigkeit“ muss vor dem dauerhaften Einsatz getestet
werden, denn nicht jeder Patient ist in der Lage, die Öffnung des Ventils, insbesondere
bei körperlicher Belastung, adäquat zu triggern, da Patienten dann oft zur Mundatmung
neigen, sodass der inspiratorische Trigger nicht ausgelöst wird und somit überhaupt
keine Sauerstoffabgabe stattfindet [18]. Patienten mit fortgeschrittener Lungenerkrankung sind zweifellos Risikopatienten,
bei denen es zu drastischen Sauerstoffunterversorgungen mit Auftreten von zerebralen
und kardialen Ischämien sowie Herzrhythmusstörungen kommen kann. Insbesondere unter
körperlicher Belastung, bei Zunahme des peripheren O2-Bedarfs und erhöhter Atemfrequenz, kann die Hypoxämie oft nicht mehr kompensiert
werden. Dieser wichtige Aspekt wird häufig nicht bedacht! Die klinische Praxis zeigt,
dass dies insbesondere für Patienten mit Lungengerüsterkrankungen gilt. Solche Patienten
neigen bei Belastung zu erheblicher Tachypnoe.
Die Vielzahl der Demandsysteme stellt aufgrund der unterschiedlichen Parametervorgaben
ein Problem bzw. eine oft schwer lösbare Herausforderung für den Patienten, den Arzt
und den Versorger dar. Sauerstoff ist ein Medikament, das bei jedem Patienten individuell
– und vom Arzt verordnet! – für Ruhe- und Belastungsphasen dosiert werden muss. Dabei
ist nicht zu tolerieren, dass Systeme seitens der Provider oder der Krankenkassen
einfach ausgetauscht oder gewechselt werden. Wenn ein Patient auf ein mobiles Flüssigsauerstoffsystem
mit Demandsystem titriert wurde, so bedeutet das eben nicht, dass dieses System –
ohne erneute O2-Testung! – durch einen mobilen Konzentrator ersetzt werden kann. Es ist auch nicht
damit getan, den Ruhebedarf eines Patienten an Sauerstoff zu ermitteln und den Bedarf
unter Belastung stereotyp mit einem Pauschalwert „Ruhewert ± 2 l“ festzulegen.
Patienten mit LTOT sollten bezüglich der Therapie ausreichend informiert und geschult
werden. Die Ergebnisse der Compliancestudien belegen, dass ein erhebliches Informationsdefizit
bei den Patienten vorliegt [22]
[23]. Bei Kontrolluntersuchungen gilt es zu klären, ob eine adäquate O2-Versorgung des Patienten (auch mit einem Sparventil) gewährleistet bleibt. Der Einsatz
von Demandsystemen ist sowohl bei der Flüssigsauerstoff- als auch bei der Konzentratortherapie
kritisch zu begleiten und zu kontrollieren. Die Demandfähigkeit sollte vom Arzt im
Sauerstoffpass – soweit vorhanden! – fixiert werden.
Compliance
Den meisten Patienten mit einer Langzeit-Sauerstoff-Therapie ist nicht bewusst, dass
es sich bei der Applikation von Sauerstoff um eine medikamentöse Therapie handelt.
Diese Therapie kann jedoch, ebenso wie die antiobstruktive bei COPD, nur dann effektiv
sein, wenn eine regelhafte und korrekte Applikation erfolgt. Viele Patienten sind
der Auffassung, dass Sauerstoff abhängig macht, demzufolge erfolgt auch keine adäquate
Nutzungsdauer. Katsenos und Constantopoulos haben in ihrer Übersichtsarbeit die Faktoren
identifiziert, die zu einer vergleichsweise schlechten Therapiecompliance führen [21]: Neben dem Abhängigkeitsgefühl sind dies die Nebenwirkungen (trockene Schleimhaut,
Nasenbluten etc.), eine falsche Erwartungshaltung hinsichtlich des Therapiebenefits
sowie ein Schamgefühl gegenüber der Öffentlichkeit (Stigmatisierung). Der Arzt sollte
den Patienten hinsichtlich falscher Erwartungen „Ich nehme Sauerstoff, bemerke aber
überhaupt keine Verbesserung meines Befindens“ aufklären. Compliance-mindernd ist,
dass vor allem COPD-Patienten oft keine unmittelbare Verbesserung des Befindens bzw.
der Leistungsfähigkeit erleben.
Den Literaturangaben zufolge ist die Therapiecompliance hinsichtlich der LTOT daher
eher schlecht [21]
[22]. Berücksichtigt man die enormen Kosten der Sauerstofftherapie, so ist hier Handlungsbedarf
gegeben. Es erscheint einleuchtend, dass die tägliche Alltagsmobilität eines Patienten
mit chronisch respiratorischer Insuffizienz abhängig ist von der Ausprägung des pulmonalen
Krankheitsbildes. Bei der Auswahl eines Therapiegerätes sollte zunächst der noch für
möglich gehaltene individuelle Mobilitätsgrad ermittelt werden. Je stärker sich die
Therapie an den Alltagsbedürfnissen des Patienten ausrichtet, desto besser wird die
Compliance sein. Ein bislang unterschätztes Problem stellt die verwirrende Vielfalt
der Applikationssysteme und Sparventile dar. Die individuelle Patienteneinstellung
auf Sauerstoff sowie eine begleitende Geräteeinweisung sind notwendige Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Langzeit-Sauerstoff-Therapie. Die Aufgabe des Arztes ist es,
den Patienten zu begleiten sowie die medikamentöse Therapie und die LTOT zu überwachen.
Die klinische Praxis zeigt nach wie vor ein erhebliches Maß von sogenannten under-/over-
bzw. non-usern. Unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten wäre es daher empfehlenswert,
einer aufwendigen differenzialdiagnostischen LTOT-Indikationsabklärung und deren stetigen
Überprüfung im weiteren Verlauf durch angemessene Entgeltpauschalen Rechnung zu tragen.
Wenn dadurch die Zahl der korrekten LTOT-Benutzung steigt, Nichtnutzer identifiziert
werden und durch Schulung und Motivation von der Notwendigkeit einer LTOT überzeugt
werden können, dann wird sich der nicht unbedeutende wirtschaftliche Ressourceneinsatz
lohnen. Die Beendigung von im Alltag nicht genutzten LTOT-Verordnungen würde den wirtschaftlichen
Spielraum für solche Entgelte schaffen können.
Durchführung einer Sauerstofftitration
Durchführung einer Sauerstofftitration
Es ist verständlich, dass der Bedarf an Sauerstoff unter körperlicher Belastung ein
erheblich größerer sein wird als der in Ruhe oder im Schlaf. Die Messungen zur bestmöglichen
Einstellung eines Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz sollten deshalb
in Ruhe und unter Belastung vorgenommen werden. Zu prüfen ist insbesondere, ob der
mobile Patient, der auf ein Demandsystem eingestellt werden soll, unter Belastung
ausreichend oxygeniert wird. Die belastungsinduzierte Hypoxämie sollte z. B. mittels
eines 6-Minuten-Gehtests objektiviert werden. Ziel muss es sein, das richtige O2-System mit einer ausreichenden Zielsättigung während der gesamten O2-Therapiephase für den Patienten vorzuhalten. Auch die Schlafphase sollte in die dauerhafte
Sauerstoffversorgung miteinbezogen werden, stellt sie doch eine Zeitspanne von etwa
6 bis 8 Stunden mit veränderter Atemtiefe dar. Wie sollte nun eine optimale Einstellung
des individuellen Sauerstoffbedarfs durchgeführt werden?
Blutgasanalyse in Ruhe ([Abb. 1])
Abb. 1 Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT).
Nach einer Ruhephase von 15 min Durchführung einer BGA unter Raumluftatmung mittels
Blutentnahme aus dem hyperämisierten Ohrläppchen. Wenn der PaO2 ≤ 55 mmHg, Applikation von 2 l O2/min über eine Nasensonde über eine Zeitdauer von > 5 min. Dann erneute Durchführung
einer BGA. Die Sauerstoffgabe sollte zu einem Anstieg des PaO2 ≥ 60 mmHg (SaO2 ≥ 90 %) führen. Bei nicht ausreichendem Anstieg Steigerung der O2-Flussrate auf 3 oder 4 l/min.
Blutgasanalyse unter Belastung ([Abb. 2])
Abb. 2 Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT) bei Belastung.
Durchführung einer Belastung (z. B. 6-Minuten-Gehtest oder Ergometertest) ohne O2-Gabe. Der Patient wird aufgefordert, eine markierte Wegstrecke in einem für sich
normalen Tempo 6 Minuten lang zu gehen. Die zurückgelegte Wegstrecke und die Bestimmung
der Blutgase nach der Belastung geben dem Arzt eine Information darüber, ob überhaupt
die Notwendigkeit der Einleitung einer mobilen LTOT besteht. Zur Beurteilung subjektiv
empfundener Atemnot sollte der Patient diese auf einer Borg-Skala bewerten. Wenn der
PaO2 unter Belastung auf ≤ 55 mmHg fällt, empfiehlt sich die Applikation von 3 – 4 l O2/min über eine Nasensonde und eine erneute Bestimmung der Gehstrecke, der Blutgaswerte
und der Dyspnoe am Ende der Belastung. Bei integriertem Demandsystem ist selbstverständlich
ebenfalls eine Überprüfung der Gehstrecke und Analyse der BGA vor und unter Belastung
notwendig. Während der Belastungsphase besteht die Option der kontinuierlichen Dokumentation
der Sauerstoffsättigung via Pulsoxymeter.
Blutgasanalyse im Schlaf
Eine Bestimmung der Sauerstoffsättigung (Pulsoxymeter) in der Nacht sollte ohne und
mit Gabe von 2 l Sauerstoff erfolgen.
Fazit
-
Sauerstoffgabe ist eine medikamentöse Therapie, die bei nicht adäquater Applikation
den Patienten akut und chronisch gefährden kann.
-
Die LTOT (stationär/mobil und Flüssigsauerstoff/Konzentrator) sollte dem Patienten
individuell angepasst werden.
-
Vor Einleitung einer mobilen LTOT bedarf es der arteriellen bzw. kapillär durchgeführten
Blutgasanalyse in Ruhe und nach Belastung.
-
Der Einsatz von Spar- bzw. Demandventilen ist kritisch zu prüfen. Er ist nur aufgrund
ärztlicher Verordnung gerechtfertigt und bedarf engmaschiger Kontrollen!
-
Die LTOT sollte primär durch einen Lungenfacharzt verordnet werden.
-
Eine Umstellung mobiler Flüssigsauerstoffsysteme auf miniaturisierte Konzentratoren
darf – aufgrund der unterschiedlichen Systemkonfigurationen – nur nach Durchführung
von erneuten Blutgasanalysen durch den Arzt vorgenommen werden.
Abkürzungen
LTOT:
Long Term Oxygen Therapy (Langzeit-Sauerstoff-Therapie)
COPD:
chronic obstructive pulmonary disease